Test zu Shin Megami Tensei V: Vengeance - Nintendo Switch
Ein Ablasshandel für eine sündhaft gute Erweiterung
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3. Juli 2024 um 09:00 - Simon Münch
Shin Megami Tensei V erblickte erstmals im November 2022 das Licht der Welt. Zu dieser Zeit erschien das Spiel konsolenexklusiv für die Nintendo Switch und konnte eine gute Figur abgeben – derart gut, dass das Spiel 9 Punkte in der Bewertung bei ntower absahnen konnte. Nun bricht das Siegel des postapokalyptischen Da'at mit einer Erweiterung ein weiteres Mal, diesmal auch auf verschiedenen Plattformen. Selbstverständlich habe ich es mir nicht nehmen lassen und einen genauen Blick auf Shin Megami Tensei V: Vengeance geworfen und bespreche hier, für wen sich diese sündhafte Erweiterung lohnt!
Hinweis: Es wird empfohlen, den Test zu Shin Megami Tensei V gelesen zu haben, da in diesem Bericht einige grundlegende Elemente (Gameplay etc.) nicht noch einmal besprochen werden.
Eine der wichtigsten Neuerungen in Shin Megami Tensei V: Vengeance ist die Handlung, die ihr direkt zu Beginn initiieren könnt. Hierbei werdet ihr an einem bestimmten Punkt am Anfang des Spiels vor die Wahl gestellt, einer mysteriösen Frau die Hand zu reichen, wovor allerdings gewarnt wird. Wenn ihr entgegen der Ordnung diese Person wählt, schlagt ihr einen neuen Pfad ein, der das bisher bekannte Abenteuer und das Schicksal der Welt in neuerliches Blutrot tränkt.
Die Qadištu, Yoko Hiromine und der Nahobino – erfahrt im Buch der Vergeltung, welches Schicksal alle verbindet
© SEGA / ATLUS
Die neue Handlung – Buch der Vergeltung genannt – macht sich anfangs nicht sofort bemerkbar. Abermals landet ihr im malerisch höllischen Tokyo, einem Hort der Dämonen, der fortan als Da'at bekannt ist. Nach etwa 30–60 Minuten sollte euch eine erste zentrale Änderung auffallen: der Auftritt von Yoko Hiromine. Sie stellt sich als Schülerin einer Mädchenschule und mit besonderen Fähigkeiten, die denen einer Heiligen ähnlich sind, vor. Nun werdet ihr mit ihr gemeinsam die neue Welt erkunden, diese junge Frau und ihre unkonventionellen Ansichten kennenlernen und den Kampf zwischen Ordnung und Chaos verfolgen und aktiv beiwohnen.
Was diese neue Handlung interessant macht, sind die subtilen Änderungen, die sich wie in einem Schmetterlingseffekt zu einem katastrophalen Sturm verdichten. Dabei steht eine neue teuflische Gruppierung, die Qadištu, im Mittelpunkt, die die bisherige Handlung in einen Sumpf aus Blut und Verzweiflung versinken lässt, bis die Geschichte vollständig von der eigentlichen Handlung entrückt ist und somit ein neues, eigenständiges Erlebnis bietet.
Eine positive Folge ist auch die Entwicklungskurve einiger Charaktere. Im Vorgänger hatte ich besonders kritisiert, dass die auftretenden Jugendlichen nicht wirklich in das Setting passten. Zwar wirken sie zu Beginn noch immer künstlich, durch den Fortschritt der Handlung und der damit einhergehenden Weiterentwicklung werden sie jedoch authentischer, sodass sie diesmal besser in das Chaos von Da'at integriert wirken.
Eines der größten Verkaufsargumente neben der brandneuen Handlung sollen die vielen verschiedenen Neuerungen sein, die das Spiel bereichern. Dabei gibt es eine Vielzahl an kleineren positiven Änderungen, die allgemein jedoch nicht bahnbrechend sind.
Größeren Anpassungen wie neue Dämonen, Missionen oder auch neue Bereiche (z. B. das Dämonennest oder Bethels Shakan) sind hingegen offensichtlicher. Aber auch die Magatsu-Schienen vermögen es, Da'at, das generell sehr linear konstruiert wirkt, mehr Dynamik zu verleihen. Dabei könnt ihr sowohl neue Orte erreichen, aber auch einen guten Ankerpunkt finden, um an den Kraftquell zurückzukehren, ohne den Fortschritt wieder ablaufen zu müssen, nachdem ihr euch geheilt oder neue Items gekauft habt.
Das Dämonennest ist eine charmante Abwechslung. Hier könnt ihr mit euren Dämonen sprechen, indem ihr euch über einen Kraftquell hinteleportieren lasst. Gelegentlich kommt es dazu, dass sie euch sehr mögen, was wiederum dazu führt, dass sie sich verbessern, neue Attacken lernen oder euch ein Geschenk überreichen möchten. Auch ihr habt die Möglichkeit, Geschenke in der Welt von Da'at zu finden und sie euren treuen Begleitern zu geben. Das Nest ändert je nach Ort, an dem ihr euch befindet, sein Aussehen, sodass es abwechslungsreich bleibt. Jedoch wird man den vorgefertigten Dialogen mit den gewöhnlichen Dämonen schnell überdrüssig – anders dagegen verhält es sich mit dem Aogami. Wenn ihr bestimmte Situationen gemeistert habt, könnt ihr mit eurem Aogami sprechen und interessante Einblicke in die Gefühle des Protagonisten und des Aogamis erhalten. Eine Art Fotomodus rundet dieses regelmäßige, wenn auch kurzweilige Erlebnis ab.
