Test zu Pokémon Strahlender Diamant - Nintendo Switch
Wenn die Vergangenheit an die moderne Tür klopft
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17. November 2021 um 15:00 - Simon Münch
Fast schon unerträglich ist die Wartezeit auf die aktuellen Titel des Pokémon-Franchise. Das Internet wird seit jüngster Zeit regelrecht überflutet mit Informationen und Meinungen verschiedenster User aus aller Welt. Auch wenn es jetzt zur Veröffentlichung dieses Textes noch heißt, ein paar Tage bis zum Release zu warten, hatten wir bei ntower die Gelegenheit, vorzeitig einen Blick auf die Titel Pokémon Strahlender Diamant und Leuchtende Perle zu werfen. Die Titel Pokémon Diamant-Edition und Perl-Edition erschienen hierzulande im Jahre 2007 für den zu der Zeit aktuellen Handheld Nintendo DS. Viele, vor allem damals junge Spieler, werden sich einen Nintendo DS nur wegen dieser beiden Titel zugelegt haben. Ein wahres Urgestein der Pokémon-Geschichte durch die intelligente Einbindung des Touchscreens und alten bekannten Elementen des Gameplays. Seit Jahren lechzen nun schon Pokémon-Fans nach einem Remake dieser Titel und doch überraschend gab es die Ankündigung, dass die Spiele am 19. November 2021 erscheinen werden. Doch dieses Mal hat GAME FREAK bei der Produktion nicht seine Finger im Spiel – diese Suppe wurde vom Entwicklerstudio ILCA gekocht, das zuvor beispielsweise an Pokémon HOME arbeitete. Kann sich ILCA bei dieser Produktion behaupten oder war das Projekt tatsächlich von Anfang an zum Scheitern verurteilt? Schauen wir uns das einmal genau an.
Schauplatz der Remakes Pokémon Strahlender Diamant und Leuchtende Perle ist die Region Sinnoh mit dem riesigen Kraterberg im Zentrum der Landschaft. Als junger Trainer kommt ihr durch einen Zufall gemeinsam mit eurem Kindheitsfreund an ein Starter-Pokémon. Ihr habt dabei die Wahl zwischen Plinfa (Wasser), Panflam (Feuer) und Chelast (Pflanze). Ausgerüstet mit einem Pokédex, dem Lexikon über alle Pokémon der Region, streift ihr durch die quirlige und bunte Welt von Sinnoh und versucht nicht nur alle Orden zu sammeln und der Champion zu werden, sondern auch eine dunkle Verschwörung apokalyptischen Ausmaßes zu stoppen.
Das Labor des Professors ist nur ein Beispiel für die detailgetreue Nachbildung der Sinnoh-Region.
© Nintendo / Creatures / GAME FREAK
Die Handlung ist typisch für Pokémon. Die Geschichte beginnt zunächst beschaulich in einem kleinen Dorf und der hiesigen Nachbarschaft. Von Anfang an werden Spieler zaghaft an die Hand genommen und an das Gameplay herangeführt. Neben kleinen, anfangs vor allem niedlichen Pokémon werden die Kämpfe erst im Verlauf der Handlung anspruchsvoller. Der Spannungsbogen der Handlung ist schlicht überzeugend. Da die Geschichte leicht zu verstehen und kleinschrittig aufgebaut ist, können auch junge Spieler voll auf ihre Kosten kommen.
Das Kampf-Gameplay des Spiels hat im Vergleich zu den Ablegern Pokémon Schwert und Schild keine wesentlichen Veränderungen erfahren. Das klassische rundenbasierte Kampfsystem besteht daraus, dass ihr aus maximal vier Attacken eine auswählen könnt, die dann das gegnerische Pokémon treffen. Ziel ist es, dass die Kraftpunkte des Kontrahenten auf null fallen und dem gegnerischen Trainer die Gefährten ausgehen. Hierbei haben Attacken so wie die Pokémon verschiedene Typen, die wie Elemente funktionieren. Dabei ist es euer Ziel, Typen gegen andere Typen auszuspielen. Feuer ist zum Beispiel sehr effektiv gegen Eis, wohingegen Eis sehr effektiv gegen Flug-Pokémon ist. Der Geist- und Normal-Typ haben sogar gar keine Wirkung aufeinander.
