Test zu Tiny Terry's Turbo Trip - Nintendo Switch
Ein nostalgisch anmutender 3D-Platformer der schrägen Sorte
Manche Spiele wollen die Welt retten, andere erzählen tiefgründige Geschichten – und dann gibt es Titel wie Tiny Terry’s Turbo Trip. Hier geht es nicht um epische Schlachten oder emotionale Dramen, sondern um einen der vielleicht absurdesten und verspieltesten Roadtrips der Gaming-Geschichte. Irgendwo zwischen Cartoon-Chaos und 90er-Jahre-Nostalgie ist dieses Spiel einem einzigen niederländischen Entwickler entsprungen. Das bizarre Spiel des „Wuppo"-Entwicklers ist bereits für den PC erschienen und beehrt nun auch die Nintendo Switch. Ob das Ganze auch spielerisch so zündet wie Terrys Raketenantrieb, erfahrt ihr in unserem Test!

Mit gestohlenen Autos können wir nicht nur über Straßen fahren. Eine Straßenverkehrsordnung gibt es in dieser Welt nicht
© snekflat | Super Rare Games
Terry sitzt im Jobcenter. Er möchte ein Auto haben. Den Job dazu braucht er nicht. Nur das Auto. Er will damit zum Mond. Das Auto bekommt er nur mit Job. Er nimmt also den Job. Als Taxifahrer. Nun hat er sein Auto. In diesem Stil wird die Story von Tiny Terry's Turbo Trip erzählt. Sie ist so simpel wie schrullig und sprüht vor Charme und Situationskomik – das muss man einfach lieben. Wir dürfen nach der liebenswerten Introsequenz gleich loslegen, denn Terry ist kein Junge der großen Worte. So fahren wir also mit Terrys neuem Taxi direkt los und erkunden ohne Umschweife die Welt.
„Die Welt“ ist eine schräge Insel, von der wir schon bald erfahren, dass es auf ihr keine Gesetze gibt. Mit diesem Wissen könnte man eigentlich auch eine Art „Sin City“ vermuten, bei der riskante bis lebensgefährliche Zustände herrschen. Stattdessen fühlt sich das Spiel aber eher manchmal wie eine Art Cartoon-Serie aus den 90er-Jahren an, die sowohl realsatirische und gesellschaftskritische Momente als auch Fantasy- und Comedy-Elemente besitzt. Die Dialoge der äußerst skurrilen Charaktere sprudeln jedenfalls nur so vor Seltsamkeiten, Wortwitz und lustigen Ideen. Wer Gefallen an schrägem Humor findet, der wird sich hier auf jeden Fall amüsieren können. Das Spiel hat einen wirklich sehr eigenen Stil, den man am ehesten mit dem Humor und der Skurrilität von alten Lucas Arts-Adventures wie „Day of the Tentacle“ oder Zeichentricksendungen von Nickelodeon wie „Rockos modernes Leben“ und „SpongeBob Schwammkopf“ vergleichen kann. Der Titel ist niemals wirklich gewalttätig, aber viele der Witze haben dennoch immer wieder eine gewisse tiefere Ebene, die wohl eher Erwachsene verstehen werden. Die Geschichte des Spiels ist definitiv unterhaltsam und lebt vor allem von den Dialogen.

Es schadet nicht, ab und zu nach dem „brennenden Bernie" zu schauen, bei dem das Wort Sonnenbrand wörtlich genommen wird
© snekflat | Super Rare Games
Es gibt aber von vorne bis hinten keine großen Überraschungen im Sinne einer emotionalen Handlung. Das ist aber nicht schlimm, denn das Spiel will auch gar keine epische Story erzählen. Es will vor allem Spaß machen und das schafft es mit seinen vielen witzigen Momenten durchaus. Manches wird uns eher indirekt klar. Etwa dass unser Hauptcharakter Terry eigentlich ein Schulkind ist und seine Eltern derzeit ohne ihn in den Urlaub gefahren sind. Andere Momente widersprechen sich in einer Art, die uns zumindest fragend zurücklässt. Wenn wir Grony, den wir im Jobcenter kennengelernt haben, unter der Nummer „1“ anrufen, stellt sich heraus, dass er eigentlich unser Onkel ist, der auf uns aufpassen soll. In solchen Momenten fragt man sich manchmal, ob man irgendetwas in der verschachtelten Open World verpasst hat oder ob der Entwickler an manchen Stellen Änderungen vorgenommen hat, die später nicht mehr zusammengepasst haben. Dies sind aber eher Kleinigkeiten und der Unterhaltungswert überwiegt hier auf jeden Fall bei weitem.
