Test zu Emio – Der lächelnde Mann: Famicom Detective Club - Nintendo Switch
Wer hat Angst vorm Tütenmann?
Nintendo ist mittlerweile eigentlich in jedem Franchise mit mindestens einer Serie vertreten. Mit den Xenoblade Chronicles-Spielen stehen sie beispielsweise in direkter Konkurrenz zu anderen JRPGs wie Final Fantasy oder Dragon Quest. Eine klaffende Lücke gab es jedoch bisher bei den Adventure-Visual-Novels, deren Markt komplett anderen Studios überlassen wurde. Das war nicht immer so. Zur 8-Bit-Ära veröffentlichte das japanische Unternehmen die Famicom Detective Club-Duologie. Geschrieben wurde die Story von Yoshio Sakamoto, der später vor allen Dingen durch die Metroid-Serie bekannt wurde. Die Spiele sind jedoch nie außerhalb Japans erschienen. Das änderte sich 2021, als die Remakes, entwickelt von Mages., für die Nintendo Switch veröffentlicht wurden. Grafisch imposante Titel, die jedoch eine fatale Schwäche hatten: Sie boten keine deutschen Bildschirmtexte. Dennoch waren die Titel wohl erfolgreich genug, dass nach über 30 Jahren endlich ein komplett neues Spiel entwickelt wurde. Emio – Der lächelnde Mann: Famicom Detective Club ist der Titel, den wir uns in diesem Test anschauen.
Junge Mädchen, ermordet durch Strangulation und gedemütigt, indem man ihnen eine Papiertüte mit einem lächelnden Gesicht über den Kopf stülpte. Dabei handelt es sich nicht nur um eine alte urbane Legende, sondern um eine Mordserie, die in der Welt von Famicom Detective Club tatsächlich vor 18 Jahren stattgefunden hat. Nun, in der Gegenwart der 90er taucht erneut eine Leiche mit diesem Muster auf, dieses Mal hat es jedoch einen Jungen erwischt. Ansonsten ähneln sich die Tatmuster jedoch erschreckend genau. Handelt es sich dabei um den gleichen Täter? Die Polizei bittet beim Detektivbüro Utsugi um Mithilfe bei der Lösung des Falls. Hier arbeitet auch ihr, ein 19-jähriger Ermittler, den ihr selbst benennen könnt. Neben seinem Chef ist auch die junge Ayumi Tachibana Teil des Teams, deren Hintergrundgeschichte wir bereits in einem der vorherigen Spiele näher kennenlernen durften. Es liegt an euch beiden, diesen Fall zu knacken und dem Schrecken ein Ende zu bereiten.
Emio – Der lächelnde Mann: Famicom Detective Club ist eine klassische Adventure-Visual-Novel und lässt sich am ehesten mit der Ace Attorney-Reihe von Capcom vergleichen. Ihr bereist verschiedene Orte, untersucht diese, redet mit Zeugen und zieht eure Schlüsse. Dabei könnt ihr euch jedoch nicht frei in den verschiedenen Gebieten bewegen, das Ganze ist eher an ein Point & Click-Adventure orientiert. Die Gebiete sind jedoch kein 2D-Bild, sondern vollständig animiert, das Gleiche gilt auch für die Charaktere. Damit gehört das Spiel, wie schon die Remakes der Vorgänger, zu den hochwertigsten Titeln des Genres.
Das Gameplay von Emio spielt sich fast vollständig in den Menüs ab. In diesen könnt ihr Personen rufen, sie zu verschiedenen Themen befragen und euch die Umgebung anschauen. Weitere Interaktionenmöglichkeiten bietet das Handy, mit dem sich beispielsweise eure Kollegen anrufen lassen. Ab und an lassen sich auch Beweisstücke entgegennehmen. Emio verzichtet jedoch auf moderne Quality of Features und orientiert sich vom Gameplay stark an den Titeln des Famicoms. Das bedeutet, dass euch der Titel nicht sagt, wenn ihr alle Informationen habt. Das führt dazu, dass ihr so oft ein Gesprächsthema auswählt, bis euer Gesprächspartner nichts mehr zu sagen hat. Wählt ihr jedoch ein anderes Thema aus, kann es sein, dass die vorherige Option neue Inhalte erhält. Um alle Informationen zu bekommen, müsst ihr also solange mit den Personen sprechen, bis euch beispielsweise die Option angezeigt wird, das Gebiet zu verlassen.
Neben aktiven Gesprächen gibt es auch die Option Nachdenken, bei der Informationen, die ihr erhalten habt, verarbeitet werden. Dies hilft beispielsweise, um neue Gesprächsthemen zu finden. Alle Fakten, die ihr gesammelt habt, landen im Notizbuch, was kontinuierlich mit weiteren Daten gefüllt wird. Wenn ihr wirklich immer Up-to-Date sein wollt, ist es unerlässlich, auch mal einen Blick in die eigenen Notizen zu werfen.
