Acht Personen, acht Geschichten, ein Test
Es gibt immer mal wieder Spiele, bei denen es mir schwerfällt, eine abschließende Meinung zu formulieren. Zu polarisierend sind sie, um jeden Leser wirklich zufrieden zu stellen. Doch kein Titel hat mir so viele Probleme bereitet wie Octopath Traveler. Warum das so ist, könnt ihr nun diesem Spieletest entnehmen.
Octopath Traveler ist das neueste JRPG aus dem Hause Square Enix, welches exklusiv für Nintendo Switch erscheint. Acht Helden sind in der Welt von Orsterra unterwegs, um ihren Träumen und Zielen zu folgen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um die Rettung der Welt, sondern vielmehr um kleinere Aufgaben. Eine Heldin will eine Meisterverkäuferin werden, während eine andere Person die Mörder ihres Vaters sucht. Ihr sucht euch am Anfang des Spiels einen Charakter aus, der auch nicht mehr aus eurem Team entfernt werden kann. Auf der Reise durch die überaus große Welt könnt ihr auch die anderen sieben Charaktere rekrutieren. Bis zu vier Protagonisten können gleichzeitig in Kämpfen antreten. Alle anderen lassen sich jedoch in Tavernen ins Team holen.
Doch warum solltet ihr euch alle acht Charaktere ins Boot holen? Gezwungen seid ihr dazu nicht. Doch es gibt einige Gründe, die dafürsprechen. Jeder Charakter hat eigenständige Fähigkeiten, die auch auf der Oberwelt von Nutzen sein können und dabei helfen, nicht nur die eigenen Storyquests zu lösen, sondern auch die diversen Nebenmissionen. So könnt ihr zum Beispiel Informationen erfragen oder aber Bewohnern Items abkaufen. Auch lassen sich Menschen rekrutieren, die euch im Kampf helfen. Hier sollte jedoch darauf hingewiesen werden, dass es gute und böse Aktionen gibt. Auf der einen Seite können Items zum Beispiel abgekauft werden, ein anderer Protagonist kann jedoch auch die Gegenstände stehlen. Solltet ihr dabei jedoch erwischt werden, sinkt euer Ruf und ihr könnt einigen Aktivitäten nicht mehr nachgehen. In der Bar könnt ihr jedoch euren Ruf gegen ein Entgelt wieder aufbessern lassen. Innerhalb von Hauptmissionen interagieren die Protagonisten zudem in kurzen Szenen ab Kapitel 2 miteinander.
Doch nicht nur auf der Oberwelt sind die Talente der acht Reisenden nützlich. Auch in den Kämpfen sind sie von größter Bedeutung. Doch bevor ich darauf näher eingehe, müsst ihr natürlich erstmal das Kampfsystem näher kennenlernen. Wie bei klassischen JRPGs der SNES-Ära typisch habt ihr rundenbasierte Kämpfe vor euch. Gegner tauchen zufällig auf und sind meist in Gruppen unterwegs. Jeder Feind hat einzigartige Schwächen, die in zwei Kategorien aufgeteilt werden können. Einerseits sind sie empfindlich gegen bestimmte physische Waffen wie Schwerter oder Dolche, andererseits können auch Elementarzaubersprüche wie Licht und Feuer für verheerenden Schaden sorgen. Es gibt jedoch noch einen zweiten Vorteil, möglichst immer effektive Angriffe auszuführen. Jeder Feind hat einen Schutzschild, der für eine gewisse Anzahl an effektiven Attacken standhält. Bricht dieser Schild, kann der Feind für einige Runden nicht mehr angreifen und ist besonders verwundbar. Es ist daher immer die höchste Priorität, einen Bruch auszulösen. Ihr selbst habt eine Vielzahl an Möglichkeiten im Kampf. Da gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, Angriffe anzusparen und diese zeitgleich einzusetzen. Während physische Attacken als einzelne Angriffe ausgeführt werden, werden magische Zaubersprüche lediglich verstärkt. Wollt ihr also das Schutzschild in einer Runde mit angesparten Angriffen zerstören, empfehlen sich eher physische Attacken.
