Test zu Der Kühne Knappe - Nintendo Switch
Ein kreatives Kinderbuch-Abenteuer zwischen 2D-Charme und 3D-Entdeckungen
Sich in der riesigen Videospiellandschaft einen Namen zu machen und nach nahezu 50 Jahren Videospielgeschichte das Rad neu zu erfinden, grenzt fast schon an Unmöglichkeit. Und dennoch hat es Der Kühne Knappe von Entwicklerstudio All Possible Futures irgendwie geschafft, zumindest auf dem ersten Blick herauszustechen, sei es wegen dem Stilbruch im artistischen Auftritt, oder durch das Gameplay, welches neue Maßstäbe zu setzen versucht. Natürlich möchten wir uns ein Spiel des kreativen Publishers Devolver Digital nicht entgehen lassen und möchten ebenso schauen, was im Büchlein des Kühnen Knappen steckt. Leider können wir für euch nur die Lektüre der PC-Version aufschlagen, die Nintendo Switch-Fassung steckte vor dem Release leider noch im Verlagshaus fest. Selbstverständlich nehmen wir aber auch diese Fassung zu einem späteren Zeitpunkt unter die Lupe, für den euch nun vorliegenden Test sprechen wir allerdings über die PC-Version. Welches kreative Abenteuer euch mit Der Kühne Knappe erwartet und ob All Possible Futures eine vorher unbekannte Lücke füllen kann, findet ihr in den folgenden Zeilen.
Die Reise des Kühnen Knappen beginnt im schicken Büchlein auf dem Schreibtisch eines eher chaotischen Kinderzimmers. Seite für Seite wird die Geschichte mittels eines Narrators erzählt und in kindlicher Erzählweise vorangetrieben. Zu Beginn startet ihr als kleiner Held Jot, welcher im farbenfrohen Land Mojo lebt und sich auf die Reise begibt, das Königreich vor dem bösen Grummweil zu retten. Dieser möchte nämlich die Geschichte des Kinderbuches „Der Kühne Knappe“ neuerzählen und wirft Jot kurzerhand aus seinem eigenen Buch. Zusammen mit zwei weiteren tapferen Kriegerinnen und Kriegern macht sich Jot aber auf, dem fiesen Zauberer das Handwerk zu legen und seine eigene, bereits geschriebene Geschichte zu erleben.
Schnell wird klar: Beim Kühnen Knappen handelt es sich um ein Kinderbuch und möchte als solches erzählt werden. Verständlicherweise beinhaltet die Reise dadurch keine allzu komplexen Handlungsstränge. Der Titel möchte keine tiefgehenden Probleme aufgreifen und der Kühne Knappe soll auch keine Gesellschaftskritik darstellen, muss er ja auch nicht – es bleibt kinderfreundlich seicht und „einfach“. Bei der etwas mageren Handlung, die einer klassischen, aber nicht weniger niedlichen Heldengeschichte nachkommt, sollen Kinderaugen leuchten und nicht die eines Erwachsenen. Zwar hätte ich mir gewünscht, dass nicht nur Kinder Spaß an der relativ vorhersehbaren Geschichte haben, sondern auch Menschen des älteren Semesters, hier drücke ich aber gerne ein Auge zu, passt Jots Reise nämlich grundsätzlich ins Gesamtbild des Spiels.
Sein Abenteuer beginnt zunächst zwar zweidimensional im Rahmen des Kinderbuches, nach nicht allzu kurzer Zeit verlässt er dieses aber und stürmt auf dem Schreibtisch des Kinderzimmers herum. Der Gameplay-Rahmen, den wir später genauer beleuchten, lässt dadurch leider keine komplexere Handlung zu. All Possible Futures spielt nämlich mit einer Erzählweise, die im zweidimensionalen, aber auch dreidimensionalen Raum im gleichen Maße gefallen muss. Da er eben für die 3D-Bereiche aus dem narrativen Rahmen des Kinderbuches ausbrechen muss, wird die Haupthandlung im eigentlichen Buch für einen Moment gestoppt – stattdessen wird eine symbolische Geschichte außerhalb des Buches erzählt, nämlich die des Kinderautors.
Das bedeutet also verschiedene Kritzeleien auf dem Schreibtisch, ein großer Radiergummi da und ein Lineal dort, welches als Pfad genutzt wird. Außerhalb des Buches wird wenig gesprochen und die Handlung auch nur schwergängig vorangetrieben, bleiben nämlich alle Schlüsselcharaktere im gedruckten Mojo zurück. Hier arbeitet unser Held nur „Nebenaufgaben“ ab, die als Katalysator der Haupthandlung fungieren. Beispielsweise muss er in das Motiv einer nahegelegenen Tasse eindringen, um ein Werkzeug für die Handlung im Buch zu besorgen. Das kann teilweise etwas nerven oder gar frustrieren, wenn eigentlich ein interessanter Punkt in der Story erreicht wird, der mich aber zwingt, kurz innezuhalten, um etwas in der „echten“ Welt zu erledigen. Klar braucht der Kühne Knappe auch Gegenstände außerhalb des Buches, es ergibt auch alles Sinn, jedoch wird der Erzählfluss dadurch leider enorm gestört.
