Zwischen Trümmern und Abenteuern
In meiner fast dreijährigen Zeit bei ntower ist es mir bei wohl kaum einem Spiel so schwer gefallen, eine endgültige Wertung zu vergeben, wie bei Eiyuden Chronicle: Rising. Meine Gedanken flogen hin und her, da im Spielverlauf so viele unterschiedliche Gefühle aufkamen. Worin diese begründet liegen und warum es kurzzeitig sogar fast die Bestnote wurde, könnt ihr nachfolgend lesen.
Die Geschehnisse des Spiels lassen euch in die Rolle der Schatzjägerin CJ schlüpfen. Diese folgt einer alten Familientradition und muss, so will es der Brauch, einen größeren Schatz an Land ziehen, als es ihre Vorfahren taten. Angetrieben durch den Wunsch, eben jenem Brauch zu folgen, kommt sie in die Stadt Neu-Nevaeh. Dort stellt sie relativ schnell fest, dass die Menschen auf ihre Hilfe angewiesen sind, da ein Erdbeben große Teile zerstört hat. Dabei trifft CJ jedoch nicht nur auf die Einwohner, Händler und andere Beschäftigte, sondern auch auf den Söldner Garoo und die Bürgermeisterin Isha, welche sich beide im Laufe des Spiels CJ anschließen.
Jeder der Charaktere verfolgt dabei seine ganz eigene Geschichte. CJ wird hauptsächlich von ihrer Familientradition und dem Wunsch, anderen zu helfen, angetrieben, wohingegen Ishas persönliches Schicksal eine große Rolle spielt. Ihr Vater ist zusammen mit einem Erkundungstrupp nämlich verschwunden und seitdem fehlt jede Spur von ihm. Als es jedoch Hinweise auf seinen Verbleib gibt, nimmt das anfänglich doch seichte Abenteuer an Fahrt auf und entführt euch in eine malerische Spielumgebung, die auf ansehnlichen 2,5D-Texturen beruht. Dabei setzt der Titel auf tolle deutsche Bildschirmtexte, wobei ich leider noch einige Übersetzungsfehler ausmachen konnte.
Ein Großteil der Inhalte aus Eiyuden Chronicle: Rising soll sich zudem auch im bereits angekündigten Nachfolger wiederfinden, sodass ihr Augen und Ohren beim Spielen offen halten solltet. Da Eiyuden Chronicle: Hundred Heroes wohl aber frühstens erst 2023 erscheint, können diese spielübergreifenden Inhalte noch nicht ganz ihr volles Potenzial entfalten. Daher liegt der Fokus beim Spielen auch durchaus auf dem Hier und Jetzt.
Dreh- und Angelpunkt des gesamten Spiels sind die Quests, die ihr von den Bewohnern der Stadt erhaltet. Diese haben ganz unterschiedliche Belange, die an euch herangetragen werden. So müsst ihr mal bestimmte Gegner in den Umgebungen rund um die Stadt besiegen, spezielle Ressourcen sammeln, zum Wiederaufbau der Stadt beitragen oder auch Personen finden. Lesen sich die einzelnen Missionen auf dem Papier noch sehr unterschiedlich, sind sie im Kern jedoch sehr ähnlich und folgen alle dem gleichen Muster: Aufgezeigte Orte müssen abgesucht werden, um Materialien zum Auftraggeber zurückzubringen. Dies ist auch die größte Kritik, der sich Eiyuden Chronicle: Rising stellen muss, denn dadurch ist ein Hang zur Monotonie beim Questdesign und im gesamten Spiel erkennbar.
Diese Kritik rückt spielerisch jedoch auf gleich mehreren Ebenen in den Hintergrund. Hierzu trägt zum einen das Gameplay selbst bei. Eiyuden Chronicle: Rising spielt sich wie ein klassisches Metroidvania und macht dabei enorm viel richtig, auch wenn die Fähigkeiten eurer Truppen nicht ganz so ausgefeilt sind wie von Samus Aran. So lernt ihr durch die drei sehr unterschiedlichen Charaktere beispielsweise mit CJ einen Doppelsprung, um höhere Ebenen zu erreichen, Garoo kann dank seiner Kraft große Felsen zerschlagen und Isha ist dank ihrer magischen Fähigkeiten in der Lage, wieder andere Objekte zu zerstören, die ein Weiterkommen andernfalls erschweren. So erschließen sich euch nach und nach weitere Gebiete, welche ebenfalls zum stimmigen Gesamtbild beitragen.
