Life is Strange mit seiner wahrscheinlich kreativsten Superkraft
Seit 2015 folgen viele Spieler nun schon dem Motto: „Life is Strange “. In jenem Jahr erschien nämlich der Grundstein für eine Spiele-Reihe, die das Adventure-Genre auf seine eigene Art interpretiert. Im Fokus stehen eigentlich normale Menschen wie ihr und ich, nur eben gebeutelt durch ein sehr merkwürdiges Schicksal. Mit der aktuellen Veröffentlichung zählt das Life is Strange-Franchise nun schon vier Titel und kann sich vor positiven Kritiken kaum retten. Mit etwas Wartezeit können nun auch Spieler der Nintendo Switch den neuesten Ableger namens Life is Strange: True Colors genießen. Laut vollmundigen Versprechen seitens der Verantwortlichen (wir berichteten), soll dieser Titel auch auf der Hybridkonsole ein Augenschmaus sein. Jetzt heißt es, Farbe bekennen!

So malerisch Haven Springs auch sein mag, Alex' Einsamkeit kann diese Aussicht nicht ausfüllen.
© Square Enix Co., Ltd.
Life is Strange: True Colors spielt im lauschigen Bergarbeiter-Städtchen Havens Springs. Im Zentrum der Handlung steht eine junge Frau namens Alex Chen, welche die letzten Jahren in Jugendeinrichtungen verbringen musste. Ihren älteren Bruder Gabe hat sie seit vielen Jahren nicht mehr gesehen – doch wie es das Schicksal so will, haben sie endlich die Gelegenheit, sich wiederzusehen. In Havens Springs sind zunächst alle Bewohner herzlich und wirken wie eine große Familie. Alex, die bei Gabe einziehen möchte, wird mit offenen Armen und warmen Lächeln empfangen. Doch Life is Strange wäre nicht das, was es ist, wenn sich kein Drama anbahnen würde, das alles aus den Fugen geraten lässt. Durch einen tragischen Vorfall verstirbt Gabe und Alex verfällt wie auch die gesamte Stadt in tiefe Trauer.
Schon von Beginn an wird eine der wesentlichen Grundmechaniken des Spiels vorgestellt. In jedem Teil der Hauptreihe hat der Protagonist eine spezielle Fähigkeit, die sich nutzen lässt, um das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Alex hat die Fähigkeit der Auralesung. Sie erkennt intensive Stimmungen ihrer Mitmenschen als farbliche Aura und wird von diesen in Beschlag genommen. Empfindet jemand zum Beispiel sehr starke Wut, sieht sie diese nicht nur, sondern wird ebenfalls von dieser Wut angesteckt und verliert die Kontrolle. Durch negative Erlebnisse mit dieser Fähigkeit in ihrer Jugend hält sie sich selbst für eine Art kaputte Person und ist auch schüchtern zu Beginn der Handlung. Im Spiel geht es darum, diese Fähigkeit zu verstehen, zu nutzen und weiterzuentwickeln, bis zu dem Punkt, an dem ihr mit ihrer Kraft die Gedanken lesen könnt. Neben dieser Superkraft stehen die Charakterentwicklung von Alex und auch die Aufklärung des Todes von Gabe im Vordergrund der Geschichte.
Life is Strange: True Colors ist ein 3D-Adventure, das sich in fünf verschiedene Kapitel aufteilt. Ihr bewegt euch in einer vollständigen in 3D aufgebauter Umgebung durch die Spielwelt als Alex. Hauptsächlich interagiert ihr mit Charakteren über Gespräche. Vorgegebene Dialogoptionen, aus denen ihr wählen könnt, bieten euch einerseits die Chance, Informationen zu sammeln und auch den weiteren Verlauf der Handlung zu steuern. Während kleinere Entscheidungen einzeln eher wenig an der Gesamthandlung ändern, gibt es auch hin und wieder schicksalhafte Entscheidungen, die nachhaltig das weitere Spiel, besonders im Bezug auf die letzten Kapitel, beeinflussen. Neben der Interaktion mit Gegenständen und über Dialoge könnt ihr auch mittels Tastendruck die Auralese-Fähigkeit von Alex nutzen. Dabei erscheinen Personen farbig, wenn sie starke Emotionen wie Trauer, Wut oder Angst spüren. Alex dringt dann in diese Emotion ein und kann die Gedanken hören. Auch Gegenstände mit einem hohen emotionalen Wert erscheinen farbig und bieten meist einen Rückblick dazu, wieso diese so emotional geladen sind.

