Test zu Grounded - Nintendo Switch
Die Natur schreibt die gruseligsten Geschichten
Bin ich mutig oder einfach nur dumm? Das ist wahrscheinlich die wichtigste Frage, die mir permanent während der Testrunden des Spiels Grounded durch den Kopf schwirrte. Nach dem großen Erfolg 2020 hat es nun dieses Survival-Abenteuer auch endlich auf die Nintendo Switch geschafft. Welches Schicksal euch zwischen Gräsern, Blüten und Ameisenhügel erwartet und für wen sich dieser Titel lohnt, gibt es in diesem Test zu lesen!
Ohne Gedächtnis erwacht ihr inmitten eines Erdlochs. Etwas stimmt nicht … Steine erscheinen übergroß und auch die Wurzeln, die aus der Erde ragen, wirken imposant. Ein Schritt, noch ein Schritt und dann ist es gleißendes Sonnenlicht, das euch blendet. Einmal umblicken verrät, dass hier DEFINITIV etwas nicht stimmt! Ihr seid auf die Größe einer Ameise geschrumpft und ohne Proviant oder Waffen in einem Garten gelandet. Wie ihr dorthin gekommen seid oder aus dieser misslichen Lage wieder herauskommt, wisst ihr nicht. Der Weg führt aber nach vorn zu einer Forschungsstation. Seid ihr etwa Opfer eines Experiments geworden?
Die Handlung von Grounded ist simpel gestaltet: Eine Reihe Jugendlicher ist in einem beschaulichen Örtchen der Neunzigerjahre verschwunden. Ihr seid eine dieser vermissten Personen und findet euch in einem eigentlich gewöhnlichen Garten wieder. Das Problem: Ihr seid so klein, dass sogar die Marienkäfer auf euch groß wirken. Euer Ziel ist es, wieder aus dem Garten herauszukommen und zu eurer echten Größe zurückzufinden, doch das gestaltet sich schwierig, denn hier gilt das Gesetz des Stärkeren und Menschen sind … biologische Mängelwesen.
Klassisch für das Survival-Genre bewegt ihr euch durch eine Umgebung, vollgepackt mit abbaubaren Produkten, Schauplätzen und Feinden. Anders als Goblins, Orks oder Wölfe sind eure Gegner kleine – jetzt riesige – Krabbler, die es sich in diesem Garten heimelig eingerichtet haben. Die ultimativen Feinde, die mir auch immer wieder das Fürchten gelehrt haben, sind wohl Spinnen in verschiedenen Größen und Formen; allein bei der Erinnerung an sie zucke ich schon ein wenig zusammen. Zart besaitet sollte man also nicht sein, wenn man in dieses wuselige Abenteuer eintauchen möchte.
Ebenfalls für das Genre typisch ist das Crafting-System, das eine bestimmte Zahl an sammelbaren Materialien voraussetzt, um die Mängel eines Menschen mit Waffen und Rüstungen auszugleichen und auch Gebäude-Teile und Maschinen können hergestellt werden. Zwar wirkt das ganze System nicht besonders außergewöhnlich, langweilt aber auch nicht. Um sein Repertoire an Bauplänen zu erweitern, gibt es in diesem Spiel die sogenannte „Reine Wissenschaft“ – wenn ihr verschiedenen Pflanzen- oder Tierteile an verschiedenen Forschungsstützpunkten erforscht, gibt das Punkte, die ihr in einem In-Game-Shop gegen mehr Rezepte und andere Boni eintauschen könnt. Die Erforschung eines einzelnen Gegenstandes wird außerdem oft sofort mit verschiedenen Rezepten belohnt, die unmittelbar mit dem Objekt zusammenhängen. Wenn ihr etwa einen Mückenstachel analysiert, bekommt ihr das Rezept für eine Waffe namens Stechmückennadel, eine Art Rapier, das Lebenspunkte der Feinde absorbiert.
Am interessantesten ist hier tatsächlich, was aus den Kleinteilen, die ihr im Garten sammelt, hergestellt werden kann. Zwar ist nicht alles realistisch, macht aber Spaß und wirkt kreativ. Für eine zusätzliche Würze gibt es auch Mutationen, die ihr durch wiederholte Aktionen freischalten und aktivieren könnt. Dadurch, dass ihr nur wenige Mutationen gleichzeitig verwenden könnt, seid ihr gezwungen, euren Build je nach Situationen anzupassen und immer wieder über Chancen und Risiken eurer aktuellen Rüstungswahl zu reflektieren. Das Bauen von Gebäuden, was in unzähligen Spielen dieser Art auch vertreten ist, findet auch hier Einzug, hinterlässt hingegen aber keinen bleibenden Eindruck.
