Sinnvolle Verbesserungen, die überzeugen können
Als Square Enix im Jahre 2018 den Titel Octopath Traveler herausgebracht hat, konnte dieser bereits eindrücklich beweisen, dass das Genre der 2D-JRPGs noch lange nicht tot ist und vor allem auch technisch immer noch beeindrucken kann. Etwas mehr als viereinhalb Jahre später steht mit Octopath Traveler 2 nun der Nachfolger in den Startlöchern, auf den sich Fans der Reihe bereits freuen. Im folgenden Test erfahrt ihr, wieso der Titel trotz weniger Neuerungen immer noch enorm Spaß macht und inwiefern wir es hier mit dem wahrscheinlich hübschesten 2D-JRPG zu tun haben.
Acht Helden, acht Schicksale, acht unterschiedliche Spielstile, acht Story-Einstiege … nicht umsonst verbirgt sich im Titel von Octopath Traveler 2 die Zahl Acht. Wie bereits im Vorgänger lässt euch Square Enix neuestes Rollenspiel nämlich nicht nur einen, sondern gleich acht Charaktere spielen, deren Geschichte letztendlich miteinander verwoben sind und die dazu bestimmt sind, die Welt zu retten. Diese grundlegende Prämisse hat im Vorgänger zwar gut geklungen, kränkelte aber leicht in der Umsetzung. Denn manche der Geschichten waren deutlich spannender als die anderen und so musste zumindest ich mich gezwungenermaßen durch manche Handlungsstränge durchquälen, damit ich die persönliche Geschichte all meiner Helden abschließen konnte. Wem es ähnlich ging, der darf sich freuen: Die acht frischen Gesichter, von denen ihr euch anfangs für eines als Hauptcharakter entscheiden müsst, kommen eigentlich allesamt mit einer interessanten Rahmenhandlung daher und auch die Charaktere an sich wirken von Anfang an interessanter als die des Vorgängers. Da hätten wir zum Beispiel die Wildlings-Jägerin Ochette, die mit ihrer gerade noch glaubhaften Naivität von ihrem Stamm losgeschickt wird, nach legendären, gottgleichen Wächtern zu suchen, die ihre Insel beschützen sollen. Oder ihr schlüpft in die Haut des sarkastischen Klerikers Temenos, der einer Mordserie nachspürt. Wahlweise bietet euch Octopath Traveler 2 auch die klassische Gedächtnisverlust-Prämisse, die jedoch spannend aufgezogen wurde. Daneben gibt es noch fünf weitere Helden, deren Geschichten mitunter keinen Originalitätspreis gewinnen, dafür aber gut geschrieben wurden und denen zumindest ich motiviert von Anfang bis zum Ende gefolgt bin.

Eure Gruppe aus vier Helden verschlägt es im Laufe der Handlung an die unterschiedlichsten Orte
© Square Enix Co., Ltd.
Jeder der Handlungsstränge besteht dabei aus mehreren Kapiteln. Habt ihr euch zu Beginn für einen der Charaktere entscheiden und dessen erstes Kapitel erfolgreich absolviert, werdet ihr in die große, weite Welt entlassen. Von nun an könnt ihr euch aufmachen, um die übrigen Helden aufzusuchen, damit sie sich eurer Sache anschließen. So vergeht schon einiges an Spielzeit, wenn ihr nur alle übrigen Geschichten erleben wollt, denn habt ihr einen der anderen Recken getroffen, könnt (und solltet) ihr erst einmal deren oder dessen Anfangsgeschichte erleben. Auf diese Weise schaltet ihr so Stück für Stück neue Quests frei, die sich über die gesamte Weltkarte verteilen und die ihr auch tunlichst erfüllen solltet. Denn habt ihr den Handlungsstrang eines Charakters abgeschlossen, winken mächtige Fähigkeiten und Ausrüstungen, die euch den letzten Teil des Spiels deutlich einfacher gestalten. Die Karte ist nicht nur in verschiedene Kontinente unterteilt, auch innerhalb der Landmassen gibt es verschiedene Biotope und Gebiete, die sich allen voran in ihrer Level-Anforderung unterscheiden. Damit eure Charaktere stärker werden können, benötigen sie genretypisch Erfahrungspunkte, die ihr, man ahnt es bereits, mittels erfolgreicher Kämpfe sammeln könnt. Dabei kommt hier, wie schon im Vorgänger, das Prinzip des Zufallskampfes zum Zuge – wenn ihr euch lange genug durch Gebiete außerhalb von Städten bewegt, werdet ihr früher oder später kämpfen müssen. Und hier kommen wir zu einem der Kernaspekte von Octopath Traveler 2.