Über verschiedenfarbige Auren könnt ihr in die Gedanken der Einwohner eindringen und wertvolle Informationen sammeln.
© Square Enix Co., Ltd.
Die Life is Strange-Reihe versucht über diverse Dialoge und einer detaillierten Umgebung eine ergreifende Geschichte zu erzählen. Für die Nintendo Switch wurden nach Angaben des Produktionsteams Deck Nine Games eigens verschiedene Texturen angepasst und für die Nintendo Switch optimiert, um erstmals auch Spielern dieser Konsole die Chance zu geben, an diesem Abenteuer teilhaben zu lassen.
Fakt ist, dass die Nintendo Switch nicht die gleiche Leistung bringen kann, wie die Next-Gen-Konsolen anderer Hersteller. Von diesem Standpunkt heraus betrachtet, ist es kaum verwunderlich, dass Life is Strange: True Colors grafisch etwas weniger ansprechend aussieht. Insgesamt sind einige Texturen weniger detailliert. Manche Texturen laden für das Auge sichtbar nach. Auch die Ladezeiten sind ein gutes Stück länger. Aus meiner Sicht sind diese Faktoren aber kein Grund, das Spiel nicht auf der Nintendo-Switch zu spielen. Dieser Titel lebt, wie auch seine Vorgänger, von den Dialogen und auch den Gesichtern der Menschen. Gesichtsausdrücke und wesentliche Inhalte sind immer erkennbar und authentisch dargestellt. Nicht selten ist die Welt so malerisch, dass ihr innehaltet, um diese zu genießen – an dieser Stelle hat das Produktionsteam wirklich das Potenzial ausgeschöpft.
Weniger schön ist dagegen ein Grafik-Fehler, welcher das ganze Spiel hinweg bestand. Am unteren Bildschirmrand waren immer wieder Pixel zu sehen, die nichts auf dem Bildschirm zu suchen hatten. Dieses grafische Rauschen war besonders in Cutscenes zu sehen und störte besonders zu Beginn des Spiels. Nach längerer Spielzeit gewöhnte ich mich zwar daran, trotzdem ist das eine unangenehme Angelegenheit. Ebenfalls problematisch ist, dass das Spiel zum Zeitpunkt des Tests keine Verbindung zum Online-Server herstellen konnte. Es war also zum Beispiel nicht möglich, die eigenen Entscheidung mit denen der Community zu vergleichen. Diese Schwächen sollten hoffentlich in naher Zukunft ausgemerzt werden, um Spielern ein vollständiges und störungsfreies Spielerlebnis bieten zu können.

Gedanken zu hören, ist eine Sache. In die Psyche eines Menschen wirklich einzutauchen, birgt große Risiken für Alex.
© Square Enix Co., Ltd.
Ein großes Lob verdient die Vertonung des Spiels. Dieses Mal ist es nicht nur möglich, das Spiel mit englischer Vertonung zu spielen – Life is Strange: True Colors kommt auch mit einer deutschen Lokalisierung daher. Dabei sind bekannte Stimmen wie Lisa Vicari – bekannt aus dem Netflix-Hit DARK – und Gronkh. Diese liefern mit den anderen aus dem Sprechercast eine wirklich ansprechende Arbeit ab. Neben der filmreifen Synchronarbeit bietet Haven Springs auch eine Vielzahl an wunderschönen, perfekt abgestimmten Melodien und teilweise echten Hits, die euch richtig abrocken lassen. Hierfür hat das Entwicklerteam eigens verschiedene Musiker angeheuert, die ihren kreativen Beitrag leisteten. Auditiv lässt Life is Strange: True Colors keine Wünsche offen.
Der wichtigste Pluspunkt von Life is Strange: True Colors ist das narrative Element. Verschiedene Kapitel erzählen verschiedene Sichtweisen und beschäftigen sich mit unterschiedlichen Emotionen. Die Spannung baut sich immer weiter auf, wird aber regelmäßig durch humoristische Einlagen oder kleinerer Nebenhandlungen ausgebremst. Der eigene Spielstil entscheidet, wie viele Stunden man am Bildschirm klebt. An manchen Stellen könnt ihr euch setzen und guter Musik lauschen und die Szenen verarbeiten, was nicht selten ratsam ist. In meinem Fall betrug die Spielzeit grob zehn Stunden, wobei ich auch sehr gründlich bei der Erkundung gewesen bin. Ein weiteres Mal das Spiel durchzuspielen, rentiert sich, da verschiedene Entscheidungen auch in verschiedenen Handlungsverläufen münden. Wer also viel Neugierde besitzt, wird hier viel Zeit verbringen können. Die Gesamthandlung nimmt mit, wirkt aber auch gerecht und sinnvoll abgeschlossen am Ende. Man kann in gewisser Weise sagen, dass dieser Teil der erwachsenste Teil der Reihe ist. Mein Standpunkt an dieser Stelle ist aber, dass Life is Strange: True Colors den ersten Teilen der Reihe von der Spannung und der Emotionalität her nicht das Wasser reichen kann. Außerdem wirken sich die Entscheidungen innerhalb des Spiels nicht so stark auf das Ende aus, wie es in Life is Strange 2 der Fall ist. Insgesamt fügt sich Life is Strange: True Colors trotz allem sehr gut in die Reihe ein. Das Life is Strange-Debüt ist auf der Nintendo Switch gelungen und wird Fans und Neulinge gleichermaßen zu begeistern wissen.
Unser Fazit

8
Ein Spiele-Hit
Meinung von Simon Münch
Echte Männer weinen nicht – ein altes Denken, das Life is Strange komplett über den Haufen wirft. Wie viele Tränen ich in dieser Reihe schon vergossen habe, dafür reichen keine 1000 Packungen Taschentücher. Life is Strange: True Colors ist, wie seine Vorgänger, emotional mit hochkarätigem Narrativ und einmalig authentischer Musik ausgestattet. Die Charaktere sind glaubhaft und vielseitig in Szene gesetzt. Dabei gibt das Entwicklungsteam einen glaubhaften Einblick in die Themen Trauer, Depression, Einsamkeit und auch queere Geschlechteridentitäten. Der Gewinn des The Game Awards – Games for Impact 2021 dürfte kaum verwunderlich sein. Life is Strange: True Colors hebt sich mit seinem neuen Spielelement, Alex‘ Superkraft, gut von den anderen Ablegern ab. Das Spiel bietet eine in sich logische und geschlossene Handlung. Es zieht einen nicht nur durch starke Dialoge, sondern auch durch das Gameplay der Auralesung in den Bann. Die ntower-Spielhit-Auszeichnung gibt es mit einem mahnenden Finger, schnellstmöglich die im Test angesprochenen Probleme auszubessern. Kaufempfehlung gebe ich allen Spielern einer Nintendo Switch – eine solche Geschichte habt ihr schon lange nicht mehr so gefühlt!Bestelle dir jetzt Life is Strange: True Colors über unsere Onlineshop-Partner
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