Test zu Infinity Strash: Dragon Quest The Adventure of Dai - Nintendo Switch
Wenn Anime lieber Bewegtbild hätte bleiben sollen
Das Dragon Quest-Franchise wurde im Jahre 1986 geboren und repräsentiert seitdem ein Urgestein des JRPG-Genres und steht dem Final Fantasy-Universum gegenüber. Mehr als zehn Jahre später erschien mit Dragon Quest Monsters das erste Spin-off der Serie und wandte sich vom rundenbasierten Kampfsystem mit elaborierten Geschichten ab und segelte in den Taschenmonster-Gewässern. In den Dekaden danach wurde die Hauptreihe mit klassischer Formel qualitativ hochwertig fortgesetzt, mit weiteren Spin-offs tastete sich das Franchise an andere Genres heran. Durch Akira Toriyamas Artstyle, den wir vor allem aus dem Dragon Ball-Universum kennen, zog Dragon Quest auch im Bewegtbild alle Augenpaare auf sich, als 2020 die zweite Anime-Adaption mit dem namensgebenden Helden Dai auf die Fernsehbildschirme flimmerte. Mit dem Anime Dragon Quest The Adventure of Dai, das wiederum auf der Manga-Reihe aus dem Jahre 1989 basiert, begleiten wir den jungen Helden Dai auf seiner Reise, die dunklen Mächte zu besiegen, die sein Land und seine Freunde bedrohen.
Puh, The Adventure of Dai hat also eine lange Geschichte durch einige Medienformate hinter sich, sodass eigentlich nur noch ein Videospiel basierend auf seinen Erlebnissen gefehlt hat. Das sollte sich nun am 28. September 2023 ändern, als Infinity Strash: Dragon Quest The Adventure of Dai das Licht der Welt erblickte. Als Action-Adventure entfernt sich Infinity Strash also vom strategischen JRPG, ist allerdings auch nicht im Taschenmonstersegment von Dragon Quest Monsters zu finden, sondern nimmt das Territorium der Echtzeit-Action-Kämpfe ein, die zudem einige Rollenspielelemente in den Taschen tragen. Ob Square Enix‘ neues Spin-off jedoch auch das Segment der Action-RPGs an sich reißen kann, erfahrt ihr in den folgenden Zeilen.
Wie eingangs angerissen, erzählt Infinity Strash: Dragon Quest The Adventure of Dai die Abenteuer des Jungen Dai. Dai ist ein Waisenkind, das auf der Insel Dermline bei seinem Adoptiv-Opa Brass aufwächst, der als sicherer Ort für ein Volk gilt, das Jahre zuvor von der Dunklen Armee und vom Dämonenkönig Hadlar angegriffen wurde. Der legendäre Krieger Avan jedoch rettete das Volk in einem verbitterten Kampf und sorgte für Frieden, sodass Mensch und Monster für eine lange Zeit in Harmonie leben sollten. So, oder so ähnlich, wird Dai die Legende um Avan erzählt, der daraufhin selbst ein Held beziehungsweise Lichtbringer werden möchte, ein Motiv, das sich durch das Dragon Quest-Franchise zieht.
Ohne zu viel ins Detail zu gehen, weil die Abenteuer von Dai und seinen Freunden das Kernelement des Titels darstellen, kehren Hadlar und weitere Bösewichte der Dunklen Armee zurück, um nicht nur das Land, sondern auch das naheliegende Königreich an sich zu reißen. Nun liegt es am Lichtbringer Dai, Magier Popp und Heilerin Maam die Dunkle Armee zurückzuschlagen, wie es der Held Avan einst tat.
Ihr werdet beim Spielen schnell merken: Die Geschichte von Infinity Strash entstammt einem Manga und wurde nachträglich als Anime umgesetzt. Die Plotpunkte werden schnell abgehandelt und die Truppe muss verschiedene Hürden überwinden, gelangt dabei aber an immer weiter steigende Kräfte. Das ist nett und interessant umgesetzt, vor allem die Hauptcharaktere haben es mir im Laufe der Geschichte besonders angetan, was für die Stärken des Animes spricht, und die abgehandelten Arcs in Kapitelform werden ebenfalls in angenehmer Geschwindigkeit erzählt.
Es gibt einige Twists und Wendepunkte, die im Anime-Genre zwar typisch und erwartbar sind, trotzdem wurde ich abgeholt und bin prinzipiell gerne in Dais Abenteuern versunken. Die Dynamiken der Gruppe verdichten sich, Loyalität und Mut werden großgeschrieben, aber auch die Charakterentwicklungen eines jeden Mitglieds zeichnen sich im Laufe der Geschichte deutlicher, sodass sich ein unschlagbares Team aus Helden entwickelt, das sich um den Lichtbringer bündelt. Besonders komplex oder tiefgehend wird die Geschichte zwar nie, das muss sie allerdings auch nicht, denn vor allem für jüngere Zuschauerinnen und Zuschauer stellt Infinity Strash eine spannende und abwechslungsreiche Geschichte dar, die sich im Anime-Genre sehen lassen kann.
