Der Lichtbringer kommt ... und erlebt sein blaues Wunder
Wenn man in der Geschichte von Nintendos Videospielekonsolen nach Titeln sucht, die immer und immer wiederkehren, dann fallen euch auf Anhieb bestimmt einige ein: Super Mario, Mega Man, Yoshi, Donkey Kong und noch viele mehr. Würde man dieselbe Frage im asiatischen Raum stellen, so würde bestimmt auch ein weiterer Titel genannt: Nämlich die Dragon Quest-Spiele, die seit 1986 immer wieder auf diversen Nintendo-Konsolen erschienen sind, jedoch nicht immer ihren Weg in unsere Gefilde fanden und dementsprechend nicht denselben Bekanntheitsgrad erlangen konnten, wie es beispielsweise eben in Asien der Fall ist. Über zwölf Titel und diverse Ableger kann die Spielereihe mittlerweile für sich verbuchen, die neben ihren Geschichten vor allem auch mit einem ganz speziellen Art-Design glänzt, für dass der Zeichner Akira Toriyama verantwortlich zeichnet, der vielen vor allem als Schöpfer des Dragon Ball-Universums bekannt ist. Im Jahre 2017 war es dann so weit und der jüngste Ableger „Dragon Quest XI“ erblickte das Licht der Welt und feierte auf der PlayStation 4 und dem Nintendo 3DS sein Debüt – auf dem Handheld allerdings nur Japan-exklusiv. Und heute, gut zwei Jahre später, dürfen wir den Titel in einer erweiterten Version mit dem etwas sperrigen Namen „Dragon Quest XI S: Streiter des Schicksals - Definitive Edition” auf der Nintendo Switch genießen. Ob das Rollenspiel auch auf Nintendos jüngster Heimkonsole überzeugen kann, wollen wir im Folgenden näher beleuchten.
Ein gutes Rollenspiel macht vor allem eine überzeugende und spannende Handlung aus, denn jede noch so tolle Spielmechanik verblasst, wenn die Geschichte nicht überzeugen kann. Und Dragon Quest XI startet mit einer vermeintlich mehrfach durchgekauten Prämisse: Ihr verkörpert einen jungen Mann, der als kleines Kind in einem Korb inmitten eines Flusses aufgefunden wird und von liebevollen Zieheltern großgezogen wird. Am Tag, an dem ihr zu einem Erwachsenen werdet, sollt ihr mit eurer langjährigen Freundin Sandra ein traditionelles Ritual abhalten, nämlich den Aufstieg zum Kieslinger Hünen, einem Berg, an dessen Spitze ihr ein Dankesgebet sprechen sollt. Schon auf dem Weg laufen die Dinge jedoch nicht so, wie sie sollten: Anstatt eines anstrengenden, aber friedlichen Aufstiegs begegnen euch diverse Monster, derer es sich mithilfe eures Schwertes zu erwehren gilt. Am Ziel angekommen, greift euch dann noch ein riesiges Monster an und nur euer Mal, das ihr seit eurer Geburt an der Hand tragt und das plötzlich zu leuchten beginnt, kann euch in letzter Sekunde retten. Von eurer Ziehmutter erfahrt ihr dann die Wahrheit über eure Herkunft: Ihr sollt die Reinkarnation des Lichtbringers sein, ein Held vergangener Zeiten, welcher der drohenden Finsternis entgegentreten muss, die sich früher oder später materialisieren wird. An dem Tag, an dem ihr zu einem Mann werdet, sollt ihr zum König von Heliodor reisen, euch diesem zu erkennen geben und mit seiner Hilfe den Kampf gegen das Böse antreten.
