Test zu Paper Mario: Die Legende vom Äonentor - Nintendo Switch
Dünner Mario, großes Abenteuer
Super Mario, der wohl bekannteste Klempner der Welt und zugleich Aushängeschild für Nintendo als Unterhaltungsunternehmen, ist ein Multitalent wie kein Zweites. Ist er nicht gerade dabei, Prinzessinnen zu retten, dann fährt er in Karts um die Wette, bekämpft Viren, versucht sich als Profi-Sportler oder schmeißt eine fette Party mit seinen Freunden. Die mitunter kreativsten und einzigartigsten Abenteuer erlebt er jedoch im Rollenspiel-Genre, wo es ihn durch Titel wie Super Mario RPG, Mario & Luigi, Mario + Rabbids oder Paper Mario immer wieder hinzieht.
Das ursprünglich 2004 für den Nintendo GameCube herausgebrachte Paper Mario: Die Legende vom Äonentor wird von Fans oft als einer von Marios Höhepunkte unter den RPG-Abenteuern gefeiert. Davon habe ich mich in den letzten Wochen einmal mehr selbst überzeugen können, als ich die Möglichkeit erhielt, das moderne Remake für die Nintendo Switch durchzuspielen. Nie hätte ich damit gerechnet, dass Nintendo und Intelligent Systems das Spiel so aufwendig und so liebevoll neu auflegen würden. Für mich als langjährigen Serienfan geht ein Traum in Erfüllung.
Die Geschichte bringt uns nach Rohlingen, wo der Legende nach ein uralter Schatz verborgen sein soll. Auf ihrer Reise durch die Provinzen des Pilz-Königreichs macht Prinzessin Peach in ebendieser Hafenstadt halt und stößt auf eine mysteriöse Schatzkarte. Von der Abenteuerlust gepackt lädt sie Mario dazu ein, sich ihr anzuschließen. Bei seiner Ankunft ist von der Prinzessin jedoch nichts zu sehen. In der Hoffnung, auf diesem Wege auf Peach zu stoßen, nimmt unser schnauzbärtiger Held nun die Jagd nach den legendären Sternjuwelen auf.
Anders als für Mario-Spiele üblich nimmt die Handlung in Paper Mario: Die Legende vom Äonentor eine wichtige Rolle ein. Kämpfe und Erkundung machen zwar den Großteil des Gameplays aus, doch ohne die einzigartigen Schauplätze, Figuren und Geschichten wäre die Reise nur halb so schön. Der Ton ist serientypisch humorvoll gehalten, allerdings versteht es das Spiel auch, eine gewisse Ernsthaftigkeit zu bewahren. Das wertet die Charaktere von bloßen Witzfiguren zu liebenswerten Persönlichkeiten auf und verleiht der papierenen Diorama-Welt ihren Tiefgang.
Man nehme Rohlingen als Beispiel. Die Mauern dieser heruntergekommenen Gangster-Stadt sind mit Graffiti beschmiert; die Gassen voller Müll und Pfützen; Taschendiebe treiben ihr Unwesen. Es ist unwahrscheinlich, solch einen Ort in den Hauptspielen zu finden und das macht Mario-Rollenspiele wie dieses zu etwas ganz Besonderem. Es zeigt, zu wie viel mehr das Mario-Universum imstande ist, wenn der Kreativität keine Grenzen gesetzt sind. Dies merkt man auch allen anderen Facetten des Spiels an, insbesondere den vielseitigen Charakterdesigns.
Spielerisch erwartet euch eine große Wundertüte an abwechslungsreichen Szenarien und Kulissen. Um voranzukommen, werdet ihr auf der Oberwelt Platforming-Passagen bewältigen und Rätsel lösen müssen. Glücklicherweise ist Mario nicht allein unterwegs, sondern kann auf die Hilfe seiner Partner bauen, die er im Laufe der Reise kennenlernt. Koopio etwa kann mit seinem Panzer weit entfernte Ziele treffen, Aerona dagegen Teile der Umgebung wegblasen und so Geheimnisse aufdecken. Dank dem neuen Partner-Rad könnt ihr eure Gefährten nun im Handumdrehen austauschen.
