Fighting-Spektakel an der falschen Adresse
Wer sich auf Nintendo-Konsolen zuhause fühlt, für den ist es nicht leicht, ein Atlus-Fan zu sein. In den letzten Jahren haben Entscheidungen der geschichtsträchtigen Spieleschmiede immer wieder den Eindruck erweckt, dass Nintendo für sie nur die zweite Geige spielt. Wie sonst sollte man all die Titel beurteilen, die nicht ebenbürtig zu anderen Versionen sind und verspätet oder gar nicht auf Nintendo-Plattformen erscheinen? Abseits davon gibt es bei manchen Veröffentlichungen auch noch die Frage nach der Sinnhaftigkeit. Wie sinnvoll ist es, ein Spin-off oder einen Nachfolger zu einem Spiel herauszubringen, dessen Vorlage nicht innerhalb einer Plattformfamilie verfügbar ist?

Charaktere aus Persona 4 Golden und Persona 3 versammeln sich für das große P1-Climax-Turnier.
© Atlus / SEGA
Dieser Gedanke führt uns zum Gegenstand dieses Testartikels: Persona 4 Arena Ultimax. Das Beat 'em up erschien in Europa ursprünglich 2014 für die PlayStation 3 und Xbox 360 und wurde 2022 für die Nintendo Switch, PlayStation 4 und für den PC via Steam neu aufgelegt. Grund dafür war der immense Erfolg des PC-Ports von Persona 4 Golden aus dem Jahr 2020. Das große Interesse auf einer „neuen“ Plattform hat die Verantwortlichen überzeugt, einen weiteren Ableger der Subserie für ein größeres Publikum bereitzustellen, wodurch der Nintendo Switch-Port von Persona 4 Arena Ultimax zustande kam. Dieser fühlt sich aber gleich in mehrerlei Hinsicht wie das fünfte Rad am Wagen an.
Beginnen wir mit dem wohl offensichtlichsten Problem: Persona 4 Arena Ultimax ist geschichtlich eine Fortsetzung von Persona 4 Golden. Letzteres ist nicht für die Nintendo Switch verfügbar und auch nie für eine vorherige Nintendo-Plattform verfügbar gewesen. Die gleiche Situation fanden wir letztes Jahr bei Persona 5 Strikers und dem originalen Persona 5 vor. Doch während Persona 5 Strikers auch ohne viel Vorwissen zu genießen ist, kann ich das gleiche nicht von Persona 4 Arena Ultimax behaupten. Um die Story verstehen und wertschätzen zu können, werden Kenntnisse von Persona 4 Golden und teils sogar von Persona 3 vorausgesetzt. Andernfalls bewegt ihr euch direkt auf eine Welle von gravierenden Spoilern und unverständlichen Plot-Elementen zu.
Und selbst wenn ihr dieses Vorwissen mitbringt, währt die Freude, all die geliebten Charaktere wiederzusehen, nur kurz. Das liegt zum einen an der steifen Präsentation, zum anderen an der Handlung selbst, welche erzwungen wirkt und wenig Spannung bietet. Mit der Fülle an Dialogen – insbesondere zu Beginn – rückt das tatsächliche Gameplay, das Kämpfen, in den Hintergrund. Dagegen gäbe es nicht einmal viel einzuwenden, wenn die Geschehnisse denn interessant wären. Schlussendlich hört ihr euch hier aber viel heiße Luft an und könnt den weiteren Verlauf mit Leichtigkeit erahnen. Das ist keine Geschichte auf Persona-Niveau, sondern eine dröge Visual Novel.
Diese Makel gelten zu leicht unterschiedlichen Graden für beide Storys, die ihr in Persona 4 Arena Ultimax erleben könnt. Auf der einen Seite habt ihr die dreiteilige Handlung des Spiels, welche unter Pacing-Problemen leidet und deshalb aufgeblasen erscheint. Auf der anderen Seite wurde hier sinnvollerweise die Geschichte des Vorgängerspiels Persona 4 Arena inkludiert, welche ich als kurz und knackig, aber auch als repetitiv einstufen würde. Während ihr in den Episoden von Persona 4 Arena Ultimax zwischen den Perspektiven der Akteure hin und her wechselt, spielt ihr die Blickwinkel der Charaktere in der Persona 4 Arena-Story nacheinander durch, wodurch es zu manchen Überschneidungen kommt.
Dann wäre da noch ein möglicherweise recht persönliches Anliegen. Anders als Bücher geben uns Videospiele meist konkret vor, wie wir uns einen Charakter, Ort und Moment vorzustellen haben. Wahrnehmungen können jedoch variieren und so möchte ich meinen, dass jeder im Kopf trotzdem eine ganz eigene Vorstellung hat. Das gilt vor allem für einen stummen Protagonisten, wie ihn Persona 4 Golden hat, in den sich der Spieler hineinversetzen soll. Dahingehend würde ich es als unglücklich bezeichnen, dass und wie die Figur in Persona 4 Arena Ultimax zusätzlich charakterisiert wird. Die in meinen Augen unpassende Ausdrucksweise des Charakters und der Fakt, dass er überhaupt spricht, erwecken ein Gefühl von Fremdartigkeit. Dadurch wirkt die Umsetzung fast schon wie eine Nachahmung, statt wie ein richtiges Atlus-Spiel.
