Unser Test zum Spiel: Xenoblade Chronicles
Als mir Xenoblade Chronicles aus dem Umschlag entgegen lächelte, war ich hin und her gerissen. Auf der einen Seite freute ich mich wahnsinnig auf das Spiel, auf der anderen Seite wusste ich, dass ich ihm nicht die Aufmerksamkeit werde schenken können, die es verdient. Zur Erklärung: Das Paket traf am Samstag ein, am Montag begann mein Praktikum bei der Stadt. Für dieses musste ich mich am Wochenende vorbereiten, den ersten langen Arbeitstag nachbereiten, mich auf den zweiten vorbereiten und so weiter. Nebenbei standen natürlich noch die üblichen Pflichten an, eine ausführliche Seminarreflexion für meine Hochschule musste auch noch abgeschickt werden. Ich habe jedes bisschen Zeit und Schlaf geopfert, das ich entbehren konnte, um euch trotzdem noch vor Release mit einem Test von Xenoblade Chronicles zu versorgen. Die Wertung ist jedoch erst einmal vorläufig und wird, sobald ich das Ende gesehen habe, final gemacht.
Die Geschichte dürfte mittlerweile bekannt sein. Zwei sich bekämpfenden Giganten gelingt etwas, das in Kampfspielen als Double-KO bezeichnet wird: Sie fügen sich gegenseitig im selben Moment eine tödliche Wunde zu, sodass keiner der beiden das Schlachtfeld als Sieger verlassen kann. Stattdessen entwickeln sich im Laufe der Jahrhunderte Flora und Fauna auf den Körpern der Toten. Auch Menschen, hier Homs genannt, bevölkern irgendwann den biologischen Giganten Bionis. Sie lebten glücklich und zufrieden, bis sie eines Tages von den Mechon, den Herrschern über den maschinenartigen Giganten Mechonis, angegriffen werden. Dank eines mysteriösen Schwertes mit der Bezeichnung Monado können die Homs die komplette Auslöschung ihrer Spezies verhindern, doch es dauert gerade einmal ein Jahr, bis die Mechon zurückkehren. Gegen die neuen Maschinenwesen kann selbst das Monado nichts ausrichten, der Angriff kann trotzdem halbwegs zurückgeschlagen werden. Der neue Träger des Schwerts und Hauptcharakter von Xenoblade Chronicles, Shulk, macht sich nun auf, Rache zu nehmen. Eines der mechanischen Monster hat nämlich seine Freundin auf dem Gewissen. Auf seiner Reise begegnet er nicht nur neuen Mitstreitern, sondern kommt auch den Geheimnissen der Mechons und des Monados auf die Spur...
Wirklich innovativ ist die Geschichte also nicht. Aber das macht nichts, denn sie wird immer wieder in spannenden Zwischensequenzen in Spielgrafik weitererzählt. Und das wirklich fantastisch. Aufgrund des guten Scripts kam mir keine einzige Szene unpassend oder gar nervig und den Spielfluss unterbrechend vor. Herausragend wird es, wenn Shulk und Co. auf Endbosse treffen. Die Actionreichen Zwischensequenzen sind in diesem Fall so rasant geschnitten, dass der eigentliche Kampf dann schon fast langweilig ist. Zusammen mit der sehr gelungenen Sprachausgabe (japanisch oder englisch mit UK-Akzent) zieht mich Xenoblade Chronicles immer direkt hinein in die Geschehnisse. Dazu trägt auch die lebendige Welt bei. Die großen und offenen Gebiete sind sicherlich das bekannteste Merkmal des RPGs. Und wenn ich groß schreibe, dann meine ich auch groß.
Den Entwicklern ist das Kunstwerk gelungen, große Gebiete jederzeit abwechslungsreich zu gestalten. Da lauft ihr über eine Grasebene, an großen Erdverwerfungen vorbei, unter Felsbrücken hindurch, bewundert eine Ruine, schwimmt durch einen See, erkundet eine Höhle, betretet riesige Pilze und watet durch einen Sumpf. Das alles auf einer einzigen Gebietskarte! Andere Spiele zeigen so viel Abwechslung nicht einmal im gesamten Spielverlauf. Jederzeit kreuzen zahlreiche Monster euren Weg. Leider wirken diese trotz der Herden eher wie Statisten, denn es gibt keinerlei Interaktion zwischen den verschiedenen Monsterarten. Aber Xenoblade Chronicles wäre hier wohl zu perfekt, wenn es auch noch Fleischfresser auf die Jagd nach Pflanzenfressern schicken würde.