Jeder Reisende in Octopath Traveler hat eine eigene Jobklasse. Neben den Interaktionsmöglichkeiten in der Welt von Orsterra sind diese, wie bereits erwähnt, auch im Kampf von größer Bedeutung. Innerhalb der Kämpfe könnt ihr mithilfe von FP besondere Angriffe ausführen, die nur diese Jobklasse beherrscht. Ein Gelehrter kann beispielsweise erkennen, welche Schwächen und wie viele GP (auch bekannt als KP in anderen RPGs) ein Feind hat, während der Apotheker heilen und hohen Schaden mit Angriffen wie der Amputation austeilen kann. Euer Team sollte also möglichst ausgeglichen sein. Und hier ist der Clou. Innerhalb der Oberwelt findet ihr Tempel, in denen ihr Zertifikate erhaltet, um euren Protagonisten eine zweite Karriere zu ermöglichen. So können vier Charaktere in den Kämpfen insgesamt alle acht Jobs beherrschen. Die Zertifikate sind jedoch nur im Kampf nützlich, die Fähigkeiten außerhalb der Kämpfe sind nur von den jeweiligen Charakteren ausführbar. Es gibt zudem geheime Jobklassen. Auf diese möchte ich in diesem Spieletest jedoch nicht eingehen.
Wie in jedem guten JRPG ist das Aufleveln ein elementarer Bestandteil. Neben allgemeinen Erfahrungspunkten bekommt ihr auch Fähigkeiten-Punkte. Diese könnt ihr dazu nutzen, um, wer hätte es gedacht, neue Job-Fähigkeiten zu erlernen. Ihr könnt dabei selbst entscheiden, welche Optionen ihr als erstes nehmen wollt. Die Kosten für jede neue Fähigkeit steigen mit der Anzahl an erlernten Angriffen. Neue aktive Fähigkeiten bieten jedoch noch einen Vorteil. Passive Skills werden nach und nach freigeschaltet. Bis zu vier könnt ihr gleichzeitig ausrüsten. Neben besseren Werten wie Angriff, Verteidigung oder Tempo habt ihr zum Beispiel auch die Möglichkeit, ab und an einen Zweitangriff zu landen, was beim Bruch von Schilden absolut nützlich ist. Andere Fähigkeiten ermöglichen es euch unter anderem, tödliche Angriffe zu überstehen. Jede Jobklasse hat vier passive Skills, mit dem Zweitjob habt ihr also die Wahl zwischen acht Fähigkeiten.
Doch kommen wir nun zurück zur Oberwelt. Orsterra ist eine große und schöne Region mit vielen verschiedenen Gebieten. Es gibt Wüsten, Meere, Berge und mehr. Überall gibt es kleine und große Städte mit einer Vielzahl an Personen. Viele von ihnen haben Sidequests, die sich oftmals nur mit den Job-Fähigkeiten lösen lassen. Mal müsst ihr einen Charakter verführen, damit er euch in eine andere Stadt begleitet, ein anderes Mal benötigt er ein Item, etc. Im Gegensatz zu den Storyquests wird euch jedoch nicht angezeigt, wo ihr hinmüsst, was das Lösen oftmals komplizierter macht als eigentlich von den Entwicklern gewollt. Als Belohnung für Sidequests erhaltet ihr Geld und Items wie Ausrüstungen. Diese könnt ihr auch in Läden erwerben, um stärker zu werden. Auch Heilitems, die euch heilen oder Statuseffekte wie Blindheit beheben, lassen sich hier kaufen. Außerhalb der Städte werden alle Routen bewertet und zeigen an, welches Level ihr haben solltet, um die Gegner vor Ort zu besiegen. Überall findet ihr auch Schatztruhen, die entweder Geld oder Items haben. Storyquests werden ebenfalls mit einem empfohlenen Level angezeigt. Jede Mission dieser Art startet in einer Stadt und läuft fast immer nach dem gleichen Schema ab. Ihr sprecht mit Leuten, erledigt kleinere Aufträge, erkundet einen neuen Dungeon und besiegt einen Endboss. Während das Grundgerüst zwar immer gleich ist, ist das „Design“ natürlich unterschiedlich.