Egal, ob ihr euch im großen Wald, in dunklen Höhlen, alten Ruinen oder in der Stadt befindet, alles sieht fantastisch aus. Hier ist eine Menge Liebe in das Design der Spielwelten, Charaktere und auch Gegner geflossen, was honoriert werden muss. Zwar sind gerade beim mobilen Spielen einige unschöne Kanten zu erkennen, insgesamt ist jede Umgebung jedoch ein Genuss und das Erkunden macht extrem viel Spaß. Die drei ebenso toll dargestellten Hauptcharaktere tragen hierzu maßgeblich bei, wobei auch ihre sehr gut geschriebenen Persönlichkeiten ihren Teil leisten.
Ebenso genial ist für mich das Kampfsystem, welches in Echtzeit abläuft und an Hack-'n'-Slay-Titel erinnert. Beruht dieses zu Spielbeginn noch aus einfachem Drücken auf die Angriffs-Taste, kommt es im Spielverlauf zu einer stetigen Entwicklung. So werden nicht nur neue Angriffe erlernt, sondern auch Kombinationen aus den Angriffen der drei Charaktere sind bei einem genauen Timing möglich. Jeder Figur belegt nämlich eine eigene Taste auf eurem Controller (Y, X und A), sodass ihr im Kampf mittels Tastendruck schnell zwischen den Helden und ihren Angriffen wechseln könnt. Geschick ist dabei vor allem bei Feinden gefragt, welche beispielsweise aufgrund ihrer erhöhten Verteidigung erst mit Garoo geschwächt werden müssen, um dann mit den anderen beiden schnelle Angriffe zu platzieren.
Bei all den beschriebenen Aktionen, also von den Quests über die Dungeons bis hin zu den Kämpfen, sind sammelbare Ressourcen ebenfalls stets zugegen. Ihr erhaltet beispielsweise Äste, wenn ihr Bäume bearbeitet, sammelt Erze durch die großen Steine in der Mine oder erhaltet Gelee von einem der fiesen Schleimmonster, die sich in der Spielwelt tummeln. Diese Ressourcen werden an ganz unterschiedlichen Stellen gebraucht. Sind manche von ihnen Bestandteil von einigen Quests, braucht ihr hingegen andere, um die Stadt wiederaufzubauen. Gerade dieser letzte Aspekt ist unheimlich zeitintensiv, förderte meine Motivation aber noch weiter.

Solche Steine können nur mit speziellen Elementarkräften zerstört werden.
© Rabbit & Bear Studios Inc.
Je weiter ihr im Spiel voranschreitet, desto mehr Charaktere werden sich nämlich in eurer Stadt aufhalten, welche ihren Teil zum Wiederaufbau beitragen möchten. Beginnt dies zu Spielbeginn noch recht seicht durch ein eigenes Haus und die Möglichkeit, eine Apotheke zu errichten, kommen noch unter anderem ein Rüstungs-, ein Waffen- und ein Werkzeugladen hinzu. Um die Geschäfte zunächst errichten zu können, werden die oben beschriebenen Ressourcen benötigt. Sobald ein Laden steht, dürft ihr jedoch direkt noch weitere Gegenstände investieren, um neue Ausrüstungen zu erhalten. Diese können unter anderem ganz klassisch euren Angriff oder eure Verteidigung erhöhen, es gibt jedoch auch Ausrüstungen, die euch gleich ganz neue Fähigkeiten wie beispielsweise den bereits genannten Doppelsprung ermöglichen. Ein Ausbau der einzelnen Geschäfte ist nach einigen Spielstunden ebenso möglich, was ein erweitertes Sortiment offenbart.
