Blanc im Test - Inklusives Koop-Abenteuer getarnt als Bleistift-Kunstwerk

Videospiele versuchen seit einiger Zeit immer mehr durch Inklusion zu glänzen, damit jeder in der Gesellschaft Spaß mit den kreativen Machwerken haben kann, die wir alle so sehr lieben. Das Entwicklungsstudio Casus Ludi hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit Blanc ein Spiel zu erschaffen, das ohne Feindseligkeit auskommt und auf gegenseitige Hilfe und Empathie der Spielenden setzt sowie jedem Spaß machen soll, unabhängig von den Fertigkeiten, die jene Person besitzt. Ob das Unterfangen lediglich für Langeweile sorgt oder doch plötzlich auch Personen, die dem Gaming bisher nichts abgewinnen konnten, vor die Konsole fesselt, erfahrt ihr hier im Test.


Eine Zweckfreundschaft, die zu verzaubern weiß


Ohne große Einführung startet das Spiel und zeigt euch ein Wolfsjunges und ein Rehkitz, die offensichtlich von ihrem Rudel bzw. ihrem Sprung getrennt wurden. Anfangs noch allein und auf Abstand laufend, fangen die beiden langsam an sich zu vertrauen und bemerken schnell, dass sie ohne die

Fähigkeiten des anderen keine Chance haben, in dem Schneegestöber wieder zu ihren Liebsten zu finden. So kann der Wolf zum Beispiel mit seinen Zähnen

an Schaltern ziehen und auch durch kleinste Lücken schlüpfen, während das Kitz besonders hoch springen kann oder dem Wolf als Räuberleiter dient. Die Dynamik zwischen den beiden lebt vom Ausprobieren der kontrollierenden Personen. Blanc lässt sich auch alleine spielen, allerdings entfaltet es erst im kooperativen Modus seinen Charme, weswegen ausdrücklich empfohlen wird, es zu zweit zu spielen.


Probleme machen erfinderisch – so entstehen Freundschaften!

© Casus Ludi

Zum Spielen werden lediglich der Analog-Stick und jeweils eine Taste zum Springen und zum Interagieren benötigt. Hier werden Casus Ludi ihren Prinzipien gerecht und bringen einen Titel auf den Markt, der ohne Probleme von vielen Menschen gespielt werden kann. Es gibt auch keine hektischen Momente wie Quicktime-Events oder dergleichen, die Spieler mit wenigen Fertigkeiten am Controller kategorisch ausschließen. Dies bedeutet natürlich im Umkehrschluss auch, dass Spieler, die eine Herausforderung suchen oder ihre Reflexe auf die Probe stellen möchten, hier an der falschen Adresse sind.


Was absolut heraussticht ist ohne Frage das Design von Blanc. Der Name ist hier nämlich Programm: Das Spiel wirkt wie eine handgefertigte Bleistiftzeichnung auf weißem Papier. Ihr kriegt hier keine Farben zu sehen, denn die gesamte Szenerie samt Figuren wurde vorher mit Bleistift gezeichnet und dann in 3D ins Spiel übertragen. Neben geometrischen Außenlinien war es den Zeichnern nur möglich, die Formen durch Schattierungen zu füllen und so einen Raum in der Spielwelt zu erzeugen. Das bleibt von Anfang bis Ende äußerst charmant und wird zu keiner Zeit langweilig, auch wenn gewisse Farbtupfer in der Welt sicherlich eine grafisch interessante Abwechslung gewesen wären. Manchmal fällt es allerdings schwer, den beiden Protagonisten zu folgen, wenn gewisse Ebenen nicht sofort zu erkennen sind oder die Kamera ein Eigenleben entwickelt, welches kaum zu bändigen ist.


