Ein interaktiver Filmabend mit technischem Defizit

Man of Medan erschien erstmals 2019 für PlayStation 4, Xbox One sowie PC und legte seinerzeit den Grundstein für die The Dark Pictures Anthology-Reihe, die mittlerweile vier Teile umfasst. Mit dem eigenständigen Until Dawn bewies das britische Entwicklungsstudio Supermassive Games bereits zuvor, dass es die Kunst des interaktiven Filmabends beherrscht. Darin verabredet sich eine ehemalige Schulclique zu einem gemeinsamen Wochenende auf einer abgelegenen Berghütte, doch statt Partyspaß erwartet den Freundeskreis ein blutiges Chaos inmitten der winterlichen Kälte von New Hampshire. Zum Cast gehören einige echte Schauspielgrößen, wie Rami Malek oder Peter Stormare, und die Rückmeldungen vonseiten der Spieler/-innen und der Presse fielen trotz der vielen Albernheiten und Stereotypen überwiegend positiv aus. In dieselbe Kerbe möchte offenbar auch The Dark Pictures Anthology: Man of Medan schlagen. Anstelle der Berghütte setzt man hier auf ein Boot und die verlassene Berglandschaft muss den gefühlt endlosen Weiten des Ozeans weichen. Auch die Truppe besteht wieder einmal aus den typischen Hollywood-Klischees und möchte einfach nur ihre Freizeit in Abgelegenheit genießen. Ob dieselbe Rezeptur ein weiteres Mal schmeckt und wie sich die Nintendo Switch-Fassung im Vergleich mit den anderen Plattformen schlägt, erfahrt ihr im nachfolgenden Text.


Interessante Schauplätze wie der Ballsaal sind leider eine Seltenheit

© Supermassive Games

In The Dark Pictures Anthology: Man of Medan verschlägt es euch in den Südpazifik, wo ihr fünf Erwachsene auf einen gemeinsamen Tauchausflug begleitet. Was zunächst wie ein spaßiger Trip erscheint, entwickelt sich schnell zu einem waschechten Albtraum, als die Mitglieder der Truppe eine mysteriöse Schatzkarte aus den Trümmern eines versunkenen Flugzeugwracks bergen und anschließend modernen Piraten zum Opfer fallen. Leider führen die rätselhaften Koordinaten nicht zum verhofften Gold, sondern zu einem verlassenen Kriegsschiff aus dem zweiten Weltkrieg. Getrieben von der Neugier wagen die Entführer mitsamt ihrer Geiseln einen Schritt auf den gigantischen Kreuzer – und ein gefährlicher Wettlauf mit dem Wahnsinn beginnt ...


Die Handlung von The Dark Pictures Anthology: Man of Medan weist zwar einige Höhepunkte auf, hinkt aber in allen Bereichen dem Vorgänger Until Dawn hinterher. Das liegt nicht zuletzt an der deutlich kürzeren Spielzeit von fünf Stunden. Dies reicht einfach nicht aus, um vollständig mit den Figuren warm zu werden, geschweige denn eine glaubhafte Charakterentwicklung zu inszenieren. Auch die Wahl der Schauplätze kann nicht mit dem PlayStation 4-Exklusivtitel mithalten. Ein Viertel der Zeit verbringt ihr auf einem kleinen Boot, den Rest auf dem besagten Kriegsschiff, das vornehmlich aus rostigen Gängen besteht und nur selten mit einem Blickfang auftrumpft. Ebenso fehlt es dem Spiel an richtigem Grusel, einzig die gelegentlichen Schockmomente lassen die Herzfrequenz kurzzeitig ansteigen. Dennoch stellt sich ein gewisser Spaß ein, nimmt man das Ganze nicht allzu ernst und sitzt zudem noch mit eine paar Freundinnen und Freunden vor dem Bildschirm.


Die Qualität der Texturen schwankt auf dem Hybriden leider enorm

© Supermassive Games

Denn anders als Until Dawn ist The Dark Pictures Anthology: Man of Medan nicht nur alleine, sondern auch in der Gruppe spielbar. Während ihr im Online-Modus maximal zu zweit spielen dürft, können an einer Konsole bis zu fünf Personen der interaktiven Horrorgeschichte beiwohnen. Hierfür legt ihr zuvor fest, wer für welchen Charakter verantwortlich ist und auf welchem Schwierigkeitsgrad die jeweiligen Teilnehmer/-innen zocken möchten. Dieser beeinflusst primär das zeitliche Intervall, welches festlegt, wie lange ihr für eine Aktion – also eine Dialogentscheidung oder ein Quick-Time-Event – benötigen dürft. Dank der individuellen Einstellungsmöglichkeit können auch Spieler/-innen mit weniger Videospielkompetenz das Gruselabenteuer frustfrei mit ihrem Zockerfreundeskreis genießen – ein echter Pluspunkt.


