Test zu Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon - Nintendo Switch
Von boshaften Feen und handzahmen Dämonen
Die Bayonetta-Reihe umfasst bisher drei Titel, zwei davon exklusiv nur auf Nintendo-Konsolen erhältlich, die von Fans des Hack-'n'-Slay-Genres wegen ihres actionreichen Gameplays sowie den spektakulären Angriffskombos in hohen Tönen gelobt werden. Hat sich eine Spielereihe erst einmal in einem Genre fest etabliert, ist es spannend zu beobachten, was passiert, wenn deren Entwicklungsstudio den Schritt in ein völlig anderes Gerne wagt. Jüngstes Beispiel hierfür ist Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon, ein Prequel, welches zwar nach wie vor aus dem Hause PlatinumGames stammt, jedoch sowohl bei Optik als auch Gameplay eine völlig andere Richtung einschlägt – und damit weitaus mehr Spielerinnen und Spieler als die eigentliche Hauptreihe ansprechen könnte.
Die Lumen-Weisen und die Umbra-Hexen – zwei mächtige magische Clans, deren Mitglieder sich zur Vermeidung von Konflikten zwischen ihnen voneinander fernzuhalten gelobten. Als sich jedoch einst eine Hexe in einen Weisen verliebte und infolgedessen ein Kind, welches das Blut beider Clans in sich vereint, zur Welt brachte, wurden beide für ihren Tabubruch bestraft: Der Weise wurde verbannt, während die Hexe eingesperrt wurde. Das junge Mädchen Cereza wird seither von den anderen Hexen ihres Clans geächtet und verflucht. Lediglich die ebenso im Exil lebende Hexe Morgana nimmt sich der Junghexe an und bildet sie in den dunklen Künsten aus. Eines Nachts hat die unerfahrene Hexe in Ausbildung dann einen Traum: Ein mysteriöser Junge erscheint ihr und verspricht, ihr die nötige Macht zu verleihen, um ihre Mutter aus ihrer Zelle zu befreien. Dafür muss sie sich jedoch in den verzauberten Wald von Avalon begeben, ein Ort, vor dem ihre Lehrmeisterin sie ausdrücklich warnt. Dort leben nämlich Feen, boshafte Kreaturen, die liebend gerne verirrte Kinder entführen. Überzeugt von den Worten des Jungen schnappt sich Cereza dennoch ihre treue Plüschkatze Cheshire und schleicht sich im Dunkeln der Nacht in den Wald.
Cereza kann viele Pflanzen im Wald von Avalon durch ihren magischen Hexenpuls wachsen lassen
© Nintendo / SEGA
Dort angekommen ist Cereza zunächst auf sich allein gestellt und kann nicht viel mehr tun, als sich zu bewegen, Leitern emporzuklettern oder ihre magischen Umbra-Künste auf so manche Pflanze des Waldes zu wirken, um diese wachsen zu lassen. Und wie es natürlich kommen muss, wenn jemand das Schicksal derart herausfordert, dauert es nicht lange, bis sich Cereza von einer Gruppe Feen umzingelt in die Ecke gedrängt wiederfindet, ohne jegliche Möglichkeit, sich ihrer Widersacher zu erwehren. Verzweifelt versucht die Junghexe einen Höllendämon herbeizubeschwören, der es an ihrer statt mit den fiesen Feen aufnehmen soll, obwohl sie in der Vergangenheit bereits an einer ebensolchen Beschwörung gescheitert ist. Wie es der Zufall will, gelingt ihr die Beschwörung dieses Mal zwar, jedoch anders als eigentlich geplant: Während Höllendämonen normalerweise durch die Haare einer Umbra-Hexe gebunden und deren Willen unterworfen werden, geht der Zauber schief und eine grimmige Gestalt nistet sich stattdessen in Cerezas Plüschtier ein. Hexe und Dämon sind sichtlich wenig über den Ausgang dieser Beschwörung begeistert, stellen jedoch schnell fest, dass sie nur gemeinsam eine Chance haben, sich gegen die Gefahren, die der Wald von Avalon bereithält, zur Wehr zu setzen. Und so macht sich Cereza auf die Suche nach dem mysteriösen Jungen, während der Dämon, der noch keinen Namen hatte und daher von Cereza so wie ihr Kuscheltier genannt wird, auf das Versprechen der Hexe, ihn nach Erreichen ihres Ziels freizulassen, hofft und ihr widerwillig seine Unterstützung zusagt.