Genauso beeindruckend wie die Größe der einzelnen Gebiete sind die Ladezeiten. Lediglich, wenn ihr in ein neues Gebiet oder einen Dungeon wechselt, werdet ihr einen Ladebildschirm zu sehen bekommen. Doch dieser ist dermaßen vernachlässigbar, dass ihr fast komplett ohne lästiges Warten durch die Welt von Xenoblade Chronicles wandern könnt. Selbst wenn ihr die überaus komfortable Schnellreisefunktion über die Karte nutzt, findet ihr euch teilweise direkt dort wieder, wo ihr hinwolltet. Während viele Spiele solche kurzen bzw. so gut wie gar nicht vorhandenen Ladepausen mit einem ratternden Laufwerk erkaufen, schnurrt die Wii beim Zocken von Xenoblade wie eine glückliche und zufriedene Katze. Klar, viele Texturen liegen auf N64-Niveau und man sieht beständig etwas ins Bild ploppen oder den Texturaufbau. Aber gegenüber der Gesamtpräsentation und den tollen Charaktermodellen und Rüstungsteilen ist das nicht ganz so wichtig. Alles wirkt wie aus einem Guss und ich habe immer das Gefühl, die Spielwelt sieht genauso aus, wie sie ein Designer per Hand geformt hat. Viele Spiele versprühen den Charme eines Leveleditors, Xenoblade Chronicles den einer realen Welt.
Und als würden das Erkunden der Weiten Bionis' und das Weiterverfolgen der Geschichte nicht reichen, wirft euch das Spiel etliche weitere Zeitfresser entgegen. Überall verteilt findet ihr Gegenstände, die euch ein Bonus-Item bescheren, solltet ihr alle einer Art in einem Gebiet gefunden haben. Diese in Form eines blauen Leuchtens auf dem Boden herumliegenden Gegenstände können aber auch verkauft oder getauscht werden. Potenzielle Tauschpartner sind alle Charaktere mit einem eigenen Namen. Ihr begegnet also folgerichtig sowohl dem üblichen RPG-Abschaum ohne tieferem Sinn für die Welt, die einfach nur als Füllmaterial dienen. Andererseits sind da die Personen mit Namen, mit denen ihr nicht nur tauschen könnt, sondern die auch auf einer riesigen Harmonie-Karte verzeichnet werden. Auf dieser werden nach und nach die Beziehungen der Bewohner von Xenoblade Chronicles angegeben. Je besser ihr die Beziehungen der einzelnen Charaktere untereinander unterstützt (zum Beispiel durch Reden oder dem Überbringen eines Gegenstandes), desto mehr Nebenquests könnt ihr absolvieren. Besonders wichtig ist natürlich auch die Harmonie in der Gruppe...
Richtet euch schon einmal auf viel Arbeit ein. Schon in den ersten Spielstunden wird sich euer Auftragsbuch füllen und ihr nicht wissen, wo ihr zuerst anfangen sollt. Doch die Nebenmissionen sind elementar, denn ohne würden euch nicht nur mächtige Ausrüstung, sondern auch etliche Erfahrungspunkte flöten gehen. Und beides könnt ihr gegen die harten Gegner gut gebrauchen. Solltet ihr einem Monster begegnen, dessen Level "nur" um 3 höher ist: Lasst es in Ruhe! Selbst so ein kleiner Levelunterschied hat gewaltige Auswirkungen in diesem Spiel. Das liegt nicht nur an den normalen Werten wie Angriff oder Verteidigung, sondern auch den erlernten Techniken und dem Aufwerten dieser. Neben normalen Erfahrungspunkten sammelt ihr nämlich noch zwei weitere Arten an Punkten, die ihr zum Einen in das Verbessern eurer Techniken und der eurer Kameraden steckt und die zum Anderen automatisch den Zählerstand zum Erlernen besonderer Fähigkeiten erhöhen. Diese sorgen dann zum Beispiel dafür, dass Heilungssprüche effektiver sind oder der Charakter mehr Lebenspunkte spendiert bekommt.
Dabei habt ihr immer die volle Kontrolle über die Entwicklung eurer Truppe. Jeder Charakter hat drei Fähigkeitsbäume, zwischen denen ihr hin und her schalten könnt. Ab einem bestimmten Zeitpunkt im Spiel könnt ihr diese auch noch unter den Charakteren miteinander verbinden. Während Techniken automatisch erlernt werden, obliegt es ganz euch, welche ihr verbessert. Konzentriert ihr euch bei Sharla auf die Heilung oder soll sie doch lieber ihre Angriffstechniken stärken? Soll Reyn der Tank der Gruppe sein und beständig den Zorn der Gegner auf sich ziehen oder investiert ihr die Punkte in seine Offensivtechniken, so dass böse Monster härter auf die Mütze kriegen? Eure Entscheidung.