Technisch leider noch ausbaufähig


Bei der Kamera sprechen wir auch über eines der größten Probleme des Erstlings der französischen Spieleschmiede. Die Kamera ist nicht von einem der Spieler selbst zu steuern, sondern bewegt sich nach vorgegebenen Mustern. Das ist insoweit sinnvoll, da beide Spieler zu jeder Zeit das gleiche Bild vor sich

haben, egal ob im Splitscreen oder im Online-Koop. Hier wäre es äußerst schwierig, wenn beiden die Kontrolle über die Kamera gegeben wird. Allerdings kommt es ziemlich häufig vor, dass die Charaktere hinter Fassaden verschwinden und trotz Silhouetten-Funktion nicht mehr richtig zu erkennen sind. Hier gibt es definitiv noch Nachbesserungsbedarf!


Nutzt die jeweiligen Stärken, um allen Widrigkeiten zu trotzen.

© Casus Ludi

Wenn wir schon vom Nachbessern sprechen, muss auf jeden Fall auch die allgemeine technische Umsetzung auf der Switch erwähnt werden. Es gibt häufiger spürbare Slowdowns, die allerdings durch das langsame Spielprinzip nie wirklich störend sind. Gerade im Handheld-Betrieb wird das Bild aber gerne mal unscharf, wodurch die Linien der geometrischen Formen an Feinheit verlieren, was letztlich nahezu alles ist, was das Spiel darstellt. Auch die "Texturen" der Wände sind oftmals derart verwaschen, dass man sich nicht wirklich sicher sein kann, ob es sich hier um Ziegel oder um Matsch handelt. Am meisten gestört haben aber einige kleine Bugs, die das knapp dreistündige Abenteuer merklich erschwerten. So passierte es unter anderem, dass einer der beiden nach einer Räuberleiter durch das gesamte Level teleportiert wurde, was nur durch einen Neustart behoben werden konnte. Vergleichbare Dinge geschahen insgesamt drei weitere Male, was bei der kurzen Spielzeit dann schon auffällt. Hoffentlich werden solche kleineren Probleme in naher Zukunft noch per Update gefixt.


Abschließend bleibt zu sagen, dass ich bewusst auf nähere Informationen zur komplett textlosen „Story“ verzichte, da das gesamte Erlebnis darauf basiert. Eine Bewertung anhand von Gameplay-Elementen oder anderen üblichen Faktoren fällt extrem schwer, wenn man bedenkt, welches Ziel sich die Franzosen gesetzt haben. Man könnte Blanc schmähend als Walking-Simulator bezeichnen, da die kleineren Rätsel nicht der Rede wert sind und auch sonst nicht viel von der Person am Controller verlangt wird, das würde dem Ganzen allerdings nicht gerecht werden. Blanc ist eine kurze, emotionale Reise ohne viel Tamtam oder schwindelerregende Plot Twists, untermalt von einem sanften Ambient-Soundtrack, die hervorragend von zwei Menschen verschiedener Fähigkeitslevel gespielt werden kann - und sollte!

Unser Fazit

7

Spaßgarant

Meinung von Kim Davids

Blanc lediglich mit einer Zahl zu bewerten, fällt mir äußerst schwer. Das Entwicklungsstudio Casus Ludi hatte eine Agenda vor Augen, die sie ohne Kompromisse durchgezogen haben und das weiß ich zu schätzen. Mit ihrem ersten Videospiel werden sie keinen neuen Gameplay-Award einheimsen oder jahrelang im Gedächtnis bleiben, weil die epochale Story so manchen emotionalen Knochen zu Tränen gerührt hat. Allerdings wurde hier ein Titel geschaffen, der hoffentlich noch viel mehr Menschen zu diesem wundervollen Hobby namens Gaming bringt. Die knapp dreistündige Geschichte hat mich trotz aller Kritik absolut verzückt und am selben Abend mit einem guten Gefühl ins wohlige Bett geschickt. Ein Spiel für die ganze Familie – und dieses Mal stimmt das wirklich.
Mein persönliches Highlight: Die wohlige Geschichte zweier Partner, die unterschiedlicher kaum sein könnten.