So weit, so klischeehaft und wenn man anfangs diese Prämisse verfolgt, dann möchte man erst einmal mit der Zunge schnalzen und sich bereits ausmalen, dass die Handlung ziemlich vorhersehbar wird und nach dem typischen Schema F abläuft: Held erfährt von seiner Berufung, bereist die Welt und legt Prüfungen ab, ehe er mehr über sich selbst herausfindet und gestärkt durch dieses Wissen dem Bösen entgegentritt. Doch keine Sorge: Dragon Quest XI wird euch diese Befürchtung im Nu zerschlagen, denn bereits zu Beginn nimmt die Geschichte eine Wendung, mit der man so sicher nicht gerechnet hat. Und so gestaltet sich die Rettung vor der Finsternis zu einer Reise, der immer wieder der Balanceakt gelingt, eine ganz klassische Fantasy-Geschichte zu erzählen und euch gleichzeitig immer wieder aufs Neue zu überraschen und das buchstäblich bis zum Ende des Spiels, welches euch über 70 Stunden unterhalten wird.
Gestatten: Rionaldo, einer der facettenreichsten und interessantesten Begleiter, auf die ihr trefft. © Square Enix
Was ebenfalls zum stimmigen Gesamtbild der Geschichte beiträgt, sind eure Gefährten, die sich euch im Laufe des Spiels anschließen. Rollenspiele haben gerne einmal die Angewohnheit, sich zu sehr auf archetypische Charaktere zu stützen; der grobschlächtige Haudrauf, die weise Magierin, der lässige Frauenheld und viele mehr. Wie auch schon bei der Handlung spielt Dragon Quest XI hier mit dem Einhalten von gewissen Stereotypen, nur um diese dann wieder völlig zu verdrehen. So trefft ihr zum Beispiel im Laufe des Spiels auf den Künstler Rionaldo, der von jeder Frau angeschmachtet und verehrt wird, dessen Interesse aber augenscheinlich eher bei ganz anderen Dingen liegen als der holden Weiblichkeit. Zwar hat jeder eurer Begleiter seine feste Rolle, doch werden deren Grenzen gerne einmal durchbrochen, was zu einigen interessanten Charakterentwicklungen führt. Was jedoch viel wichtiger und bedeutender ist, ist die Tatsache, dass all diese Persönlichkeiten eines sind: glaubwürdig. Ein konkretes Beispiel gefällig? Relativ zu Beginn des Spiels lernt ihr den Dieb Erik kennen, der sich euch auf eurer Mission anschließt und sich als recht scharfzüngig herausstellt. Als ihr dann in einem späteren Verlauf vom Verlust eines euch wichtigen Menschen erfahrt, tritt Erik neben euch, legt euch seine Hand auf die Schulter und gibt euch einen Moment Zeit, ehe er euch darauf aufmerksam macht, dass ihr weiterziehen müsst. So belanglos diese Szene auch im ersten Moment erscheinen mag, so vielsagend ist sie für den Rest des Spiels, denn ihr als Held werdet nicht immer als der harte Hund angesehen und eure Begleiter sind auch keine emotionslosen Puppen, die euch stets auffordern, euer Bestes zu geben. Während der gesamten Handlung reagieren eure Weggefährten durch die Bank weg menschlich und das ist etwas, was man gerade in klassischen Fantasy-Spielen nicht allzu oft erlebt und was der Handlung viel Leben einhaucht. Das bedeutet wiederum nicht, dass manche Stereotypen und Klischees ausgespart werden, im Gegenteil: Die Entwickler von Dragon Quest XI sind sich über diese Elemente im Klaren und setzen sie bewusst und übertrieben ein. Natürlich darf hier auch nicht der Einfluss von Akira Toriyama fehlen. Wenn zum Beispiel dem Greis Bodo ein Heft mit nackten Mädchen aus der Tasche fällt und in übertriebener Anime-Manier erst auf das Heft und dann auf die Gesichter der übrigen Charaktere gezoomt wird, dann ist das eine allzu offensichtliche Anspielung auf Muten-Roshi aus Dragon Ball. Solche Momente lockern die Geschichte auf, ohne jedoch zu häufig eingesetzt zu werden.