Eine überaus interessante Erweiterung sind die menschlichen Charaktere, die euch für eine bestimmte Zeit begleiten. Vornehmlich Yoko ist es, die euch zur Seite steht und mit ihrer vielseitigen Magie gekonnt den Rücken freizuhalten weiß. Aber auch andere Charaktere, die ihr bereits im Basisspiel kennen, lieben oder hassen gelernt habt, werden euch eine Weile begleiten. Sie leveln wie eure Dämonen und können auch neue Skills erlernen. Ob ihr diese in eure aktiven Teams aufnehmt, ist selbstverständlich euch überlassen. Oft solltet ihr ohnehin situativ handeln, denn eines hat sich nicht geändert: Die einzelnen Kämpfe sind höchst strategisch – besonders bei Boss-Kämpfen – und bedürfen durchdachter Anpassungsfähigkeit!
Nichtsdestotrotz täuschen diese Änderungen über einen Fakt nicht hinweg: Es ist aus meiner Sicht noch immer das gleiche Spielgefühl. Teils sehr herausfordernde Kämpfe, gepaart mit mystischen Melodien und einer schillernden Welt, die in Sünde versunken scheint. Zwar schaffen einzelne Änderungen, das Spiel zu erweitern oder angenehmer oder anspruchsvoller zu gestalten, doch letztlich wurde in meinen Augen nur mehr vom Gleichen hinzugefügt oder Dinge, die weniger überzeugend im Vorgänger waren, ausgebessert. Diese Änderungen sind selbstverständlich nicht unerwünscht, doch dabei kommt es zu einem unangenehmen Problem …
Ich habe nicht schlecht gestaunt, als Atlus bekannt gegeben hat, Shin Megami Tensei V: Vengeance als eigenständigen Vollpreistitel für die Nintendo Switch anzubieten. Unterm Strich fühlt sich für mich das Spiel mit der neuen Handlung mehr wie ein DLC als ein komplett neues Spiel an. Selbstverständlich muss mit einem solchen Spiel gewirtschaftet werden, aber wieso Besitzer des Originals Vengeance nicht wie eine Art DLC erstehen können, bleibt mir schleierhaft. Zwar mag das Spiel an manchen Stellen mehr Tiefe erhalten haben, aber ich würde an dieser Stelle behaupten, dass es sich hierbei nicht um ein grundlegend neues Spiel handelt oder es sich derart gewandelt hat, um erneut den Vollpreis zu verlangen.
Nachdem ich nun auch die PlayStation-5-Version angespielt habe – wo ein Vollpreistitel Sinn ergibt, da das Spiel auf dieser Plattform erstmals erschienen ist –, sehe ich diese Art der Preisgestaltung für Nintendo-Switch-Besitzer im besten Fall als ungünstig. Besonders technisch fällt hier ein großer Unterschied auf. Während die Version auf anderen Plattformen eher butterweich aussieht und läuft, hat die Version der Nintendo Switch mit den herkömmlichen Wehwehchen seines Vorgängers zu kämpfen. Hinzu kommt, dass viele Glitzerelemente dafür sorgen, dass die Framerate ins Schwitzen kommt – etwas, was bei den konkurrierenden Versionen kein Problem darstellt.
Das führt unweigerlich zu der Frage, für wen sich Shin Megami Tensei V: Vengeance für die Nintendo Switch wirklich lohnt. In meinen Augen ist das Spiel in den vergangenen Jahren zwar gealtert, wirkt aber für einen Nintendo-Switch-Titel noch immer solide. Wenn aber die Wahlmöglichkeit besteht, sollte man zu einer anderen Version greifen. Im Prinzip ist Shin Megami Tensei V: Vengeance für die Switch-only-Spielerschaft nicht verkehrt, besonders wenn jemand das Original bislang nicht gespielt haben sollte. Alle anderen Interessenten sollten dagegen für den Vollpreis dann schon das Maximum herausholen.
Zum Schluss kommen wir noch zur Gretchenfrage: Welche Handlung ist denn nun die bessere? Zunächst empfehle ich jedem, erst die neue Handlung gespielt zu haben. Sie erleichtert den Einstieg in das Thema des Spiels und ermöglicht, Bindungen zu den einzelnen Charakteren tiefer zu knüpfen. Dadurch wirkt die originäre Handlung dann trotz ihrer bekannten Schwächen wesentlich emotionaler. In meinen Augen ist die neue Handlung besser, was sowohl die Charakterentwicklung als auch den Spannungsbogen angeht, aber auch etwas vorhersehbarer, besonders die Weiterentwicklung der Charaktere betreffend. Alt oder neu – ich denke, hier dürfen sich die Geister scheiden.
Unser Fazit
9
Geniales Spiel