Test zu Paper Trail - Nintendo Switch
Ein wundersamer Papierkranich unter den Indie-Perlen
Mit Paper Trail erschien erst kürzlich ein Indie-Spiel für die Nintendo Switch, das sich über das Lösen von Rätseln mittels Papier-Falt-Gameplay aus der Masse hervortun möchte. Dabei besticht es nicht nur mit seiner interessanten Spielidee, sondern erzählt nebenher von einer einnehmenden Coming-of-Age-Geschichte. Wieso sich dieses Spiel geradezu perfekt auf der Nintendo Switch entfalten kann, gibt es in diesem Testbericht zu lesen.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht die junge Erwachsene Paige, die gern eine entfernte Universität besuchen möchte. Leider verwehren ihre Eltern ihr diesen Traum, weil sie Probleme damit haben, ihre Tochter an einen entfernten Ort gehen zu lassen. Nach langem Zögern entschließt sich Paige dann eines Nachts aber, in Richtung Universitätsstadt wegzulaufen. Dabei hilft ihr eine mysteriöse Gabe, mit der sie sich nach eigenen Aussagen durch Raum und Zeit bewegen kann. Langsam entfaltet sich dabei eine Geschichte, die nicht nur ihre Reise durch das mysteriöse Land beleuchtet, sondern auch das Schicksal der Familie und den Grund für das elterliche Zögern erklärt.
Paiges Reise ist in verschiedene Themenbereiche (Höhlen, Ruinen, Sümpfe etc.) unterteilt, die sie passieren muss, um am Ende hoffentlich ihr Ziel zu erreichen. Jedes dieser Themenwelten ist in kleinere Level unterteilt, die es zu lösen gilt und genau an dieser Stelle tritt Paiges wundersame Gabe auf den Plan. Ihr dürft euch ein Level wie ein Blatt Papier vorstellen, auf dem Wege und Abgründe eingezeichnet sind und auf das ihr in der Vogelperspektive blickt. Ihr könnt mit Paiges ungewöhnlicher Kraft die Seiten und Ecken des Papiers greifen und falten. Jedes Level verfügt nämlich über eine Rückseite, die ihr über das Falten offenbart und so mit der Vorderseite verbinden könnt. Um ein Level zu passieren, müsst ihr das Papier auf und zu falten und dabei versuchen, Paige nach vorn zu bewegen, bis ihr in den nächsten Abschnitt vordringen könnt.
Anfangs ist das Spiel recht einfach und erklärt die wichtigsten Kernmechaniken. Eine der wichtigsten Regeln ist, dass Papier nicht mehrfach übereinander und auch nicht über Paige selbst gefaltet werden kann. Mit jeder Themenwelt tauchen außerdem neue Objekte auf, die mithilfe der Faltkunst ihre Kräfte entfalten. Dabei gibt es unter anderem Statuen, über die sich nicht falten lässt, weil sie das Papier fixieren oder auch Energiebalken, die verbunden werden müssen, um einen Weg freizuschalten.
Statt sich übermäßig viele verschiedene Objekte auszudenken, die durch Quantität statt Qualität zu bestechen versuchen, hat man sich bei Paper Trail für wenige Techniken entschieden, die vollständig ausgekostet werden. Dabei steht das Falten stets im Mittelpunkt und erhält durch die verschiedenen Möglichkeiten, das Papier umzuschlagen, und durch verschiedene, zu der Umgebung passende Objekte eine abwechslungsreiche Tiefe, die nicht so schnell langweilig wird. Eine gern gesehene Sache ist dabei die Hilfe, welche sich einfach per Knopfdruck aktivieren lässt. Dort könnt ihr euch ansehen, wie ihr das Papier Schritt für Schritt falten müsst, um voranzukommen. Jetzt mag manch einer fragen, wo denn die Herausforderung sei, wenn man leicht in die Lösung schauen könne. Diese Hilfe zeigt euch nur an, wie ihr falten sollt, nicht, wie Paige oder bewegliche Objekte platziert werden müssen. Selbst mit dieser Hilfe ist ein Erfolg nicht sofort errungen.