Den Einfluss von Toriyama merkt man auch den vielen NPCs an, welche die Welt bevölkern und die direkt aus einer Folge Dragon Ball stammen könnten. Man sieht sofort, dass hier viel Liebe und Mühe in die vorhandenen Bewohner der Welt gesteckt wurde – leider kommt es aber sehr häufig vor, dass sich die einzelnen NPC-Modelle wiederholen und man so das Gefühl bekommt, dass die immer gleichen Personen die einzelnen Städte bewohnen, was den Gesamteindruck und die Authentizität der Spielewelt etwas trübt. Etwas mehr Vielfalt hätte dem Spiel hier gutgetan.
Doch ein Rollenspiel lebt nicht nur von seiner Geschichte, sondern auch von all den anderen Spielmechaniken und einer gut gestalteten und lebendigen Spielwelt. Letztere kann in Dragon Quest im Großen und Ganzen überzeugen. Euch steht eine vermeintlich riesige Welt zur Verfügung, die nur darauf wartet, von euch erkundet zu werden. Vermeintlich deswegen, weil der Open-World-Schein der einzelnen Landschaften etwas trügt. Zwischen den einzelnen Ortschaften und anderen Lokalitäten könnt ihr euch zwar entweder zu Fuß oder per Pferd frei umherbewegen, nichtsdestotrotz fällt die Natur letztendlich sehr eingeschränkt aus. Ihr könnt zwar vom eigentlichen Pfad abweichen, viel zu entdecken gibt es jedoch nicht – einzig einige Crafting-Materialien können fernab der Hauptwege gefunden werden. Ansonsten gestalten sich die einzelnen Umgebungen recht schlauchartig und es ist immer ziemlich klar vorgegeben, wohin ihr als nächstes zu reisen habt. Im späteren Verlauf des Spiels eröffnet sich euch zwar die Möglichkeit, einige spezielle Ruinen genauer zu untersuchen, doch das war es dann auch schon. Äußerlich machen die Landschaften allerdings einiges her und sind schön gestaltet, wenn auch die großen Wow-Momente größtenteils ausbleiben. Dass die Finsternis immer stärker wird, bemerkt ihr auch dadurch, dass die Welt außerhalb der Städte hauptsächlich von Monstern bevölkert wird, die durch die nicht ganz so ewigen Weiten streifen. Hier unterscheidet sich Dragon Quest XI von seinen Vorgängern, die mitunter noch auf zufallsbasierte Kämpfe gesetzt haben, denn den umherlaufenden Widersachern könnt ihr entweder problemlos aus dem Weg gehen oder den Kampf mit ihnen suchen. Gelingt es euch sogar, nahe genug an den Feind heranzukommen, um einen ersten Schlag abzugeben, könnt ihr diesem bereits Schaden zufügen, bevor das eigentliche Scharmützel begonnen hat.
Während des Kampfs zeigt sich Dragon Quest XI größtenteils von seiner traditionellen Seite. Ihr kämpft mit bis zu vier Mitstreitern gleichzeitig gegen eine Gruppe von Gegnern. Dabei habt ihr jederzeit die Möglichkeit, sowohl das Verhalten eurer Gefährten als auch den Kampfmodus festzulegen, wobei ihr dabei die Wahl zwischen der „freien Bewegung“ und der „klassischen Kamera“ habt. Bei der ersten Option könnt ihr eure Helden frei auf dem Schlachtfeld bewegen, um dann entsprechend anzugreifen. Was im ersten Moment wie eine taktische Komponente klingt, entpuppt sich jedoch als belanglose Spielerei, denn eure Position hat keinerlei Auswirkungen auf eure Angriffe oder den Schaden, den euch Gegner zufügen können. Ein gezieltes Ausweichen oder strategisches Positionieren eurer Gefährten ist also nicht möglich. Ich persönlich empfehle daher die klassische Kamera, bei der sich eure Charaktere an Ort und Stelle befinden und ihr in aller Ruhe eure Angriffe ausführen könnt. Dies hat zudem noch den netten Bonus, dass die Kameraführung vom Spiel übernommen und der Kampf entsprechend inszeniert wird.