Kommt ihr in Kontakt mit einem Gegner, wechselt das Spiel zum Kampfbildschirm, der wie eine Theaterbühne aufgebaut ist. Zugweise greifen hier Marios Team und die Gegner die jeweils andere Seite an, bis die KP einer Seite auf 0 fallen. Der Kampfablauf mag zwar klassisch für Rollenspiele sein, die Ausführung hat allerdings einen zusätzlichen Aspekt, der auszeichnend für die Mario-Vertreter ist: das sogenannte Action-Kommando. Drückt oder haltet ihr den angezeigten Knopf zur richtigen Zeit, verstärkt ihr euren Angriff oder ermöglicht diesen erst überhaupt.
Das Action-Kommando zu beherrschen, ist oftmals schon die halbe Miete und peppt die rundenbasierten Kämpfe ordentlich auf. Dies gilt auch für die Defensive. Drückt ihr kurz vor einem gegnerischen Treffer den A-Knopf, nehmt ihr weniger Schaden als gewöhnlich. Traut ihr es euch zu, könnt ihr stattdessen aber auch den B-Knopf drücken und so den Angriff kontern, was jedoch ein extrem genaues Timing erfordert. Dieses „High Risk, High Reward“-Prinzip dürfte gerade den Profis viel Freude bereiten und ist ein Punkt, in dem sich das Kampfsystem im Vergleich zum ersten Serienteil weiterentwickelt hat.
Zusätzlich dazu hat Paper Mario: Die Legende vom Äonentor etwas eingeführt, das sich Trick-Kommando nennt. Während das Action-Kommando notwendig ist, um Aktionen auszuführen, ist das Trick-Kommando optional, aber lässt Aktionen stylisher aussehen. Das kommt gut beim Publikum an, welches die Kämpfe eures Abenteuers mitverfolgt. Könnt ihr den Zuschauern imponieren, sammelt ihr mehr Sternenenergie, welche für den Einsatz von Sternattacken benötigt wird. Stellt sie euch als mächtige Spezialangriffe vor, die euch aus der Patsche helfen können.
Das Theaterbühnen-Setting wird auch noch auf weitere Weise clever ausgenutzt. Fans werfen euch hin und wieder Münzen oder Heilitems zu. Unruhestifter dagegen wollen euch sabotieren. Noch dazu kann es vorkommen, dass Teile des Bühnenbilds umkippen, was Schaden verursacht, und andere Effekte eintreten, weil etwas von der Decke fällt oder die Nebelmaschinen losgehen. In keinem anderen Serienteil sind die Kämpfe so dynamisch und ausgeklügelt wie in diesem, was sie bis zum Spielende zu einem wahren Genuss macht.

Sammelt ihr 100 Erfahrungspunkte, steigt ihr im Level auf und könnt einen eurer Werte erhöhen
© Nintendo
Synonym mit klassischem Paper Mario sind die Orden, die Mario ausrüsten kann. Orden lassen sich auf der Oberwelt finden oder in Shops kaufen und verleihen euch in oder außerhalb von Kämpfen bestimmte Fähigkeiten wie starke Angriffe oder passive Effekte, die euch heilen oder gegnerische Angriffe öfter daneben gehen lassen. Um sie auszurüsten, braucht ihr Ordenpunkte, und um die Techniken im Kampf einzusetzen, Blütenpunkte. Das Aufleveln dieser Werte und das Management von Orden bereitet mir immer wieder große Freude, denn es fügt eine zusätzliche strategische Ebene hinzu.
Neben der Hauptgeschichte bietet Paper Mario: Die Legende vom Äonentor auch einige optionale Nebenaktivitäten. Die größte Anlaufstelle dafür ist die Job-Agentur, wo ihr Anfragen von Bewohnern aus allen Ecken der Papierwelt annehmen könnt. Die meisten Aufgaben sind zwar kaum der Rede wert, aber sie alle helfen ungemein beim World-Building und der zusätzlichen Charakterisierung von Figuren. Solltet ihr einmal nicht weiterwissen, kann euch neuerdings eine schlaue Maus ein paar Hinweise geben. Die langen Laufwege müsst ihr aber nach wie vor selbst auf euch nehmen.
Noch dazu gibt es Insignien der Sonne zu sammeln, welche eure Partner stärken, sowie Sternsplitter zu finden, die ihr gegen seltene Orden eintauschen könnt. Diese Sammelgegenstände schalten im Nintendo Switch-Remake obendrein Galerien frei, in denen ihr den Soundtrack des Spiels anhören und Konzeptzeichnungen betrachten könnt, was eine gern gesehene Geste ist. Für hartgesottene Kämpfer stehen die berüchtigten Duellkerker bereit, 100-Prozent-Jäger dürfen sich am Vervollständigen von Kochbuch sowie Lexikon versuchen und darüber hinaus gibt es noch mehr zu entdecken.

