Test zu Sunderfolk - Nintendo Switch

Brettspiel mit Handy-Zwang

Es gibt Dinge, die weiß man einfach, auch wenn man davon im Grunde keine Ahnung hat: Die Welt der Brettspiele ist facettenreich und komplex. Mein Eindruck als Laie in dem Gebiet bisher war, dass das Spielen und vor allen Dingen das Erlernen von Brettspielen fast schon einer Hausarbeit gleichkommen. Lange Anleitungen, die alles Mögliche erklären, vor Spielstart aber erst einmal für große Verwirrung sorgen. Da kommt es vielleicht nicht ungelegen, dass das Spiel Sunderfolk, welches am 23. April unter anderem für die Nintendo Switch als Download erschienen ist, es sich zur Aufgabe gemacht hat, ein Brettspiel als Videospiel umzusetzen. Aber kann das überhaupt funktionieren? Und was noch viel wichtiger ist: Kann das jemanden überzeugen, der so gar nicht mit dem Thema vertraut ist? Ich würde sagen, packt euer Spielbrett und eure Karten ein, wir machen uns auf den Weg in die Splitterlande!


Zu Beginn dürfen wir aus sechs Klassen zwei Charaktere aussuchen

© Dreamhaven / Secret Door

Startet man das Spiel zum ersten Mal, wird man zu Beginn zunächst ernüchtert sein. Direkt loslegen können wir nämlich gar nicht. Im Startbildschirm werden wir dazu aufgefordert, mit einem QR-Code eine App aus dem jeweiligen Store für unser Handy zu downloaden. Anfangs dachte ich, dass diese App lediglich eine Ergänzung für das Spiel sei. Schließlich ist es mit einer Dateigröße von 9 GB nicht gerade klein für die betagte Switch, aber dass ich mit dieser Vermutung falschlag, zeigte sich schon in den folgenden Minuten.


Eine freundliche, in Deutsch vertonte Frauenstimme erzählt uns von den Splitterlanden. Löblich an dieser Stelle ist, dass die gesamte Kampagne durchweg vertont ist. Die Splitterlande befinden sich unter der Erde einer fiktiven Welt und haben mit ein paar Problemen zu kämpfen. Namentlich heißen diese Oger, Skelette und alles, was einen beißen und zerstören will. Besonders der Lebensbaum, der den tierischen Bewohnern wichtiges Licht spendet (wir erinnern uns, wir befinden uns ja unterhalb der Erde), ist das Ziel finsterer Gesellen. Und wenn der Lebensbaum zerstört wird, dann war es das auch mit uns. Logisch, dass wir da zurückschlagen müssen!


So dürfen wir nach der Einleitung direkt unsere Gruppe aus sechs unterschiedlichen Charakteren zusammenstellen, die jeweils einer Klasse angehörig sind. Diese sind: Barde, Schurke, Feuermagier, Arkanist, Berserker und Waldläufer. Alle Klassen verfügen über unterschiedliche Talente, die aber gut bei der Vorauswahl erklärt werden. Nach der Zusammensetzung unserer Gruppe sind wir auch schon mitten im Geschehen. Das Spiel ist ein taktisches, rundenbasiertes Rollenspiel. Pro Runde bewegen wir unsere Gruppe auf dem Spielfeld und bekämpfen Gegner, retten Zivilisten oder schubsen auch mal schwere Lavasteine in den Abgrund – was unter der Erde nun mal so möglich ist. Der Spielverlauf ist dabei stets abwechselnd. Erst sind wir am Zug und dann der Gegner. Wir müssen uns also keine Sorgen machen, dass uns dieser dazwischenfunkt. So dürfen wir unsere Züge stressfrei im Vorfeld planen. Jeder Charakter hat dabei aber einen eigenen Bewegungsradius, den es zu beachten gilt. Das kennt man aus gängigen Taktik-Spielen, wie zum Beispiel der Fire Emblem-Reihe.