Tiefer greift dieses System, wenn Attacken noch zusätzliche Effekte haben oder Pokémon über zwei Typen verfügen. Neben reiner Kampfkraft, die durch Statuswerte dargestellt wird und bei jedem Pokémon individuell mit jedem neuen Level ansteigt, kann auch die Freundschaft zwischen Trainer und Pokémon positive Effekte entfalten. Im Kontrast zu den Originalen aus dem Jahre 2007 haben Spieler nun den Typ Fee mit dabei, welcher damals noch nicht existierte. Das ändert besonders bei Typenwechselwirkungen die Regeln. Außerdem spielt die bereits erwähnte Freundschaft eine Rolle. So können beispielsweise Attacken kritischen Schaden austeilen bzw. einen Volltreffer landen, wenn ein Pokémon eurer Liebe wegen Eindruck bei euch schinden möchte. Mega-Entwicklungen und andere Arten der Kampferweiterungen wie bei Pokémon Schwert und Schild sind bei dieser Produktion allerdings nicht implementiert.
Sinnoh ist im Vergleich zu vielen Regionen vielseitig in seinen Erkundungsmöglichkeiten. Die Hauptstadt der Pokémon-Fans dieser Region ist Herzhofen. Diese Stadt knistert vor Liebe und Feuer für die kleinen und großen Taschenmonster. Neben seiner vielen Mehrfamilienhäuser gibt es auch einige verschiedene Örtlichkeiten, die euch helfen, mehr Liebe und Vertrauen zu euren Pokémon zu fassen. In Herzhofen ist es auch möglich, ein Feature freizuschalten, das euch erlaubt, mit einem Pokémon aus eurem Team in der Sinnoh-Region herumzulaufen. Dabei muss es nicht das Pokémon sein, das an erster Steller steht. Ihr könnt frei aus den maximal sechs Partnern wählen, die euch auf eurer Reise begleiten dürfen.
Alle Pokémon der ersten bis vierten Generation lassen sich in eurem nostalgisch anmutenden Pokédex registrieren.
© Nintendo / Creatures / GAME FREAK
Bekannt aus den Originalen ist der Park der Freunde. In diesem Erholungsort kann man mit einer bestimmten Auswahl an Pokémon spazieren gehen und den Park erkunden – und wer weiß, vielleicht euer Partner auch spannende Items, die euer Abenteuer versüßen können. Der Park bietet euch zudem die Möglichkeit, mehrere Pokémon aus den Bällen zu rufen und sie herumlaufen zu lassen. Mittels eines einfachen Tastendrucks könnt ihr sie zurückpfeifen und sehen, was eure Begleiter so treiben. Wenn ihr gerne den Kochlöffel schwingt, könnt ihr mit euren Pokémon im Park auch richtige Leckereien zaubern.
Viele Regionen haben eine Delikatesse, wofür sie bekannt sind. In Pokémon Schwert und Schild waren es die Curries – in der Sinnoh-Region sind es die sogenannten Knurspe. Knurspe sind kuchenartige Leckereien, welche Pokémon lieben. Je nachdem, welche Beeren ihr als Zutaten verwendet, könnt ihr den Geschmack eurer Knurspe beeinflussen. Denn wie bei Menschen gilt auch bei Pokémon, dass auch sie nur bestimmte Geschmacksrichtungen mögen. Dabei ist das Futtern von Gebäck nicht nur ein Vergnügen. Je nach Geschmacksrichtung werden eure Pokémon in ihrer Ausstrahlung beeinflusst. Klugheit, Niedlichkeit und andere Ausstrahlungen scheinen vom Essen abzuhängen – getreu dem Motto: „Du bist, was du isst.“ Leider wird der Touchscreen beim Backen der Knurspe nicht unterstützt.