Dass in Persona 4 Arena Ultimax nicht sonderlich viel Atlus-DNA steckt, sollte auch schon daran zu erkennen sein, dass der Titel eigentlich von Arc System Works entwickelt wurde. Das Studio ist bekannt für populäre Anime-Fighter wie BlazBlue und Guilty Gear und gilt damit als sowas wie ein Spezialist in dem Bereich. Für ein ernstzunehmendes Beat 'em up in der Persona-Welt gibt es wohl kaum einen besseren Ansprechpartner. Spin-offs sind von Natur aus experimentell und sollen eine andere Spielerfahrung bieten als die Hauptserie. In diese Kerbe schlägt definitiv auch Persona 4 Arena Ultimax. Ich würde aber zu bedenken geben wollen, ob man sich hier nicht etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt hat. Offen gefragt: Für wen soll das Spiel überhaupt sein? Lasst mich das einmal genauer ausführen.
Das Gameplay eines Kampfspiels unterscheidet sich grundlegend von dem eines Rollenspiels. Beim einen spielt man meist im 1-gegen-1-Format, hat ein striktes Zeitlimit, einen sehr beschränkten Spielbereich und es geht immer hektisch zu. Beim anderen kontrolliert man meist eine Party an Charakteren in rundenbasierten Kämpfen und erkundet im eigenen Tempo eine weitläufige Spielwelt mit all ihren verschiedenen Aktivitäten und Geschichten. Ich möchte für diesen Punkt nicht bei Adam und Eva anfangen, aber es ist wichtig festzustellen, dass ein kompetitiver Anime-Fighter außerhalb der Comfort Zone von womöglich vielen Persona-Fans liegt – und das ist eine große Hürde. Wer keine Erfahrung damit hat und nicht auf die brutale Lernkurve eines solchen Beat 'em ups eingestellt ist, wird ein böses Erwachen erleben. Ich spreche da aus eigener Erfahrung.
Während es auf die Person ankommt, ob sie eher frustriert oder motiviert mit dieser Herausforderung umgeht, würde ich argumentieren wollen, dass das Konzept von Persona 4 Arena Ultimax auf einem fundamentalen Level problematisch ist. Vor allem aus heutiger Perspektive. Die Schnittmenge an Fans, welche sowohl mit Persona 4 und Persona 3 vertraut ist als auch etwas mit Fighting-Spielen anfangen kann, dürfte ziemlich gering sein. Wenn ihr diese beiden Kriterien aber erfüllt, werdet ihr sehr wahrscheinlich einige spaßige Stunden mit dem Titel haben. Was Anime-Fighter angeht, bekommt ihr hier immerhin das volle Paket. Eine Reihe ausgeklügelter Kämpfer mit allerhand beeindruckenden Kombos, rasante Action mit extrem viel Tiefgang und eine Fighting-Erfahrung, die optisch und klanglich zu überzeugen weiß. Aber für mich ist es offen gestanden nichts.
Beat 'em ups zählen nicht gerade zu meinem täglichen Brot in der Videospielwelt. Mein größter Berührungspunkt mit dem Genre sind die Super Smash Bros.-Spiele, welche als Plattform-Fighter von regulären Kampfspielen unterschieden werden müssen. Solche Spiele legen ihren Fokus mehr auf den Partyaspekt und sind deshalb zumeist zugänglicher für Neulinge und Gelegenheitsspieler. Etwa so wie Mario Kart in Beziehung zu richtigen Rennspielen oder Rennsimulationen steht. Die Kämpfe in Persona 4 Arena Ultimax sind da wie eine andere Welt für mich. Nach dem Motto „Sind sie zu schnell, bist du zu langsam“ weiß ich oft gar nicht, wie mir geschieht. Dieses Szenario haben die erfahrenen Kampfspielmacher bei Arc System Works schon vorausgesehen und deshalb optionale Hilfen eingebaut. Diese sind aber nicht unbedingt idiotensicher.

Im Herausforderungs-Modus könnt ihr Kombos lernen und trainieren. Bei solchen fortgeschrittenen Angriffsketten wird mir aber ganz anders.