Im Gesamtpaket erzählt der Kühne Knappe daher eine Geschichte, die nur mit Schluckauf funktioniert, damit Raum für kreativeres und abwechslungsreiches Gameplay auf den Bildschirm flimmern darf. Obwohl die spielerisch erlebbare Geschichte eigentlich eine Stärke darstellt, bleibt sie erzählerisch in diesem Abenteuer leider etwas flach zurück, kann für Kinderaugen dennoch interessant und aufregend sein.
Damit Jot und seine kleine, aber feine Gefolgschaft den Einfluss im Lauf der Geschichte stoppen können, schnappt sich unser Held ein kleines Schwert und ein paar agile Schuhe. Im 2D- sowie dem 3D-Bereich rollt, läuft und schnetzelt sich der Kühne Knappe kinderfreundlich und nicht allzu anspruchsvoll durch das Land Mojo, aber auch über den heimischen Schreibtisch. In beiden Bereichen des Titels spielt sich der Kühne Knappe ähnlich, etwas träger im dreidimensionalen Raum, aber das tut nichts zur Sache – fluffig und butterweich ist es überall.

Die Kämpfe sind zwar flach, aber sie fühlen sich butterweich und angenehm an
© Devolver Digital / Valve
Besonders komplex wird das Gameplay ebenfalls nicht und stellt nach relativ kurzer Zeit eine Mixtur aus einer Schlagkombo und dem Schwertwurf dar. Die Schläge sitzen gut und das Feedback ebenfalls. Zu meckern habe ich beim aktiven Kampfsystem überhaupt nichts; es macht wunderbar Spaß und kann von jung und alt im gleichen Maße genossen werden. Klar könnte ich mir weitere Fähigkeiten oder Waffen wünschen, das braucht das Action-Adventure in meinen Augen aber nicht.
Etwas Rollenspielcharakter und Entdeckergeist kommen ebenfalls hinzu: In der Welt von Mojo, aber auch auf dem Schreibtisch, gibt es neben sogenannten Rollbildern, die eure Galerie mit Artworks schmücken, auch sammelbare Glühbirnen. Diese könnt ihr beim Händler hin und wieder gegen Upgrades eintauschen, die euren Schaden oder die Weite des Schwertwurfes verbessern. Neue Fähigkeiten kommen leider nicht hinzu, sodass das Gameplay im Grunde flach bleibt. Das habe ich aber gar nicht als schlimm empfunden; insgesamt machten die Kämpfe viel Spaß und bieten im 2D- und 3D-Bereich genug Abwechslung.
Mehr Abwechslung gelangt jedoch durch die toll inszenierten Minispiele in das Abenteuer des Kühnen Knappen. So kreativ, wie Mojo und der Schreibtisch insgesamt ausfallen, so kreativ kommen auch die spielerischen Auszeiten daher. Ehe ihr euch versieht, landet ihr in einem angenehmen Bullet-Hell-Shooter, im nächsten Schritt gibt es ein Rhythmusspiel auf die Flimmerkiste. Hier ist für jeden was dabei – Wiederholungen gibt es zwar auch, allerdings sind diese Minispiele in angenehmen Abständen gesetzt und lockern das Geschehen wunderbar auf.

Umgebungsrätsel erreichen ganz neue Dimensionen, indem ihr einzelne Worte austauscht
© Devolver Digital / Valve
Wenn es keine Minispiele oder Passagen mit Feinden gibt, dann erscheinen kleinere Rätselspiele auf den wunderschön kolorierten Seiten des Bilderbuches. Diese erinnern etwas an den Kniffler „Baba Is You“, sind bei weitem aber nicht so komplex und bringen auch nicht eure Gehirnzellen zum Schmelzen. Im Gegenteil wird auch hier erneut auf Gemütlichkeit mit etwas Grübeln gesetzt, an Kreativität mangelt es aber absolut nicht.
Manchmal stößt unser Held auf geschriebene Sätze, welche Einfluss auf die Umgebung nehmen. Einzelne Wörter dieser Sätze können ausgetauscht werden, sodass eben diese Umgebungen oder Objekte neue Formen oder Materialien annehmen, mit welchen dann neu gearbeitet werden muss. Im Laufe des Spiels werden diese Teilbereiche komplexer und spielen irgendwann auch mit der Welt außerhalb des Buches, sodass hier tatsächlich ein neues Rad in meinen Augen erfunden wird. Wenn wir das Spiel schon nicht in unserer Realität beeinflussen, können wir das Spiel im Spiel auf einer Meta-Ebene manipulieren – das bedeutet: Jot springt aus seinem Büchlein und kippt beispielsweise die Seiten, sodass die Objekte im Buch durch die Schwerkraft auf die andere Seite gelangen. Hier ist oft etwas „Outside the Box“-Denken gefragt, was unheimlich viel Spaß machte. Hiervon hätte ich mir gerne sehr viel mehr gewünscht, da diese Rätsel wirklich fantastisch gelungen sind. Wo Gameplay und Story für manche also zu kurz geraten, spart All Possible Futures keineswegs an der Kreativität.