Wer die Originaltitel gespielt hat, weiß genau, wofür diese Eigenschaften und Knurspe nötig sind: Schönheitswettbewerbe. Dieser Gameplay-Klassiker hat in der dritten Generation seine Wurzeln und hat bei der Diamant- und Perl-Edtion seine Hochphase gefunden. In den vorliegenden Remakes haben die Wettbewerbe aber dramatisch abgespeckt. Anstelle der damaligen drei Runden (Dekorieren, Tanzen und Attackenvorführung) sind es nun zwei Runden, wovon eine eigentlich nicht als richtige Runde gezählt werden kann. Zu Beginn des Wettbewerbs wählt ihr ein Pokémon aus, das teilnehmen soll. Ihr selbst schmeißt euch daraufhin in Schale und tretet gegen drei andere Trainer und ihre Pokémon an. In der ersten Runde werden die Trainer und ihre Begleiter vorgestellt. Je nachdem, wie viel Ausstrahlung euer Partner für diesen Wettbewerb mitbringt und wie viele passende Sticker auf dem Pokéball angebracht sind, reagiert das Publikum positiv oder negativ. Nach dieser kurzen Vorstellung geht es direkt ans Tanzen. Es erwartet euch ein Rhythmusspiel, bei welchem ihr die Pokémon fast schon traurig hin- und herwackeln und sklavenartig umherlaufen seht, während ihr einfach nur auf euer Signal wartet, eine bestimmte Taste zu drücken. Einmalig könnt ihr eine von euch anfangs gewählte Attacke ausführen, die das Publikum begeistern soll. Geschicktes Einsetzen dieser Attacke kann über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Nachdem dieser Trauertanz abgeschlossen ist, gibt es die finale Wertung und der Star des Wettkampfes wird gewählt. Nach Ende eines Wettbewerbs bekommt man das Gefühl, dass hier eher an Inhalten gespart wurde. Auch wenn die Wettbewerbe auf dem Nintendo DS vergleichsweise lange dauerten, machte das eigentlich den Spaß aus. Letztlich hat man auf dem Weg zum Champion – was die eigentliche Erfüllung des Spielziels ist – allerdings ohnehin keinen Grund, die Wettbewerbe mitzumachen. Man macht sie aus Spaß und Interesse – ein Zeitsparen oder Kürzen von solchen Kernelementen ist nichtsdestotrotz nicht gewinnbringend für die Spieler, sondern macht die Wettbewerbe zu einem schnell langweiligen und dann wirklich sinnlosen Unterfangen.
Klebt die Sticker auf das 3D-Modell und seht euch unkompliziert deren visuelle Wirkung in der Vorschau an.
© Nintendo / Creatures / GAME FREAK
Etwas aufgewertet wird diese Enttäuschung aber durch die Rückkehr und Verbesserung der Pokéball-Kapseln. Schon sehr früh in eurem Abenteuer bekommt ihr die Chance, eigene Kapseln zu gestalten. Ihr könnt euch diese wie eine Art Handyhülle vorstellen, die ihr selbst mit Stickern bekleben könnt. Sticker bekommt ihr von verschiedenen NPCs geschenkt, ihr könnt sie aber auch kaufen oder gegen Beeren eintauschen. Die erfolgreich beklebten Kapseln könnt ihr dann quasi als Ausrüstung an einem Pokéball anbringen. Beim Kampfeinsatz eines Pokémon zeigen die Sticker dann verschiedene Effekte wie aufsteigenden Rauch oder Konfetti. Positiv ist nicht nur die frühe Verfügbarkeit im Spiel, sondern auch die Möglichkeit der Ausgestaltung. So könnt ihr in einem gesonderten Menüpunkt, wo auch die Tasche und die Karte zu finden sind, die Sticker an einem drehbaren 3D-Modell anbringen. Ein Feature, das durch die technischen Limitierungen zur damaligen Zeit nicht möglich gewesen ist. Außerdem sind eine Vielzahl von neuen Stickern zu der alten Sammlung hinzugekommen. Ihr erhaltet auch besondere Sticker, wenn ihr Arenaleiter besiegt. So werden die Gestaltungsmöglichkeiten schier endlos.