Die Scharmützel laufen rundenweise ab und die Heldengruppe, die aus bis zu vier Charakteren bestehen kann, steht ihren Gegnern gegenüber. Das Spiel errechnet anhand der Charakter- und Gegnerwerte eine Zugreihenfolge und sowohl Gegner als auch Helden greifen entweder mit Standardangriffen, speziellen Fertigkeiten oder Zaubern an – so weit, so bekannt. Was Octopath Traveler damals schon einführte war das sogenannte Boost-System. Dabei sammeln eure Charaktere pro Runde Punkte, die ihr dafür einsetzen könnt, eure Attacken per Knopfdruck zu boosten. Im Falle des Standardangriffs bedeutet das, dass ihr mehrmals hintereinander mit eurer Waffe zuschlagen dürft oder im Falle eurer Fertigkeiten mehr Schaden anrichtet, mehr als einen Gegner trefft oder Unterstützungszauber mehrere Runden lang halten. Das alles wird insofern wichtig, weil all eure Widersacher verschiedene Schwächen haben. Das kann der Angriff einer bestimmten Waffengattung oder ein spezielles Element sein – greift ihr die Bösewichte mit eben dieser Schwachstelle an, verringert sich ihre Verteidigung. Habt ihr diese letztendlich durchbrochen, sind eure Feinde eine Runde lang benommen und können nicht nur nicht agieren, sondern nehmen auch deutlich mehr Schaden. Dieser Umstand in Verbindung mit dem Boost-System sorgt dafür, dass ein nicht gerade kleines taktisches Element Einzug in die Kämpfe hält und vor allem die knackigen Bosskämpfe gar nicht ohne das gezielte Schwächen gewonnen werden können. Und wenn alles aussichtslos erscheint, kommt das Spiel auch mit einer Neuerung im Vergleich zum Vorgänger daher: Teilt euer Charakter genug Schaden aus oder steckt entsprechend viel davon ein, so füllt sich nach und nach ein Symbol neben dessen Lebensleiste. Ist diese gefüllt, könnt ihr die sogenannte „Latente Kraft“ des Helden aufrufen. Je nach Charakter können dies völlig neue Angriffe sein, die zum Beispiel enorm viel Schaden an einem Gegner oder einer ganzen Gruppe anrichten oder bestehende Fertigkeiten werden verstärkt und effektiver. Diese Art von Angriffen und Unterstützungsfertigkeiten können das Schlachtenglück in schlechten Zeiten auch einmal drehen und sollten stets sinnvoll genutzt werden.
Jeder der Protagonisten beginnt das Spiel mit einer Startklasse, die denen des Vorgängers nahezu gleichen. Castti gehört zum Beispiel den Apothekern an, die im Kampf nicht nur eigene Tinkturen zusammenmischen können, sondern auch ordentlich mit der Axt austeilen. Mit der Klasse kommen zudem zwei sogenannte Pfad-Aktionen daher, eine für den Tag und eine für die Abend- und Nachtstunden, zwischen denen ihr in Teil 2 übrigens frei hin- und herschalten dürft. Diese Aktionen setzt ihr bei NPCs ein, weswegen sie auch häufiger während der Handlungs-Quests zum Einsatz kommen. Die Tänzerin Agnea kann tagsüber zum Beispiel NPCs mit sich mitnehmen, damit sie ihr im Kampf behilflich sind. Nachts wiederum bittet sie flirtend um ein Trinkgeld und kann so zusätzliche Gegenstände erhalten. So nett all diese Pfad-Aktionen auch sind, so selten habe ich sie aktiv in meinem Spieldurchlauf genutzt. Wer sie geschickt einsetzt, kann sich zwar den einen oder anderen spielerischen Vorteil verschaffen, wirklich nötig sind sie allerdings nicht, um im Spiel voranzukommen. Spätestens dann, wenn ihr mit vier Charakteren gleichzeitig durch die Länder zieht, geht auch gut und gerne die Übersicht verloren, welcher Charakter welche Fähigkeit am besten einsetzt und so habe ich mich irgendwann einfach dazu entschlossen, sie grundsätzlich zu ignorieren.
Neben den Erfahrungspunkten, mit denen euer Level steigt, erhaltet ihr nach erfolgreichen Kämpfen noch die sogenannten Laufbahnpunkte. Damit könnt ihr euch nach und nach neue aktive oder passive Fähigkeiten freischalten, die zu eurem Beruf gehören und euch entsprechend vielseitiger im Kampf agieren lassen. Es gibt im Laufe des Spiels jedoch auch noch die Möglichkeit, einen zweiten Beruf zu erlernen. Dafür müsst ihr unterschiedliche Gilden aufsuchen, die euch erst einmal die grundlegende Erlaubnis geben, damit eure Charaktere den entsprechenden Beruf überhaupt erlernen können. Das können neben den üblichen Klassen wie Kleriker, Apotheker, Jäger und Co. auch exotische Berufe wie die Ingenieurin sein, die während eines Kampfes kleine Apparaturen wie ein mobiles Katapult aufbaut und eine beliebige Schadensart auf alle Gegner niederregnen lässt. Wollt ihr in diese Zweitberufe weitere Laufbahnpunkte versenken, müsst ihr kleine Questreihen erledigen, die von typischen „Sammle Menge X von Gegenstand Y“ bis hin zum Bekämpfen von bestimmten Gegnern reichen. In dieselbe Kerbe schlagen meistens auch die vielen kleinen Nebenquests, die sich innerhalb der Spielwelt finden lassen. In fast jeder Ortschaft oder auch in der Wildnis lassen sich NPCs finden, die von euch wollen, dass ihr ihnen bestimmte Gegenstände bringt. Als Belohnungen winkt ganz klassisch schnödes Geld oder bestimmte Gegenstände, die den Aufwand letztendlich in meinen Augen niemals wert gewesen sind.

