Ein Spiel mit Humor und fragwürdigen Entscheidungen
Die Welt des Visual-Novel-Genre war schon immer ein Ort voller Überraschungen und teils verrückten Entscheidungen. Yurukill: The Calumniation Games reiht sich durch seine eigentümliche Mischung aus Krimi-Rätsel-Point-and-Click, Visual-Novel und Shoot 'em up in diese eigenartige Manier problemlos ein. Ob das Spiel ein Totalschaden auf Ansage ist oder doch seinen berechtigten Platz unter den Visual Novels verdient hat, erfahrt ihr hier.
Im Zentrum des Spiels steht die Handlung, welche wir aus Spoiler-Gründen möglichst kurz halten werden. Verschiedene Verbrecher, welche behaupten, zu Unrecht verurteilt worden zu sein, erwachen auf einem Schiff. Dort werden sie von einer Frau mit Fuchsmaske und überschwänglichem Charakter begrüßt und erhalten eine Chance, die ihrem bisherigen, vom Gefängnis gebeutelten Leben eine neue Wendung geben soll. In einem Freizeitpark, dem sogenannten Yurukill-Land, haben die verurteilten Verbrecher die Chance, sich durch das Bestehen von Attraktionen die Freiheit zu verdienen. Aber alles kommt mit einem Haken.
Die Verbrecher werden gemeinsam mit ihren Opfern, den sogenannten Vollstreckern, in Teams aufgeteilt. Der Clou ist, dass nur ein Verbrecher die Begnadigung finden kann, wohingegen alle anderen Verbrecher am Ende den Tod finden sollen. Die Vollstrecker sollen hierbei Partner beim Lösen der Attraktionen sein. Als Opfer oder Verwandte der Opfer sind sie aber nicht unbedingt eine produktive oder unparteiische Hilfe. Damit die Verbrecher auch den „Spaß“ mitmachen, hat jeder von ihnen ein Halsband. Hat der Vollstrecker den Tod entschieden, wird der jeweilige Verbrecher umgehend durch eine Giftspritze im Halsband hingerichtet.
Klassisch für Visual Novels verfolgt ihr hauptsächlich die Dialoge der Personen, welche gerade im Mittelpunkt stehen. Je nach Attraktion stehen andere Charaktere mit anderen Verbrechen im Mittelpunkt. Dabei geht es schnell ans Eingemachte: Ihr werdet potenzielle Räuber, Massenmörder und auch Stalker kennenlernen und deren Schicksal und das Schicksal ihrer Opfer erkunden. Die Verbrecher sind dabei mindestens genauso eigenartig wie ihre Vollstrecker, welche entweder durch ihre Vergangenheit seelisch zerstört oder so exentrisch und laut sind, dass man sie am liebsten selbst über den Jordan schicken will. Die Spannung jeder Attraktion kommt durch die unheilvoll knisternde Stimmung innerhalb des Teams und dem verzweifelten Versuch der Verbrecher, ihr Leben zu retten, indem sie ihre Unschuld beweisen, zustande. Die Charaktere zeigen sich klassisch stark überzeichnet, sind mit einzigartigen Charakterdesigns versehen und glänzen mit leichten Bewegungsanimationen. Dabei besitzen sie eine individuelle persönliche Tiefe, die trotz der vielen Klischees durchaus komplex wirkt. Abgerundet wird der Visual-Novel-Aspekt durch die tadellose japanische Synchronarbeit, welche die Personen aufleben lässt. Zum Glück der Leute, die der japanischen Sprache nicht mächtig sind, gibt es Untertitel auf Deutsch. Freudensprünge sind trotzdem keine angebracht: Die vielen Tippfehler versalzen die Suppe, aber zu diesem Punkt kommen wir gleich noch mal.
Neben den vielen Dialogen dürft ihr wie in einem Point-and-Click-Adventure die Attraktionen von Yurukill-Land absolvieren. Diese Attraktionen nutzen die jeweiligen Verbrechen als Kulisse. Ihr seht in diesem Gameplay-Aspekt einen Raum und besitzt einen Cursor, welchen ihr mittels Joystick bewegen könnt. Leuchtet der Cursor auf, könnt ihr mit dem Item interagieren, was im Normalfall der Trigger für neue Dialoge ist. Diese Art des Spielens erinnert in gewisser Weise an die Titel von Ace Attorney oder Professor Layton. Durch das genaue Beobachten der Umgebung werdet ihr verschiedene Rätsel wie Zahlenschlösser oder Anordnungsrätsel finden und lösen. Dabei bietet das Spiel ein faires Tippsystem, welches euch nicht bestraft, wenn ihr es nutzen solltet. Die Lösungen werden im Notfall auf dem Silbertablett serviert. Manche Rätsel sind wirklich spannend umgesetzt, wohingegen andere eher an den Haaren herbeigezogen oder trivial wirken. Es gibt auch Momente, bei welchen meine Lösung zwar stimmt, aber meine Begründung eine völlig andere als die Lösung des Spiels ist. Ziel der Attraktionen ist es, diese zu bestehen, die Wahrheit hinter den Verbrechen aufzuklären und den Tod des Verbrechers durch den Vollstrecker zu verhindern.