The Dark Pictures Anthology: Man of Medan besteht vorwiegend aus kurzfristiger Entscheidungsfindung, vereinzelten Erkundungspassagen und Quick-Time-Events. Je nachdem, welche Wahl ihr in manchen Situationen trefft, könnt ihr den Spielablauf beeinflussen, Beziehungen zwischen den einzelnen Charakteren stärken oder sogar euer Todesurteil besiegeln. In den Erkundungspassagen könnt ihr indes etwas durchatmen, über die Schauplätze wandern, mit Gegenständen interagieren und zusätzliche Informationen sammeln. Die spannendsten Momente werden jedoch in gnadenlosen Quick-Time-Events präsentiert, die eure Geschicklichkeit und Spontaneität auf die Probe stellen. Wie schon in Until Dawn greifen die einzelnen Mechaniken gut ineinander und überfordern zu keinem erdenklichen Zeitpunkt. Einzig die Erkundungspassagen steuern sich etwas träge und ungelenk, was gelegentlich dem Spielfluss schadet.


Grafisch müsst ihr auf der Nintendo Switch einige Einschränkungen hinnehmen. Viele Licht- und Schatteneffekte wurden reduziert oder gar gestrichen, die Texturen- sowie die allgemeine Bildauflösung ist längst nicht so hoch wie auf den anderen Plattformen und die Bildrate wurde auf 24 Frames pro Sekunde begrenzt. Was im mobilen Betrieb der Hybridkonsole noch halbwegs funktioniert, offenbart im stationären Modus an einem größeren TV-Gerät deutliche Schwächen. Aufgrund der niedrigen Bildrate fühlt sich das Spiel ruckelig und sehr viel schwerfälliger an als auf den anderen Geräten, wo The Dark Pictures Anthology: Man of Medan mit 30 Frames pro Sekunde wiedergegeben wird. Zudem kann es zu vereinzelten Spielfehlern kommen, die im schlimmsten Fall zum Absturz führen oder euch zum Neustart eines Kapitels zwingen.

Unser Fazit

6

Überzeugend

Meinung von Felix Kraus

The Dark Pictures Anthology: Man of Medan hinkt in nahezu allen Bereichen seinem Vorgänger Until Dawn hinterher. Der Horror will nicht wirklich zünden, die Spielzeit ist zu kurz, um eine glaubhafte Charakterentwicklung zu inszenieren, und die Schauplätze fallen trotz Potenzial leider abwechslungsarm aus. Zudem müssen Spieler/-innen auf der Nintendo Switch deutliche Einschränkungen hinsichtlich der Grafik hinnehmen. Während das Ganze im mobilen Betrieb noch halbwegs okay aussieht, offenbart der stationäre Modus deutliche Schwächen in der Optik. Ein großes Lob verdient jedoch der spaßige Mehrspielermodus, der mit individuellen Schwierigkeitseinstellungen die Hürde für Gelegenheitsspieler/-innen senkt und eine unterhaltsame Gruppendynamik erzeugt, die über die genannten Defizite hinwegtäuschen kann.
Mein persönliches Highlight: Der Mehrspielermodus und die daraus resultierende Gruppendynamik

Awards

Multiplayer-Hit

Die durchschnittliche Leserwertung

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Kommentare 2

  • Darksamus666

    Wall-Jump-Akrobat

    Ich finde vA die nächsten Teile dieser Serie deutlich stärker als Until Dawn, das für mich halt zu viele Klischees zusammengewürfelt hat.

    Spielerisch ist da null Unterschied und da es statt 70€ wie until Dawn lediglich 50€ kostete, ist auch ne leicht und darin liegt die Betonung LEICHT kürzere Spielzeit vertretbar.

    Die Charakterentwicklung kommt zu kurz... Für mich als jemand, der halt in der Story nen trashigen interaktiven Horrorfilm sieht, überhaupt kein Problem, dass da recht oberflächliche Charaktere vorhanden sind. Die Charaktere an sich? Da haben wir eher nen validen Schwachpunkt. Auch die Geschichte ist nicht sonderlich originell in MoM, aber das ist sie mMn bei Supermassive in keinem der 5 Spiele und mMn ist das auch nicht so wichtig.

    Wenn man ein fable für Entscheidungsfreiheiten bei Adventures und trashigen Horror hat, ist man aber bei Supermassive genau richtig.

    Die Inszenierung ist fantastisch und bieten bis auf den Combat halt das Feeling alter Horrorgames, gepaart mit nem hohen Wiederspielwert.

  • Taske

    Turmheld

    Da muss ich meinem Vorredner (dezent) widersprechen, bzw. kurz darlegen, dass ich den Wiederspielwert von "Until Dawn" nicht sonderlich hoch fand. Ja, es gab verschiedene Enden, ja, man konnte hier und da eine Wahl treffen, aber alles in allem hatte man die Geschichte dann doch an einem verregneten Nachmittag durch, tja, und ob man dann wirklich dieses Spiel nochmal irgendwann aus der Box kramt...


    Also, ich für meinen Teil habs jedenfalls nicht getan.