Test zu Sifu - Nintendo Switch
Besonderes Beat 'em up prügelt sich nun auch auf der Nintendo Switch an die Spitze
Genau neun Monate hat es gebraucht, bis das etwas eigene Beat ‘em up seinen Weg auf die Nintendo Switch fand. Auch wenn der originale Release auf dem PC damals unter meinem Radar geflogen ist, konnte ich durch einen Bekannten immerhin knapp eine Stunde reinschnuppern und wollte Sifu seit jeher nachholen – mit der Nintendo Switch-Version war mir dies nun möglich. Als Fan aller Kampfsportarten und ebenfalls bekennender Kickboxer war ich natürlich umso gespannter, wie sich Sifu für unterwegs und mit technischen Limitationen schlagen würde. Dass mich Sifu aber auch nach einigen Stunden nicht mehr loslassen wollte und wie Nintendos Hybrid mit dem Martial Arts-Feuerwerk umgeht, erfahrt ihr in den folgenden Passagen.
Wie eingangs angedeutet, kommt Sifu etwas eigen, wenn nicht sogar in gewisser Weise einzigartig daher. Im recht modern anmutenden China schlüpft ihr in die Rolle wahlweise des Sohnes oder der Tochter eines Sifu, auch Shifu genannt. Als Sifu werden Meister bzw. Lehrer einer Kampfsportschule in China bezeichnet.
Nach einem kurzen Prolog wird der Rahmen des Spiels erklärt: Ihr wachst in einer Martial Arts-Schule auf und euch wird das blutige Kämpfen gelehrt. Eines Tages aber wird euer Vater Opfer eines Überfalls, der ihn das Leben kostet. Auf Rache gebürstet trainiert ihr auf den Tag der Abrechnung hin und so beginnt eure Reise durch die verschiedenen, ziemlich linearen, aber facettenreichen Level auf der Suche nach denen, die für den Tod eures Vaters verantwortlich sind. Dazu trefft ihr im Laufe des Spiels auf unterschiedliche Gegnertypen mit eigenen Spielstilen, die euch verschiedene Disziplinen wie beispielsweise Ausdauer und Geschicklichkeit lehren – wie in einer Kampfsportschule müsst ihr den ausgelegten Konditionen gerecht werden und nach und nach alle Kategorien bewältigen, bis ihr eurer Rache näherkommt.
Den etwas eigenen Kampfsportgürtel erhält Sifu durch den Genre-Mix zwischen komplexem Beat ‘em up und Elementen des Rogue-likes. Bedeutet also, ihr spielt die gleichen Level immer und immer wieder, werdet stärker und lernt aus vorherigen Fehlern, könnt aber eure Fähigkeiten erneut anpassen und euren eigenen Spielstil langsam herausfinden und vertiefen. Im Alter von zarten 20 Jahren macht ihr euch also als Kämpfer oder Kämpferin auf die Suche, um Rache zu verüben.
Zu Beginn werden euch natürlich die grundlegende Steuerung und das Gameplay in einem wirklich gelungenen, aber kurzen Tutorial nahegebracht. Wie im Kampfsport ebenfalls üblich, gilt auch hier die Devise „learning by doing“. Also macht ihr euch nach kurzen Probegefechten auf ins echte Getümmel, stürzt euch in die eingangs angesprochenen linearen Level mit unterschiedlichen Settings, die zwar im modernen China spielen, trotzdem aber traditionelle Charakteristika mit sich bringen. Trefft ihr auf den ersten Gegner, könnt ihr euer Gelerntes bereits anwenden: Es gibt einen leichten, dafür schnellen Schlag, aber auch schwere Angriffe, die jeweils miteinander in verschiedenen Combos vermischt werden können. Das besondere an Sifus Gameplay ist jedoch die Implementierung einer Leiste, die ich beispielsweise aus Sekiro bereits kenne und dort „Haltung“ genannt wurde. Seid ihr in der Lage, mehrere Angriffe eures Kontrahenten im richtigen Moment zu blocken, füllt sich diese Leiste bis zu einem Punkt, der euch einen ausschaltenden Finisher ermöglicht. Statt zu parieren, könnt ihr ebenfalls mit der gleichen Taste ausweichen – ob ihr erfolgreich seid, hängt aber davon ab, in welcher Richtung der gegnerische Schlag oder Tritt liegt und ob ihr die entgegengesetzte Richtung mit dem Stick fokussiert habt. Klingt etwas kompliziert, ist es auch, fühlt sich aber butterweich an. Die Lernkurve ist angenehm, dennoch bringt Sifu einen enormen Schwierigkeitsgrad mit sich, den ihr aber zwischen drei Leveln wählen könnt – die Rogue-like-Elemente sollen sich schließlich lohnen.