Ab und an reicht es jedoch nicht, nur zu lesen. Manche eurer Gesprächspartner erwarten Antworten, die zumeist in eine von drei Versionen daherkommen. Am einfachsten sind wohl die Fragen, bei denen ihr mehrere Antwortmöglichkeiten vorgeschlagen bekommt. Ab und an müsst ihr jedoch auch verschiedene Stichpunkte aus dem Notizbuch auswählen, um weiterzukommen. Am seltensten ist die Option, dass ihr die Antwort selbst über die Tastatur eintragen müsst. Wenn ihr nicht aufpasst, könnt ihr schnell vor einem Problem stehen. Bei den meisten Fragen ist es jedoch egal, ob ihr richtig oder falsch antwortet.
Im Gegensatz zu den Vorgängern steuert ihr in Emio – Der lächelnde Mann: Famicom Detective Club nicht nur „euch“, sondern auch Ayumi. Das ermöglicht es, an zwei Orten gleichzeitig zu sein, um so die Ermittlungsarbeit aufzuteilen. Vom Gameplay her gibt es jedoch keine Unterschiede, das Menü und die Optionen sind exakt gleich. Am Ende des Tages treffen sich Ayumi und der Protagonist wieder im Büro, um mit der neuen Option „Kombinieren“ eure Erkenntnisse zusammenzufassen. Das Ganze funktioniert jedoch genauso wie das Fragen- und Antwortensystem, über das ich eben schon gesprochen habe.
Viele Adventure-Visual-Novels zeichnen sich dadurch aus, dass sie diverse alternative Routen und versteckte Dialoge haben. Das war auch bei den beiden anderen Famicom Detective Club-Spielen teilweise der Fall. Und während es am Anfang so wirkt, als würde Emio diesem Trend folgen, wird relativ schnell klar, dass das Spiel nur eine Aufgabe hat: Euch eine Geschichte zu erzählen. Ihr könnt beispielsweise nicht frei entscheiden, welches Gebiet ihr als nächstes betreten wollt. Eastereggs und ähnliches gibt es nur sporadisch. Beispielsweise könnt ihr etwas Lustiges auf den Anrufbeantworter des Büros sprechen, allerdings geht das nur einmal und das Spiel geht darauf nicht weiter ein. In FDC: The Girl Who Stands Behind hat es sich gelohnt, den Titel mehrmals durchzuspielen, da eure Entscheidungen Einfluss darauf hatten, wie die Charaktere auf euch reagiert haben. Das fällt in Emio komplett weg, was bedeutet, dass es so gut wie keinen Wiederspielwert gibt. Bei Adventure-Visual-Novels ist das nicht unüblich, aber ich wollte es dennoch erwähnen, weil es beim neuesten Spiel der Serie besonders deutlich auffällt.
Doch wie ist denn nun die Geschichte gelungen? Gut, aber nicht herausragend. Das sage ich als jemand, der Dutzende Visual Novels gespielt hat. Der „Horror“-Faktor, den uns Nintendo versprochen hat, ist definitiv vorhanden und gerade die Charaktere sind toll geschrieben, aber mit den ganz großen Namen des Genres kann die Story nicht mithalten. Emio hat jedoch zwei gewaltige Vorteile. Es ist von Nintendo, was bedeutet, dass viel mehr Spieler dem Titel und damit dem Genre eine Chance geben. Zudem ist es im Gegensatz zu den Vorgängern ins Deutsche übersetzt worden. Aufgrund der zumeist kleinen Budgets sind gerade Visual Novels oft nur in Englisch verfügbar, was für viele abschreckend ist. Wie alle anderen Famicom Detective Club-Spiele auf der Nintendo Switch hat auch Emio eine vollständige japanische Synchronisation, die sehr gelungen ist.
Nachdem ich während des Schreibens dieses Tests noch einmal nachgedacht habe, bin ich mir mittlerweile sicher, dass Emio – Der lächelnde Mann: Famicom Detective Club das wohl visuell ansprechendste Spiel des Genres ist. Die Präsentation ist einfach großartig. Andere Spiele des Genres haben zumeist statische Hintergründe und Charaktere mit simplen Animationen, Emio glänzt stattdessen mit hochdetaillierten Charaktermodellen, einer dynamischen Kamera, die verschiedene Perspektiven ermöglicht und wirkt auch ansonsten extrem hochwertig. Ich war schon bei den Remakes überrascht, wie viel Liebe in die Spiele gesteckt wurde und beim neuesten Teil der Reihe ist das nicht anders. Auch der Soundtrack konnte mich überzeugen, die Grafik stellt jedoch alle anderen technischen Aspekte in den Schatten.
Unser Fazit

8
Ein Spiele-Hit