Test zu Stray - Nintendo Switch
Eine Katze auf Cyberpunk-Streifzug
Eine einsame Katze streift durch eine Cyberpunk-Welt, die sonst nur von seltsamen Robotern bevölkert ist. Das ist die Prämisse von dem bereits 2022 für die Playstation 5 erschienenen Indie-Spiel Stray – und anscheinend auch ein Erfolgsrezept. Der Überraschungshit wurde damals von der Presse und den Spielern gefeiert, nicht zuletzt auch wegen der wunderschönen Präsentation der interessanten Welt, die eine sehr dichte Atmosphäre erzeugte und viele in ihren Bann zog. Ob dieses Konzept auch auf der Nintendo Switch funktioniert, lest ihr in unserem Test.
Wir starten das Spiel als eine Katze unter mehreren in einer dystopischen Betonwelt, die von grünen Ranken und Pflanzen überwuchert ist, und machen uns mit unserer Katzenfamilie auf den Weg durch die seltsame Umgebung. Aus der Sicht unseres orangen Pelztigers werden wir nun das gesamte Spiel bestreiten. Die Geschichte wird dabei anfangs komplett ohne Text erzählt und wir erschließen uns aus der liebevoll gestalteten Welt, was hier wohl vor sich gehen könnte – und früher wahrscheinlich passiert ist. Denn Stray spielt in einer Cyberpunk-Zukunft, in der wir zwar viele Spuren von Menschen sehen, aber sonst fast nur auf Roboter treffen.

In den urbanen Bereichen brummt es vor Lebendigkeit, obwohl es keine Menschen gibt
© BlueTwelve Studio Ltd
Wir ziehen also mit unserer Katzenbande los und lernen dabei gleich die entscheidendsten Aktionen: Laufen, Springen und Miauen. Natürlich dürfen wir auch sonstige katzentypische Dinge machen und so mit unserer Umwelt interagieren: Wasser aus Pfützen trinken, uns an gemütlichen Ecken schlafen legen und unsere Krallen an Gegenständen wetzen – am liebsten an Stoffen wie Teppichen oder Sofas natürlich. Bei unserem Streifzug durch die Betonwelt springen wir über zahlreiche Rohre, bis ein besonders rostiges Exemplar unter uns zusammenbricht und wir durch einen Sturz in die Tiefe von unserer Katzenfamilie getrennt werden.
Nachdem wir uns langsam wieder aufgerappelt haben, ziehen wir durch eine müllübersäte, dunkle Kanalisation. Letztlich finden wir irgendwann den Ausgang und kommen in die sogenannte „Totenstadt“ – eine verlassene, dreckige Geisterstadt mit vielen leuchtenden Schildern. Wir folgen sofort mysteriösen Hinweisen: Blinkende Pfeile von Werbetafeln, Anzeigetafeln und Lichterketten, die sich scheinbar wie von Geisterhand verselbstständigt haben. Sie alle vermitteln uns, dass jemand Hilfe braucht. Irgendwann treffen wir auf einen kleinen Computer, der einen Körper sucht. Den bekommt er von uns auch und so haben wir fortan einen drohnenartigen Helikopter, der uns begleitet und unser Repertoire um einige weitere Kommandos erweitert: mit Robotern reden, Schrift übersetzen und Gegenstände aufnehmen.
Im Laufe des Spiels lernen wir noch so manches dazu und treffen auf weitere humanoide Roboter-Wesen. Aber es gibt auch andere und weniger friedliche Lebewesen wie die Zurks, die eigentlich von den verschwundenen Menschen als Bakterien erschaffen worden sind, um den Müll zu zersetzen. Mittlerweile haben sie sich aber verselbstständigt und vertilgen alles, was ihnen über den Weg läuft: egal ob Roboter aus Metall oder Katzen aus Fleisch und Blut. Im Laufe des Spiels liefern wir uns die ein oder andere spannende Verfolgungsjagd mit den Zurks oder setzen uns gegen sie zur Wehr.
