Acht Geschichten zum Preis von einer!

Octopath Traveler ist ein klassisches RPG aus dem Hause Square Enix. Aufgrund seines für heutige Verhältnisse untypischen 2,5D-Pixel-Looks wird es häufig fälschlicherweise für einen Indie-Titel gehalten. Es ist jedoch ein ziemlich großes Spiel und man darf mit entsprechenden Erwartungen herangehen. Nach 70 Spielstunden bin ich nun am Spielende angelangt und möchte euch meine Meinung zu diesem Spiel darlegen. Eventuell ist es auch etwas für euch?


Story (8/10)
Zunächst möchte ich auf die Geschichte des Spiels eingehen, da sie für ein RPG natürlich ein Kernelement darstellen sollte.
Hierbei handelt es sich allerdings nicht nur um eine einzelne Erzählung, vielmehr findet man 8 verschiedene Protagonisten vor, deren Laufbahnen man in beliebiger Reihenfolge in einer mittelalterlichen Welt erleben kann. Jene Protagonisten vertreten typische RPG-Klassen: Die Klerikerin, den Gelehrten, den Dieb, den Krieger, die Tänzerin, den Apotheker, die Händlerin und schließlich die Jägerin. Jeder von ihnen erzählt in je vier Kapiteln sein Schauspiel. Diese Kapitel sind durch Schwierigkeit mit empfohlenen Leveln gestaffelt, allgemein kann man sie aber in jedweder Reihenfolge spielen. Dadurch, dass man in der Regel erst die jeweils ersten Kapitel spielt, bevor man an ein zweites tritt, fühlen sie sich teilweise träge oder langgezogen an, weil es eine ganze Weile dauert, bis man zu einem Charakter zurückkehrt. Im Einzelnen gefallen mir die Geschichten jedoch wirklich gut. Bei jedem einzelnen Schicksal wollte ich gerne wissen, wie es weitergeht. Das Spiel hat es mit seiner Erzählweise durch Teaser und ähnliche Mitteln in meinen Augen gut geschafft, die Spannung aufrechtzuerhalten. Ich hätte mir lediglich gewünscht, dass die einzelnen Laufbahnen der Charaktere mehr ineinander verwoben wären. Abgesehen von gelegentlichen Reisegesprächen hat die Party miteinander wenig zu tun. Auch endet das Spiel nach Abschluss aller Kapitel recht abrupt mit den Credits, was mir merkwürdig erschien, da in Nebenquests viel Worldbuilding betrieben worden ist, ob man nun von vergangenen Königreichen, Klans, einflussreichen Familien oder besonderen Gegenständen oder Märchen erfährt. Tatsächlich ist es leider so, dass man das "wahre Ende" nach Abschluss aller Kapitel in einer Fortsetzung zweier Questreihen wiederfindet- Etwas, das in meinen Augen leider erst gegen Ende und nicht genug angedeutet worden ist und entsprechend leicht verpasst werden kann. Ein fünftes Kapitel, das für alle Helden gilt, wäre hier die bessere Lösung gewesen, denke ich.
Daher bewerte ich die Story im Gesamten tatsächlich eher als das schwächste Glied des Spiels, wenn auch trotzdem noch gelungen!


Atmosphäre (10/10)
Die nicht ganz so starke Geschichte wird jedoch von anderen Elementen getragen. So gefällt mir die Atmosphäre des Spiels durchgehend sehr gut. Der 2,5D-Pixel-Stil ist sehr detailreich ausgearbeitet worden und sieht in meinen Augen sehr, sehr hübsch aus. Wenn es auch an manchen, gerade dunkleren Orten dafür sorgt, dass nicht sehr klar zu erkennen ist, wo man langgehen kann und wo nicht, so ist es dennoch ein Stil, der mir anderweitig noch nicht untergekommen ist. Ich habe mir manche Landschaften sehr gerne im Detail angesehen und bewundert.
Genauso gut, wenn nicht besser, ist für mich die Musik des Spiels. In Octopath Traveler hat jeder der Reisenden sein eigenes Theme, wie auch die verschiedenen Länder und einzelnen Dörfer und Städte. An jede Situation scheint die Musik sich problemlos anzupassen und erzeugt in dramatischen, wie auch komischen Momenten stets für eine gelungene Untermalung. Vor allem die Battle-Themes möchte ich hervorheben, da sie die Kämpfe für mich noch dynamischer gestaltet haben, sodass ich auch privat gerne nochmal reinhöre.
Insgesamt sorgen diese Elemente für eine sehr lebendige Welt, an der ich nichts auszusetzen habe.


