Langzeit-Schweißtreiben fürs heimische Wohnzimmer
Während der Pandemie waren nicht wenige Menschen gezwungen, dem Sport außer Haus zumindest zeitweise Lebewohl zu sagen. Manche versuchten eventuell gar nicht erst, wieder zurückzukehren. Das heimische Sofa oder der bequeme Schreibtischstuhl scheinen gerade zu attraktiv, als dass sich jemand stattdessen ins Fitnessstudio schleppt und mit vor Schweiß triefenden, an der Haut klebenden Shirts diesen Ort wieder verlassen würde. Dass sich die Bewegungssteuerung gut für heimische Sportspiele und dementsprechend für einen Ersatz zum Sportplatz eignet, hat Nintendo schon mit der Wii für sich entdeckt. So richtige Sport-Simulationen gab es wenige – das Wii Balance Bord war jedoch ein guter Start. Nun mit der Nintendo Switch und den doch etwas präziseren Joy Con-Controllern erfahren wir eine neue Generation an Tätigkeiten für daheim, die uns schweißtreibend an unsere Grenzen bringen sollen. Genau da möchte das Entwicklerstudio Ravenscourt in Zusammenarbeit mit Publisher Koch Media ansetzen. Mit Let’s Get Fit sollt ihr ausnahmsweise weniger spielerisch in Form kommen – und das alles ohne auch nur einen Fuß Richtung Fitnessstudio zu setzen. Ich treibe seit einigen Jahren regelmäßig (Kampf-)Sport und ließ es mir natürlich nicht nehmen, neue Eindrücke und Herangehensweisen an Workouts kennenzulernen. Also schnappte ich mir Let’s Get Fit, rollte meine Sportmatte aus und fing an zu schwitzen! Ob Let’s Get Fit aber was taugt, oder Sportmuffel beziehungsweise Sportgranaten weniger begeistert sein dürften, erfahrt ihr in diesem Test.
Nun, wo fange ich am besten an? Vorweg: ich spielte Let’s Get Fit ausschließlich im Handheld-Modus. Bedeutet also, die Joy Cons wurden entfernt und die Konsole mithilfe des schmalen Fußes entweder auf den Boden oder ein Regal gestellt, immer in Sichtweite. Für eure Workouts benötigt ihr in der „Light“-Version nur einen Joy Con, habt ihr zwei Nintendo Switch-Gurte zur Hand, werden beide Controller benötigt und ihr schaltet die Vollversion von Let's Get Fit frei. Während meiner Testzeit hatte ich jedoch keinen Gurt zur Hand und vergnügte mich (erstmal) mit der abgespeckten Variante. Nachdem also alle Sicherheitshinweise überlesen und geskippt wurden, fand ich mich im Hauptmenü wieder. Hier habt ihr die Auswahl zwischen freiem Training, einem längerfristigen Programm oder einer Challenge, die ihr ebenfalls längerfristig absolvieren könnt, aber wöchentlich aktualisiert wird. Seid ihr etwas unerfahren im sportlichen Gebiet, empfiehlt es sich, ein Programm auszuwählen: Das bedeutet, ihr werdet 30 Tage lang in einem bestimmten Training gefordert – diese reichen von einer entspannten „Wellness-Reise“, welche aus Gymnastikübungen für Balance und Beweglichkeit besteht, bis hin zu „Kardio-Bestie“. Dieses Kardio-Programm setzt sich aus Übungen zusammen, die euch zum Leistungssportler ausbilden sollen.