Im Zentrum des Spiels steht die Erkundung, welche durch die Handlung initiiert wird. Auf uns Menschen mag ein solcher Garten auf den ersten Blick klein wirken, doch im Miniaturformat sind Sandkästen, Teiche und Müllhaufen eigene, riesige Biotope mit vielen Möglichkeiten, gefress… Erkundungen anzustellen. Das Kernproblem dieser Expeditionen ist, dass die einzelnen Spinnen und Insekten auf der Jagd sind und ein kleines Stück Fleisch wie ihr einen wirklich tollen Protein-Riegel abgibt. Mit Waffen, Schilden und Proviant versucht ihr also, wenige Zentimeter zurückzulegen, ohne dabei zerstückelt zu werden oder von irgendwelchen Höhen zu fallen und euch dabei alle kleinen Knochen zu brechen. Vordringen, sammeln, craften, tiefer vordringen; ein Zyklus, der nicht neu ist und trotzdem in den Bann zieht.
Während der Handlung bekommt ihr auf eurer Reise Anweisungen, zu welchen Orten ihr euch begeben müsst, ohne genau zu wissen, welche krabbeligen Dramen euch erwarten werden. Verschiedene Themen sorgen für Abwechslung und lassen jede Erkundung neu wirken: In den Tiefen des Teiches, inmitten einer von Spinnen verseuchten Hecke oder innerhalb eines düsteren Ameisenbaus; die Person, die euch diese Schrumpfung angetan hat, hat eine Vielzahl von Laboratorien errichtet, die euch helfen können, den Weg heraus aus der Garten-Hölle zu finden. Der Nervenkitzel entsteht dadurch, dass nicht nur verschiedene Tierchen auf eure Ankunft warten. Auch die Umgebung selbst ist herausfordernd. Wie wollt ihr minutenlang unter Wasser schwimmen, um auf den Grund des Teiches zu kommen, oder wie wollt ihr diese riesige Mauer überwinden? Die Natur kennt keine Gnade und ist ultimativ gerecht: Sie schenkt euch viel, kann euch aber genauso viel wieder nehmen!
Grafisch muss sich das Spiel nicht verstecken, als Nintendo-Switch-Spieler müsst ihr aber hauptsächlich bei der Weitsicht Abstriche hinnehmen. Ein Problem während der Testphase waren Insekten, die innerhalb eines bestimmten Radius einfach verschwanden, um Leistung einzusparen. Das ist zwar nicht verkehrt, doch ist dieser Radius recht gering, sodass man sehr gut sehen kann, wie ein Insekt verschwindet, oder andersherum man sich zu Tode erschreckt, weil eine Spinne plötzlich aus dem Nichts auftaucht. Zwar gab es kürzlich ein Update (wir berichteten), doch ganz gelöst ist dieses Problem nicht. Die Bildrate ist nicht immer stabil. Je nachdem, wo ihr euch befindet und wie viele Objekte in der Nähe platziert worden sind, kann es sein, dass die Bildrate ins Stocken gerät. Im Handheld-Modus ist das Spiel erwartbar weniger leistungsfähig, sodass ich hier klar den TV-Modus empfehle; davon einmal abgesehen würde ich vor Schreck ohnehin die Nintendo Switch ständig fallen lassen.
Die Musik spielt in diesem Spiel eine untergeordnete Rolle, schafft es aber immer wieder, die gefährliche Stimmung gekonnt zu untermalen. Durch die doch recht fokussierte Spielweise werdet ihr keine Zeit für Dudeleien haben, sondern euch vollständig auf die Umgebung konzentrieren. Insgesamt harmoniert das Design der Tiere und der Umgebung mit der eigenen Vorstellung. Zwar lässt sich hier und dort über die Logik diskutieren – unter anderem die Verhaltensweise von Wasser, wenn man so klein ist –, aber das sind Haarspaltereien, die eigentlich niemanden wirklich stören sollten. Insgesamt ist die Atmosphäre hervorragend und gibt einem das Gefühl, wirklich vor Ort zu sein – dieser Eindruck wird durch die voreingestellte First-Person-Perspektive verstärkt.
Wie man es von Survival-Spielen kennt, ist die Spielzeit variabel. Ergänzt wird der Story-Modus mit einen Sandbox-Modus, in dem ihr euren eigenen Garten gestalten und mit Freunden teilen könnt. Hierfür ist aber leider ein Microsoft-Konto nötig; aus meiner Sicht unschön einen weiteren Account haben zu müssen, um den vollen Umfang eines Spiels genießen zu können. Apropos Freunde: Auch den Story-Modus kann man mit Freunden nutzen, wobei ich das während der Review-Zeit nicht testen konnte.
Grounded ist ein interessantes Spiel, das zu fesseln weiß. Dank zusätzlicher Einstellung im Bereich Barrierefreiheit, lässt sich unter anderem das Design von Spinnen anpassen, sodass sie weniger gruselig oder gar nicht mehr nach Spinnen aussehen. Auch die Schwierigkeit kann eingestellt werden, wobei ich persönlich schon die niedrige Schwierigkeit als herausfordernd genug empfand. Für mich ist Grounded wie der Marienkäfer, den ich am Anfang des Spiels getroffen habe: außen süß und harmlos wirkend, doch als ich mir dachte, ihn umzubringen, hat er mich quer durchs Gras getackled und verspeist – ob ich mich von diesem Trauma je erholen werde, ist fraglich, doch zurückkehren werde ich in diesen Garten sicherlich!
Unser Fazit

8
Ein Spiele-Hit