Ist die Auswahl an Ausrüstungen zu Beginn noch klein und schnell erworben, steigt auch diese im Verlauf des Abenteuers an, sodass bereits etliche Stunden damit verbracht werden können, die Heldentruppe auf den bestmöglichen Stand zu bringen. Dabei haben bereits kleine Verbesserungen meist große Auswirkungen auf den Spielverlauf, sodass nicht nur die einfachen Feinde schneller erledigt sind, sondern auch die Bosskämpfe, welche imposant in Szene gesetzt sind, leichter von der Hand gehen. Dadurch entsteht immer wieder der Drang, nur noch diese eine Verbesserung erlangen zu wollen, um am Ende siegreich hervorzugehen. Dadurch, dass die Ressourcen auch meist leicht zu bekommen sind, entstehen Möglichkeiten für schnelle Spielrunden, die dank der hybriden Spielweise perfekt zur Nintendo Switch passen.
Zu erwähnen ist darüber hinaus, dass die Charaktere im Spielverlauf nicht nur durch die Ausrüstungen stärker werden, sondern RPG-typisch Erfahrungspunkte erhalten und dadurch im Level aufsteigen. Einfluss auf die Werte eurer Truppe habt ihr bei einem Levelaufstieg allerdings leider nicht, da die Parameter stets vorgegeben sind. Durch besonderes Zubehör und Elementarfähigkeiten könnt ihr aber etwas Individualität einfließen lassen. Zwar könnt ihr dadurch keinen taktischen Tiefgang erwarten, die Anpassungen reichen jedoch, um sich den aktuellen Leveln und den dort ansässigen Feinden anzupassen.
Technisch habe ich bereits erwähnt, dass der Grafikstil mir unheimlich gut gefällt und das trotz der kleinen Macken, die erkennbar sind. Alles sieht aus wie aus einem Guss und die Übergänge von den einzelnen Gebieten sind ebenso geschmeidig gestaltet. Gleiches lässt sich auch über die Musik sagen. Diese ist melodisch, geht schnell ins Ohr und macht sich dort zwar breit, längere Ausflüge im gleichen Gebiet sorgen jedoch auch dort für Monotonie. Die Ladezeiten gehen knackig von der Bühne und stören den Spielfluss nicht und auch die Steuerung geht super von der Hand, gerade wenn in hitzigen Kämpfen zwischen den Helden gewechselt werden muss.
Alles in allem ist für mich Eiyuden Chronicle: Rising eine kleine Perle. Zwar schwebt über all den tollen Aspekten des Spiels dieser nervige Begriff der Monotonie, dieser setzte sich jedoch nie wirklich fest, da mich immer wieder kleine Spielelemente dazu motivierten, weiterzumachen oder auch die Story Überraschendes zu bieten hatte. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass es nervige Sequenzen gibt, in welchen nur von A nach B gelaufen wird, um Gegenstände zu sammeln oder diese abzugeben. Das Spiel belohnt einen aber dafür auch immer wieder mit eben jenen Aspekten. Solltet ihr euch darauf einlassen können, werdet ihr für rund 15 Euro viele tolle Stunden mit der Nintendo Switch verbringen.
Unser Fazit

9
Geniales Spiel
Meinung von Maik Styppa-Braun
Eiyuden Chronicle: Rising hat mit meinen Gefühlen gespielt. Das stimmige Bild aus Charakteren und Umgebungen ließ mich zu Spielbeginn mit den Augen schlackern, wohingegen ich nach einigen Quests ganz irritiert war, dass sich diese im Kern so ähneln. Dadurch haderte ich auch mit mir selbst, ob es denn nun eine 7, 8 oder 9 werden soll. Am Ende habe ich mich, trotz meiner Kritikpunkte und der Monotonie, für eben jene 9 entschieden. Dies ist nicht nur in der tollen Grafik begründet, sondern eben in dem Gesamtbild des Spiels, welches wie gemacht ist für die Nintendo Switch. Kurze Ladezeiten, ein stimmiges und gut zu erlernendes Gameplay, kurze Spielsessions, die spürbaren Fortschritt bringen, und noch so viel mehr. All das passt wundervoll zusammen und man hat das Gefühl, hier war ein Meister am Werk. Solltet ihr also nur ansatzweise etwas mit Metroidvanias anfangen können, solltet ihr den Blick auf Eiyuden Chronicle: Rising richten. Dass der Nachfolger Eiyuden Chronicle: Hundred Heroes dann auch noch Charaktere, Geschehnisse oder weiteres aus dem vorliegenden Titel beinhalten wird, ist für mich die Kirsche auf der Torte!Awards