Das Buch muss ebenfalls manipuliert werden, um Rätsel zu lösen
© Devolver Digital / Nintendo / Valve
Die Kreativität wird auch in den anhaltenden Stilbrüchen von Der Kühne Knappe deutlich. Die Zeichnungen des 2D-Bereichs sehen auf den virtuellen Seiten wunderschön farbenfroh und niedlich aus; auch Comic-Elemente kommen zum Vorschein, weil wir nach wie vor ein Buch „lesen“. Fast jeder Frame in diesem Büchlein könnte ein schnuckeliger Screenshot sein, aber auch die Animationen können sich sehen lassen.
Leider kommt die 3D-Welt nicht so wunderschön stilistisch daher, sondern flacht etwas ernüchternd ab. Das liegt unter anderem an den vergleichsweise blassen Farben und eher weniger schönen 3D-Modellen. Dafür kann der Schreibtisch aber mit seiner netten Ausstattung strahlen, welche vom Kühnen Knappen erkundet wird: Mit viel Liebe zum Detail wurden allerlei Schreibutensilien auf dem Tisch platziert, die nach jedem Kapitel ein neues Spielfeld ermöglichen und spielerisch klug inszeniert werden. Auch wenn die 3D-Welt einige Abstriche machen muss, bin ich gerne als Jot über den Schreibtisch gehopst und habe mir die Kunst-Gegenstände angeschaut.
Während seiner zehnstündigen Entdeckerreise funkten neben kleinen fiktiven Käfern auch keine weiteren technischen Bugs über den virtuellen Schreibtisch, sodass Der Kühne Knappe ein nahezu technisch tadelloses Abenteuer darstellt. Für diesen Testbericht spielten wir auf einem Lenovo Ideapad Gaming 3 mit 32GB Ram Arbeitsspeicher, einer AMD Ryzen 5 5600H-CPU und einer RTX 3060 (die mobile Version) und können kaum über technische Aussetzer klagen. Lediglich bei einem Kapitel hatte das Spiel Schwierigkeiten, die Welt darzustellen, sodass die Frames auch in den Keller stolperten – das Laden eines früheren Spielstandes hat das Problem jedoch sofort behoben. Wie es bei der Nintendo Switch-Version aussieht, bleibt abzuwarten.
Update zur Nintendo Switch-Fassung
Wie versprochen haben wir uns nun einige Tage auch mit der Nintendo Switch-Version von Der Kühne Knappe beschäftigt und erneut das bunte Büchlein des Kinderautoren Sam aufgeklappt. Auch wenn die Motivation des Wiederspielens im Vorwort hängengeblieben ist, gibt es einige interessante Eindrücke aus der Version für den Hybriden. Entgegen meinen Erwartungen schlägt sich Der Kühne Knappe überraschend gut auf Nintendos Konsole. Die 2D-Passagen erfordern natürlich nicht so viel Rechenleistung wie die 3D-Bereiche und können dadurch überwiegend ziemlich scharf und detailreich dargestellt werden. In bis zu 30 Bildern pro Sekunde kämpft und rollt sich der Knappe durch die Seiten und kann sich wirklich sehen lassen. Hier und da gibt es verlängere Ladezeiten und auch kleinere Anzeigefehler kommen manchmal vor, „Gamebreaking“ sind diese aber nicht.
Problematisch wird es für den Knappen erst, wenn er zwischen 2D- und 3D-Welten springen muss. Denn hier kommt die Nintendo Switch deutlich ins Schwitzen. Statt, dass unser kleiner Held galant über den vollgepackten 3D-Schreibtisch springt, kommt es vermehrt zu Stolpereien und frustrierenden Rucklern. Die Auflösung springt dabei oft in den Keller, sodass gerne Pixelbrei über den Bildschirm flimmert. Diese eher stärkeren Anzeigefehler wirken sich manchmal auch auf das Gameplay aus, sodass unser Knappe sogenannte Clipping-Fehler erlebt – das, was also angezeigt wird, geht nicht mit der Steuerung oder den Kollisionen im Spiel einher. Das nervt natürlich, kam glücklicherweise aber nicht zu oft vor. Dazu möchte ich betonen, dass das Abenteuer zumindest am Anfang auch in den 3D-Bereichen ziemlich problemlos verläuft; die Fehlerchen häufen sich aber im Laufe des Spiels, wenn die Konsole etwas größere Gegenstände oder mehrere Komponenten anzeigen muss. Die 2D-Teile des Abenteuers machen insgesamt hingegen eine ziemlich gute Figur. Zusammenfassend lässt sich damit leider sagen, dass ihr vorerst eher zu anderen Plattformen greifen solltet, wenn ihr die Wahl habt. Nennt ihr nur die Nintendo Switch euer Eigen, könntet ihr mit dem Kühnen Knappen auf dieser Konsole zwar ebenfalls Spaß haben, müsst aber hin und wieder mit Anzeige- und technischen Fehlern rechnen. So ganz für die Tonne ist die Nintendo Switch-Version aber auf keinen Fall.
Unser Fazit

7
Spaßgarant