Das Entdecken der Welt ist sehr abwechslungsreich gestaltet. Als Katze können wir durch unsere hohen Sprünge viele Orte erreichen und so die wunderschön gestaltete Welt aus vielen Winkeln begutachten. Die verschiedenen Bereiche der Spielwelt sind dabei stets interessant, abwechslungsreich und genial designt, weil alles trotz der futuristischen Welt sehr glaubwürdig wirkt. Alle Gegenstände sind von den Entwicklern liebevoll und bewusst in der Spielwelt platziert worden und die Atmosphäre ist wirklich unfassbar dicht. Häusergassen und Dächer sind verwinkelt, manchmal dreckig, manchmal schön, und keiner der Orte ist generisch oder langweilig. Das gilt auch für die Geschichte. Wir rennen, klettern und springen von einem Ziel zum nächsten und werden immer weiter in die eigenartige Welt hineingezogen – obwohl unsere arme Katze wahrscheinlich nur die eigene Familie wiederfinden möchte. So entdecken wir immer neue Orte der teilweise japanisch anmutenden Cyberpunk-Welt – von Slums über Abwasserkanäle bis zu großstädtischen Fußgängerzonen mit vielen Leuchtreklamen. Wir sprechen über unseren kleinen Drohnen-Dolmetscher namens B-12 mit unzähligen Androiden und erfahren dabei immer mehr über das interessante Setting und seine Bewohner. So manche Storywendung darf hier erwartet werden.

Die beschränkte Weitsicht fällt in manchen Bereichen mehr aus als in anderen
© BlueTwelve Studio Ltd
Das Gameplay ist zwar nicht unbedingt brandneu, aber dennoch kommt hier kaum Langeweile auf. Manchmal fühlt sich das Spiel eher wie ein wunderschöner Walking Simulator an, dann wieder wie ein Platformer oder ein Action-Adventure. Wir lösen immer wieder kleinere Puzzles, die zwar nicht besonders komplex sind, aber auch nie allzu repetitiv werden. Es gibt auch hier und da Sidequests und Sammelobjekte wie zum Beispiel optionale Erinnerungen, die wir durch das Scannen mit unserer Roboter-Drohne freischalten können.
Für die begrenzte Hardware der Nintendo Switch schlägt sich Stray überraschend gut. Wenn man den direkten Vergleich zur PS5-Version zieht, merkt man natürlich, dass hier grafisch sehr starke Abstriche gemacht werden mussten. So sind viele Texturen deutlich verwaschener, Objekte haben stark reduzierte Polygone und sehen somit kantiger aus und die Weitsicht ist immer wieder eher eine Kurzsicht und ab und zu gibt es auch eine Art Nebelwand – fast so, wie man sie aus N64-Zeiten kennt. Zum Glück relativ selten werden Texturen auch etwas störrisch geladen, sodass man z. B. auf Anzeigetafeln lange nur schemenhafte Farben erkennen kann. Am gröbsten sind aber wahrscheinlich die teilweise überaus matschigen Bodentexturen.
Ruckler gibt es auch immer mal wieder, aber ebenfalls verhältnismäßig selten und auch nur in ein paar wenigen Passagen stärker ausgeprägt. Meistens dann, wenn wir von einem Bereich in einen anderen wechseln und sich viel auf dem Bildschirm abspielt. Auch kleinere Physik-Bugs – wie Gegenstände, die durch Wände glitchen – treten hin und wieder auf. Diese sind aber wirklich nicht tragisch und tatsächlich sehr selten. Längere Ladezeiten gibt es so gut wie nie – nur wenn wir eine Passage von einem Rücksetzpunkt aus noch einmal spielen wollen. Das kann ärgerlich sein, denn manche Verfolgungsjagden können auch mal kniffliger werden. Alle diese Performance-Schwächen sind jedoch für einen Port eines PS5-Spiels auf die Nintendo Switch am Ende ihrer Lebensdauer erwartbar und nie so gravierend, dass das Spiel dadurch stark leiden würde.
