Brachiale Mittelalter-Strategie für unterwegs
Am 11. Juni 2020 wurde Ancestors Legacy für die Nintendo Switch veröffentlicht. Das Spiel des polnischen Entwicklerstudios Destructive Creations hat bei der Erstveröffentlichung für den PC im Jahr 2018 ein positives Echo hervorgerufen. Ancestors Legacy schickt euch als Strategen in das mittelalterliche Europa. In insgesamt acht verschiedenen Kampagnen, zwei für jedes spielbare Volk, müsst ihr in klassischer Echtzeitstrategie-Manier Siedlungen aufbauen, Truppen rekrutieren und gegnerische Stützpunkte einnehmen. Bei den vier spielbaren Fraktionen handelt es sich um Wikinger, Angelsachsen, Deutsche und Slawen, die mit eigenen Szenarien und unterschiedlichen Truppentypen je eine eigene Spielweise erfordern. Während die Wikinger beispielsweise mit Axtkämpfern eine effiziente Schockinfanterie ins Feld führen, spezialisieren sich die Angelsachsen auf den Fernkampf und können mit den starken Bogenschützen punkten. Die vier verschiedenen Völker bieten euch damit einen zwar nicht besonders innovativen, aber gut abgestimmten Mix an taktischen Optionen.
Die Geschichten der einzelnen Kampagnen werden in schön gezeichneten Zwischensequenzen erzählt. © Destructive Creations
Die acht verfügbaren Einzelspieler-Kampagnen schicken euch in die unterschiedlichsten Ecken des mittelalterlichen Europa. Auf einen Mehrspieler-Modus verzichtet das Spiel komplett. Die einzelnen Kampagnen widmen sich dabei jeweils einer historischen Persönlichkeit, an deren Seite ihr durch die Ereignisse geführt werdet. Die Einsteiger-Kampagne erzählt dabei die Geschichte des Wikinger-Fürsten Ulf Eisenbart, der einen Teil der Streitmacht befehligt, die für die berühmt-berüchtigte Brandschatzung des britischen Klosters Lindisfarne verantwortlich war. In dieser Kampagne werdet ihr schrittweise an die einzelnen Spielmechaniken herangeführt. Nach erfolgreicher Plünderung des Klosters stehen euch auch die Kampagnen der anderen Völker zur Verfügung, die verschiedene historische Ereignisse zum Vorbild haben. Die Kampagne des Deutschen Ordens erzählt beispielsweise die Geschichte des Ritterbruders und Preußen Herkus Monte, der als Jugendlicher dazu gezwungen wird, zum Katholizismus zu konvertieren. Als Ordensritter kehrt er in seine Heimat zurück und ist im Verlauf der Geschichte hin- und hergerissen zwischen dem Mitgefühl für seine Landsleute und der Loyalität gegenüber dem Orden. Die einzelnen Handlungsstränge werden dabei sowohl in gezeichneten Zwischensequenzen, die stilistisch an The Witcher 2: Assassins of Kings erinnern, als auch auf den einzelnen Karten in Spielgrafik erzählt. Die Präsentation kann sich durchaus sehen lassen, spart aber auch nicht mit blutigen Details. Ancestors Legacy ist in dieser Hinsicht nichts für schwache Nerven.
Wie bereits eingangs erwähnt, orientiert sich der Spielablauf von Ancestors Legacy an den klassischen Vorlagen des Genres. Zu Beginn einer Mission, von der es in jeder Kampagne fünf Stück gibt, werdet ihr zunächst in das entsprechende Szenario eingeführt. Der Protagonist kommt beispielsweise in eine Stadt, in der er etwas erledigen muss, nur um festzustellen, dass die Dinge doch ganz anders als erwartet sind. Anschließend gilt es, mit den zunächst verfügbaren Einheiten ein Lager einzunehmen und von da aus die eigene Truppe aufzubauen. In taktischer Hinsicht orientiert sich Ancestors Legacy dabei an Spieleklassikern wie Company of Heroes. Eure Truppe ist auf eine Gesamtzahl von zehn Einheiten begrenzt, wovon in der Regel zwei Plätze für erzählerisch relevante Charakter-Einheiten reserviert sind. Dadurch bleibt euer Heer auch auf der höchsten Ausbaustufe vergleichsweise überschaubar. Die Truppenauswahl orientiert sich mit verschiedenen Einheitentypen wie Fernkämpfern und Kavallerie am Genrestandard und baut auf einer bewährten Schere-Stein-Papier-Logik auf. Speerträger sind effektiv gegen Kavallerie, die wiederum effektiv gegen Fernkämpfer ist und mit Sturmangriffen Breschen in die gegnerischen Reihen schlagen kann. Darüber hinaus verfügen die Einheiten noch über Spezialmanöver, die euch einen taktischen Vorteil verschaffen können. So sind gegnerische Fernangriffe deutlich weniger tödlich, wenn ihr euren Einheiten befehlt, die Schilde zu heben.