Luigi erlebt im Laufe des Spiels sein ganz eigenes Abenteuer und erzählt nur zu gerne davon
© Nintendo
Falls ihr im Laufe des Abenteuers irgendwann einmal Hilfe benötigt, weil ihr nicht wisst, wo es weitergeht, weil ihr bestimmte Sammelitems nicht findet oder weil ihr euch zu schwach fühlt, dann kann euch das Spiel unter die Arme greifen. Einerseits helfen euch die in und unter Rohlingen verteilten Wahrsager, andererseits wurden im Remake noch weitere Spielhilfen implementiert. Zu jeder Zeit können euch eure Partner nun Hinweise fürs Weiterkommen geben und ein neu hinzugefügter Kampf-Coach-Toad übt mit euch das richtige Action-Kommando-Timing.
Ein häufig genannter Kritikpunkt am Spiel ist das „Backtracking“, also das (mehrmalige) Zurückkehren an bereits bekannte Orte. Ein neuer Raum, welcher Abkürzungen zu allen wichtigen Orten beherbergt, sollte dem Problem entgegenwirken, geht meiner Meinung nach aber nicht weit genug. Dieser Ansatz erleichtert nämlich den Hin-, aber nicht unbedingt den Rückweg. Hier hätte ich mir die Möglichkeit gewünscht, von überall zurück nach Rohlingen reisen zu können – vielleicht durch ein Item oder so etwas. Das hätte mir einige Nerven erspart.
Zu guter Letzt sei über den wohl beeindruckendsten Teil dieses Remakes gesprochen: die audiovisuelle Präsentation. Das Originalspiel hat einen fast schon zeitlosen Stil, den man wohl ohne viel zusätzlichen Aufwand hätte übernehmen können, und einen geliebten Soundtrack mit großem Ohrwurmcharakter. Nichtsdestotrotz haben sich Nintendo und Intelligent Systems dazu entschieden, die Optik komplett zu überarbeiten, um sie auf den neuesten Stand zu bringen, und die Musik neu aufzunehmen und um völlig neue Stücke zu erweitern.

Hier und dort lassen sich Verweise an das erste Paper Mario finden, was Serienfans mit Sicherheit ein Lächeln aufs Gesicht zaubert
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Im Laufe meines Spieldurchlaufs habe ich mich immer wieder selbst dabei erwischt, für einen Moment innezuhalten und einfach nur die wunderschön gebastelte Umgebung zu bewundern oder mich über die neu hinzugefügten Animationen von Charakteren zu amüsieren. Die Neuauflage schlägt dabei eine Brücke zwischen dem Stil des Originals und der komplett papierenen Optik aus Paper Mario: The Origami King und dürfte damit die meisten Serienfans glücklich stimmen. Moderne Licht- und Schatteneffekte sowie Reflexionen machen jede Kulisse zu einem Augenschmaus.
Die Mühe, welche in den modernisierten Soundtrack gesteckt wurde, ist für mich aber ganz klar die größte Überraschung an dieser Neuauflage. Die neuen Arrangements, welche mit Live-Instrumenten aufgenommen wurden, heben die vertrauten Melodien auf ein neues Level und die vielen neu komponierten Tracks helfen dabei, jede Situation des Abenteuers passend zu unterstreichen. Man ist sogar so weit gegangen, mehrere Varianten der Kampfmusik für jedes Kapitel zu erstellen, was ich nicht genug loben kann. Ein solcher musikalischer Aufwand ist für Remakes unüblich.
Abseits von verschmerzbaren Slowdowns in vereinzelten Zwischensequenzen sind mir technisch keine Probleme untergekommen. Manch einer mag sich daran aufhängen, dass das Remake auf der Nintendo Switch nur mit 30 FPS anstelle der 60 FPS vom Original läuft, aber einen Aufschrei sehe ich hier nicht als gerechtfertigt. Die geringere Bildrate hat nämlich keine spürbare Auswirkung auf das aktive Gameplay und ist mir für lange Zeit nicht einmal aufgefallen. Wenn dieser Schritt nötig war, um die ausgefeilte Optik zu bieten, dann ist das ein Opfer, das ich gerne in Kauf nehme.
Unser Fazit

9
Geniales Spiel