Die taktischen Scharmützel wissen zu gefallen

© Dreamhaven / Secret Door

Ich hatte zu Beginn schon erwähnt, dass Sunderfolk ein Brettspiel im Videospielformat ist und spätestens ab jetzt zeigt sich dieser Einfluss. Anders als bei anderen taktischen Rollenspielen wählen wir nicht einfach nur Befehle aus, sondern Spielkarten. Diese Karten sind so gesehen unsere Zugvorlage. Jedes Gruppenmitglied hat sein eigenes Deck und wir dürfen pro Zug immer eine neue Karte auswählen. Auf der Karte steht dann geschrieben, was wir mit dem Charakter machen dürfen. Steht dort beispielsweise „Bewegen 4“ und „Angriff“, dürfen wir uns mit unserem Berserker bis zu viermal hin und her bewegen und einmal angreifen. Oder sollten wir lieber doch die Karte spielen, bei der man sich weniger bewegen darf, dafür aber mehr angreifen kann?


Hin und wieder bekommen wir durch das Spielen einer bestimmten Karte aktive und passive Boni für unseren Charakter, wie zum Beispiel einen Schild, der den Schaden eines Gegners abfangen kann. Bei Bedarf dürfen wir einzelne Handlungsvorgaben auch komplett überspringen. Wer schon nahe genug am Gegner dran steht, ist nicht gezwungen, sich vorher noch zu bewegen, ehe er angreifen darf. Diese taktische Komponente mit den Spielkarten gibt dem Spiel ein ganz eigenes Flair und immer wieder muss abgewogen werden, welche Spielkarte nun am meisten Sinn macht. Unterwegs dürfen selbstverständlich auch Schatztruhen geplündert und Gold geborgen werden. Die typischen Levelaufstiege dürfen ebenfalls nicht fehlen. Das Schöne am Spielverlauf ist, dass sich das Ziel der jeweiligen Schlacht immer wieder ändert und wir deshalb häufig vor neue Tatsachen gestellt werden. Keine Auseinandersetzung ist deshalb gleich. Genau so wünscht man sich taktische Rollenspiele!


Neben den Hauptzielen kann man auch immer wieder optionale Ziele erfüllen

© Dreamhaven / Secret Door

Bis hier hin klingt das alles doch ziemlich überzeugend, nicht wahr? Nun, es gibt da aber ein ganz großes Problem, welches ich mit Sunderfolk hatte. Das gesamte Spiel wird ausschließlich mit dem Handy gespielt. Eine Nintendo Switch-Steuerung ist so gut wie nicht existent. Das heißt also, wenn ihr eure Charaktere beispielsweise über das Spielfeld führen wollt, dann müsst ihr das über den Touchscreen auf dem Handy machen. Gleiches gilt für eure Spielkarten, zwischen denen ihr auswählen könnt. Das funktioniert zwar gut und intuitiv, aber da fragt man sich dann doch, warum man für so ein „Handy-Spiel“ eine Nintendo Switch braucht, wenn das komplette Gameplay auf das eigene Smartphone abgewälzt wird. Das Spiel hat immerhin auch einen stolzen Preis von aktuell 49,99 Euro.


Kurioserweise werden die Gefechte selbst dann wieder auf dem Bildschirm der Konsole ausgetragen. Das gilt auch für die Zwischensequenzen. Versteht mich nicht falsch, für kleinere Spielchen finde ich so einen Steuerungsansatz nicht verkehrt, aber Sunderfolk ist kein kleines Spiel, sondern ein taktisches Rollenspiel, welches einen guten Umfang bietet und durchaus auch darauf ausgelegt ist, längerfristig gespielt zu werden. Und da ist es nicht gerade optimal, dass man ständig zwischen den Bildschirmen wechseln muss. Leider reißt es einen immer wieder aufs Neue raus, wenn man sich gerade noch den Spielzug angeschaut hat, nur um danach wieder auf das Handy schauen und rumtippen zu müssen, da das Gameplay ja darauf ausgelegt ist.