Das Besondere an diesem Konzept ist die Tatsache, dass die außergewöhnliche und zweckmäßig entstandene Zusammenarbeit zwischen Mädchen und Höllenkreatur nicht nur die Handlung, sondern auch das Gameplay maßgeblich beeinflusst. So steuert ihr Cereza mit dem linken Joy-Con (bzw. der linken Hälfte eures Controllers), während sich Cheshire ausschließlich mit dem rechten Joy-Con (bzw. der rechten Seite eures Controllers) kontrollieren lässt. Ihr müsst beide Charaktere also mit den jeweiligen Sticks navigieren, was anfangs sicherlich ganz schön ungewohnt ist, jedoch recht schnell in Fleisch und Blut übergeht. Cereza kann zusätzlich durch Halten der ZL-Taste ihre Umbra-Künste einsetzen, um entweder Magie auf Objekte in ihrer Umgebung zu wirken oder Gegner im Kampf zu fesseln und dadurch temporär bewegungsunfähig zu machen. Beeinflusst sie Pflanzen oder andere Objekte mit ihrem Hexenpuls, geht das Gameplay zu einer Art kleinem Rhythmusspiel über, bei dem ihr den linken Controlstick passend zum Takt, welcher durch ein Cereza umkreisendes Licht dargestellt wird, verwendet. Variationen im späteren Spielverlauf verlangen von euch, dass ihr den Stick in vier anstatt drei Richtungen neigen, den Stick zweimal schnell in eine Richtung drücken oder den Stick in eine Richtung neigen und dann bogenförmig weiterbewegen müsst. Das klingt zwar kompliziert, geht aber recht einfach von der Hand; Fehler werden glücklicherweise auch nicht bestraft.
Teamwork ist der Schlüssel zum Sieg: Während Cereza den Drachen mit ihrer Magie fesselt, kann Cheshire ihm ordentlich zusetzen
© Nintendo / SEGA
Cheshire hingegen ist eure einzige Waffe im Kampf gegen die Kobold-ähnlichen Feen, die euch das Leben regelmäßig erschweren wollen. Dieser plüschige Dämon kann durch Drücken der ZR-Taste mit seinen mächtigen Pranken ordentlich austeilen. Auch aufgeladenen Angriffe lassen sich im Kampf taktisch einsetzen und schwache Gegner könnt ihr sogar verschlingen, um dadurch eure Magie aufzufüllen. Diese kommt hauptsächlich in Cheshires Elementarformen zum Einsatz. Im Laufe des Spiels sucht und zerstört ihr Elementarkerne im Wald von Avalon. Habt ihr einen davon beseitigt, kann Cereza nicht nur die Elementarenergie des jeweiligen Typs absorbieren, wodurch Wegblockaden aufgehoben werden, sondern auch Cheshire profitiert davon maßgeblich, indem er durch Einsatz der A-, B-, X- und Y- Buttons seine Form wechseln kann. In seinen verschiedenen Formen teilt er nicht nur elementaren Schaden aus, der gegen bestimmte Gegner mehr ausrichten kann, sondern kann auch durch Drücken der R-Taste spezielle Aktionen ausführen. So kann Holz-Cheshire beispielsweise seine Zunge als Ranke nutzen, um damit an Objekten zu ziehen oder Gegnern einen schützenden Schild zu entreißen. Stein-Cheshire wiederum kann durch sein hohes Gewicht versteckte Objekte aus dem Boden stampfen und trotzt durch seine stahlharte Haut Angriffen mühelos. Feuer-Cheshire und Wasser-Cheshire hingegen bestechen durch ihre Geschosse, mit denen sie Gegnern aus der Ferne zusetzen können. Während die Feuerbälle auch Eiswände schmelzen können, lässt sich der Wasserstrahl wunderbar nutzen, um auf einer schwimmenden Seerosenplattform das Wasser zu überqueren. Euch erwartet also auch eine ganze Bandbreite an elementaren Rätseln in der Umgebung, die euch das Vorankommen erschweren. Leider haben es die Entwickler hier jedoch nicht geschafft, die elementaren Fähigkeiten für wirklich anspruchsvolle Puzzles miteinander zu kombinieren. Lediglich der kombinierte Einsatz von Holz- und Wasser-Cheshire ist gelegentlich vonnöten, was auch schon das höchste der Gefühle, was das Lösen von Rätseln angeht, darstellt. Schade!