Die Scharmützel selbst laufen nach dem allseits bekannten rundenbasierten Schema ab: Jeder eurer Helden ist zu einer unterschiedlichen Zeit an der Reihe und kann aus einem großen Repertoire an Angriffen, Fertigkeiten und Zaubersprüchen wählen, von denen die meisten Magiepunkte kosten. Sinken eure oder die Lebenspunkte eurer Gefährten auf null, hat das letzte Stündlein des jeweiligen Charakters geschlagen und dieser ist für den Kampf nicht mehr zu gebrauchen – sofern ihr nicht über Wiederbelebungszauber oder entsprechende Gegenstände verfügt. Ein Spielelement, welches den Kämpfen eine zusätzliche taktische Komponente verleiht, ist der sogenannte „gekräftigte Zustand“. Diesen erreichen die Helden, nachdem sie eine gewisse Anzahl an Schaden eingesteckt oder ausgeteilt haben. Ein gekräftigter Streiter verfügt über erhöhte Attribute und eine höhere Chance, kritische Erfolge zu erzielen, was sich in stärkeren Zaubern, heftigeren Angriffen oder effektiveren Heilzaubern äußert. Dazu kommt die Möglichkeit, einen Koop-Angriff durchführen zu können, sofern ein anderer Recke ebenfalls gekräftigt ist. Je nach Charakterkombinationen lassen sich so eine Reihe mächtiger Fähigkeiten nutzen. So kann zum Beispiel Serena, die Heilerin in der Gruppe, zusammen mit dem Helden ein Dankesgebet sprechen, welches die magischen Abwehrkräfte steigert und Heilzauber effektiver wirken lässt. Diese Kombinationen lassen sich soweit variieren, dass teils über Sieg und Niederlage entscheidende, verheerende Attacken auf eure Feinde losgelassen werden können, wenn alle Helden gekräftigt sind. Solche Fähigkeiten sind im Verlauf des Spiels auch absolut notwendig, um allen voran gegen die verschiedenen Bosse siegreich hervorzugehen. Ist es anfangs nämlich noch völlig ausreichend, ab und an einen Heilzauber zu wirken und ansonsten munter auf den Feind einzuprügeln, gestalten sich die späteren Konfrontationen deutlich herausfordernder und erfordern auch ein gewisses taktisches Vorgehen, damit die Gruppe nicht das Zeitliche segnet. So gibt es Widersacher, deren Körper beispielsweise komplett aus Metall besteht und denen eure Standardangriffe nicht viel Schaden verursachen. Hier hilft nur Magie oder die Fähigkeit „Metallschlag“, die euer Held erlernen kann. Zwar fordern euch die gewöhnlichen Kämpfe nicht allzu viel ab, ein gezieltes Vorgehen kann die Kampfesdauer gegen die teils schrägen Monster aber enorm verkürzen.
Generell müsst ihr euch zwar für eine feste Aufstellung von vier Start-Kämpfern entscheiden, diese könnt ihr jedoch während einer Schlacht jederzeit durchwechseln. Und auch wenn es einmal so weit sein sollte, dass ein Mitstreiter ins Gras beißt und auch nicht wiederbelebt werden kann, könnt ihr diesen noch innerhalb des Kampfs durch einen anderen Charakter ersetzen, was sich als äußerst hilfreich herausstellt. Damit es jedoch gar nicht erst so weit kommt, könnt ihr euren Gefolgsleuten diverse Taktiken zuordnen. Dazu gehören unter anderem die Aufgaben, dass die KI entweder vorwiegend heilt, ohne Gnade alles an Schadenszauber und Fertigkeiten heraushaut oder mit möglichst ausgewogenen Fähigkeiten versucht, die Gegner zu schwächen oder deren Statuswerte zu senken. Dabei reagieren die computergesteuerten Helden die meiste Zeit sinnvoll und nachvollziehbar und ich habe erst im späteren Verlauf der Handlung die Taktik auf „Befehle folgen“ umstellen müssen. In diesem Fall habt ihr die volle Kontrolle über die gesamte Gruppe und könnt frei entscheiden, welche Angriffe und Zauber ausgeführt werden sollen.