Die durchschnittliche Leserwertung

2 User haben bereits bewertet

Kommentare 8

  • Ryo Hazuki

    Turmheld

    Sehr schön geschriebener Test :) Finde ich definitiv interessant das Ganze! Dieses Jahr wird auch wieder meine Geldbörse sprengem :D Was schon alleine im Februar rauskommt... Ist auf jeden Fall auf meiner Wunschliste! Beim Sale wird dann zugeschlagen! :wario:

  • Dante Frost

    Twirps

    Danke für das aufschlussreiche Review. Soeben gekauft und wird am Weekend zusammen mit meiner Frau gespielt <3

  • sCryeR

    Turmfürst

    Solo nicht spielbar?

  • Kim Davids

    Redakteur

    sCryeR


    Doch, aber würde ich nicht empfehlen. Das Spiel lebt vom kooperativen Modus.

  • Vinyl99

    Turmheld

    Also das neuerdings spiele mit Barrierefreiheit und erleichterter Steuerung daherkommen finde ich wirklich super und eigentlich um soviele Jahre zu spät...Eigentlich unglaublich, dass man da nicht schon früher dran gedacht hat. Es ist wohl jetzt dadurch, dass die Spielerschaft so groß geworden ist und so breit einfach eine Notwendigkeit geworden.

    Da muss man allerdings auch sagen, dass Nintendo bei diesen Dingen nicht gerade glänzt - eigentlich finden sich Optionen zur Barrierefreiheit in ihren Spielen aktuell fast gar nicht.


    Für mich als Linkshänder wäre es nett gewesen, hätte es solche Optionen schon vor Jahren gegeben. Jetzt ist's wohl zu spät, denn ich hab in Hogwarts Legacy die Linkshändersteuerung versucht und bin kläglich damit gescheitert, bin einfach zu sehr an die Rechtshändersteuerung gewöhnt :)


    sCryeR


    Doch, aber würde ich nicht empfehlen. Das Spiel lebt vom kooperativen Modus.

    Schade eigentlich, denn damit verlieren sie einen großen Teil der Zielgruppe, weil leider heute kaum noch jemand diesen lokalen Koop-Modus schätzt :(

  • Kim Davids

    Redakteur

    Es ist wohl jetzt dadurch, dass die Spielerschaft so groß geworden ist und so breit einfach eine Notwendigkeit geworden.


    Ja, das vermute ich auch. Unabhängig von solchen Projekten, sollte es auch immer und in jedem Spiel die Option geben, sich die Steuerung zurechtzubasteln wie man es mag oder braucht. Nintendo braucht manchmal bei solchen Dingen ein wenig länger als die anderen Marktteilnehmer, aber da gerade Nintendo auf eine sehr breite Zielgruppe abzielt, wird das irgendwann kommen, da bin ich von überzeugt.


    Schade eigentlich, denn damit verlieren sie einen großen Teil der Zielgruppe, weil leider heute kaum noch jemand diesen lokalen Koop-Modus schätzt :(


    Blanc hat ja auch einen Online-Koop, also muss man nicht zwingend nebeneinander sitzen. :)

  • Kel

    Turmheldin

    Vinyl99

    Also mein Mann und ich schätzen Couch-Koop sehr.

    Vor allem freue ich mich, wenn mal etwas anderes als ein Shooter rauskommt, den man zusammen zocken kann. :D

  • sladee

    Turmritter

    Hab es mir für mich und meine Partnerin gekauft.

    Uns gefällt es - sind gerade in Kapitel 5 von 10 - wirklich ganz gut.

    Natürlich überhaupt kein Schwierigkeitsgrad - finde die Optik aber wirklich sehr schön

    Das die Kamera manchmal nicht ganz vorteilhaft ist können wir verschmerzen.

    Schade das es dann doch wirklich so kurz ist.