Die insgesamt gut ausgefeilte Mechanik leidet in den Gefechten selbst aber an Unübersichtlichkeit. Es ist beispielsweise schwierig, im Eifer des Gefechts gezielt einzelne Einheiten anzusteuern, wenn man nicht auf das Truppenmenü im oberen linken Bildschirm zurückgreifen will. Darüber hinaus hat die KI die Angewohnheit, in Mobs auf euch zuzustürmen, was ein gezieltes Einsetzen der Einheiten deutlich erschwert. Die Gefechte machen insgesamt trotzdem großen Spaß, bleiben aber etwas hinter den eigentlichen Möglichkeiten des Spiels zurück. Gleiches lässt sich für den Siedlungsbau sagen. Dieser ist zugunsten der Gefechte deutlich zurückgeschraubt und begrenzt sich darauf, einzelne Gebäude in einem Ringmenü zum Bau auszuwählen, die dann automatisiert gebaut werden. Die jeweiligen Bauplätze sind vom Spiel vorgegeben und können nicht geändert werden. Ancestors Legacy richtet sich damit deutlich an Taktiker und weniger an diejenigen, die Spaß daran haben, ihre eigene Siedlung aufzubauen.
Bei der Portierung eines bereits auf anderen Plattformen erschienenen Spiels für die Nintendo Switch stellt sich natürlich immer die Frage nach der technischen Umsetzung. Gegenüber den alternativen Fassungen für PC, PlayStation 4 und Xbox One müsst ihr zwar grafische Abstriche in Kauf nehmen. Die Kompromisse sind aber allesamt sinnvoll getroffen worden, sodass Ancestors Legacy auf der Nintendo Switch einen guten optischen Eindruck hinterlässt. Mit Ausnahme einiger aufploppender Texturen konnte ich auch keine größeren Grafik- oder Technikfehler feststellen. Der solide technische Eindruck wird von einer stabilen Bildwiederholrate sowie guten (englischen) Sprechern und einem schönen Soundtrack abgerundet. Im TV-Modus wirkt das Bild dabei deutlich schärfer, während die Texturen im Handheld-Modus etwas verschwommen sind.
Trotz grafischer Abstriche sind die einzelnen Karten stimmungsvoll in Szene gesetzt. © Destructive Creations
Ebenfalls gelungen ist die Umsetzung der Steuerung für Controller. Ancestors Legacy behilft sich dabei mit einigen Tricks wie Ringmenüs, in denen das Spielgeschehen stark verlangsamt wird, um euch die Eingabe mehrerer Befehle auf einmal zu erlauben. Darüber hinaus spielen die Schulterbuttons eine wichtige Rolle bei der Navigation. Damit steuert ihr gewissermaßen zwischen euren Einheiten und Siedlungen hin und her und entscheidet, für welches Spielelement ihr gerade ein Menü benötigt. Störend ist auf Dauer eigentlich nur die Navigation über die Karte. Da bei der Auswahl einer Einheit die Kamera fokussiert wird, werdet ihr vergleichsweise oft an eine bestimmte Stelle des Geschehens katapultiert. Was eigentlich sinnvoll klingt, führt oft zu längerem Scrollen über die Karte, um zum Ausgangspunkt zurückzugelangen. Im Handheld-Modus wird dieses Problem etwas durch die optionale Touch-Steuerung relativiert, mit der ihr gezielt Punkte auf der Karte auswählen könnt, zu denen ihr springen wollt. Da die Eingabemöglichkeiten über Touch aber überschaubar sind, empfiehlt sich auch hier eher die Navigation über die Joy-Con oder einen Nintendo Switch Pro Controller.
Unser Fazit
7
Spaßgarant