Ein weiteres interessantes, wenn auch fragwürdiges Element von Yurukill: The Calumniation Games ist das Shoot 'em up, welches am Ende jeder Attraktion wartet. Dabei kämpfen die Verbrecher gegen die Vollstrecker, um sie von ihrer Unschuld zu überzeugen. Ja, das ist wirklich etwas eigenartig. Meist ist es so, dass ihr zu Beginn dieser Runde erst zum Fall relevante Fragen beantworten müsst. Je mehr richtige Antworten ihr gebt, desto mehr Leben habt ihr im Kampf. Eine Kampfsequenz im futuristischen, virtuellen Flieger geht drei Runden, bei welchen ihr in verschiedenen Szenarien gegen andere Flugobjekte, Mechs und den Vollstrecker selbst antreten müsst. Dabei ist dieser virtuelle Raum eine Art Interpretation der Gedankenstränge des Vollstreckers. Durch das erfolgreiche Gewinnen dieser Runden wird der Vollstrecker sein Urteil zu Gunsten der richtigen Entscheidung ändern. Ein Verlust endet dann folglich in einem Game Over.

Der futuristische Shooter hebt sich grafisch vollständig vom Rest des Spiels ab.
© Izanagi Games, Inc.
Das Positive an diesem Gameplay-Element ist die grafische Ausarbeitung, welche sich durchaus sehen lassen kann. Das Abenteuer wirkt atmosphärisch, die Steuerung ist nicht zu kompliziert und ist leicht umzusetzen. Problematisch ist die Framerate, die hin und wieder einen ordentlichen Satz nach unten macht. Den anpassbaren Schwierigkeitsgrad habe ich mit Wohlwollen aufgenommen. Sowohl Anfänger als auch Experten dieses Genres werden hier ihren Spaß oder eine knackige Herausforderung finden.
Das größte Manko an Yurukill: The Calumniation Games sind die Entscheidungen, welche die Entwickler getroffen haben. Besonders auffällig ist, das weibliche Charaktere immer sehr stereotypisch aufgebaut sind. Dies mag zwar in der Natur dieses Genres liegen, muss aber nicht wie in diesem Beispiel zu sehr übertrieben werden. Die Entscheidung, einen futuristischen Raumschiff-Shooter mit einer emotionalen Krimi-Geschichte zu verbinden, ist mir genauso schleierhaft wie die Tatsache, dass bei der deutschen Lokalisierung so gespart wurde, dass nicht nur Tippfehler, sondern auch falsche Informationen abgebildet werden. So hatte ich den Fall, dass ein Hinweis lautete: C sagt, dass A lügt. Bei einer Antwortauswahl später in der Auflösungssequenz hieß es plötzlich aber, C sagt, dass B lügt. – eine völlig andere Information, die ursprünglich eingesammelt wurde und sogar ein Game Over für mich verursachte. Solche haarsträubenden Fehler dürfen bei diesen Spielen nicht geschehen, da sie dem Spielerlebnis ihren Sinn rauben.
Trotz dieser Kritikpunkte weiß Yurukill: The Calumniation Games zu unterhalten. Das kommt besonders durch das quirlige Zusammenspiel der verschiedenen Charaktere und dem teils sehr düsteren Humor, welcher regelmäßig ausgepackt wird. Dabei schreckt das Spiel auch nicht davor zurück, euch schockiert zurückzulassen. Durch die verschiedenen Charaktere und deren individuellen Attraktionen entstehen immer wieder Höhe-und Wendepunkte, die fesseln und zum Mitdenken anregen. In einem separaten Spiel-Modus könnt ihr euch auch ganz dem Shoot 'em up widmen. Dort könnt ihr die Charaktere und Level in verschiedenen Schwierigkeitsgraden spielen, sofern ihr diese im Story-Modus freigeschaltet habt. Die Charaktere besitzen alle individuelle Flugschiffe mit besonderen Stärken und Schwächen. Wer sich also außerhalb der doch sehr langatmigen Geschichte mit gedankenloser Action vergnügen will, kommt in diesem gesonderten Modus auf seine Kosten.
Unser Fazit

6
Überzeugend