Neben diversen Hindernissen wollen euch auch die Feen immer wieder am Erkunden des Waldes hindern. Hin und wieder findet ihr deshalb Verzerrungen der Realität, die euch zu einem Riss führen, der euch in ein sogenanntes „Tír na nÓg“ schlüpfen lässt. Schafft ihr es zum Ende dieser besonders mystisch aussehenden Trugbild-Verliese, könnt ihr die Verzerrungen aufheben und neue Gebiete erkunden. Obwohl gerade zu Beginn des Spiels eine gewisse Vielfalt und Abwechslung in den Tír na nÓg-Prüfungen vorliegt, verkommen diese im Laufe des Spiels leider zu generischen Kampf-Herausforderungen in immer gleichen Umgebungen. Auch hier erkenne ich leider einiges an vergeudetem Potenzial. Den Entwicklern sind hier scheinbar entweder die Ideen ausgegangen oder die Zeit, um diese umzusetzen.
Ein Talentbaum lässt euch eure gefundenen Ressourcen investieren, um Cereza und Cheshire neue Fähigkeiten zu verleihen
© Nintendo / SEGA
Besonders beim Erkunden, aber auch wenn euch im Kampf die Magie ausgeht, ist es zudem nützlich, Cheshire zu Cereza zurückzurufen. Durch einen Druck auf die L-Taste verwandelt er sich wieder in seine deutlich kleinere Plüschtier-Form und wird in Cerezas Armen getragen. In diesem sogenannten „Knuddelmodus“ regeneriert sich Cheshires magische Energie und ihr könnt ihn wie an einer Art magischer Leine um euch herum ausstrecken. Das ist nützlich, um herumliegende Items einzusammeln oder an bestimmten Stellen auch eine Art Sprung-Manöver auszuführen. Die eingesammelten Items könnt ihr übrigens auf zweierlei Weise nutzen. Manche davon könnt ihr in einem Fähigkeiten-Baum ausgeben, um sowohl Cereza als auch Cheshire mit neuen Aktionsmöglichkeiten auszustatten. So kann die junge Hexe beispielsweise mehrere Gegner auf einmal Fesseln oder Cheshire setzt seinen aufgeladenen Angriff als mächtigen Finisher ein. Je weiter ihr in der Story voranschreitet, desto mehr Fähigkeiten könnt ihr erwerben. Andererseits findet ihr aber auch Materialien, die ihr zum Brauen von Zaubertränken nutzen könnt. Diese kann Cereza dann mittels Steuerkreuz einsetzen, um sich beispielsweise zu heilen oder Cheshire kurzzeitig mit unbegrenzter Magie zu versorgen. Anders als in den Hauptteilen der Bayonetta-Reihe dürft ihr hier sogar mehrere Tränke auf einmal brauen und müsst nicht jedes Mal eine kleine Ewigkeit im Menü verbringen – wie toll!
In Sachen Spielunterstützung können sich so manch andere Spiele sicherlich eine Scheibe von Bayonetta Origins abschneiden. Neben den üblichen Einstellungen zum Bildschirm oder Sound findet ihr nämlich Optionen, die euch das Spiel ganz nach euren Wünschen vereinfachen können. Wer also mehr Wert auf das Erkunden der Welt oder die Handlung legt, kann beispielsweise den erlittenen Schaden reduzieren oder sogar ganz negieren, Cheshire unbegrenzt Magie verschaffen oder Cereza ihren Hexenpuls, mit dem sie Objekte in ihrer Umgebung beeinflusst, automatisch ausführen lassen. Dadurch kann jeder das Spiel den eigenen Wünschen und Fähigkeiten anpassen. Als jemand, der außerordentlich gerne Welten bis in jeden Winkel erkundet und dabei jeden noch so kleinen Stein umdreht, hätte ich mir jedoch eine übersichtlichere Karte im Spiel gewünscht. Zwar sieht die Karte im passenden Aquarell-Stil hübsch aus, informativ ist sie jedoch nicht. Wichtige Verbindungen wie Leitern oder Ranken sind nicht eingezeichnet und Übergänge zu anderen Gebieten sind lediglich mit Pfeilen gekennzeichnet, die jedoch nicht verraten, wo genau sie euch hinführen.