Es gibt einige wenige ansehnliche Cutscenes, die einen neuen 3D-Blick auf die Anime-Szenen werfen
© Square Enix
Hier beschreibe ich nur die Geschichte des Titels beziehungsweise den Anime – die Erzählweise und das Gameplay habe ich bewusst außenvor gelassen. Während manche wenige Szenen in hübsch gerenderten 3D-Anime-Momenten erzählt werden, die darüber hinaus zwar asynchron, aber sonst wirklich sprachlich passend vertont sind, beobachtet ihr mehr als die Hälfte des gesamten Spiels nur Standbilder, die mit Stimmen aus dem Off untermauert werden.
Das ist in anderen Erzählungen in Videospielen eigentlich kein Problem und kann zwischen Handlungssträngen vermitteln, nur nimmt diese Erzählweise in Infinity Strash das Hauptaugenmerk ein. Durch das zwanghafte Zurücklehnen und Zuschauen von Einzelbildern kommt nicht nur schnell Langeweile auf, sondern nimmt dem Videospiel auch das „Spiel“ weg.
Ihr findet in der Erzählart den Anime, der durch Einzelbilder erzählt wird, allerdings nicht die Geschwindigkeit eines Mangas einnimmt. Das führt dazu, dass ihr die Geschichte auf die wohl anstrengendste Art der Erzählungen erfährt. Das ist wirklich schade und wirkt unsäglich faul. Seid ihr nicht interessiert an der sonst glänzenden Story, könnt ihr zwischen den Abschnitten der teils sehr langen Standbild-Sequenzen springen. Aber nicht nur bei den Überlegungen, wie die Geschichte in Videospielform erzählt werden kann, wurden augenscheinlich die Füße hochgelegt.
Schnell wird die deutliche Abtrennung zwischen „Storyabschnitten“ und Gameplay-Leveln klar: Bereits auf der Oberwelt, wo ihr nur zwischen einem der beiden Symbole wechseln könnt, erkennt ihr Buch- beziehungsweise Kampfsymbole, die sich nach und nach aufdecken und die Geschichte der jeweiligen Kapitel vorantreibt. Angekommen im Gameplay-Level schlüpft ihr in die Rolle der für den Abschnitt relevanten Person, überwiegend tretet ihr aber als vollständiges Team an. Neben einem Standardangriff könnt ihr drei normale und eine Spezialfähigkeiten mit drei Stufen einsetzen, die ordentlich Wumms auf den Bildschirm zaubern. Im Kern reiht ihr Standardangriffe aneinander, die in der Regel aus einer Kombination aus drei Schlägen besteht, um eure (Spezial-) Fähigkeiten aufzuladen, damit ihr mit diesen nochmal ordentlich Schaden anrichten könnt.
Die Gameplay-Level bestehen aus sehr kleinen Gebieten, die von bösartigen Monstern oder Bossgegnern befreit werden müssen
© Square Enix
Das System ist nicht unbedingt neu und kann bei weiteren Vertretern des Action-Rollenspiels gefunden werden. Während sich dies allerdings zu Beginn des Spiels sehr klobig und nicht intuitiv anfühlt, gewöhnt ihr euch im Laufe des Spiels dran und könnt gegen Ende ein ganz angenehmes Spielgefühl beobachten. Lediglich das Ausweichen, Blocken und Kontern bleibt bis zum bitteren Ende eine Farce und fühlt sich zu keinem Zeitpunkt „richtig“ an.
Die Charaktere fühlen sich dank ihrer Klassen, die Story-bedingt zum Ende hin ansatzweise gewechselt werden können, im Gameplay unterschiedlich an, was ich sehr begrüße. Popp ist beispielsweise unser starker Magier, der zwar schwache Standard-Magieangriffe mit sich trägt, aber definitiv durch seine starken Zauber auffällt. Maam hingegen ist die Heilerin im Team und schützt euch vor dem Tod – denn Wiederbeleben ist leider nicht drin. Sollte ein Teil eures Teams ins Gras beißen, war es das und sie werden erst beim Neustart oder Abschluss des Levels wiederbelebt.
Gefallen hat mir das schnelle Wechseln zwischen den Charakteren während der Kämpfe, sodass ihr je nach Situation die Stärken eurer Gefährten nach euren Belieben ausspielen könnt. Auch wenn die computergesteuerten Teammitglieder beste Arbeit leisten, möchtet ihr die gebrochene Haltung eures Feindes ausnutzen und alle Spezialfähigkeiten hintereinander raushauen, um immensen Schaden zu verursachen. Habt ihr also ein großes Repertoire an starken Angriffen zusammengestellt, kann das Kampfsystem im Kern eigentlich punkten, die klobigen Kinderkrankheiten bleiben aber nach wie vor bestehen, sodass auch das Gameplay von Infinity Strash keine Glanzleistung darstellt.