Gameplay (9/10)
Kommen wir zu guter Letzt zum Gameplay. Wie schon erwähnt, ist das Spiel mit Nebenquests gespickt, die oft nochmal eigene Geschichten erzählen. Meistens werden diese mit einer Fertigkeit der Protagonisten gelöst. Man muss sich oft überlegen, woher bekomme ich nun jenes Quest-Item. "Muss ich es stehlen? Muss ich einen bestimmten Ort untersuchen oder eine bestimmte Person herausfordern oder gar verführen?" Nicht selten gibt es dadurch sogar mehrere Wege, eine Quest zu lösen, was ich sehr erfrischend empfand. Die Belohnungen umfassen meist Geld und/oder Nüsse, die die Statuswerte eines Charakters verstärken, manchmal aber auch neue Ausrüstung für die Helden, neben den Geschichten, die man zusätzlich hören darf natürlich.
Sich auf der Welt zu bewegen geht glücklicherweise deutlich flotter als es noch in der ersten Demo der Fall war, sodass man auch ein gutes Gefühl bekommt, voranzukommen, wenn man zum nächsten Ort reist, um ein neues Kapitel aufzuschlagen oder einen optionalen Dungeon aufzusuchen. Die Gegnergruppen erscheinen leider als Random-Encounter auf den einzelnen Maps, was für heutige Verhältnisse in meinen Augen doch ziemlich überholt ist. Es gibt auch keine Items, die diese Encounter-Raten senken oder gar eliminieren. Lediglich die Möglichkeit, Hilfsfertigkeitenslots, von denen jeder Charakter nur vier hat, zu nutzen, bringt hier eine Linderung. Für das Erkunden der Gebiete, das Suchen nach Truhen, gerade wenn man teilweise nicht gut sieht, wohin man gehen kann, wie oben angesprochen, finde ich das Ganze sehr hinderlich und hat zuletzt dafür gesorgt, dass ich mir die Mühe nicht mehr gemacht habe, obwohl oft viel Geld oder gute Ausrüstung zu finden ist.
Dadurch, dass man quasi acht mal vier, also 32x das gleiche macht, wird es irgendwann in diesem Aspekt doch auch ziemlich repetitiv, wenngleich die Umgebungen und Hintergründe natürlich immer andere sind.
Was ich hingegen besonders positiv hervorheben möchte, ist das Kampfsystem! Jeder der Protagonisten bringt mit seiner Klasse eine Vielzahl an verschiedenen Fähigkeiten mit, die im rundenbasierten System, das genau anzeigt, welcher Spieler wann an der Reihe ist, sodass man ein sehr strategisches Konstrukt an vielen Kombinationsmöglichkeiten vorfindet. Als wäre dies nicht genug, ist es im späteren Verlauf auch noch möglich, jedem Charakter eine weitere Klasse aus insgesamt 12 beizubringen. Es ist also möglich, jeden der Helden ganz nach eigenem Ermessen aufzubauen und mit Hilfsfertigkeiten anderer Klassen auszurüsten. Es ermöglicht weitreichend vorauszuplanen und einen eigenen Spielstil zu entwickeln. Diese strategische Tiefe sorgt dafür, dass man die Bosse sogar unterlevelt angehen und gewinnen kann, wenn man sein Team anpasst und entsprechend mit der richtigen Taktik ankommt.
Diese Strategien werden weiter gefördert durch ein Orb-System, die die Anzahl der Angriffe pro Runde erweitern oder magische Fähigkeiten verstärken. Es gibt auch ein Break-System für Gegner, sollten sie oft genug von ihrer Schwäche, ob nun eine bestimmte Art von Waffe oder Magie, getroffen werden, so verlieren sie ihre Aktionen und sind anfälliger für Angriffe.
Mir hat es sehr viel Spaß gemacht, mich mit den einzelnen Fähigkeiten auseinanderzusetzen und immer mal wieder auf verschiedene Art und Weise zu kombinieren. Es lädt auch dazu ein, mit allen acht Helden zu spielen, statt sich für eine feste Vierer-Party zu entscheiden. Für mich war daher auch nie Grinding notwendig, wobei ich auch gerne und oft meine Grenzen getestet habe, immer mal wieder in höherleveligere Gebiete ging und so entsprechend auch gute Erfahrungspunkte sammelte. Aber durch die gute Musik, die die Kämpfe nochmal ein Stück dramatischer gestaltet, hat es mich selten gestört, ein paar Gegnergruppen mehr mitzunehmen. Das Kampfsystem ist für mich der große Pluspunkt des Spiels und hebt die Bewertung des sonst manchmal eintönigen Gameplays stark nach oben. Selten habe es erlebt, dass es derart ausgearbeitet ist. Das hat mir sehr gefallen. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass einige sich nicht so sehr damit auseinandersetzen wollen und dafür etwas mehr grinden müssten, um mit dem Spiel mithalten zu können. Als einfach würde ich es nämlich keineswegs einstufen.

Mein Fazit

9

Geniales Spiel

Meinung von Firemg93

Octopath Traveler bietet eine sehr dynamische Welt und tolle Möglichkeiten, sich strategisch auszutoben. Ich kann es nur weiter empfehlen, gerade wenn man mal wieder den Langzeitspaß mit einem RPG für sich sucht. Mir hat es sehr viel Spaß gemacht!
Mein persönliches Highlight: Alfyns Entwicklung mitzuerleben fand ich sehr authentisch und ergreifend. Auch den letzten (optionalen) Boss zu erlegen war sehr befriedigend!

Kommentare 2

  • Sehe es mit der Story genauso wie du: die ersten vier Kapitel von jeden Charakteren waren sehr gut. Die Credits kamen dann viel zu abrupt (ebenso wie das Ende nach dem finalen Boss). Hätte man ein vernünftiges fünftes Kapitel + grandiosen Ende gestaltet, wäre es gefühlt eine 11/10 geworden.

  • Kann ich nur bestätigen. Gutes Spiel nicht Episch, aber definitiv gut.