Abgesehen von den seltenen Ausfällen läuft das Spiel konstant auf einer mittelguten Framerate und es gibt so gut wie nie Input-Lag. Unsere Katze steuert sich also sehr schnittig und wir können unsere Aktionen gezielt ausführen. Ehrlich gesagt ist es ein Wunder, dass Stray auf der Nintendo Switch überhaupt so gut läuft und auch trotz der reduzierten Grafik die Spielwelt immer noch an den meisten Stellen extrem detailreich und vor allem atmosphärisch bleibt. Die tollen Lichteffekte und Reflexionen wirken oft beeindruckend und je nach Blickwinkel und Spielsituation kommt man auch auf Nintendos Hybridkonsole ins Staunen über die faszinierend gestaltete Umgebung. Das Spiel funktioniert dabei im Handheld-Modus ebenso gut wie auf dem großen Bildschirm. So ist die Switch-Version definitiv eine Empfehlung für alle, die nicht die Wahl haben, Stray auf einer leistungsstärkeren Plattform zu genießen. Die Entwickler haben sich hier sichtlich Mühe gegeben, das Beste aus den begrenzten Ressourcen herauszuholen.
Ein großes Highlight ist der Soundtrack. Wir hören situativ stets passende Klänge, die durchgehend hochwertig produziert wirken. Diese sind eine absolut gelungene Untermalung für das aktuelle Geschehen auf dem Bildschirm und tragen enorm zum packenden Spielgefühl des Titels bei. Auch die Soundeffekte sind hervorragend, so wirkt die Spielwelt mit ihren mechanischen, donnernden und robotischen Geräuschen höchst lebendig und authentisch. Alles wirkt hier auditiv wie aus einem Guss und passt perfekt zur melancholischen und bittersüßen Stimmung des Spiels.
Die Spieldauer von Stray ist mittlerweile hinreichend bekannt und fällt eher kurz aus. Die meisten Spieler werden zwischen 7–10 Stunden brauchen, je nachdem, wie viel Zeit man sich für die Erkundung lässt oder ob man sekundäre Aufgaben in Angriff nehmen möchte. Es handelt sich hier also nicht um einen epischen Schinken, an dem man wochenlang sitzen wird. Dafür gibt es im Prinzip nie Passagen, die repetitiv wirken – Stray ist kurzweilig und selten frustrierend. Der Wiederspielwert wird für meisten wahrscheinlich nicht allzu hoch sein, wobei es sich um ein wirklich besonderes Spiel handelt, was man nicht so schnell vergessen wird. Und wer weiß: Vielleicht wird man es ein paar Jahr später doch noch mal erleben wollen und einen oder sieben Neudurchgänge starten. Denn Katzen haben bekanntlich sieben Leben.
Unser Fazit

9
Geniales Spiel
Meinung von Benjamin Greim
Stray ist auch auf der Nintendo Switch ein Erlebnis, was seinesgleichen sucht. Trotz starker technischer Einschränkungen gelingt es dem Spiel zumeist, seine faszinierende Atmosphäre und emotionale Tiefe zu bewahren. Das Schicksal der Welt wird absolut packend präsentiert und die Story bleibt durchgehend interessant. Die geringe Spielzeit wird durch den fairen Preis wettgemacht und natürlich dadurch, dass das Spiel an keiner Stelle künstlich gestreckt wirkt. So kommt nie Langeweile auf und alles wirkt von vorne bis hinten hochwertig. Wer sich auf ein charmantes bis melancholisches Abenteuer aus der Sicht einer süßen Katze einlassen möchte, wird hier nicht enttäuscht – und kann sich auch auf der Switch auf einen gelungenen Port von einer der eindrucksvollsten Cyberpunk-Welten der letzten Jahre freuen.