Zu jedem Programm und Training sind einige Details gegeben, die das Level, die Dauer, euren Highscore, die Musik und voraussichtlichen Kalorienverbrauch der jeweiligen Übungssammlung angeben. Die Schwierigkeiten erstrecken sich auf 5 Level – die maximale Stufe bleibt euch jedoch verwehrt, solltet ihr keine zwei der erwähnten Gurte zum Trainieren haben. Diese Entscheidung finde ich fragwürdig, denn so erhaltet ihr nämlich keinen Zugang zum gesamten Spiel, wenn ihr nicht die zusätzlichen Accessoires besitzt. Zwar gibt es eine Handelsversion, welche den Zusatz beinhaltet, diese kostet aber dementsprechend mehr. Sinniger wäre es gewesen, alle Programme und Übungen auch im „Light“-Modus zugänglich zu machen, steht hier doch der Sport im Mittelpunkt und nicht das Sammeln der Punkte – dazu aber später mehr. Dennoch könnt ihr dem Spiel natürlich vorgaukeln, dass ihr zwei der Gurte besitzt und sie ordnungsgemäß an eurem Körper befestigt habt. Damit könnt ihr dann das gesamte Spiel genießen, müsst aber natürlich Abstriche bei der Punktevergabe und dementsprechend beim Tracken eurer Fitness machen, welche ebenfalls in eure persönliche Statistik einfließen. Sind euch diese Werte weniger wichtig, weil ihr Let's Get Fit spielt, um fit zu werden, könnt ihr diese Option gerne wählen.
Die Workouts dauern zwischen 10 und 20 Minuten, abhängig von eurer ausgewählten Session und deren Schwierigkeitsgrad. Gerne könnt ihr auch mehrere hintereinander abschließen – beispielsweise ein leichtes zum Aufwärmen und ein härteres hinterher, je nachdem, wie ihr euch fühlt. Hier muss ich Let’s Get Fit loben: Es fühlt sich gut an, ein Programm zu verfolgen, das täglich absolviert werden kann. So generiert ihr eine Routine, die für den Sport unheimlich wichtig ist und es motiviert sehr, wieder einzusteigen. Motivierend sind auch die Erfolge, die ihr erzielen könnt. Nicht nur Erfolge an euren Körpern, sondern auch spielerisch gibt Let’s Get Fit Feedback, wie ihr euch verbessert, und lobt, dass ihr am Ball bleibt. Nebenbei sammelt ihr nach Absolvieren der Übungen In-Game-Trophäen und Meilensteine, die euch über eure Gesamtleistung informieren. Darüber hinaus könnt ihr mit jeder Übung Punkte sammeln, die euch einen Highscore in der Bestenliste ermöglichen. Habt ihr also Freunde, die ebenfalls in Form kommen möchten, ist das Highscoresystem wirklich klasse. So könnt ihr eure Leistungen abgleichen und euch gegenseitig pushen, sofern ihr euch wohl damit fühlt. Für jede Übung sammelt ihr Punkte und könnt euch dementsprechend mit jeder Session verbessern. So könnt ihr einschätzen, ob ihr fitter werdet oder ob ihr euch nochmal mehr anstrengen müsst. Könnt ihr das aber nicht mit Gewissheit sagen, klärt euch der Reiter Statistik darüber auf, wie gut ihr unterwegs seid. Dort findet ihr alle Informationen zu euren bisherigen Workouts. Wie oben beschrieben, werden euch diese Optionen fehlen, solltet ihr das Spiel auf den „Gurt-Modus“ umstellen, aber keine zur Hand haben, um Punkte zu sammeln.
Dennoch möchte ich hier kurz auf das gezwungene Anwenden der Accessoires eingehen. Ich verstehe ja, dass die Sportlerinnen und Sportler die Bewegungssteuerung nutzen müssen, damit die Konsole tracken kann, ob die Übungen ausgeführt werden, um Punkte zu sammeln. Unverständlich ist jedoch, komplette Workouts unzugänglich zu machen, statt einen „Ohne Punkte“-Modus oder ähnliches zur Verfügung zu stellen. Hier steht Sport im Mittelpunkt, Highscores sind eine nette Nebenerscheinung und durchaus sinnvoll, dennoch hätte Let’s Get Fit die aktuell gesperrten Workouts nicht hinter einer Zahlschranke über drei Ecken verstecken sollen. Das ständige Umstellen zwischen den Workouts nervt nach einiger Zeit ebenfalls.