In einigen Situationen wird die Bildqualität ordentlich runtergeschraubt, was im Gefecht glücklicherweise aber nicht so sehr auffällt.
© Sloclap
Diese kommen in verschiedenen Formen daher: Auch wenn Sifu auf das persönliche Lernen ausgelegt ist und ihr daher keine wirklich spielverändernden Eigenschaften freischalten könnt, habt ihr die Möglichkeit, an verschiedenen Stellen neue aktive und passive Fähigkeiten zu erwerben. Im Laufe eines jeden Levels könnt ihr nämlich kleine Statuen, sogenannte Schreine finden, bei welchen ihr zwischen drei Arten der Währungen wählt, die euch in diesem Durchlauf verstärken – Fans des Genres kennen das bereits. Diese Fähigkeiten reichen unter anderem von einer Erweiterung der Lebensanzeige oder der Fokus-Leiste bis hin zum Zurücksetzen des Alterszählers – eine wirklich interessante Komponente, die Sifu so einzigartig macht. Solltet ihr nämlich mal einen Schlag zu viel einstecken müssen, werdet ihr durch einen besonderen Talisman erneut ins Leben zurückgeholt. Dadurch steigt jedoch euer Todeszähler um eine Einheit und ihr altert um ein Jahr. Sterbt ihr erneut, ohne den Todeszähler in der Zwischenzeit wieder verringern zu können, indem ihr beispielsweise bestimmte Gegner besiegt, wird die Zahl kumuliert. Ein Beispiel: Ihr sterbt, der Todeszähler beträgt eins, ihr altert um ein Jahr. Sterbt ihr erneut, beträgt der Zähler zwei, ihr altert nun aber um zwei Jahre. Erreicht ihr ein bestimmtes Alter verändert sich nicht nur das Aussehen eures Kämpfers, eure Gesundheitsleiste verringert sich zudem, ihr werdet aber gleichzeitig stärker. Erreicht ihr jedoch ein Alter von 70+ Jahren, beißt ihr endgültig ins Gras und müsst das Level von vorne anfangen. Zudem könnt ihr bestimmte Fähigkeiten erst ab einem bestimmten Alter erlernen bzw. bis zu einem bestimmten Alter – so spielt sogar das Alter eine strategische Rolle in eurer persönlichen Kampf-Entfaltung. Nach jedem Tod erhaltet ihr die Möglichkeit, aktive Fähigkeiten gegen Erfahrungspunkte zu erwerben – entweder einmalig, sodass sie nur für den aktuellen Run verfügbar sind, oder auch für folgende Versuche, wofür ihr aber tief in die Tasche greifen müsst, was einen kleinen Grind erfordert. Hier entscheidet aber ihr, ob das aktuelle Fähigkeiten-Kit für euren finalen Durchgang reicht, oder ob ihr auf Nummer sicher geht und die Skills lieber vollständig freischalten wollt. Diese sind ebenfalls facettenreich und schalten neue Combos frei, neue Skills für eure Fokus-Leiste, oder verschiedene Ausweich- bzw. Blockmechaniken. Habt ihr den Modus der Fokus-Leiste aktiviert, könnt ihr kampfunterbrechende Fähigkeiten anwenden, die euch die dominante Haltung im Kampf zurückholen, ein wenig Schaden anrichten und geringfügig die Haltungsleiste des Gegners füllen – je nach Art der eingesetzten Fertigkeit.
