Weniger ist mehr
RPGs sind normalerweise dafür bekannt, fesselnde Geschichten mit mitreißenden Charakteren zu erzählen. Die spannende Erzählung bindet den Spieler an die Spielwelt und kann im besten Fall Hunderte Stunden vergehen lassen, ohne dass man es überhaupt bemerkt. Was passiert aber, wenn man diesen Gesichtspunkt außen vor lässt und sich ausschließlich auf das Gameplay und unterschiedliche Mechaniken konzentriert? Macht es dann überhaupt noch Spaß, Figuren aufzuwerten, zu denen man augenscheinlich keine Verbindung aufbaut? Und wie sieht es mit der Motivation aus, das Ende des Spiels zu erreichen? Entwickelt von ehemaligen Entwicklern der Final Fantasy-Reihe, entführt euch Dungeon Encounters in ein verworrenes Labyrinth voller Geheimnisse und fokussiert sich auf Aspekte, die viele Rollenspiele heutzutage als veraltet abstempeln.
Wie eingangs erwähnt, ist die Handlung auf das Mindeste heruntergeschraubt. Nachdem ein mysteriöser Irrgarten wie aus dem Nichts plötzlich auftaucht und Horden von Monstern mit sich bringt, machen sich unterschiedliche Abenteurer auf den Weg, nur ein Ziel zu erreichen: das Ende des Labyrinths. Erzählt wird die Prämisse mithilfe einfacher Textboxen, die zunächst unheimlich zweckdienlich wirken, aber immerhin keine Zeit verschwenden, die Reise so schnell wie möglich zu starten. Bevor es allerdings in die Tiefen des Dungeons geht, stellt ihr eine Gruppe aus unähnlichen Charakteren zusammen. Dabei steht euch eine nicht zu unterschätzende Auswahl an Figuren zur Verfügung, was nicht nur den Wiederspielwert erhöht, sondern gleichzeitig ein wichtiges Feature des Spiels vorstellt. Fällt eure Gruppe nämlich im Kampf, müsst ihr auf andere Kämpfer zurückgreifen und könnt euch somit niemals auf festgesetzte Charaktere beschränken. Glücklicherweise behalten besiegte Figuren ihren Level bei und werden trotz ihres Ablebens niemals auf null gesetzt. Dennoch seid ihr dadurch aber gezwungen, immer wieder die Gruppenzusammenstellung zu variieren und könnt demnach selbst bestimmen, wie frustrierend eine Niederlage im Gefecht nun letztendlich ist.
Das Kampfsystem selbst läuft rundenbasiert ab und wird durch kleine Artworks und minimalistische Effekte dargestellt. Auf den ersten Blick fällt sofort auf, dass sich Dungeon Encounters auf das Nötigste beschränkt und alle Informationen kompakt wiedergibt, ohne das Geschehen grandios in Szene zu setzen. Wie man nun zu diesem Minimalismus steht, liegt ganz bei euch, jedoch ist es nicht zu leugnen, dass die einfach gehaltene Natur des Spiels einen eigenen Charme besitzt. Immerhin hat die plumpe Geschichte diesen Standard schon zu Beginn festgesetzt und macht sich deswegen auch keine Mühe, etwa das Geschehen auf eine spektakuläre Weise in Szene zu setzen. Ebenso schlicht aufgesetzt sind die Regeln des Kampfsystems. Jedem Charakter ist es möglich, entweder einen physischen oder magischen Angriff auszuführen, die beide unterschiedliche Effekte erzielen. So besitzen sämtliche Akteure im Kampf insgesamt drei Energieleisten: ein magischer sowie physischer Schutzschild und die eigentlichen Energiepunkte. Erst wenn einer der beiden Schilde auf null gebracht wird, ist es möglich, dem Feind ernsthaften Schaden zuzufügen, was auch für eure Gruppe gilt. Eine Energieleiste teilt euch mit, wann jemand in der Lage ist zu agieren, wodurch ihr euch stets an das Kampfgeschehen anpassen und wenige Runden vorausschauen könnt.
Um perfekt auf Auseinandersetzungen vorbereitet zu sein, stehen euch traditionelle Mittel wie verschiedene Ausrüstungen oder spezielle Fähigkeiten zur Verfügung. Diese reichen von einfachen Ausrüstungsgegenständen bis hin zu nützlichen Magiesprüchen und können einen großen Unterschied im Gefecht machen. Doch aufgepasst: Während sich sowohl der magische als auch physische Schutzschild nach einem Kampf automatisch wieder auflädt, gilt dies nicht für eure Lebensenergie. Und da es nicht möglich ist, traditionelle Items wie Heilkräuter im Kampf einzusetzen, erhält jedes Gefecht das nötige Risiko, um die 100 Ebenen so mühsam wie möglich zu inszenieren.
Der allgemeine Dungeon selbst ist nämlich Dreh- und Angelpunkt des Spiels. Anders als in herkömmlichen Rollenspielen durchstreift ihr keine malerischen Landschaften, sondern erforscht geradlinige Flächen, die gewissermaßen an ein Spielbrett erinnern und sich in 100 Etagen erstrecken. Dabei fungieren Felder mit Zahlen als Event und lösen entweder eine Auseinandersetzung mit Monstern aus, heilen das komplette Team oder bringen euch in die nächste Ebene. Wichtig zu erwähnen ist hierbei, dass die Etagen nicht zufallsgeneriert sind. Geht also euer Team einmal zugrunde und ihr beschließt, das Abenteuer von vorne zu starten, bleibt jede Ebene in seiner Struktur unverändert. Dies gilt allerdings nicht für die Kämpfe, wodurch ihr entweder die Gelegenheit bekommt, ein paar Level aufzusteigen oder einfach vorbeizumarschieren. Des Weiteren findet ihr gelegentlich nützliche Informationen zu unterschiedlichen Gegnertypen. Unter anderem enthalten die Verzeichnisse Tipps zu Schwächen und generellen Attributen, weswegen es immer eine gute Idee ist, nicht sofort den Weg zur nächsten Ebene zu suchen.
Ähnlich sieht es bei Fähigkeitenpunkten aus, die freigeschaltet werden, sobald ihr eine gewisse Anzahl an Feldern betreten habt. Möchtet ihr brauchbare Vorteile, wie beispielsweise die Möglichkeit, im Kampf zu flüchten, sind Fähigkeiten essenziell und da ihr ohne diese es ohnehin nur sehr schwierig haben werdet, weit zu kommen, schafft es das Spiel auf diese Weise euch ausreichend zu motivieren, eine Ebene zu vervollständigen. So charmant die Darstellung der Spielwelt auch sein mag, entscheidet letztlich die unheimliche Simplizität, ob ihr etwas mit dem Abenteuer anfangen könnt. Die Geschichte ist sozusagen bis auf die Prämisse nicht vorhanden und da sich die Etagen optisch nur marginal voneinander unterscheiden, ist der generelle optische Stil äußerst monoton. Ebenso minimalistisch verhält es sich mit dem Soundtrack, der es mit nur wenigen Instrumenten und einfachen Melodien schafft, jedem Kampf und jeder Ebene die nötige Atmosphäre zu geben. So schön der Soundtrack auch ausfällt, wird es leider mit der Zeit etwas anstrengend, der immer gleichen Musik zu lauschen, weswegen es sicherlich im Bereich des Möglichen gewesen wäre, zumindest die Kampfmusik alle 20 Ebenen ein wenig zu variieren.
Unser Fazit

6
Überzeugend