Doch genug gemeckert, denn Let’s Get Fit ist nämlich rundum ziemlich stark: Während die Programme aus einem Set an Übungen bestehen, die euch längerfristig begleiten und dementsprechend bestimmte Muskelbereiche eures Körpers ausbilden, zielen die Challenges, wie der Name schon sagt, auf bestimmte Herausforderungen ab. Diese werden wöchentlich neu vorgeschlagen und ständig aktualisiert. Beispielsweise könnt ihr eine 30 Tage-Challenge angehen, die euch dabei hilft, nach diesem Monat eine 4-minütige Plank hinzulegen. Ist das nicht euer favorisiertes Sportfeld, könnt ihr euch auch an einer Lauf-Challenge versuchen, die sich dementsprechend dem Kardio-Bereich zuordnen lässt. Eurer Wahl sind keine Grenzen gesetzt.
Keine Grenzen sind die richtigen Stichworte für meinen favorisierten Menüpunkt: das Freie Workout. Hier habt ihr die große Wahl aus schon bestehenden Workouts, die sich ähnlich wie beim Programm auf bestimmte Sportbereiche konzentrieren. Der Unterscheid ist hier jedoch, dass ihr an kein Programm gebunden seid, sondern das trainieren könnt, was ihr möchtet. Beispielsweise möchtet ihr euch am Dienstag eher auf Bauch und Beine konzentrieren – haut einfach die zwei entsprechenden Workouts in diesem Modus raus. Mittwochs dann gerne Arme und Kardio – alles nach euren Wünschen.

Mit den persönlichen Workouts schafft Let's Get Fit grenzenlose sportliche Freiheit.
© Koch Media / Ravenscourt
Auch hier sind leider manche Workouts gesperrt, da ihr für diese das angesprochene Accessoire benötigt. Sagen euch die vorgefertigten Workouts nicht zu, oder habt diese schon zu lange absolviert, gibt es die Möglichkeit, eigene Workouts zu generieren. Zwar könnt ihr keine gesonderten Übungen aneinanderreihen und daraus ein wirklich persönliches Workout entwickeln, dafür aber eure Ziele in einem Menü angeben und euch eines ausspucken lassen. Dazu wählt ihr vorerst eure Richtung aus, beispielsweise HIIT, Krafttraining oder Kalorienverbrauch. Diese werden dann in weiteren Punkten präzisiert und gehen ziemlich ins Detail. Ihr bestimmt eure Kraft, die Dauer des Workouts und sogar euren Personal Trainer. Habt ihr alles eingetragen, wird euch ein Workout zusammengestellt und letztendlich entscheidet ihr erneut, ob dieses zu euch passt oder ob ihr ein neues generiert haben möchtet, basierend auf den gleichen Eigenschaften. Diese Möglichkeit ist wirklich bemerkenswert, kreiert ihr somit doch eure ganz eigenen Workouts, also wie ihr gerne Sport treiben würdet. Das Erstellen eigener Workouts wird zu Beginn wohl nur die Sportlerinnen und Sportler unter euch ansprechen, die schon einige Zeit den inneren Schweinehund besiegt haben. Seid ihr neu im Fitness-Game, empfiehlt sich natürlich das Durchführen vorgefertigter Programme. Hier stellt sich dann natürlich die selbstkritische Frage, ob ihr die einzelnen Übungen auch korrekt ausführt – denn wie so oft beim Sport scheitert es an der Durchführung, wobei es durchaus zu Verletzungen kommen kann. Auch hier möchte Let’s Get Fit ansetzen und Anfängerinnen und Anfänger an der Hand auf die Sportmatte ziehen: Vor jeder neuen Übung erhaltet ihr die Möglichkeit, ein kurzes Tutorial-Video mit Details zum Training anzuschauen.

Sind euch bestimmte Übungen nicht bekannt, greifen euch detaillierte Tutorials unter die Arme.