Technisch nicht immer überzeugend. Da gehen auch mal ein paar Frames verloren

© Dreamhaven / Secret Door

Allerdings hat dieses Feature auch einen großen Vorteil, weshalb ich es dem Spiel dann doch nicht komplett übel nehme, diesen Weg gegangen zu sein. Denn man kann mit bis zu vier Spielern im Couch-Koop spielen! Das geht ganz einfach, indem sich die anderen Mitspieler ebenfalls die App downloaden und dann der Gruppe beitreten. Und hier entfaltet das Spiel plötzlich sein wahres Potenzial. Ist die Kampagne als Einzelspieler okay, durch das Handy-Feature aber bisweilen schnell dröge, kompensieren andere menschliche Mitspieler diesen Schwachpunkt direkt. Es macht großen Spaß, sich mit anderen abzusprechen, gemeinsam Pläne zu schmieden und sich über die simpel gestrickte Handlung zu amüsieren. Wir haben tatsächlich länger gespielt, als wir es eigentlich vorhatten, was definitiv für die Splitterlande spricht. Eine schöne Idee ist auch, dass man diverse Sachen in der Spielwelt frei benennen kann. So wurden bei mir aus „Bogenschützen“ die viel besser klingenden „Pfeilikus“ und Gläubige pilgerten von nun an zu den „Son Goku“-Statuen. Das sind zwar eher Kleinigkeiten, aber ich finde, sie werten so ein Spiel trotzdem gehörig auf.


Optisch hat mir das Spiel gut gefallen, was nicht zuletzt an der konzeptionellen Umsetzung des Brettspielthemas gelegen hat. Wir haben es hier zwar nicht mit einer Top-Grafik zu tun, aber oft ist Atmosphäre viel wichtiger als reine Grafik-Power. Zur Atmosphäre trägt auch die audiovisuelle Erzählung bei, die in Form eines Pen and Paper-Spielleiters vorgetragen wird. Technisch schwankt das Spiel leider gerne mal, so stürzt bei der Einleitungsszene die Bildrate direkt in den Keller (oder Abgrund, wenn wir schon dabei sind), nur um sich dann auf dem Spielfeld wieder zu erholen. Was ich ebenfalls merkwürdig fand, war die Tatsache, dass die einzige Nintendo Switch-Steuerung, die es im Spiel gibt (in den Optionen), nicht gut umgesetzt wurde. Schaltet man mit den Richtungstasten durch die Einstellungen, ist der Cursor viel zu schnell und überspringt dadurch die einzelnen Punkte. Mit den Tasten des Steuerkreuzes hatte ich diesen Fehler nicht. Gut möglich, dass dies mittels Patch aber noch verbessert wird.

Unser Fazit

7

Spaßgarant

Meinung von Julian Szameitat

Sunderfolk hat es mir nicht leicht gemacht. Eigentlich hätte ich dem Spiel nur fünf Punkte geben wollen, da es allein zwar okay ist, die Steuerung bei anhaltender Spieldauer aber sehr lästig werden kann. Ihr sitzt vor eurer Switch, müsst aber die ganze Zeit in eine App auf eurem Smartphone schauen, die ihr eigentlich gar nicht draufhaben wollt. Wirklich im Spiel versinken kann man dadurch nicht. Zudem ist die Handlung nichts Besonderes, was für so ein Spiel aber verschmerzbar ist. Die Technik trübt dabei auch nicht selten den Eindruck. Aber bei all der Kritik: Der wahre Star von Sunderfolk ist der Couch-Koop-Modus mit bis zu vier Spielern! Erst hier blüht das Spiel so richtig auf. Wenn man ein paar Freunde um sich hat, kann man hier wirklich viel Spaß haben. Das gemeinsame Absprechen von Zügen lässt die Dissonanz zwischen Nintendo Switch und dem stetigen Anstarren des Smartphone-Bildschirmes gar nicht mehr so schlimm wirken. Tut mir aber einen Gefallen und spielt das Spiel nicht allein, denn dann werdet ihr nicht lange Spaß in den Splitterlanden haben.
Mein persönliches Highlight: Dass man das Spiel zu jeder Zeit im Couch-Koop-Modus spielen kann!

Communitywertung

2 User haben bereits bewertet

Auszeichnungen

Multiplayer-Hit

Kommentare 7

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  • Iggy-Koopa

    Verrückter Koopa 🤪

    Was is na des für a seltsames Prinzip.