Zwischensequenzen werden ansprechend in Form von Aquarellbildern auf den Seiten eines Bilderbuches dargestellt
© Nintendo / SEGA
Ein großes Highlight des Spiels stellt sicherlich die Optik des Puzzle-Adventures dar. Während heute viele Spiele auf handgezeichnete Umgebungen und stilisiertes Design setzen, sticht Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon doch mit seiner Aquarell-Optik in der isometrischen Kameraperspektive heraus. Die vielen funkelnden Effekte lassen den Wald von Avalon mit seinen diversen Lokalitäten in einer mystisch-magischen Atmosphäre erstrahlen. Aufgrund des gewählten Stils läuft die Bildrate auch durchgehend stabil und ohne merkbare Einbrüche. Wer genau hinsieht, wird zwar merken, dass Items und andere Objekte erst ab einer gewissen Distanz eingeblendet werden, was mich jedoch zu keiner Zeit wirklich störte. Die Handlung wird in Form eines Bilderbuchs präsentiert, welches in Zwischensequenzen weiterblättert und sich langsam aufbauende Illustrationen zeigt, die sich oft zunächst bewegen, bevor sie einfrieren, wenn das Buch zur nächsten Seite blättern möchte. Auch hier obliegt die Entscheidung euch, ob ihr die Sequenzen beschleunigt, automatisch weiterblättern lasst oder ganz überspringt. Als großer Fan des auditiven Designs der Bayonetta-Reihe kann ich erfreut berichten, dass auch bei Cereza and the Lost Demon die Musik sowie das allgemeine Sounddesign ein wahrer Genuss für die Ohren sind. Gerade bei der Musik finden sich überall mysteriöse und magische Melodien, die das Setting im Wald von Avalon zum Leben erwecken, an der ein oder anderen Stelle aber auch vertraute Bayonetta-Melodien beinhalten. Auch die englischen Synchronstimmen wissen zu überzeugen, besonders die Stimme der Erzählerin trägt zur Märchenatmosphäre des Spiels bei. Lediglich beim mysteriösen Jungen aus Cerezas Träumen stellt sich mir die Frage, wieso man keinen tatsächlichen Jungen für die Rolle gefunden hat, sondern auf eine Synchronsprecherin setzte, die sich für meinen Geschmack ein wenig zu sehr anstrengt, nach einem Jungen zu klingen.
Die Bayonetta-Reihe wurde allerdings nicht nur für ihr exzellentes Action-Gameplay sowie die spektakulären Set Pieces bekannt, sondern auch für Gewaltdarstellungen und teilweise Nacktheit der Protagonistinnen. Passend zu der Geschichte einer deutlich kindlicheren Cereza, die uns in Bayonetta Origins präsentiert wird, kann ich hier jedoch Entwarnung geben. Mit einer USK 12-Altersempfehlung richtet sich Cereza and the Lost Demon nicht nur an eingefleischte Bayonetta-Fans und Puzzle-Adventure-Liebhaber, sondern erstmals auch an ein jüngeres Zielpublikum. Apropos Reihe: Der Name des Spiels erweckt mit „Bayonetta Origins“ den Eindruck, als könnte PlatinumGames in Zukunft vielleicht noch weitere Hintergrundgeschichten erzählen wollen. Nachdem sich Cereza and the Lost Demon der Kindheit der titelgebenden Hexe gewidmet hat, dürstet es mich nun danach, auch über andere mysteriöse Charaktere aus dem Bayonetta-Universum mehr zu erfahren. Vielleicht erfahren wir ja so irgendwann die Beweggründe, weshalb Rodin Bayonetta mit neuen Waffen ausstattet oder welchen Streit Madama Butterfly mit Alraune vom Zaun gebrochen hat. Die Zukunft wird zeigen, ob sich hier eine neue Reihe jenseits der Hauptserie anbahnt oder Cereza and the Lost Demon die einzige Ursprungsgeschichte bleibt, die PlatinumGames uns erzählen möchte.
Unser Fazit
8
Ein Spiele-Hit