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Zuerst wäre da der gesamte Trainingsbereich. Ihr könnt euch die Grundlagen von Spiel und Steuerung beibringen lassen, die Kombos jedes einzelnen Charakters studieren oder frei gegen den Computer üben. Das ist genau die richtige Adresse für blutige Anfänger wie mich, konnte mich aber nicht so hoffnungsvoll stimmen wie erwartet. Die Lernkurve ist extrem steil, entsprechend muss man mit viel Willenskraft an die Sache ran und sich durchbeißen. Das ist allerdings kein Investment, zu dem ich bereit bin. Dafür fehlt mir schlicht das Interesse an so einem Spiel, ich bin einfach nicht diese Art von Spieler. Ich möchte Interessierte nur ungern entmutigen, aber wenn ihr mit meiner Ansicht sympathisieren könnt, dann versteht dies als ausdrückliche Warnung, besser die Finger von diesem Spiel zu lassen.
Wer es dennoch wagt, hat zusätzlich noch Möglichkeiten, den Schwierigkeitsgrad anzupassen. Mit Sicher, Einfach, Normal, Schwer und Riskant werden fünf Stufen angeboten. Das scheint wie ein großzügiges Spektrum, doch für wen Kampfspiele so unverständlich sind wie Buchstaben für einen Analphabeten, der wird sich selbst mit den einfachen Stufen nicht leichttun. Da gehen die Hilfen sogar noch einen Schritt weiter: Wem der Aufwand oder die Herausforderung zu groß ist, der kann den Automodus aktivieren und Kämpfe in der Kampagne dem Computer überlassen. Kein Scherz, das Spiel kann sich selbst spielen. Damit wird der Storymodus spielerisch wirklich rein zur Visual Novel. Das garantiert zwar, dass wirklich jeder die Geschichte erleben kann, aber will man das überhaupt?
Abseits davon bietet Persona 4 Arena Ultimax noch einige weitere Modi, um euch bei Laune zu halten. Da wäre etwa der Arcade-Modus, welcher die Story des Spiels in ein eher traditionelles Kampfspiel-Format adaptiert und dabei enorm trimmt. Oder ihr versucht euch an der kniffligen Punkteherausforderung, bei der ihr schnellstmöglich einen hohen Highscore aufstellen sollt. Ein besonderes Augenmerk hat jedoch der Golden-Arena-Modus verdient. Hier bekämpft ihr ähnlich zu Arcade oder Punkteherausforderung zwar auch Gegner nach Gegner, habt zwischendrin aber die Möglichkeit, Werte und Fähigkeiten eures Charakters zu verbessern. Damit wird etwas mehr RPG-Flair ins Spiel gebracht und für Abwechslung gesorgt, was ich nur sehr begrüßen kann.

Der Golden-Arena-Modus orientiert sich mehr an bekannten Persona-Konventionen und stellt eine tolle Ergänzung dar.
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Jetzt wäre Persona 4 Arena Ultimax in der heutigen Zeit aber kein vollwertiges Beat 'em up, hätte es keinen Online-Modus. Da ließ sich Arc System Works natürlich nicht lumpen und hat diverse Möglichkeiten implementiert, gegen andere Spieler weltweit antreten zu können. Für ein paar gemütliche Runden eignet sich der Spielerkampf, bei dem ihr Räume mit eigenen Regeln erstellen könnt. Wer es jedoch ernst meint, der kann sich in den Ranglistenkampf stürzen und seinen Rang verbessern. Erschreckt, aber nicht überrascht – dazu gleich mehr – musste ich feststellen, dass online tote Hose herrscht. Crossplay wird für diesen Titel nicht angeboten, entsprechend kann nur gegen Spieler auf der gleichen Plattform gespielt werden. Wieso aber ist auf der Nintendo Switch nichts los?
Die Antwort darauf ist recht simpel. Schon im Voraus wurde seitens Atlus angekündigt, dass Persona 4 Arena Ultimax im Sommer 2022 um Rollback-Netcode erweitert werden soll, nicht aber auf der Nintendo Switch. Diese Technologie sorgt für ein reibungsloseres Online-Spiel und gilt für Kampfspielfans sozusagen als Nonplusultra. Verständlich also, dass viele Fans dieser Version den Rücken kehren. Noch dazu fehlt hier die Lobby, ein äußerst beliebter Online-Modus, bei dem Spieler einem großen Spielraum beitreten, wo sie eine kleine Figur kontrollieren und mit anderen Spielern interagieren können. Wie schon in vorherigen Veröffentlichungen bleibt dieser Modus unverständlicherweise der PlayStation-Version vorbehalten.
Und damit kommen wir schließlich zum Ausgangspunkt zurück: Wieso ist Persona 4 Arena Ultimax überhaupt auf der Nintendo Switch? Nicht nur fehlt Nintendo-Spielern das notwendige Vorwissen, um den Story-Inhalt des Spiels genießen zu können, noch dazu weisen die Online-Features große Lücken auf, welche diese Version selbst für Fans des Originals unappetitlich machen. Die solide Portierung, der Mobilfaktor und die inkludierten DLCs können diesen Negativpunkten nicht die Waage halten. Schlussendlich sind und bleiben mir die Wege von Atlus ein Mysterium.
Unser Fazit

6
Überzeugend