Okay, nachdem ich euch das Grundkonzept des Spiels nun nähergebracht habe, kommen wir zum anspruchsvollen Teil dieses Tests. Ich möchte vorab jedoch erwähnen, dass unser Redakteur Max mir beim Testen von Octopath Traveler zur Seite stand. Wir beide sind die absoluten JRPG-Experten hier bei ntower, die Kritikpunkte liegen also eher nicht an unserer Unfähigkeit, das Gameplay zu verstehen. Doch was gibt es nun eigentlich wieder zu meckern? Das ist eigentlich ganz einfach zusammenzufassen. Das Kampfsystem. Jeder von euch hat die Möglichkeit, die Demo auszuprobieren. Das Kampfsystem entwickelt sich im Laufe des Spiels jedoch nicht weiter. Schlimmer noch: Die Kämpfe dauern sehr lange, selbst wenn ihr ein deutlich höheres Level habt. Besonders schlimm sind die Bosse, die selbst fünf Level höher als vom Spiel empfohlen brutal sind. Sie haben so viele KP, dass man sich mit diesen durchaus mal 30 bis 50 Minuten beschäftigen kann. Und selbst wenn man glaubt, sie im Griff zu haben, packen sie auf einmal neue Angriffe aus, die einen kurz vor Ende des Kampfes komplett ausschalten. Versteht mich nicht falsch: Eine gute Herausforderung ist immer schön, solange sie fair ist. Ein weiteres Problem ist das Leveling. Auch reguläre Kämpfe dauern länger und die Anzahl an Erfahrungspunkten ist im Verhältnis dazu relativ gering. Von Kapitel zu Kapitel springt das empfohlene Level jedoch drastisch nach oben, sodass ihr ohne Grinden nicht vorankommt. Und Grinden dauert lange. Ich habe in Xenoblade Chronicles X über viele, viele Stunden immer den gleichen Gegner besiegt, um an Items zu kommen. Ich habe schon oft den Pokédex vervollständigt. Ich kenne mich mit dem Grinden also aus und doch macht mir das in Octopath Traveler keinen Spaß. Auch bitter: Nicht aktive Teammitglieder erhalten keinerlei Erfahrungspunkte.
Octopath Traveler wurde im Übrigen vom Team von Bravely Second entwickelt. Viele Elemente aus dem Kampfsystem wurden in dem Nintendo Switch-Spiel übernommen. Darum ist es absolut unverständlich, warum Optionen wie das Ausschalten von zufälligen Kämpfen oder die Möglichkeit, automatisch zu grinden, nicht mehr vorhanden sind. Bravely Second war die logische Weiterentwicklung der klassischen, rundenbasierten Kämpfe eines Final Fantasy-ähnlichen Spiels, doch Octopath Traveler fühlt sich im Vergleich dazu eher wie ein Rückschritt an.
Dieser Ort hat einen meiner Lieblings-Musiktracks. Der Soundtrack ist jedoch generell sehr gelungen.
Aus technischer Sicht macht Octopath Traveler jedoch nichts falsch. Der HD-2D-Look sieht gerade auf dem Bildschirm der Nintendo Switch selbst gut aus, die HD-Vibration wird zudem sehr sinnvoll genutzt. Doch reden wir über die Musik. Diese ist, wie zu erwarten, phänomenal. Das bezieht sich nicht nur auf die Tracks der Oberwelt, sondern auch auf die in den Kämpfen. Zu schade, dass der europäischen Limited-Edition die Soundtrack-CD nicht beiliegt. Octopath Traveler bietet zudem eine englische und japanische Sprachausgabe.
Nun stellt sich natürlich die Frage: Wie bewertet man ein solches Spiel? Auf der einen Seite haben wir die schöne Oberwelt, die tollen Charaktere und die interessante Story. Auf der anderen Seite ist ein durchdachtes und spaßiges Kampfsystem, welches jedoch nach längeren Sessions zu schnell monoton wird. Das Spiel ist einerseits großartig, andererseits jedoch auch oftmals frustrierend. Wir haben uns daher entschieden, eine Wertung zu vergeben, die sowohl normale Spieler als auch die bestimmte Zielgruppe vereint. Die Hauptzielgruppe sucht ein klassisches JRPG im Stile der NES- und SNES-Spiele. Diese User haben kein Problem damit, lange zu grinden und Bosse mit übertrieben vielen KP zu bezwingen. Für diese Zielgruppe ist Octopath Traveler ein tolles Spiel und ihr könnt unserem Score einen weiteren Punkt hinzufügen. Alle anderen sollten sich bewusst sein, auf was sie sich bei diesem Titel einlassen.
Unser Fazit
7
Spaßgarant