Nach jedem gewonnenen Kampf erhaltet ihr neben einem bestimmten Goldbetrag auch eine Summe an Erfahrungspunkten, welche früher oder später dafür sorgen, dass eure Helden in ihrer Stufe aufsteigen. Bei einem solchen Anstieg erhöhen sich nicht nur die Attributspunkte, nein, ihr erhaltet auch Talentpunkte, welche ihr in neue Fertigkeiten investieren könnt. Dabei hat jeder Charakter diverse Talentzweige vorzuweisen, die wie ein großes Spielfeld aufgebaut sind. So könnt ihr euren Helden zum Beispiel in den Bereichen „Schwertkampf“, „Schwerter“, „Bihänder“ oder dem charakterspezifischen Pfad „Lichtbringer“ verbessern. Jedes Feld kostet dabei eine spezielle Anzahl an Talentpunkten und gewährt euch entweder neue Fertigkeiten oder ihr fügt mit der jeweiligen Waffe mehr Schaden zu. Jeder eurer Begleiter verfügt über einen oder mehrere besondere Talentzweige, die ebenso besondere Boni freischalten. Dies gibt euch die Freiheit, die Streiter auch abseits ihrer eigentlichen Rolle zu entwickeln. So habe ich etwa Serena neben ihren Heilkräften auch im Umgang mit dem Speer trainiert, sodass sie am Ende zwar nicht perfekt heilen konnte, aber gleichzeitig in der Lage war, einiges an Schaden auszuteilen. Solltet ihr mit euren Entscheidungen allerdings doch mal nicht zufrieden sein, könnt ihr die vergebenen Talentpunkte gegen eine gewisse Gebühr wieder zurücksetzen lassen und neu verteilen.
Nicht nur für die Neuvergabe eurer Talentpunkte werdet ihr ordentlich Gold benötigen. Der schnöde Mammon ist gerade anfangs dafür da, dass ihr eure Truppe mit neuen Waffen und Rüstungen ausstatten könnt. Und das ist auch bitter nötig, denn wenn ihr eure Ausrüstung nicht gut in Schuss haltet, habt ihr selbst in den einfachen Kämpfen öfters das Nachsehen. Dabei werdet ihr früher oder später in die verzwickte Lage kommen, dass euer Erspartes nicht ausreicht, um wirklich alle Gruppenmitglieder mit den jeweils neusten Waffen und Rüstungsteilen auszustatten. Dies zwingt euch mit der Zeit wohl oder übel dazu, euch auf gewisse Charaktere festzulegen – zumindest so lange, bis ihr auch die restliche Gruppe aufrüsten könnt.
Doch selbst wenn all euer Gold ausgegeben ist, gibt euch Dragon Quest XI eine Möglichkeit, an neue und teils außergewöhnliche Ausrüstungsgegenstände zu kommen. Bereits früh im Spiel erhaltet ihr die „Pfiffige Schmiede“, ein tragbarer Gegenstand, mit dem ihr allerlei hilfreiche Items herstellen könnt – sofern ihr die entsprechenden Rezepte und Bauanleitungen gefunden habt. So seid ihr in der Lage, mächtige Schwerter, magische Umhänge oder verzauberte Ringe herzustellen, die euch einen entscheidenden Vorteil im Kampf ermöglichen. Wahlweise könnt ihr jedoch auch bereits gekaufte Ausrüstung verbessern und aus einem einfachen Säbel einen Säbel +3 machen – je nachdem wie geschickt ihr euch dabei anstellt. Moment, geschickt anstellen? Sehr richtig gehört, denn bei der Pfiffigen Schmiede handelt es sich nicht um ein simples Menü, dass euch den fertigen Gegenstand ausspuckt, nur weil ihr alle nötigen Materialien bei euch tragt. Denn in dieser Crafting-Mechanik versteckt sich ein kleines, aber ziemlich ausgetüfteltes Minispiel, dass getreu der Maxime „Einfach zu erlernen, hart zu meistern“ funktioniert. Die Prämisse klingt simpel: Je nach gewünschtem Gegenstand müsst ihr mithilfe von Ambossschlägen diverse Felder bis zu einer gewissen Grenzmarkierung füllen. Jeder Schlag füllt dabei das jeweilige Feld etwas weiter auf, erreicht ihr eine Markierung dabei möglichst punktgenau, erhöht sich die Qualität des Endproduktes. Schießt ihr allerdings über die Markierung