© Koch Media / Ravenscourt
Seid ihr euch also nicht ganz sicher, wie Crunches ordnungsgemäß ausgeführt werden, hilft euch der virtuelle Jeff in einem kurzen Clip. Dadurch wird Neuen ein Zugang gewährt und Unterstützung geboten, Langzeitsportler können ihr Repertoire erweitern und ebenfalls dazulernen. Zu guter Letzt möchte ich erwähnen, dass ihr von vier virtuellen Trainerinnen und Trainern unterstützt werdet, je nach Übung und Programm. So wird das Training ein wenig aufgelockert und bringt Abwechslung. Das ist natürlich ganz nett, verändert das Trainingserlebnis aber nicht grundlegend. Jede dieser Personen bringt auch ihr eigenes Set an Musik mit, das von entspannter Yoga-Musik über etwas schnellere elektronische Musik bis hin zu härterer Rockmusik reicht. So habt ihr auch hier Auswahl, wie ihr euer Training gestalten wollt. Die Musik ist an sich auch ganz nett, dennoch habe ich nach einiger Zeit meine eigenen Tracks nebenher laufen lassen, die mich persönlich etwas mehr antreiben. Let’s Get Fit lief im Handheld-Modus flüssig, sieht schick aus und kann so auch im Urlaub oder unterwegs für kleine Sets zwischendurch mitgenommen werden. Der Akku wird zudem auch nicht so strapaziert wie ihr bei manchen Übungen. Leider hätte auch Let's Get Fit mit der Bewegungssteuerung punkten können – oft wurden Bewegungen dennoch nicht ganz erkannt und es leuchtete statt angenehm grün warnend rot auf, sodass suggeriert wurde, die Übung sei falsch ausgeführt worden. Auch die Nintendo Switch kann nur spärlich prüfen, ob ihr vollzogene Übungen letztendlich korrekt ausführt. Statt also auf die Bewegungssteuerung zu achten, schaut während der Übungen lieber in einen Spiegel und versucht einzuschätzen, ob ihr auf dem richtigen Pfad seid.
Unser Fazit

8
Ein Spiele-Hit
Meinung von Michael Barg
Let's Get Fit ist umfangreich, tiefgehend und sehr präzise in der Umsetzung. Dadurch kann wirklich ein jeder einsteigen – egal ob Newcomer oder Sportskanone. Die Simulation bietet flächendeckend Workouts, die alle Muskelbereiche des menschlichen Körpers abdecken. Sind Muskeln nicht das Ziel, können mit Stretching oder Kardio auch andere Fitness-Bereiche angegangen werden. Die Tutorials sind hilfreich und sorgen für Fehlerminimierung, damit auch niemand verletzt aus dem ersten Training tritt. Schade ist lediglich, dass einige Workouts nur freigeschaltet werden, wenn sich die zusätzlichen Accessoires im Besitz befinden – in der Standardversion sind sie nicht enthalten, in einer gesonderten Handelsversion schon. Da für mich aber der Sport statt der Highscores im Mittelpunkt steht, hätten die Workouts trotzdem mindestens durchführbar statt gesperrt sein sollen – auch ohne ätzendes regelmäßiges Switchen zwischen den Versionen in den Einstellungen. Zusätzlich weist die Bewegungssteuerung deutliche Defizite auf und ihr findet hier auch wenig Fehlerfeedback. Manchmal werdet ihr aufgrund des roten Aufleuchtens eher verwirrt anstatt zur Korrektur motiviert. Let's Get Fit glänzt jedoch vor allem mit dem Erstellen eigener Workouts, sodass Sportlerinnen und Sportler ganz personalisiert schwitzen und fitter werden können. Im Gesamtpaket ist Let's Get Fit ein wunderbar guter Start, an seiner Traumkondition zu arbeiten und diese Wirklichkeit werden zu lassen. Erfahrene Trainingsbegeisterte können durch das umfassende Angebot auf alle Fälle auch die ein oder andere neue Übung lernen und ihr Repertoire auffrischen.Bestelle dir jetzt Let's Get Fit über unsere Onlineshop-Partner
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