Das Gameplay von Tiny Terry’s Turbo Trip dreht sich sehr viel um das Erkunden und Sammeln. Wir bewegen uns meist zu Fuß durch das kleine Städtchen namens Sprenkelwasser. Wir können aber auch mit unserem eigenen Taxi durch die Gegend düsen und ebenso fremde Autos stehlen oder andere Bürger quasi zwingen, uns in ihrem Gefährt mitzunehmen. Diese und andere Möglichkeiten, die das Spiel bietet (zum Beispiel Passanten mit einer Rohrzange zu verprügeln und dann deren Geld mitzunehmen), erinnern ehrlich gesagt manchmal an eine Art familienfreundliche Version von GTA. Das klingt erwachsener, als es im Spiel tatsächlich ist. Vieles von dem, was wir tun können – und sogar auch häufig müssen – fühlt sich dennoch irgendwie kriminell an. Die dreisten Handlungen sind aber stets witzig oder in Slapstick-Manier dargestellt – und außerdem wohl auch völlig legal in Sprenkelwasser.
Nach und nach spielen wir neue Gegenstände und Fähigkeiten frei. Wir können zum Beispiel mit einer Schaufel Löcher graben und so verborgene Ramsch-Schätze finden. Oder wir fangen in bester Animal Crossing-Manier verschiedene Insekten, die über die Insel verteilt sind. Die Hauptaufgabe liegt aber stets darin, unser Auto immer weiter mit sammelbaren Gegenständen namens „Ramsch“ aufzurüsten, damit wir am Ende mit einem übermächtigen Super-Turbo Terrys Traum verwirklichen können: Ins All fliegen und damit endlich eine bekannte Person werden. Ramsch bekommen wir für alle möglichen Missionen, die wir abschließen. Diese sind durchaus sehr vielfältig und es gibt im Spiel viele Möglichkeiten, die Menge an Ramsch anzuhäufen, um unser Auto für den Weltraum fit zu machen. Die Welt ist vollgestopft mit Sidequests und versteckten Dingen, sodass wahrscheinlich jeder Spieler auf eine andere Art das Spiel abschließen wird. Falls dem einen oder anderen also mal ein Minispiel nicht besonders liegt, ist dies kein Problem. Nicht jede Herausforderung muss hier auch wirklich abgeschlossen werden, um schlussendlich auf die erforderliche Menge an Ramsch zu kommen, mit der wir das Spiel beenden können. Es sind auch nicht alle Minispiele gleichermaßen gelungen – es ist zwar jedes auf seine Art irgendwie spaßig, aber es gibt hin und wieder Probleme mit den Kameraperspektiven, sodass unsere Sicht unnötig eingeschränkt wird (wie beim „Autoscooter“) oder die Steuerung ist einfach einen Tick zu schwammig (etwa beim Fußball-Match auf dem Schulhof).
Eine bestimmte Reihenfolge, um die Aufgaben zu erledigen, wird uns dabei nicht vorgegeben. Wir können uns völlig frei in Sprenkelwasser bewegen und alles so machen, wie es uns gefällt. Zumindest, wenn wir bereits die benötigten Fähigkeiten dafür gefunden oder freigeschaltet haben. Die Währung des Spiels nennt sich – wie könnte es anders sein – einfach „Geld“. Mit diesem können wir uns die besagten Fähigkeiten über den Erwerb von Gegenständen in den Ramschläden kaufen. Wir springen über Häuser, Balkone, Straßen, Parks und Strände und kommen uns dabei nicht selten wie in einem Jump 'n' Run zu besten Nintendo 64-Zeiten vor. Das auf puren Spielspaß fokussierte Gameplay erinnert an so manchen Genre-Klassiker wie „Banjo-Kazooie“ oder „Donkey Kong 64“. Die Grafik natürlich auch – dazu aber später mehr.

Mit Onkel Grony kann Terry alle Dinge besprechen, die ihm so in den Sinn kommen
© snekflat | Super Rare Games
Terry bewegt sich glücklicherweise in der Regel sehr zackig und reagiert auf unsere Eingaben prompt. Es gibt keine Verzögerungen in der Steuerung – leider läuft dennoch nicht alles im Spiel rund. Die Kollisionsabfrage ist nicht immer so präzise wie unsere Eingaben. So clippen wir manchmal ungewollt ein bisschen durch Wände oder Gegenstände oder bleiben an Kanten hängen. Auch die teilweise etwas störrische Kamera trägt hier leider ihren unrühmlichen Teil zu Frust-Momenten bei, die eigentlich vermeidbar hätten sein sollen. Diese kleinen Schwächen trüben zwar den Spielspaß hier und da, aber glücklicherweise sind es keine allzu schlimmen Nachteile, die wir hier in Kauf nehmen müssen und den Großteil der Zeit funktioniert alles relativ reibungslos. Und seien wir ehrlich: Auch diese Punkte lassen uns ein weiteres Mal ein wenig nostalgisch werden und an die zahlreichen Collect-A-Thons aus der Nintendo 64-Ära denken.