Und da wären wir auch schon bei einem weiteren wichtigen Aspekt von Xenoblade Chronicles: dem Zorn. Während der Kämpfe richten die Gegner ihre Angriffe nämlich auf den Kämpfer eurer Gruppe, der den meisten Schaden anrichtet oder ihn mit besonderen Fähigkeiten gezielt auch sich zieht, um die Aufmerksamkeit der Feinde zu bündeln und den anderen die Gelegenheit zu geben, ungestört anzugreifen. Bis auf euren aktiv gesteuerten Charakter kämpfen eure Partner völlig autark. Ihr könnt ihnen keine Befehle geben, lediglich befehlen, ob sie denselben Gegner wie ihr bekämpfen oder nach Wahl unter den Feinden wüten sollen. Das nimmt einiges an Taktik aus dem Kampfsystem, das aber eigentlich so viel davon bietet. So könnt ihr einen Gegner zum Schwanken bringen und ein anderer Charakter wirft ihn dann mit einer entsprechenden Attacke zu Boden, während der dritte den Feind daraufhin ohnmächtig schlägt. Doch ihr habt keinerlei Ahnung, welche Techniken eure Freunde gerade zur Verfügung haben und welche gerade aufgeladen werden. Es ist also in den meisten Fällen ein reines Glücksspiel, ob so ein Kombinationsangriff auch gelingt. Hier hätte ich mir gewünscht, auch mal in eine Art Pause-Modus wechseln und die Techniken der drei Kämpfer manuell auswählen zu können.
Das hätte auch die Hektik aus den Kämpfen genommen. Auf was man da alles achten muss: Lebensenergie aller Charaktere, die Position eures Charakters zum Gegner (da einige Attacken zum Beispiel bei einem Angriff von der Seite Zusatzschäden wie Langsamkeit anrichten), die Techniken-Leiste und welche darauf gerade verfügbar sind. Dann immer wieder die Kamera drehen, während man herumläuft und durch die Techniken schaltet. Zwischendurch wollen eure Mitstreiter durch Rufe ermuntert werden, für die ihr zum richtigen Zeitpunkt b drücken müsst. Dazu kommt das Visionen-System, das euch ab und zu kurze Szenen aus der Zukunft zeigt. So seht ihr zum Beispiel, wie Reyn von einer Spezialattacke des Gegners niedergestreckt wird. Nun habt ihr acht Sekunden Zeit zu reagieren. Entweder ihr nutzt das Monado, um einen Schild zum Schutz vor der Spezialattacke zu errichten. Oder ihr bringt den Gegner zum Schwanken. Oder ihr rennt zu Reyn und warnt ihn, woraufhin ihr eine seiner Techniken auswählen müsst, die hoffentlich die Spezialattacke des Feindes verhindert. Spielt ihr zum Beispiel als Sharla, könntet ihr den Gegner aber auch mit Schlafmunition ins Reich der Träume schicken. Während der Kämpfe füllt sich auch noch eine Gruppenleiste, die ihr zum Beispiel dazu nutzen könnt, kampfunfähige Kämpfer wiederzubeleben oder um einen Gruppenangriff auszuführen.
Das alles wird garniert mit etlichen Effekten und einer teils störrischen Kamera. Meine Aufzählung wird auch der Grund sein, warum die Kämpfe weitgehen automatisiert ablaufen. Prinzipiell bräuchtet ihr keinen einzigen Knopf drücken, wenn der Kampf erst einmal begonnen hat. Müsstet ihr jetzt nämlich noch die Attacken eurer Kumpanen im Blick haben und in diesem Tohuwabohu sozusagen alle drei Charaktere gleichzeitig spielen; da käme wohl kaum noch jemand hinterher. Nichtsdestotrotz stören mich diese Automatismen. Ich weiß, ich bin nicht leicht zufriedenzustellen. Darum hat mich die Musik umso mehr umgehauen. Allein schon die Melodie im Startbildschirm ist der Hammer. Hier ist der Soundtrack eigentlich schon fast Pflicht. Da passt es doch hervorragend, dass jeder, der Xenoblade Chronicles bis zum 30. September im Sternekatalog registriert, den Soundtrack kostenlos herunterladen darf.
Braucht ihr Entspannung, könnt ihr euch am Juwelen schmieden versuchen und eure Ausrüstung, die sich sichtbar an den Charakteren verändert, mit ihnen verbessern und euch mit Spezialfähigkeiten oder Attribut-Erhöhungen versorgen. Neue Waffen und Rüstungsteile findet ihr übrigens zuhauf. Immer wieder müsst ihr ins Menü wechseln um zu schauen, ob ihr vielleicht etwas Gutes gefunden habt. Nach einer Weile kann das schon nervig sein. Völlig stressfrei ist hingegen das Speichersystem. Bis auf wenige Ausnahmen könnt ihr jederzeit und an jedem Ort speichern.
Unser Fazit
10
Meisterwerk