Um es noch ein wenig komplexer, aber dennoch recht einfach verständlich zu machen, nehmt ihr nach jedem Level eure erlernten Fähigkeiten und das Alter mit in das neue Level. Schließt ihr also beispielsweise das erste Level im Alter von 23 Jahren ab, startet ihr mit diesem Alter in den neuen Bereich. So entsteht eine Motivation, ein bestimmtes Level mehrmals zu versuchen, um jünger und/oder mit anderen Fähigkeiten in das nächste zu starten, damit ihr bessere Grundbedingungen für die weiteren Kämpfe habt – einfacher wird Sifu nämlich nicht. Nach jedem dieser Level erwartet euch einer von mehreren knüppelharten Bosskämpfen, die sich im Kampfstil deutlich unterscheiden, aber die vielfältigen Kämpfe damit weitaus interessanter machen.
Dadurch stoßt ihr immer wieder auf neue zu erlernende Kampfmuster und -stile, die euch einiges an Umdenken und strategischem Wechsel abverlangen. Das klingt anstrengend (Ist es auch!), aber unheimlich belohnend, solltet ihr im jungen Alter siegreich hervorgehen – in Sifu spielen nämlich zwei Faktoren der Motivation und Belohnung eine Rolle.
Ihr seht, Sifu ist komplex und verlangt eine Menge Energie von euch. Nicht nur das strategische Denken und Vorausplanen sind Teile des Loops, sondern auch das konstante Erlernen des Kern-Gameplays kann euch zur Erschöpfung führen, was gut und gerne in Frust enden kann. Trotzdem verbindet das Studio Sloclap die Genre-Elemente mit Bravour. Das Gameplay fühlt sich, wie oben kurz angeführt, butterweich an und gibt euch volle Kontrolle, sodass ihr selten das Gefühl habt, ein Kontrollverlust wäre Schuld am Versagen. Die Vielfältigkeit, Kämpfe anzugehen, lässt euch zudem neue Wege und Arten des Spielens ausprobieren, was dazu führt, dass es nicht einen einzigen Weg gibt, Sifu zu meistern. Das kristallisiert sich im oben beschriebenen umfangreichen Fertigkeitensystem heraus und motiviert ungemein, sich selbst irgendwann Sifu nennen zu wollen. Dennoch muss ich im gleichen Zug sagen: Sifu ist nicht für alle. Seid ihr nicht der Typ Mensch, der sich hinter wirklich schwierige und komplexe Systeme klemmt und zudem umfangreiche Spielmechaniken erlernen, aber auch meistern möchte, dann kann ich euch Sifu nicht ans Herz legen. Seid ihr hingegen ehrgeizig und gewillt, fast schon „Arbeit“ in das Spiel zu stecken, um eine wirklich besondere Art Belohnung zu erleben, dann schlagt zu.
Natürlich stellt sich abschließend noch die Frage, wie Sifu auf der Nintendo Switch performt. Auch wenn Sifu recht minimalistisch im Grafikstil daherkommt, finde ich es wunderbar hübsch. Nicht nur die Charaktermodelle und Umgebung haben einen eigenen Flair, auch die Umsetzung der verschiedenen Kampfsportarten ist fantastisch gelungen. Es macht wirklich Spaß, Gegner mit Schlägen und Tritten dem Erdboden gleichzumachen, sodass ich mich kurzzeitig unheimlich überlegen fühlte – dieses Gefühl sollte aber im nächsten Abschnitt schnell Geschichte sein und meiner Arroganz ein Ende gesetzt werden. Leider stottert Sifu auf der Nintendo Switch – besonders im dritten Abteil des Spiels, dem Museum. Beispielsweise bricht in einem speziellen Bereich die Bildrate während des Kampfes enorm ein, was den Sieg noch einmal um ein neues Level erschwert. Elemente im Hintergrund flackern hin und wieder und je nach Gebiet im Level kommt es zu schwachen bis starken Rucklern. Anfänglich blieben sie interessanterweise jedoch nur den Anfängen der jeweiligen Levels vorbehalten. Hier hat Sloclap leider nur teilweise gute Arbeit geleistet. Ich wünsche mir, dass zukünftige Updates diesem Problem eventuell entgegenwirken, damit ich es wirklich uneingeschränkt empfehlen kann. Aktuell stört der technische Zustand leider den Spielfluss – oder ist dies nur eine Ausrede für mein Scheitern?
Unser Fazit
8
Ein Spiele-Hit