Je weiter ihr vordringt, desto unübersichtlicher kann es werden. Hier ist es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren.
© Newfangled Games
Das absolute Highlight des Spiels ist die musikalische Untermalung, die sogar die schmuckvollen, handgezeichneten Designs in den Schatten stellt. Gemeinsam bilden diese beiden Elemente eine Einheit, die euch in eine verträumte Welt einladen und für einen Moment den Alltag vergessen lassen. Ausgeschmückt wird Paiges Abenteuer mit kleinen Cutscenes, die durch Fotografien erzählt werden. Um die Erzählung weiter anhören zu können, müsst ihr das Foto passend zusammen- oder auseinanderfalten, sodass ihr den Szenen nicht nur unbeteiligt folgt, sondern interaktiv daran beteiligt seid. Auch die Gestaltung der verschiedenen Charaktere ist gelungen. Zwar sind diese in ihrem Verhalten stereotypisch und verfügen über wenig Tiefe, machen es aber über ihren Humor wett. Letztlich sind diese ja nur Statisten auf Paiges Weg zum Erwachsenwerden und sollen nicht im Mittelpunkt der Handlung stehen, sondern eher Erinnerungen an vergangene Tage hervorrufen.
Wie ihr sicher wisst, besitzt die Nintendo Switch einen Touchscreen, der leider meistens stiefmütterlich behandelt wird. Paper Trail holt das Maximum heraus, indem es die Möglichkeit gibt, das Papier mit dem Touchscreen im Handheld-Modus zu falten – es hat Vorteile, wenn ein Smartphone-Spiel auch für die Nintendo Switch erscheint. Es mag zwar wie eine Kleinigkeit klingen, sorgt aber für ein unglaublich immersives Spielgefühl. Hierbei könnt ihr nahtlos die Tastensteuerung oder den Touchscreen verwenden, wie es euch beliebt. Ich habe es überwiegend mit der Steuerung gespielt und muss sagen, dass diese etwas hakelig an manchen Stellen ist. Beispielsweise haben sich drehende Elemente kleinere Probleme bereitet, wobei das dem Spielgefühl insgesamt nicht wirklich abträglich gewesen ist. Für etwas mehr Herausforderung gibt es auch sammelbare Gegenstände, die passenderweise Origami-Figuren sind. Um diese zu erreichen, müsst ihr die einzelnen Level genau analysieren und das Papier so falten, dass Paige das Objekt einsammeln kann. Da es für diesen Weg keine Hilfe gibt und die Papierfiguren manchmal wirklich schwierig platziert sind, dürft ihr hier eure grauen Zellen richtig anstrengen.
Zum Thema Bildrate gibt es nicht viel zu sagen: Sie ist stabil und hat während des Tests keinerlei Probleme bereitet. Auch die Ladezeiten sind übersichtlich. Die Spielzeit beträgt weniger als zehn Stunden, was es zu einem idealen Zeitvertreib an einem ruhigen Wochenende bei Regen und einer Tasse heißen Kakao macht. Leider bin ich mit der Handlung nicht vollends zufrieden. Zwar wird über die Vergangenheit der Familie gesprochen, aber auf mich wirkt die Geschichte nicht ganz auserzählt beziehungsweise abrupt beendet. Dass große Fragen ungelöst bleiben, ist wahrscheinlich die Intention des Autorenteams, jedoch hat es bei mir ein seltsames Gefühl zurückgelassen, so als wäre ich zu früh aus einem Traum gerissen worden. Die Vertonung der Cutscenes ist auf Englisch verfügbar und deutschsprachige Untertitel sind mitgeliefert – qualitativ gab es für mich hier nichts zu beanstanden.
Unser Fazit

7
Spaßgarant