Die 2D-HD-Engine zaubert am laufenden Band schöne Szenerien auf den Bildschirm eurer Nintendo Switch
© Square Enix Co., Ltd.
Kenner des Vorgängers werden sich bis zu dieser Stelle vielleicht fragen, was sich groß im Vergleich zum Vorgänger geändert hat und die Antwort lautet schlicht: Nicht so viel wie sich manch einer vielleicht erhofft hat. Octopath Traveler 2 bleibt den Stärken seiner Vorgänger ziemlich treu und bügelt dafür einige Schwächen aus. So ist das Spiel nicht mehr ganz so grindlastig wie noch Teil 1 und auch die Bosskämpfe sind zwar noch allesamt knackig, kommen jedoch nicht mit unfairen Situationen daher, in denen eure Gruppe unverschuldet getötet wird. Eine weitere Neuerung, die es in den Vorgängern noch nicht gab, ist das Reisen per Boot. Ihr könnt nun in verschiedenen Situationen die Meere und Seen des Kontinents bereisen, um neue Gegenden zu erkunden – etwas, was in dem Genre jedoch nun wirklich nicht neu ist. Neben dem bereits erwähnten Tag- und Nachtwechsel per Knopfdruck gibt es zudem auch gemeinschaftliche Quests. Diese unterscheiden sich von den übrigen Handlungssträngen darin, dass sie eine kleine, abgeschlossene Geschichte erzählen, in der zwei festgelegte Gruppenmitglieder zusammenarbeiten müssen. Insgesamt kann man sagen, dass in Octopath Traveler 2 zwar nicht mit Neuerungen um sich geworfen wurde, das bisherige Spielprinzip jedoch kontinuierlich verbessert wurde und immer noch eine Menge Spaß macht.
Was hingegen enorm verbessert wurde, ist die Grafik und Optik von Octopath Traveler 2. Und hier kann ich einmal ganz unverblümt sagen: Für mich ist das Spiel eines der optisch eindrucksvollsten und schönsten 2D-RPGs aller Zeiten. Square Enix setzt hier den bisher eingeschlagenen Pfad mit ihrer 2D-HD-Engine fort, der zuletzt in Live A Live gut zu erkennen war. Denn dieses Spiel hat bereits einige cineastische Darstellungen zu bieten; seien es Kamerafahrten oder das Spielen mit unterschiedlichen Perspektiven. Octopath Traveler 2 setzt in all diesen Bereichen noch eins oben drauf und kommt mit teils wunderschönen Landschaften und Effekten daher, die das Spielgeschehen (vor allem auf der OLED-Nintendo Switch) enorm aufwerten. Dass die Optimierung dabei ebenfalls gelungen ist, merkt man daran, dass es zu keinerlei Leistungseinbrüchen gekommen ist und das Spiel sowohl im Handheld-Modus als auch im Docked-Modus fast durchgehend flüssig lief. Einzig während ein paar seltenen Kämpfen kam es in manchen Angriffsanimationen zu leichten Ruckler, die den Spielablauf jedoch in keiner Weise beeinträchtigen. Untermalt wird das Geschehen durch einen imposanten Soundtrack, der von treibend bis hin zu ruhig und gelassen reicht. Vor allem das Standard Kampf-Thema hat bei mir einen kleinen Ohrwurm hinterlassen. In Sachen Synchronisation habt ihr dabei die Wahl zwischen der japanischen und englischen Sprachausgabe. Die Texte wurden allesamt ins Deutsche übersetzt, wobei die Übersetzer insgesamt einen recht soliden Job hingelegt haben und es zu keinerlei Schnitzern oder Momenten gekommen ist, in denen mir nicht klar war, was die Charaktere ausdrücken wollen.
Unser Fazit

9
Geniales Spiel
Meinung von Florian McHugh
Octopath Traveler 2 könnte man auch gut und gerne als Octopath Traveler 1.5 bezeichnen und das meine ich im Guten. Square Enix besinnt sich hier auf die Stärken des Vorgängers und bügelt so manche Schwäche aus. Auch die Handlungsstränge der acht Charaktere können deutlich mehr überzeugen und sie fühlen sich deutlich verknüpfter an als damals. Letztendlich hatte ich mit Teil 2 deutlich mehr Spaß als noch mit Octopath Traveler 1. An Neuerungen kommt hinzu, dass ihr nun zwischen Tag und Nacht wechseln könnt – unterschiedliche Charakter-Fähigkeiten und -Boni inklusive –, ihr über neue, mächtigere Angriffsmöglichkeiten verfügt und die Welt per Schiff bereisen dürft. Einen weiteren Sprung hat das Spiel zudem auf grafischer Ebene gemacht, wo es nun deutlich cineastischer und imposanter daherkommt. Alles in allem können Fans des Vorgängers sowie alle Freunde des klassischen JRPGs bedenkenlos zuschlagen.Awards