    Da überlege ich es mir doch lieber nochmal.

  • Andreas von Broock

    Pokémon Professor

    Drei meiner Freunde und ich haben uns vor einigen Jahren ein wöchentliches Treffen gehabt um das Brettspiel Gloomhaven zu spielen. Wer das Spiel nicht kennt: Es ist eine wirklich riesige Box, ein komplexes Spiel und vom Spielprinzip innerhalb der Missionen ähnlich wie Sunderfolk. Nur zum "Anfassen".


    Das Spiel ist dafür bekannt, dass die wenigsten Gruppen es durchspielen, obwohl über mehrere Jahre das bestbewerteste Brettspiele der Welt war. Wir haben es nach etwa einem Jahr zumindest geschafft die Hauptstory abzuschließen.


    Als ich von Sunderfolk gehört habe, habe ich das direkt mit meiner Gruppe gezeigt und wir sind am überlegen es zu spielen. Es hat, soweit ich das sehe viel weniger Funktionen, sieht dafür aber "bezwingbar" aus, was ich durchaus als positiv ansehe.


    Es hat digital zwar nicht das gleiche Feeling, allerdings spart man sich einfach jedes mal den großen Auf- und Anbau, was schon ein großer Pluspunkt ist. Die Handysteuerung klingt für mich auch sehr angenehmen (ohne sie getestet zu haben).


    Gloomhaven gibt es zwar mittlerweile auch als digitales Spiel, aber das haben wir ja schon gespielt. Sunderfolk steht auf jeden Fall auf meiner Liste.


    Stimme dir aber zu, dass dies eher ein Co-Op Spiel ist und ich denke, dass die Bewerbung zusammen mit einer Gruppe besser ausgefallen wäre. (Zumindest ohne das Spiel selber gespielt zu haben).


    Insgesamt aber nachvollziehbares Review. Das Spiel ist mit Sicherheit nichts für jedermann, sondern wohl primär an die Brettspieler angelehnt.

  • Iggy-Koopa

    Verrückter Koopa 🤪

    Andreas von Broock

    Digitale Brettspiele hab ich genug.

    Kannst mal vorbei schauen, alles Aktuell von Catan über Monopoly nach Talisman.

    Aber das Handy Prinzip versteh ich einfach nicht ganz. Bis auf, da muss man fast mal nachschauen, ob es nicht sogar mehr Brettspiele gibt, die dieses Voraussetzen. Hab zu wenig Freund um alles zu testen. 🤣

  • Julian Szameitat

    Turmknappe

    Andreas von Broock

    Ich glaube, ihr werdet dann bestimmt viel Spaß damit haben! Ja, das Spiel ist auf jeden Fall gut machbar, man darf sogar einen Schwierigkeitsgrad auswählen, also ich denke, dass jeder da gut durchkommen wird, der es spielen möchte. Wir hatten echt eine gute Zeit. Gerade wenn ihr eine eingeschworene Brettspielgruppe seit, dann ist Sunderfolk perfekt für euch. Du kannst es dir ohne Bedenken holen. :saint:


    Iggy-Koopa

    Es ist echt schade, dass man alternativ keine andere Steuerung auswählen kann. ?( Alleine bin ich fast wahnsinnig geworden, dass ich mehr auf dem Handy geschaut habe, als auf dem Bildschirm. :ugly: Mit mehreren ist das zum Glück nicht mehr so, da darf man dann endlich häufiger auf den Switch-Bildschirm schauen. :D

  • Fariehna

    Pokemontrainerin

    Für mich ist das Spiel durch Handyzwang auch direkt rausgewesen. Sowas kommt mir nicht in die Tüte drinne rein!

  • Phil46

    Meister des Turms

    Ich hätte es ja noch verstanden wenn man gegeneinander kämpft das man sich nicht in die Karten schaut aber das ist ja ein Coop Spiel wozu dann das Smartphone. Da finde ich Controller reichen wie bei Worms besser.

  • exorbiTante

    Turmknappe

    Durchaus ein Spiel mit Potenzial. Die Screenshots erinnern etwas an Fire Emblem. Aber: Handy-Zwang und nur Download -> ohne mich :!: