Test zu South of the Circle - Nintendo Switch
Liebe oder Karriere?
Die Art und Weise, wie Videospiele an ihr Publikum herangehen, ist so unterschiedlich wie es verschiedene Genres gibt. Während sie alle eines gemeinsam haben, nämlich uns Spieler zu unterhalten, wollen uns manche fordern und uns all unsere Fähigkeiten abverlangen (ja Elden Ring, ich spreche von dir), uns ein paar schöne gemeinsame Stunden mit Freunden gewähren, uns epische Konflikte und Sagen miterleben lassen oder unser logisches Denken an seine Grenzen bringen. Natürlich gibt es noch viel mehr Wege, auf denen sich ein Videospiel seinem Spieler annähern kann und South of the Circle wählt hierbei den des intensiven Geschichtenerzählens, bei dem die Handlung über allem steht. Wieso mich das Spiel trotz seines nicht vorhandenen Gameplays am Ende doch so sehr gefesselt hat, sodass ich es an einem Stück durchgespielt habe, erfahrt ihr in unserem Test.
Während ich diese Zeilen aufschreibe, hat es draußen gefühlt 35 °, die Fenster sind verrammelt und ich habe das Gefühl, jede Minute einzugehen, so warm ist es. Da ist der Gedanke, jetzt in deutlich kälteren Gefilden zu sein, ganz verlockend – so jedoch nicht für unseren Protagonisten Peter. Der ist eigentlich ein Akademiker der Cambridge Universität und gerade dabei, für seine Forschung in die Antarktis zu fliegen, um Wetterdaten auszuwerten, als sein Flugzeug plötzlich abstürzt. Der Pilot verletzt, muss Peter sich allein auf den Weg zur nächstgelegenen Station aufmachen, um dort nach Hilfe zu suchen, wobei ihm auf dem Weg durch die eisige Hölle immer wieder die Erinnerungen an seine Vergangenheit einholen und wie er seine große Liebe Clara das erste Mal getroffen hat.
Vom Moment des Absturzes an wechselt die Handlung stetig zwischen Peters Überlebenskampf in der Gegenwart und vergangenen Momenten, die allesamt zum großen Unglück führen. Eine wichtige Person in den meisten dieser Erinnerungen ist Peters Freundin Clara, die er auf einer Zugfahrt nach Cambridge kennenlernt und die ihn auf den wichtigsten Stationen seiner akademischen Karriere stets begleitet. Die gezeigten Szenen fallen zwar allesamt episodenhaft aus, vermischen sich aber schon beinahe filmisch mit den Geschehnissen in der Realität. Wenn Peter zum Beispiel in der Polarstation ankommt und die Tür zur Unterkunft öffnet, springt die Handlung nahtlos über und statt der Station öffnet sich der Zugang zu Peters Büro in Cambridge, einige Monate zuvor. Auf diese Art und Weise wird die Handlung durchgehend vertieft und wir erfahren immer mehr über Peter und Clara und auch die Zeit, in der die beiden leben. Denn South of the Circle spielt nicht in der Gegenwart, sondern ist während des Kalten Kriegs angesiedelt und bildet eine Phase ab, in der die Spannungen zwischen den West- und Ostmächten bis zum Anspannen gereizt sind. Daneben werden noch andere Fragen behandelt, zum Beispiel ob es sich in dieser Zeit anschickt, eine Frau als Co-Autorin einer wissenschaftlichen These anzugeben oder was wichtiger ist: die Karriere oder die Versprechen gegenüber eines geliebten Menschen. Das mag im ersten Moment vielleicht nicht so besonders klingen, doch die Handlung glänzt durch gut geschriebene und nachvollziehbare Charaktere, Wendungen und spannenden Momenten, die mich tatsächlich so sehr motiviert haben, dass ich das Spiel in gut 5-6 Stunden am Stück durchgespielt und es fast nicht bereut habe. Wieso fast? Nun, das Ende kommt mit einem Twist daher, der in meinen Augen nicht nötig gewesen wäre, am Ende aber der gelungenen Erzählung keinen Abbruch tut.
Das klingt nun alles viel zu gut, um wahr zu sein, nicht wahr? Wo ist der Haken an der Sache? Nun einen Haken gibt es per se nicht, dennoch sollte jedem, der mit dem Kauf von South of the Circle liebäugelt, klar sein, dass der Fokus des Spiels auf der Geschichte liegt. Und das bedeutet letztendlich, dass es faktisch keinerlei Gameplay gibt, außer dass ihr wie in einem Walking Simulator einem vorgegeben Pfad folgt und gelegentlich entscheiden müsst, wie Peter auf Situationen und in Dialogen reagiert. Denn immer wieder gibt euch das Spiel verschiedene Gemütslagen, mit denen ihr auf das Geschehen um euch herum reagieren könnt. Übermannt Peter kurz nach dem Absturz die Panik, als der Pilot ihm aufträgt, dass er allein durch die eisige Einöde gehen muss, um Hilfe zu holen? Oder nimmt er seine Aufgabe stoisch an und versucht so viel Optimismus zu versprühen? Je nachdem wie ihr reagiert und welche Entscheidungen ihr trefft, formt ihr die Handlung an bestimmten Punkten und entscheidet über ihren Fortlauf. Doch das war es dann auch schon an Gameplay. Das Spiel gibt euch die Möglichkeit, euch völlig auf die Geschichte und ihre Charaktere zu konzentrieren, was erst einmal eine gute Entscheidung für diese Art Spiel ist. Auf diese Art und Weise konnten sich die Entwickler auch gut auf die Inszenierung ihrer Geschichte konzentrieren, was ihnen durch und durch gelungen ist, wodurch South of the Circle sich mehr wie ein spielbarer Film anfühlt als ein klassisches Adventure oder ein Walking Simulator.
In Sachen Optik kommt das Spiel mit einer sehr schönen und malerischen Optik daher, die zwar feine Details wie die Gesichter der Protagonisten nur sehr grob darstellt, gleichzeitig aber sehr ausdrucksstark daherkommt und (zumindest mich) an den Zeichenstil von Tim und Struppi erinnert und dem Siebdruck nachempfunden ist. Zusammen mit den weitestgehend sehr flüssigen Animationen wird so ein Gesamtwerk geschaffen, das durch die Bank weg schön anzusehen ist. Einzig Peters Körperhaltung wirkt manchmal etwas steif und ungelenk, wodurch ein kleiner Bruch besteht. In Sachen Besetzung der Synchronsprecher kann das Spiel mit einigen Schauspielern glänzen, die auch in Produktionen wie Game of Thrones oder Downtown Abbey tätig waren. Die Professionalität hört man den Sprechern auch an, denn die Dialoge glänzen mit einem fantastischen Englisch, das zumindest in Form von Untertiteln gut ins Deutsche übersetzt wurde.
Unser Fazit
7
Spaßgarant