Da es Infinity Strash durch den großen Fokus auf das Erzählen der Story im klassischen Modus an Gameplay mangelt, wurde kurzerhand eine Art Rogue-lite-System reingequetscht, um diesem Defizit entgegenzuwirken. Dieser nennt sich den Tempel der Erinnerungen und lässt euch je nach Kapitel einige Kammern durchlaufen, in welchen entweder normale Gegner oder die Bosskämpfe der Abschnitte auf euch warten. Nach Abschluss dieser erhaltet ihr einige Steine und Bunderinnerungen, mit welchen ihr Zauber und Erinnerungen aufwerten könnt, die euch im Tempel der Erinnerungen stärker werden lassen. Schwerter, Zauberstäbe oder Ausrüstungen könnt ihr nicht wie in anderen Vertretern des Genres auswechseln, die Individualisierung in Infinity Strash läuft stattdessen über das Ausrüsten der angesprochenen Erinnerungen.
Viele Anpassungsmöglichkeiten gibt es leider nicht, ganz nett umgesetzt sind die Bunderinnerungen trotzdem
© Square Enix
Diese Erinnerungen sind an Charaktere und Momente des Anime angelehnt und können charakterspezifisch daherkommen. Das bedeutet also, dass beispielsweise eine Erinnerung beziehungsweise eine Karte von Dai einige Statuswerte erhöht, ausgerüstet bei Dai jedoch darüber hinaus Spezialeffekte hervorrufen. Hier müsst ihr abwägen, wen ihr mit welcher Bunderinnerung ausrüstet, und könnt so eure Charaktere zumindest minimal anpassen. Die Verstärkungen sind besonders bemerkbar und können euren nächsten Durchlauf im Tempel der Erinnerungen entscheiden.
Der Tempel ist im Kern eine nette Abwechslung, im Gesamtpaket wirkt er allerdings als erzwungenes Mittel zum Zweck, euch neben der Diashow im klassischen Spielmodus auch mal zum Controller greifen zu lassen. Die Rollenspielelemente sind ebenfalls recht schwach, dennoch ganz angenehm integriert – das kann allerdings auch daran liegen, dass wir „wenigstens etwas“ bekommen haben, damit wir zufrieden sind. Für Fans sind die Bunderinnerungen bestimmt spannend umgesetzt und Kenner freuen sich über die verschiedenen Anspielungen, ich jedoch, dem der Anime bis dato inhaltlich unbekannt war, kann damit nicht viel anfangen. Diese lieblosen und arbeitsfaulen Aspekte, die sich durch das gesamte Spielerlebnis von Infinity Strash ziehen, findet ihr also auch im Tempel der Erinnerungen wieder. Es ist wirklich schade, wie mit den liebevollen Charakteren und der angenehmen Geschichte rund um Dai und seinen Freunden umgegangen wurde, denn diese lieblose Umsetzung hat The Adventure of Dai nicht verdient.
Die große Stärke von Infinity Strash sind die Geschichte und die liebevollen Charaktere
© Square Enix
Einen ersten Einblick haben wir auf der diesjährigen gamescom durch Xbox Series-Konsolen erhaschen dürfen, welche das Spiel gestochen scharf und farbenfroh darstellen konnten. Farbenfroh ist die Nintendo Switch-Version ebenfalls, und die geringe Auflösung schadet zwar der Schärfe des Spiels, dennoch darf sich Infinity Strash auf dem Hybriden sehen lassen. Die 3D-Cutscenes kommen zwar etwas detailarm daher, dank der gelungenen Anime-Optik machen sie dennoch einiges her und dank der fantastischen Vertonung habe ich den teils epischen Kämpfen gerne zugeschaut.
Leider brechen die Bilder pro Sekunde an einigen Stellen auch in den Cutscenes ein, was hier der Action jedoch in irgendeiner Form gutgetan hat. Im Gameplay läuft Infinity Stash überwiegend flüssig, müssen jedoch viele Feinde und Spezialeffekte angezeigt werden, kommt auch hier die Nintendo Switch an ihre Grenzen. Das stört in der Hauptstory nicht unbedingt und schränkt wenig ein, in den späteren, sehr anspruchsvollen Kapiteln des Tempels der Erinnerungen stört dieser Schluckauf schon enorm. Hier braucht es Geschicklichkeit und teils schnelle Reaktionen, um siegreich hervorzugehen, was durch die Technik jedoch nur noch erschwert wird.
Fans des Anime dürfen vorsichtig reinschauen, wenn sie die Geschichte auf eine andere Art erleben wollen, dennoch finde ich 59,99 Euro auch für Fans etwas frech. Ihr bekommt im Kern ein visuelles und erzählerisches Downgrade von The Adventure of Dai, das hin und wieder kleine Gameplay-Passagen im Gepäck hat und etwas angenehme Rollenspieltiefe bildet, sich allerdings nicht vor der offensichtlichen Faulheit versteckt.
Unser Fazit
6
Überzeugend