Von den Farben zu den Edelmetallen: Die zweite Generation der Pokémon-Abenteuer machte alles besser
Mit Pokémon Rot, Grün, Blau und Gelb veränderte das Entwicklerstudio GAME FREAK für immer den Handheld-Markt. Die Rollenspiele bewiesen, dass auch Titel für unterwegs einen Umfang haben können, der sich nicht hinter Konsolenspielen verstecken muss. Nur einige Jahre später erschienen Pokémon Gold und Silber mit neuen Pokémon, einer neuen Region und vielen neuen Mechaniken. Wir schauen uns in diesem Spieletest die Virtual Console-Version der legendären Titel an.
Während Pokémon Rot, Grün, Blau und Gelb ein starkes Fundament geschaffen haben, konnten die Fans in Japan am 21.11.1999 die Nachfolger der grandiosen RPGs mit den Taschenmonstern spielen. Bei uns erschienen die Spiele am 06.04.2001. In ihrer Entwicklungszeit als Pocket Monsters 2 bekannt, galt für Pokémon Gold und Silber vor allem eines: größer, besser, schöner! Nahezu alle Faktoren, die die Vorgänger groß machten, wurden verbessert. Doch von Anfang an: In der kleinen Stadt Neuborkia, die in der neuen Johto-Region liegt, startet euer männlicher Avatar, Gold, sein großes Pokémon-Abenteuer. Vom ortsansässigen Professor Lind erhaltet ihr eines von drei Pokémon: den Pflanzen-Starter Endivie, das Feuer-Pokémon Feurigel oder das Wasser-Monster Karnimani (mein persönlicher Favorit). Eure Aufgabe ist es dann, dem mysteriösen Mr. Pokémon ein noch viel mysteriöseres Pokémon-Ei zu bringen. Während ihr diesen kleinen Auftrag erfüllt und sogar im Haus von Mr. Pokémon Professor Eich trefft, der wiederum spontan einen Pokédex, ein Lexikon, das alle Daten zu euren gefangenen Pokémon auflistet, verschenkt, wird im Labor von Lind eingebrochen. Der Dieb schnappt sich das Starter-Pokémon, welches gegen das Taschenmonster eurer Wahl stark ist und fordert euch kurz darauf zu einem typischen rundenbasierten Pokémon-Kampf heraus. Nachdem ihr ihn dann (hoffentlich) vernichtend geschlagen habt, werdet ihr im Labor von einem Polizisten gefragt, ob ihr den Namen der Person kennt. Als ich den Titel damals gespielt habe, gab ich Silber (so der von den Entwicklern vergebene Standardname) den Namen „???“. Warum? Ganz einfach. In dem Textfeld wurde genau diese Zeichenfolge angezeigt und ehrlich wie ich bin, habe ich genau das angegeben. Tja, und darum steht bis heute in meinen Spielen als Name des Rivalen „???“.
Doch all das war natürlich nur der Beginn eines fantastischen Abenteuers, welches vom Umfang und der generellen Konzipierung der Reise von Pokémon Rot in Kanto weit überlegen ist. Das hat mehrere Gründe. Einerseits sind die Städte und Routen deutlich durchdachter und oft umfangreicher. Zudem sind viele Mechaniken optimiert worden. Erinnert ihr euch noch an den furchtbaren Beutel der ersten Generation? Dieses Problem gibt es nicht mehr. Eure Tasche ist aufgeteilt in verschiedene Bereiche wie Basis-Items, Pokébälle oder TM/VMs. Leider sind die Pokémon-Boxen jedoch noch genauso schlimm. Bei jedem Wechsel muss das Spiel gespeichert werden. Die Spielzeit von Pokémon Gold und Silber ist deutlich länger. Zwar ist es auch weiterhin eure Aufgabe, den Pokédex zu vervollständigen, acht Orden zu sammeln und den Champ zu besiegen, doch danach dürft ihr nach Kanto zurückkehren und weitere acht Orden sammeln. Zudem erfahrt ihr, was nach den Geschehnissen der ersten Generation passiert ist. Zwar sind einige Orte von Kanto wegrationalisiert oder verkleinert worden, doch kaum ein Spiel für den Game Boy hatte wohl mehr Umfang.
Auf eurer Reise durch die große Welt der Taschenmonster trefft ihr auch auf ein gewisses Schurkenteam namens Team Rocket, welches bereits in den Vorgängern Probleme gemacht hat, aber eigentlich schon längst hätte aufgelöst sein müssen. Die bestehenden Mitglieder versuchen nun aber verzweifelt, ihren ehemaligen Boss Giovanni aufzuspüren und ihn zu bitten, der Organisation zu neuem Glanz zu verhelfen. Das könnt ihr natürlich nicht zulassen und stellt euch den Verbrechern in vielen Story-Höhepunkten in den Weg.
Natürlich ist das wichtigste Element eines Pokémon-Spiels die namensgebenden Taschenmonster. Während die erste Generation mit 151 Pokémon aufwarten konnte, kamen mit Gold und Silber exakt 100 neue Monster dazu. Viele von ihnen sollten schon in Rot und Grün enthalten sein, doch die damalige Speicherbeschränkung der Module ließ dies nicht zu. Gold und Silber sind zudem Game Boy Color-Spiele (funktionieren aber trotzdem auf dem klassischen Game Boy) und sind daher farbenfrohe Abenteuer. Durch die verbesserte Technik konnte man zudem endlich sehen, wie die Pokémon wirklich aussehen sollten. Auch die Hintergrund-Sprites innerhalb der Kämpfe sind nicht mehr verpixelt, ein gewaltiger Fortschritt. Viele jüngere Spieler können sich das gar nicht mehr vorstellen, aber uns haben Pokémon Gold und Silber die Augen geöffnet. Alleine die Farben sind schon Grund genug, die zweite Generation zu lieben. Und das war natürlich nicht alles. Die Spiele mit Mogelbaum, Togepi und Co. liefen in Echtzeit. Dies haben wir einer eingebauten Batterie in den Modulen zu verdanken, die vom Nintendo 3DS nun emuliert wird. So gibt es einen Tag- und Nacht-Zyklus. Manche Pokémon lassen sich so beispielsweise nur zu bestimmten Tageszeiten fangen. Es gab sogar die Möglichkeit, zwischen Sommer- und Winterzeit zu wechseln, ohne eine Zeitstrafe zu erhalten. Dazu sind selbst die neuesten Spiele der Reihe nicht in der Lage.