hinaus oder erreicht diese gar nicht erst, kann es gut sein, dass ihr einen Gegenstand von minderer Qualität bekommt. So weit, so einfach. Was zu Beginn noch vergleichsweise simpel ausfällt, fordert euch im Verlauf des Spiels einiges an Hirnschmalz ab. Denn ihr habt nicht unendlich viele Schläge frei zur Verfügung, sondern nur ein gewisses Maß an „Potenzial“, welches mit jedem Hammerschlag sinkt. Dazu kommt die Problematik, dass die Temperatur eurer Schmiede nach und nach sinkt und dadurch auch die Wucht der Schläge geringer ausfällt. Während ihr zu Beginn nur Gegenstände mit einem oder maximal zwei Feldern zu füllen habt, erfordern mächtigere Gegenstände schon bis zu sechs Felder, die gefüllt werden müssen. Damit dies auch gelingen kann, schaltet ihr mit euren Stufenaufstiegen sogenannte „Finessen“ frei, Fertigkeiten, die es euch zum Beispiel ermöglichen, vier Felder gleichzeitig zu behauen, einen Schlag mit doppelter oder, für den feinen Endschliff, halber Stärke auszuführen. Diese Fertigkeiten kosten jedoch gleichzeitig viel mehr Potenzial als ein gewöhnlicher Hammerschlag. Ihr müsst also gut abwägen und im Voraus überlegen, wie ihr die Fertigung eurer Gegenstände angehen wollt. Umso befriedigender ist es dann aber auch, wenn ihr eine perfekte Waffe herstellt, die um einiges mehr Schaden austeilt.
Ihr seht also, Dragon Quest XI gibt euch eine ganze Menge an Möglichkeiten an die Hand, wie ihr euch gegen die vielen Schergen der Finsternis zur Wehr setzen könnt. Doch um eure Truppe erst einmal mit der nötigen Menge an Talentpunkten und Gold auszustatten, müsst ihr entsprechend viele Kämpfe erledigen und hier folgt das Spiel leider einer unsäglichen Tradition, die von den Vorgängern übernommen wurde: Das Grinden. Wer auf seinen Pfaden stets allen Monstern ausweicht und versucht, so viele Kämpfe wie nur möglich zu vermeiden, der wird früher oder später vor dem Problem stehen, dass er gegen stärkere Gegner kein Land mehr sieht. Und so werdet ihr nicht drumherum kommen, immer wieder die Landschaften nach Feinden abzugrasen, die euch entsprechend viel Erfahrung geben, was irgendwann in einer ziemlich monotonen Beschäftigung ausartet. Zum Glück erhält eure gesamte Gruppe die erworbenen Erfahrungspunkte und nicht nur die jeweils aktiven Kämpfer. Ähnlich monoton gestalten sich auch die zahlreichen Nebenquests, die über die Spielwelt verstreut auf euch warten. Leider entpuppen sich diese letztendlich als reine „Töte Monster X und bring mir Gegenstand Y“-Aufgaben oder ihr erhaltet vage Beschreibungen einer Person, die es in einer anderen Stadt zu finden gilt. Die Geschichten hinter diesen Tätigkeiten fallen auch recht banal aus und so verkommen die Nebenquests zur reinen Notwendigkeit, da man durch sie teils recht hilfreiche Crafting-Materialien für die Pfiffige Schmiede erhält. Des Weiteren macht euch Dragon Quest XI mit einigen Kleinigkeiten das Leben unnötig schwer. So speichert das Spiel zwar regelmäßig automatisch, um jedoch manuell zu speichern, müsst ihr ganz traditionell zu einem Priester der Heiligen Kirche, wo ihr euren Spielstand sichern könnt. Und ihr habt auch nur bei diesen Geistlichen die Möglichkeit, einen Überblick über die derzeitige Menge an Erfahrungspunkten zu bekommen, die für einen Stufenaufstieg nötig sind. In Verbindung mit dem nervigen Grind wäre es zumindest schön gewesen, wenn man jederzeit überprüfen könnte, wie viele Gegner man noch zu erledigen hat, bis die eigene Truppe endlich aufsteigt. Gleiches gilt übrigens für die Neuverteilung eurer Talentpunkte, die ihr nur in der Kirche vornehmen könnt.