Schon beim ersten Blick auf Tiny Terry’s Turbo Trip schreit einem die Ästhetik der 90er-Jahre förmlich ins Gesicht – und das im besten Sinne! Mit seinem wacky Cartoon-Stil, schiefen Linien und bewusst schrägen Kameraperspektiven erinnert das Spiel an die wilden Tage der N64-Ära. Doch während viele Low-Poly-Designs heutzutage eher gewollt als gekonnt wirken, passt der Look hier wie die Faust aufs Auge. Die Präsentation ist chaotisch, aber charmant und das Spielgefühl profitiert enorm von der butterweichen Steuerung. Alles reagiert flott und direkt, ohne jegliche Framerate-Einbrüche – ein Pluspunkt für den Spielspaß, der uns immer freut. Vor allem, wenn es sich um eine Portierung von einem anderen System auf die Nintendo Switch handelt!
Doch wo Licht ist, da ist auch Schatten: Besonders im TV-Modus zeigt sich, dass die Grafik nicht immer ein Hochglanzprodukt ist. Viele Texturen wirken unscharf, NPCs ploppen manchmal aus dem Nichts auf und die kantigen Polygone flimmern stellenweise derart mit unschönen Treppeneffekten über den Bildschirm, dass das Spiel unsere Augen tränen lässt. Zudem wirken manche Umgebungen etwas leer, als hätte das Budget für Dekorationen manchmal nicht ganz gereicht. Der Ladebildschirm tut sein Übriges, um Verwirrung zu stiften – warum gibt es hier durchsichtige Balken oben und unten, die noch den vorherigen Bildschirm zeigen? Eine künstlerische Entscheidung ist dies wahrscheinlich eher nicht, denn es wirkt wie ein Bug, der bei der Änderung des Seitenverhältnisses entstanden ist.
Meist überzeugt Tiny Terry’s Turbo Trip dennoch mit seiner flüssigen Performance, auch wenn hin und wieder kleinere Bugs auftauchen. Glücklicherweise sind dies in der Regel keine Fehler, die den Spaß ernsthaft torpedieren, sondern eher Kleinigkeiten, die den Eindruck eines auf Feinschliff gebrachten Produktes etwas mindern. Insgesamt ist das Indie-Spiel aus den Niederlanden auch technisch ein Titel, der sich treu bleibt: schrullig, chaotisch und irgendwie liebenswert – auch wenn die Performance einige kleine Ecken und Kanten hat. Es ist dennoch eine kompetente Portierung auf die Nintendo Switch, denn wie erwähnt, Framerate-Einbrüche gibt es hier so gut wie nie, sodass wir trotz grafischer Schwächen und der Steuerungsmankos von einer gelungenen Umsetzung sprechen würden.
Nicht nur die Optik von Tiny Terry’s Turbo Trip versprüht pures 90er-Feeling – auch akustisch fühlt man sich sofort in die goldene Ära der 3D-Platformer zurückversetzt. Fröhliche Melodien mit verspielten Instrumenten wie Tröten, Pfeifen, Xylophon und Mundharmonika erinnern stark an die kultigen Klänge von Banjo-Kazooie & Co. Die Musik ist frech, spritzig und perfekt auf den quirligen Ton des Spiels abgestimmt. Besonders charmant: Die Soundkulisse ist voller witziger Geräuscheffekte, die das Spielerlebnis noch lebendiger machen. Schon mal beim Telefonieren eine Geräuschkulisse erlebt, die klingt, als hätte ein hyperaktiver Musiker ein Freestyle-Solo auf einem alten Nokia 3310 hingelegt? Hier passiert genau das – und es passt einfach perfekt! Das Spiel bietet zwar keine Sprachausgabe für die Dialoge, aber die deutschen Bildschirmtexte (die Übersetzung ist hier übrigens erstaunlich gut gelungen) werden durch witzige und abgehackte Stimm-Schnipsel untermalt, welche die Einzigartigkeit der Charaktere noch weiter unterstreichen. Am ehesten sind diese mit den Stimmen von Animal Crossing vergleichbar.
Ein weiteres Highlight ist die dynamische Anpassung der Musik an Umgebungen und Situationen. Flitzt Terry durch die Stadt, wechseln die Melodien fließend zwischen treibenden und entspannten Klängen, je nachdem, ob man sich gerade in einer quirligen Einkaufsstraße oder auf einem verlassenen Parkplatz befindet. Auch bei bestimmten Ereignissen zieht das Sounddesign alle Register und sorgt für Lacher sowie Überraschungen. So kann es passieren, dass plötzlich eine musikalische Einlage die absurde Situation unterstreicht – und genau solche Momente machen den besonderen Charme des Spiels aus. Kurzum: Der Soundtrack ist ein echter Stimmungsmacher und fügt sich nahtlos in die abgedrehte Welt von Tiny Terry’s Turbo Trip ein.
Unser Fazit

8
Ein Spiele-Hit