Action-Horror zum mitnehmen!
Resident Evil 4 löste damals bei seiner Veröffentlichung 2005 für den GameCube eine kleine Gameplay-Revolution aus und gab dabei der Serie ein neues Gesicht. Die meisten Fans waren dabei (noch) zufrieden mit diesem Richtungswechsel, da sich das Prinzip der früheren Teile so langsam abnutzte. Auch die Presse nahm den neuen Teil begeistert auf, heute besitzt Resident Evil 4 auf Metacritic einen Wert von 96. Ende Mai erschien der Titel im Nintendo eShop der Nintendo Switch. Grundlage für diesen ist das 2016 erschienene HD-Remaster für PlayStation 4 und Xbox One. Im weiteren Test werden wir herausfinden, warum dieser Ableger der Reihe auch heute noch ein Top-Titel ist.
Doch beginnen wir erstmal mit der Hintergrundgeschichte. Wir schlüpfen als Spieler in die Rolle von Leon S. Kennedy, den frühere Resi-Spieler schon in Resident Evil 2 steuern durften. Dieser hat sich nach den schrecklichen Ereignissen von Raccoon City einer Spezialeinheit angeschlossen, die direkt dem Befehl des US-Präsidenten untersteht. Und gleich sein erster Einsatz im Jahr 2004 hat es in sich: Leon muss die junge Tochter des Präsidenten, Ashley Graham, irgendwo im ländlichen Spanien aus der Geiselhaft befreien. Am Einsatzort angekommen, trifft Leon seltsam agierende Dorfbewohner, die ihm nichts Gutes wollen. Die wie Zombies wirkenden Menschen sind von Parasiten, den Las Plagas, befallen und sind so vom Strippenzieher des Ganzen, Sektenführer Lord Saddler, manipulier- und steuerbar. Warum sich die Gruppe die Tochter des Präsidenten geschnappt hat, wird jetzt natürlich nicht verraten. Eines sei aber gesagt, eine tiefgründige Geschichte dürft ihr auch in Resident Evil 4 nicht erwarten. Das heißt aber nicht, dass diese nicht unterhaltsam ist, RE4 ist ein spielbarer Actionfilm mit Horrorelementen.
Mit Resident Evil 4 wurde das Gameplay der Reihe deutlich beschleunigt, ständig habt ihr Gegner im Nacken. Dabei ist es wichtig, immer eine gute Position in den Arealen zu finden, um keine bösen Überraschungen von hinten zu erleben… Denn von diesen gibt es freilich genug. Neben den Dorfbewohnern trefft ihr später auf zahlreiche andere Gegnerarten, die euch ans Leder wollen. Besonders gelungen sind die verschiedenen Endbosse des Spiels. Jeder von ihnen braucht eine andere Herangehensweise, um ihn besiegen zu können (wenn man den Raketenwerfer außer Acht lässt). Außerdem sind sie allesamt toll designt und bleiben in Erinnerung.
Hat man damals als alter Resi-Hase die ersten Schritte im Spiel unternommen, musste man sich in einigen Punkten umgewöhnen. Vorbei war der subtile Horror, Resident Evil 4 ist ein brachialer Action-Horror-Titel. Zu Beginn ist Leon im Wald unterwegs und der Spieler kann sich an die Steuerung und Perspektive gewöhnen. Anders als in den Teilen zuvor bleibt die Kamera stets direkt hinter Leon, zückt man die Waffe, zoomt diese weiter an seine Schulter heran und man zielt per Laserpointer auf die Gegner. Das Zielen mit dem Analog-Stick ist am Anfang noch etwas gewöhnungsbedürftig, geht jedoch bald locker von der Hand. Man merkt jedoch schon, dass wir hier ein Spiel von 2005 spielen. Heutige Titel sind steuerungstechnisch deutlich weicher und angenehmer programmiert. Leon steuert sich etwas schwerfällig und in hektischen Situation kann das schon mal zu brenzligen Situationen führen (nie die 180-Grad-Drehung vergessen!). Schade finde ich, dass die Gyro-Sensoren der Nintendo Switch nicht unterstützt werden. Meiner Meinung nach ist die Wii-Version von Resident Evil 4 dank der Bewegungssteuerung die Beste, die man spielen kann.
Ashley Graham, die Tochter des Präsidenten, muss gerettet werden. Die Charaktermodelle können sich auch heute noch sehen lassen.
Resident Evil 4 war der Vorreiter und Einflussfaktor für viele Third-Person-Action-Spiele, die darauf folgten, wie beispielsweise die Gears of War-Serie. Meistens beschränkt sich dieser Aspekt auf die Art der Kameraführung und der Orientierung an einem actionreichen Spielverlauf. In RE4 lauft ihr die meiste Zeit durch die Levels zum nächsten Storypunkt, beseitigt eure Gegner und sammelt Items. Ab und zu müssen sehr einfache Rätsel gelöst werden, welche deutlich simpler sind als in den Ur-Teilen der Serie. Auf dem Papier klingt das nicht sonderlich spannend, aber die Art der Umsetzung dieser Spielaspekte ist wunderbar gelungen. Resident Evil 4 besitzt einen gewissen „Spiel-Flow“, der süchtig macht. Für mich ist es kein Survival-Horror-, sondern ein Survival-Terror-Spiel. Man fühlt sich über die ganze Spielzeit hindurch angespannt, weil man kaum Auszeiten bekommt. Im Gegensatz zu den vorherigen Teilen sind die Gegner hier um einiges flotter unterwegs. Man muss dauernd in Bewegung bleiben und die Übersicht behalten, um weiterzukommen. Der Action-Anteil wird durch die kleinen Rätsel sowie Quick-Time-Events ein wenig aufgelockert.
