Blanc im Test - Inklusives Koop-Abenteuer getarnt als Bleistift-Kunstwerk
Videospiele versuchen seit einiger Zeit immer mehr durch Inklusion zu glänzen, damit jeder in der Gesellschaft Spaß mit den kreativen Machwerken haben kann, die wir alle so sehr lieben. Das Entwicklungsstudio Casus Ludi hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit Blanc ein Spiel zu erschaffen, das ohne Feindseligkeit auskommt und auf gegenseitige Hilfe und Empathie der Spielenden setzt sowie jedem Spaß machen soll, unabhängig von den Fertigkeiten, die jene Person besitzt. Ob das Unterfangen lediglich für Langeweile sorgt oder doch plötzlich auch Personen, die dem Gaming bisher nichts abgewinnen konnten, vor die Konsole fesselt, erfahrt ihr hier im Test.
Ohne große Einführung startet das Spiel und zeigt euch ein Wolfsjunges und ein Rehkitz, die offensichtlich von ihrem Rudel bzw. ihrem Sprung getrennt wurden. Anfangs noch allein und auf Abstand laufend, fangen die beiden langsam an sich zu vertrauen und bemerken schnell, dass sie ohne die
Fähigkeiten des anderen keine Chance haben, in dem Schneegestöber wieder zu ihren Liebsten zu finden. So kann der Wolf zum Beispiel mit seinen Zähnen
an Schaltern ziehen und auch durch kleinste Lücken schlüpfen, während das Kitz besonders hoch springen kann oder dem Wolf als Räuberleiter dient. Die Dynamik zwischen den beiden lebt vom Ausprobieren der kontrollierenden Personen. Blanc lässt sich auch alleine spielen, allerdings entfaltet es erst im kooperativen Modus seinen Charme, weswegen ausdrücklich empfohlen wird, es zu zweit zu spielen.
Zum Spielen werden lediglich der Analog-Stick und jeweils eine Taste zum Springen und zum Interagieren benötigt. Hier werden Casus Ludi ihren Prinzipien gerecht und bringen einen Titel auf den Markt, der ohne Probleme von vielen Menschen gespielt werden kann. Es gibt auch keine hektischen Momente wie Quicktime-Events oder dergleichen, die Spieler mit wenigen Fertigkeiten am Controller kategorisch ausschließen. Dies bedeutet natürlich im Umkehrschluss auch, dass Spieler, die eine Herausforderung suchen oder ihre Reflexe auf die Probe stellen möchten, hier an der falschen Adresse sind.
Was absolut heraussticht ist ohne Frage das Design von Blanc. Der Name ist hier nämlich Programm: Das Spiel wirkt wie eine handgefertigte Bleistiftzeichnung auf weißem Papier. Ihr kriegt hier keine Farben zu sehen, denn die gesamte Szenerie samt Figuren wurde vorher mit Bleistift gezeichnet und dann in 3D ins Spiel übertragen. Neben geometrischen Außenlinien war es den Zeichnern nur möglich, die Formen durch Schattierungen zu füllen und so einen Raum in der Spielwelt zu erzeugen. Das bleibt von Anfang bis Ende äußerst charmant und wird zu keiner Zeit langweilig, auch wenn gewisse Farbtupfer in der Welt sicherlich eine grafisch interessante Abwechslung gewesen wären. Manchmal fällt es allerdings schwer, den beiden Protagonisten zu folgen, wenn gewisse Ebenen nicht sofort zu erkennen sind oder die Kamera ein Eigenleben entwickelt, welches kaum zu bändigen ist.
Bei der Kamera sprechen wir auch über eines der größten Probleme des Erstlings der französischen Spieleschmiede. Die Kamera ist nicht von einem der Spieler selbst zu steuern, sondern bewegt sich nach vorgegebenen Mustern. Das ist insoweit sinnvoll, da beide Spieler zu jeder Zeit das gleiche Bild vor sich
haben, egal ob im Splitscreen oder im Online-Koop. Hier wäre es äußerst schwierig, wenn beiden die Kontrolle über die Kamera gegeben wird. Allerdings kommt es ziemlich häufig vor, dass die Charaktere hinter Fassaden verschwinden und trotz Silhouetten-Funktion nicht mehr richtig zu erkennen sind. Hier gibt es definitiv noch Nachbesserungsbedarf!
Wenn wir schon vom Nachbessern sprechen, muss auf jeden Fall auch die allgemeine technische Umsetzung auf der Switch erwähnt werden. Es gibt häufiger spürbare Slowdowns, die allerdings durch das langsame Spielprinzip nie wirklich störend sind. Gerade im Handheld-Betrieb wird das Bild aber gerne mal unscharf, wodurch die Linien der geometrischen Formen an Feinheit verlieren, was letztlich nahezu alles ist, was das Spiel darstellt. Auch die "Texturen" der Wände sind oftmals derart verwaschen, dass man sich nicht wirklich sicher sein kann, ob es sich hier um Ziegel oder um Matsch handelt. Am meisten gestört haben aber einige kleine Bugs, die das knapp dreistündige Abenteuer merklich erschwerten. So passierte es unter anderem, dass einer der beiden nach einer Räuberleiter durch das gesamte Level teleportiert wurde, was nur durch einen Neustart behoben werden konnte. Vergleichbare Dinge geschahen insgesamt drei weitere Male, was bei der kurzen Spielzeit dann schon auffällt. Hoffentlich werden solche kleineren Probleme in naher Zukunft noch per Update gefixt.
Abschließend bleibt zu sagen, dass ich bewusst auf nähere Informationen zur komplett textlosen „Story“ verzichte, da das gesamte Erlebnis darauf basiert. Eine Bewertung anhand von Gameplay-Elementen oder anderen üblichen Faktoren fällt extrem schwer, wenn man bedenkt, welches Ziel sich die Franzosen gesetzt haben. Man könnte Blanc schmähend als Walking-Simulator bezeichnen, da die kleineren Rätsel nicht der Rede wert sind und auch sonst nicht viel von der Person am Controller verlangt wird, das würde dem Ganzen allerdings nicht gerecht werden. Blanc ist eine kurze, emotionale Reise ohne viel Tamtam oder schwindelerregende Plot Twists, untermalt von einem sanften Ambient-Soundtrack, die hervorragend von zwei Menschen verschiedener Fähigkeitslevel gespielt werden kann - und sollte!
Unser Fazit

7
Spaßgarant