Zudem seid ihr hier in der Lage, eine der exklusiven Neuerungen von Dragon Quest XI zu aktivieren, sofern ihr es nicht bereits bei Spielbeginn getan habt: Jeder der heiligen Priester ermöglicht euch, in den 2D-Modus zu wechseln. Hierbei handelt es sich genau um das, wonach es klingt: Ihr könnt die gesamte Story im klassischen 16-Bit-Gewand und in der isometrischen Perspektive genießen, wie es auch schon bei den Vorgängern der Fall war. Inhaltlich ändert sich dabei gar nichts, spielerisch lassen sich jedoch schon einige Unterschiede feststellen. Zum einen wäre da die Tatsache, dass die Sprachausgabe komplett durch klassische Textboxen ersetzt wird, zum anderen werden die altbekannten Zufallskämpfe wieder eingeführt. Während ihr also über die Weltkarte oder durch die Gewölbe und Verliese wandert, kann es sein, dass ihr jederzeit von Gegnern überrascht werden könnt und ein Kampf startet. Solltet ihr in den 2D-Modus wechseln, legt das Spiel zudem einen gesonderten Spielstand an und ihr bekommt die Möglichkeit, zu jedem Zeitpunkt des Spiels zurückzuspringen und diesen in 2D noch einmal zu erleben. Ein netter Service für all diejenigen, die nur bestimmte Stellen im Spiel im alten Look erleben wollen. Ihr könnt darüber hinaus jederzeit wieder vom 2D- in den 3D-Modus wechseln.
Eine weitere Besonderheit schaltet ihr im Laufe der Handlung frei: Nach einer gewissen Zeit stoßt ihr auf die sogenannten Ticklinge, Hüter der Zeit, welche die Unterstützung des Lichtbringers benötigen. Die durchsichtigen, geisterähnlichen Gestalten haben nämlich ein gewaltiges Problem: Ein Unbekannter hat sich Zugang zu ihrem Heiligtum verschafft und die dortigen Folianten der Zeit beschädigt, damit vergangene Ereignisse manipuliert werden können. Nun liegt es an euch, die Folianten mithilfe von Zeitworten wiederherzustellen, in die Vergangenheit zu reisen und die Geschichte wieder zurechtzurücken. Besagte Zeitworte könnt ihr von Ticklingen erfahren, die über die gesamte Spielewelt verstreut und teils recht knifflig aufzufinden sind. Mit jedem gefundenen Wort könnt ihr zu einem anderen Zeitpunkt in der Vergangenheit springen. Dabei handelt es sich um Ereignisse aus vergangenen Dragon Quest-Spielen, die allesamt im 2D-Modus spielen. So erlebt ihr teils ikonische Momente erneut und trefft auch auf alte Widersacher wie Baramos, dem Schurken aus Dragon Quest III, aber auch auf alte Verbündete und Helden. Diese einzelnen Ereignisse fallen allesamt recht kurz aus, erzählen jedoch eine stets in sich abgeschlossene Geschichte, was euch eine gelungene und nostalgische Reise in die Vergangenheit der Dragon Quest-Reihe ermöglicht. Als zusätzlichen Bonus dürft ihr zudem all die erhaltenen Erfahrungspunkte und Gegenstände behalten, was euch bei eurer eigentlichen Aufgabe hilfreich sein wird.