Hier sehr ihr gleich mehrere neue Dinge: Ein Schillerndes Pokémon, die Weiterentwicklung eines alten Pokémon und generell die schönen Sprites.
Ebenfalls eine großartige Funktion ist die Möglichkeit, völlig neue und innovative Bälle zu schaffen, indem man Aprikokos sammelt. Das sind Früchte, die man auf Routen finden und dann bei dem Handwerker Kurt in mehr oder weniger nützliche Pokébälle umwandeln kann. Der Köderball beispielsweise erhöht die Chance, ein Pokémon zu fangen, welches man geangelt hat, während der Schwerball schwere Pokémon leichter einsammeln kann. Eine tolle Neuerung, da so nicht immer nur ein Hyperball verwendet werden muss. Das Ganze hat jedoch einen Haken. Ein großer Teil dieser neuen Bälle hat Bugs, so dass sie nicht so funktionieren, wie sie sollen. Ein Beispiel: Der Sympaball sollte eigentlich Pokémon, die ein anderes Geschlecht als euer Taschenmonster haben, besser fangen. In Pokémon Gold und Silber passiert aber genau das Gegenteil.
Für Abwechslung sorgt auch das PokéCOM. Dabei handelt es sich um eine Art Handy, welches nicht nur eine Karte von Johto und Kanto enthält, sondern auch ein eingebautes Telefon, mit dem man einige ausgewählte besiegte Trainer und storyrelevante Charaktere anrufen kann. Sogar ein Radio mit verschiedenen Sendern gibt es. Den Radioturm könnt ihr später übrigens selbst besuchen.
Während die Vorgänger auf ihren Covern die jeweils höchsten Entwicklungen der Starter-Pokémon, sowie Pikachu hatten, bekam die zweite Generation Abbilder der legendären Pokémon Ho-Oh und Lugia auf ihre Verpackungen. Beide Pokémon lassen sich in den Spielen fangen, das jeweilige Cover-Taschenmonster jedoch deutlich früher. Zudem wurde erstmals die Mechanik von Wanderpokémon eingeführt. Die legendären Raubkatzen Raikou, Entei und Suicune kann man nur mit viel Glück oder einem Pokémon mit Horrorblick fangen, da sie nach einem Zug automatisch aus dem Kampf fliehen und eine andere Route durchstreifen. Eine Mechanik, die ich persönlich überhaupt nicht mag.
Eine weitere wegweisende Neuerung ist die Einführung des Geschlechtes bei allen Pokémon. Erst damit war es möglich, in der Pokémon-Pension Pokémon zu züchten. So könnt ihr beispielsweise seltene Pokémon erneut „erzüchten“ oder sogar Baby-Pokémon wie Pichu erhalten. Das Züchten von Pokémon war seinerzeit jedoch längst nicht so komplex wie es heute ist. Um Pokémon-Eier auszubrüten, musstet ihr schon damals eine gewisse Anzahl an Schritten laufen, die geschlüpften Pokémon waren dann auf Level 5.
Der eine oder andere fragt sich nun aber sicherlich: „Kann ich meine alten Pokémon auch nach Gold und Silber tauschen?“ Die Antwort darauf ist ein Ja. Mithilfe der Zeitmaschine lassen sich Pokémon zwischen den Generationen tauschen, solange die Wesen und ihre Attacken in allen Spielen existieren. Manche Pokémon, wie die legendären Pokémon Arktos, Zapdos und Lavados, gibt es sogar nur in der ersten Generation. Wer den Pokédex wirklich vollständig haben will, kommt um einen Tausch nicht herum. Die Zeitmaschine funktioniert auch bei den Virtual Console-Titeln. Generell sind alle Mechaniken, wie das Tauschen und Kämpfen, mit der Drahtlos-Funktion des Nintendo 3DS lokal möglich.
Grafisch hat sich auch einiges getan. Das hat man insbesondere der neuen Farbenpracht zu verdanken, aber auch die Pokémon-Modelle und die Welt von Johto und dem neuen Kanto sind deutlich detailverliebter. Um den technischen Sprung zu zelebrieren, wurden auch Schillernde Pokémon eingeführt. Dabei handelt es sich um Taschenmonster, die in einer anderen Farbe gegen euch antreten. Die Wahrscheinlichkeit, ein solches „Shiny-Pokémon“ zu finden, ist aber extrem gering. Doch zumindest ein rotes Garados erhaltet ihr im Laufe des Spiels. Ansonsten hätten viele Spieler von damals wohl nie erfahren, dass es Schillernde Taschenmonster überhaupt gibt. Auch der Soundtrack ist fantastisch. Fun-Fact: Das Arenaleiter-Kampf-Thema ist mein absolutes Lieblings-Musikstück, nicht nur innerhalb der Videospielwelt, sondern auch in Filmen oder von normalen Sängern
Unser Fazit
9
Geniales Spiel