Da Action in Resident Evil 4 großgeschrieben wird, haben die Entwickler den Bereich Waffen und Items grundlegend auf den Kopf gestellt. Euer Arsenal hat sich deutlich vergrößert, um den Schergen den Garaus zu machen. Deswegen hat Capcom auch das Inventar-System runderneuert. Anstatt eurer sechs Item-Blöcke, in denen ihr alles verstauen müsst (den Rest in die Truhe), habt ihr nun einen Koffer zur Verfügung. Auch dieser ist in kleine Blöcke unterteilt, das bekannte Heilkraut oder Munition belegen dabei zwei dieser Blöcke. Auch die Truhen zum Verstauen finden sich hier nicht mehr wieder, ist euer Koffer voll, müsst ihr euch von Gegenständen trennen oder sie davor verkaufen. Womit wir zum nächsten Punkt kommen, worin sich RE4 eklatant von den Vorgängern unterscheidet: Im Spiel trefft ihr regelmäßig einen nicht sehr vertrauenserweckenden Händler, bei dem ihr neue Waffen kaufen und tunen könnt. So müsst ihr nicht immer sofort die Nächstbeste kaufen. Manchmal lohnt es sich, die bereits Vorhandenen aufzuwerten und später zu verkaufen. Im Spiel lassen sich auch verschiedenste Schätze finden, um diese für Geld bei eurem Händler des Vertrauens abzugeben. Und so erweitert sich euer Arsenal mit der Zeit und das ist bei der Menge und Stärke an Gegnern auch nötig.
Neben dem gut ausbalancierten Action-Gameplay machen die Spielwelt und Atmosphäre sowie Präsentation des Titels einiges her. Die verschiedenen Umgebungen (wie z.B. das Schloss) mit jeweils anderen Gegnern der Sekte bringen genug Abwechslung, um des Ballerns bald nicht überdrüssig zu werden. Eure Schießeisen werden zwar die allermeiste Zeit gefordert, in ganz wenigen Momenten kehren aber auch wundervolle Momente der Ruhe ein, in der man die gruselige und triste, harte Umwelt auch mal „genießen“ kann. Auch der Soundtrack trägt viel zur Stimmung bei, ist es mal ein wenig ruhiger, gibt es unruhige, metallische Klänge. Entdecken euch die Las Plagas, treibt die Musik euren Puls hoch. Und oft ist auch gar nichts außer den Umweltgeräuschen zu hören. Besonders intensiv ist das Ganze natürlich mit Kopfhörern im Handheld-Modus.
Ein großes damaliges Alleinstellungsmerkmal des Spiels waren die Spielabschnitte, in denen ihr Ashley an eurer Seite habt. Habt ihr sie zum ersten Mal (müsst ihr noch öfter tun) gerettet, ist sie stets hinter euch. Nun müsst ihr nicht nur auf euch, sondern auch auf die Lebensanzeige der Präsidententochter achten. Außerdem habt ihr verloren, wenn einer der Sektenschergen sie zum Ausgang eines Bereiches trägt. Die Abschnitte mit Ashley waren unter den Spielern schon immer ein großes Thema, da sie von vielen als nervig empfunden wurden. Auch heute kann man das Ganze als störend empfinden, aber die erhöhte Verantwortung macht ja auch den Kick aus und erhöht den Adrenalinspiegel, macht die Gegner und die Umgebung noch gefährlicher. Oft hat Capcom das Ganze aber entschärft, denn in vielen Abschnitten könnt ihr Ashley z.B. in Containern verstecken und euch alleine um die Gegner kümmern.
Das Spiel sieht auch heute, 14 Jahre später, noch annehmbar aus, vor allem die Charaktermodelle können noch überzeugen. Die Umgebung allerdings hat da schon mehr gelitten, da die Texturen manchmal für heutige Verhältnisse schon sehr unscharf wirken. Da wir es hier aber nur mit einem Remaster zu tun haben, ist dies kein Kritikpunkt. Entweder man kann damit leben oder nicht. Doch wie sieht die technische Umsetzung hinsichtlich der Performance aus? Während die HD-Remaster für die anderen Systeme 1080p Auflösung und 60 fps bieten, muss die Nintendo Switch-Version hier Abstriche machen. Laut Digital Foundry läuft das Spiel im Dock-Modus in 900p und im Handheld-Modus in 600p. Im Gegensatz zu den zwei anderen Remaster-Teilen, welche gleichzeitig mit Teil 4 im Nintendo eShop erschienen sind, läuft diese Version jedoch im Grunde reibungslos. Hier gibt es keinerlei Probleme mit langen Ladezeiten. Ganz selten hatte ich einen kleinen Ruckler, sonst ist die Portierung gut gelungen. Im Dock-Modus zielt das Spiel auf die 60 fps, hat aber ständig Probleme diese konstant (pendelt zwischen 50 und 60 fps) zu halten. Überraschenderweise läuft das Spiel im Handheld-Modus flüssiger, ist konstanter im Bereich der 60 fps.
In Sachen Umfang ist das Spiel ebenfalls ein Brett. Habt ihr das Spiel durchgespielt, könnt ihr eine Mini-Kampagne mit Ada Wong spielen, die die Ereignisse aus ihrer Sicht schildert. Auch der beliebte Mercenaries-Modus ist wieder mit von der Partie. Gänzlich neue Inhalte sind aber wie schon bei der PS4 und Xbox-Version nicht zu finden, was ein wenig schade ist.
Unser Fazit
8
Ein Spiele-Hit