Ähnliche Anpassungsoptionen gibt es nun auch bei der Wahl der Kleidung für eure Spielfigur. Bei älteren Titeln war man an die Kleidung des Protagonisten gebunden. Mit Pokémon X und Y wurde dieses System aber generalüberholt. Pokémon Strahlender Diamant und Leuchtende Perle hat sich an diese Modernisierung angepasst. In Schleiede, eine mit Kaufhaus und Deoxys-Meteoriten ausgestattete Stadt, findet ihr ein Modegeschäft, bei dem ihr euch gegen Geld teils sehr schicke Klamotten kaufen könnt. Dabei erwerbt ihr komplette Klamottensets, die ihr dann anziehen könnt. ILCA hat mit diesem Klamottengeschäft ein wichtiges Problem gelöst: Glücksspiel ist in diesen Remakes nicht mehr dabei. Das Modegeschäft ersetzt das Schleiede-Casino, das in den Ursprungstiteln an selber Stelle stand. Für mich war das Casino früher ein witziger Zeitvertreib, aber nun als Erwachsener bin ich froh, dass zum Schutze der jüngeren Spieler dieser Teil des Spiels sinnvoll ersetzt wurde.
Seht ihr diese Kiste in der linken oberen Ecke? Der dunkle Hintergund deutet auf einen Schatz mit hohem Seltenheitswert hin.
© Nintendo / Creatures / GAME FREAK
Der geheime Star des Spiels ist das Untergrundsystem von Sinnoh. Unterhalb von Städten, Bergen und Wäldern findet sich ein weitläufiges Höhlensystem, welches auf wagemutige Abenteurer wartet. Pokémon Strahlender Diamant und Leuchtende Perle bieten euch quasi ein vollwertiges weiteres Abenteuer, wenn ihr hinabsteigt in die Tiefen der Erde. In einer Art Minispiel könnt ihr Erze an bestimmten Punkten mittels Radar aufspüren. Mit Joystick oder auch Touchscreen könnt ihr dann mit zwei verschiedenen Werkzeugen Sphären oder auch mysteriöse Schatzboxen ausgraben. Dieser Gameplay-Aspekt macht unfassbar viel Spaß und bringt den Suchtfaktor vergangener Tage mit sich. In den erwähnten Boxen findet ihr dann Pokémon-Statuen, welche in eurer Geheimbasis aufgestellt werden können. Diese beeinflussen dann das Auftauchverhalten von Pokémon in den Unterschlupfen.
Unterschlupfe? Ja, richtig gehört! Der Untergrund wurde durch ein Unterschlupfsystem erweitert. In diversen Teilen des Untergrunds findet ihr verschiedene Kammern, in denen wiederum unterschiedliche Biome vertreten sind. In diesen Kammern läuft ein großer Mix an Pokémon, die so in der Sinnoh-Region nicht zu finden sind, für euch auf dem Bildschirm sichtbar herum. Offensichtlich sollte man dieses Feature wohl nutzen, um an seltene Pokémon heranzukommen oder den Pokédex zu vervollständigen. Durch die erwähnten Statuen in eurer Geheimbasis könnt ihr den Typ der auftauchenden Pokémon manipulieren. Stellt ihr zum Beispiel viele Statuen von Typ Geist in eurer Basis auf, erscheinen in den Kammern mehr Geist-Pokémon. Die Themen der Kammern reichen von Wald bis Sumpf und Wüste – ihr werdet viele kleine Welten erkunden können.
Je nach an der Erdoberfläche gewähltem Einstiegspunkt landet ihr an einem anderen Ort im Untergrund. Manche Bereiche des Untergrunds sind nur durch bestimmte Einstiegspunkte erreichbar. Regelmäßiges Abtauchen lohnt sich also. Neben der Haupthandlung habe ich bereits zig Stunden im Untergrund verbracht. Ein kleines Ärgernis ist, das Sphären nicht mehr vergraben werden können, um größer zu werden. Sphären sind nun nach ihrer Größe (S, M und L) und nicht mehr nach Level gegliedert. Darüber hinaus konnte ich keine aus den Ursprungstiteln bekannten Fallen ausfindig machen. Schade ist zudem, dass sich die Geheimbasis leider nur mit Statuen und Sockeln gestalten lässt. Minispiele wie das Fahnenstehlen sind somit wohl aus dem Spiel verschwunden. Mittels Online- oder Lokalmodus kann man gemeinsam mit Freunden oder Rivalen auf die Jagd nach Pokémon und Sphären gehen – welche möglichen Vorteile dies bringt, ließ sich bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Tests leider nicht herausfinden.
Hitzig von der Community seit der Enthüllung des Projekts bei der letzten Pokémon Presents-Ausgabe diskutiert, ist der Grafikstil, welcher für diese Remakes gewählt wurde. Bisher war es Tradition, dass Remakes ähnlich grafisch ausgearbeitet sind wie die aktuelle Generation der Hauptreihe. Schon Pokémon: Let’s Go, Pikachu! und Let's Go, Evoli! haben dieses System allerdings durch ihren eigenen Grafikstil etwas aufgeweicht. Spätestens ILCA bricht mit den vorliegenden Remakes mit dieser Tradition aber nun endgültig. Statt die grafische Ähnlichkeit zu Pokémon Schwert und Schild zu suchen, hat Pokémon Strahlender Diamant und Leuchtende Perle eine völlig andere Herangehensweise.
Schön dich wiederzusehen, Cynthia. So süß hatte ich dich gar nicht in Erinnerung.
© Nintendo / Creatures / GAME FREAK
Alt und neu – der Versuch, das Original nachzuempfinden und moderne Elemente einfließen zu lassen, oder auch den Spagat zwischen jungen, neuen Spielern und alteingesessenen Kennern zu schaffen. ILCA hat sich grafisch dafür entschieden, einen niedlichen und vor allem farbenfrohen Stil zu wählen. Die Charaktere sind in einer Art Chibi-Look ausgearbeitet, also riesiger Kopf und einen kleinen plumpen Körper. Diese Stilrichtung sorgt für ein ähnliches Spielgefühl wie bei der Let’s Go-Reihe. Generell wirkt die Umgebung sehr wie eine Spielzeugwelt, die aus meiner Sicht viel Charme versprüht und einfach funktioniert. Interessant ist, dass die Kämpfe konträr zum besonderen Stil wiederum in normalen Proportionen stattfinden. Dort werden die Charaktere in einer natürlichen Größe dargestellt. Der Vorteil dieses Chibi-Stils liegt auf der Hand: Es ist auf diese Weise möglich, das Gefühl aus der Kindheit zu erzeugen, als viele Spieler die Originale spielten. Das Spiel bekommt so eine hochwertige und moderne Note, ohne seine Wurzel zu vergessen.
Man muss an dieser Stelle aber auch berechtigte Kritik benennen: Nicht jeder Spieler wird diese Umsetzung so angenehm finden. Auch wenn die primäre Zielgruppe dieser Titel wohl Kinder und Jugendliche sind, gibt es auch viele Erwachsene, die aus nostalgischen Beweggründen zu den Spielen greifen. Dieser Teil der Spielerschaft scheint allerdings nicht berücksichtigt worden zu sein, was ein wenig Trübsal erzeugt. Im Zuge dieses Stils versucht das Produktionsteam darüber hinaus auch mit der Kameraführung zu spielen, sodass ihr hin und wieder einen Perspektivwechsel erlebt, welcher näher an die Personen heranzoomt. Aus der Nähe wirken die Proportionen aber eher unangenehm und wenig attraktiv. Eine zusätzliche Schwäche offenbart sich bei den hinterherlaufenden Pokémon. Wenn man diese vor sich herschiebt, stolpern und zucken diese nur so vor sich hin. Außerdem ist bei vielen Begleitern die Laufgeschwindigkeit im Vergleich zu der Figur sehr gering, sodass sie euch kaum folgen können und ständig hinter euch neu auftauchen. Im Gegensatz dazu bewegen sich die NPC sehr schnell und ruckartig. Auf diese Weise scheint es häufig, als würden sie sich unnatürlich wie auf einem Schachbrett bewegen. Was damals vielleicht normal war, hätte man auf heutige Standards anpassen können. Diese Art der Bewegung hat mich zu Beginn des Spiels erst erschreckt und dann einfach nur gestört.
Besonders positiv hervorheben möchte ich jedoch die Kampfumgebungen. Wie man es von Spielen der Pokémon-Reihe kennt, hat jeder Ort seine charakteristische Umgebung. Das Produktionsteam rund um ILCA hat an dieser Stelle wahren Geschmack bewiesen. Die Kampfbereiche erscheinen mit sehr viel Liebe zum Detail designt. Manche Arenakämpfe glänzen so nicht etwa durch das im Kampf gezündete Feuerwerk, sondern durch die grafische Ausarbeitung des Spielfelds. Spiegelnde Böden und verschiedene Themen, die gekonnt in Szene gesetzt sind, machen jeden Kampf zu einem schicken Erlebnis.
Glitzernde Sterne reflektieren auf dem tiefblauen Ozean. Hier können Kämpfe schnell zur Nebensache werden.
© Nintendo / Creatures / GAME FREAK
Der Tageszyklus ist heutzutage eine Selbstverständlichkeit bei Pokémon. Die zweite Pokémon-Generation legte hierfür einst den Grundstein. In Pokémon Diamant-Edition und Perl-Edition wurde diese Idee neu aufgegriffen und in einer Art und Weise ausgearbeitet, die Fans bis heute noch sehr gut in Erinnerung geblieben ist. Pokémon Strahlender Diamant und Leuchtende Perle zelebrieren diesen Umstand in aussagekräftigen Szenerien. Jede Tageszeit strahlt auf seine eigene Art eine gewisse Magie aus, die ich so eher selten von Pokémon gewöhnt bin. Sonnenuntergänge strahlen hell und fluten das Kampfgeschehen, während die Sterne nachts auf dem Meer funkeln und glitzern. Diese Mühe ist jeden Kampf wert. Außerdem sind die Designs der Pokémon ebenfalls davon betroffen. Während der Nacht erscheint die Fellfarbe dunkler, bei Sonnenuntergang erhält die Farbe einen starken orangefarbenen Stich und bei Tag sieht man das Pokémon in seiner normalen Farbe. Diese Umsetzung motiviert somit nicht nur zum Kämpfen, sondern ermutigt auch zum Erforschen der verschiedenen Pokémon. Die Animationen der Attacken auf der anderen Seite sind so, wie man sie aus der aktuellen Generation kennt. Einige Angriffe wurden aufgehübscht, während andere aussehen, als wären sie direkt aus Pokémon Schwert und Schild kopiert und eingefügt worden. Wichtig zu wissen ist außerdem, dass Objekte im Hintergrund eher verschwommen dargestellt werden, während das Zentrum des Geschehens gestochen scharf zu sehen ist. Auf diese Weise gibt es keine nennenswerten Schwankungen in der Bildrate.
Ähnlich wie die Grafik ist der Sound eine Mischung aus ursprünglich und modern. Die verschiedenen, damals liebevoll komponierten Stücke haben ihren Platz im Remake gefunden. Dabei wurden verschiedene Elektro-Einlagen oder andere moderne Klänge eingearbeitet. So ist ein facettenreicher Sound entstanden, welcher mitreißt. Auch die Laute der Pokémon wurde teilweise überarbeitet und wirken sehr angenehm und authentisch. Ein Pluspunkt bieten hierbei die Optionen. Die Musik oder auch die Soundeffekte lassen sich lauter oder leiser einstellen. Jeder kann sozusagen seinen eigenen Soundmix nach seinen Vorlieben zusammenstellen und entsprechend genießen. Was bei vielen Spielen normal ist, ist für einen Pokémon-Titel tatsächlich eher außergewöhnlich.
Bevor ich in den Test des Spiels starten konnte, schwebten für mich die meisten Fragezeichen über der Armbanduhr namens Pokétch. Auf dem Touchscreen des Nintendo DS konnte man mit dem Touchpen nahtlos zwischen den verschiedenen Möglichkeiten der Uhr wechseln und diese bedienen. Die Nintendo Switch nutzt aber bekanntlich keinen DualScreen. Hier könnt ihr nun mit dem R-Button die Pokétch nach Belieben einblenden oder verschwinden lassen. Durch kurzes Drücken derselben Taste könnt ihr die Uhr auf den ganzen Bildschirm ausbreiten oder auf die rechte obere Ecke verkleinern. Haltet ihr die Schultertaste gedrückt, verschwindet die Uhr vollständig. Neben den alten Funktionen wie der Digitaluhr oder dem Taschenrechner haben auch andere Optionen ihren Weg auf die Uhr gefunden. Exemplarisch möchte ich die VM-Option herausgreifen. So müsst ihr nicht mehr wertvolle Attackenslots bei euren Pokémon für Stärke oder Surfer verbrauchen, sondern könnt mit einem Klick auf der Pokétch auch so die Attacke ausführen. Ihr könnt die Uhr mit dem Stick mittels eingeblendeten Cursor oder auch über den Touchscreen eurer Nintendo Switch bedienen. So ist für jeden Geschmack eine Art des Umgangs gegeben.
Viele neue Informationen und hitzige virtuelle Debatten haben in den letzten Wochen die Unzufriedenheit und Unsicherheit vieler User geschürt. Es hat sich gezeigt, dass manche aufgeworfenen Kritikpunkte zwar gerechtfertigt, andere aber auch übertrieben sind. Kritisch zu sehen ist der voreingestellte und nicht ausschaltbare EP-Teiler, durch welchen euer gesamtes Team gleichzeitig trainiert wird. Ich, als altes Eisen im Trainergeschäft, war auf diese Weise bei Trainerkämpfen schnell unterfordert, ohne zuvor viel trainiert zu haben. Glücklicherweise ist die Balance trotzdem noch gegeben. Zumindest bis zum vierten Arenaleiter war mein Level nicht nennenswert zu hoch. Ab der Nummer Fünf schlug das Pendel jedoch um. Meine Pokémon wuchsen durch die Trainerkämpfe sehr schnell, sodass es gerne vorkam, dass ich zehn Level über dem der Arenaleiter lag.
Auf ein ähnliches Problem trafen wir bereits bei Pokémon Schwert und Schild. Bei den vorliegenden Titeln gestaltet sich das Problem zwar nun ähnlich, wurde aber etwas entschärft. Es scheint, als wäre das Balancing ein wenig besser geworden. Gerade im späteren Spielverlauf werden die Gefechte dann doch wieder anspruchsvoller. Aber wenn man den Schwierigkeitsgrad von damals als Maßstab nimmt, muss man die Abstriche einfach festhalten. Das Entwicklerteam von ILCA hätte wahrscheinlich mit Leichtigkeit eine Option zum Ausschalten des EP-Teilers einbringen können – eine schlicht verpasste Chance, die viele Spieler glücklich gemacht hätte.
Zum Zeitpunkt des Tests war der Online-Modus nicht wirklich nutzbar. Was aber aus Trailern und den bisherigen Beobachtungen hervorgeht, darf man sich bei Pokémon Strahlender Diamant und Leuchtende Perle auf einen schicken Mehrspielermodus freuen – lokal und online. Kämpfen, Tauschen, Wettbewerbe, Kurspe backen und vor allem der Untergrund werden viel Spielfreude bringen. Das Prinzip, sich mit eigenen Passwort-Codes miteinander zu verbinden, wurde aus Pokémon Schwert und Schild übernommen und bietet so die Chance, eigene Räume zu eröffnen. Wichtig an dieser Stelle anzumerken ist der Umstand, dass ein Day-One-Patch heruntergeladen werden sollte, bevor man das Spiel beginnt. Dieser Patch fügt einige zentrale Online-Optionen wie das Nutzen des lokalen und Online-Mehrspielermodus oder das Geheimgeschenk-Menü hinzu. Außerdem werden Inhalte zum Endgame hinzugefügt. Nähere Informationen hat unser Pokémon-Experte Niels bereits in diesem Artikel (Spoiler-Gefahr!) zusammengestellt.
Insgesamt sind die neu aufgelegten Titel zu Pokémon Diamant-Edition und Perl-Edition eine angemessene Interpretation ihrer Wurzeln. Hätte man einige Dinge anders machen können? Natürlich! Macht es aber diese Produktion schlecht? Auf keinen Fall. Ich habe es sehr genossen, ein weiteres Mal die Sinnoh-Region zu besuchen. Alte Charaktere haben sich wieder frisch angefühlt und die bekannte Geschichte auf eine völlig neue Art erzählt. ILCA muss sich damit weder verstecken noch für diese Produktion schämen, denn Pokémon Strahlender Diamant und Leuchtende Perle ist ein meisterhaftes Spiel für Jung und Alt.
Unser Fazit
8
Ein Spiele-Hit