Nach all den inhaltlichen Punkten gilt es nun, einen Blick auf die technische Seite von Dragon Quest XI zu werfen. Das Spiel an sich hat mit den üblichen Problemen jüngster Portierungen auf die Nintendo Switch zu kämpfen. So fallen die Texturen mitunter etwas unscharf aus, die Farben sind im Vergleich zur PlayStation 4-Version nicht ganz so kräftig und es kommt immer wieder vor, dass die Vegetation, wie zum Beispiel Gras, plötzlich wie aus dem Nichts erscheint. In Sachen Performance bleibt der Titel aber in den meisten Fällen stabil, es kommt nur vereinzelt zu einigen Rucklern, vor allem in den Städten ist dies gelegentlich der Fall, was allerdings nicht negativ auffällt. Die Performance und grafische Qualität fällt im TV-Modus erwartungsgemäß etwas besser aus, die Texturen sind insgesamt schärfer und auch die Auflösung wirkt am großen Fernseher deutlich befriedigender. In beiden Modi hält das Spiel 30 FPS konstant, hier ist also kein Unterschied feststellbar. Ebenfalls angenehm fand ich den Umstand, dass die Hintergründe, in denen die Kämpfe stattfinden, sich tatsächlich dynamisch an eure direkte Umgebung anpassen und keine statischen Bilder sind.
Ein viel größeres Problem stellte die Tatsache dar, dass im Laufe meines Tests das Spiel mehrmals und ohne Grund abgestürzt ist. Dies betraf sowohl den TV- als auch den Handheld-Modus und trat zu den verschiedensten Zeitpunkten auf, sodass ich nicht konkret sagen kann, was diese Abstürze verursachte. Während des Testzeitraums kam es trotzdem zu insgesamt acht Abstürzen und davon einige während bzw. direkt nach einem Bosskampf, sodass ich gezwungen war, noch einmal vom letzten Spielstand an zu beginnen. Ähnliche Probleme wurden bereits von verschiedenen Nutzern in der Demo-Version festgestellt, sodass die Entwickler hoffentlich an dem Problem gearbeitet haben und möglichst zum Release einen Patch veröffentlichen werden.
Musikalisch hat sich auch einiges im Vergleich zu den anderen Konsolen getan. Anstatt nur auf klassischen Midi-Sound zu setzen, wurde der Nintendo Switch-Version von Dragon Quest XI eine orchestrale Version diverser Musikstücke spendiert. Und das Ergebnis kann sich durchaus hören lassen. Einzig die Tatsache, dass sowohl die Bossmusik als auch die Musik, die in den Städten und im Umland häufiger gespielt wird, sich immer wiederholt, bleibt mir eher negativ in Erinnerung. Ein ähnliches Problem hatte schon Persona 5 auf der PlayStation 4, denn wenn man bei jedem Kampf immer und immer wieder dasselbe Musikstück hört, fängt es irgendwann unweigerlich an zu nerven – jedenfalls war dies bei mir der Fall und es führte letztendlich dazu, dass ich in den Standardkämpfen die Musik abgeschaltet habe. Ihr könnt das Spiel darüber hinaus wahlweise in der englischen oder japanischen Vertonung genießen, wobei die Synchronsprecher beider Versionen eine durchweg gute Arbeit abliefern. Zudem wurden alle Texte ins Deutsche übersetzt, was jedoch gerade mit der englischen Tonspur gut und gerne für Verwirrung sorgt, da sich die Namen im Deutschen und im Englischen ziemlich voneinander unterscheiden. Im Allgemeinen wirkte die deutsche Übersetzung auf mich stellenweise etwas bemüht, sie erfüllt jedoch ihren Zweck und all diejenigen, die weder der japanischen noch der englischen Sprache mächtig sind, werden der Handlung problemlos folgen können.
Unser Fazit
9
Geniales Spiel