Überleben mithilfe von Parcour und brachialer Gewalt
Es ist eine laue, sternenklare Nacht, als ich mich durch die Straßen einer kleinen Stadt schleiche. Vorsichtig linse ich um eine Ecke, knipse meine Taschenlampe für einen Moment an und lasse sie sogleich wieder erlöschen, als sich in ihrem Kegel plötzlich eine Gestalt zeigt. Schnell drücke ich mich an die Wand, versuche so flach wie möglich zu atmen und wage noch einmal einen Blick, doch dieses Mal ohne das grelle Licht. Glück gehabt, der Unbekannte scheint mich nicht gesehen zu haben, er starrt apathisch in die Ferne und bewegt sich weg von mir, das rechte Bein leicht hinter sich herziehend und dadurch hinkend. Vorsichtig wage ich mich aus meiner Deckung heraus, biege um die Ecke und husche schnell die Straße entlang, als ich schon wieder innehalten muss: Keine fünfzig Meter vor mir sehe ich plötzlich die Schatten mehrerer Gestalten – sieben, acht, nein … viel mehr und während ich noch überlege, ob ich noch einmal die Taschenlampe anmachen sollte, ertönt hinter mir ein kehliges Ächzen. Als ich mich umdrehe, stehen dort die Überreste von etwas, was vielleicht mal eine Frau war, jedoch komplett zerfressen und verfault und das Etwas starrt zurück …. und schreit aus voller Kehle.
Mit einem Mal halten all die Gestalten inne und drehen sich ruckartig zu mir und ich weiß, die Zeit der Heimlichkeit ist vorbei, ich muss rennen. Ich eise mich aus meiner Schockstarre los und stürme über die Straße Richtung eines Gebäudes, schlage auf dem Weg eine der anderen Personen brutal mit einem Knüppel, den ich in meiner Hand trage, aus dem Weg – der Fremde dürfte nicht mehr Leben, so viel Fleisch fehlt ihm im Gesicht. Ich nutze mein Momentum, drücke mich die nächstbeste Hauswand hoch und ziehe mich an einem Sims in die Höhe, klettere weiter, bis ich auf den Dächern stehe. Unter mir, hinter mir, von überall das Geschreie, Gestöhne und Gefauche der Infizierten und ich habe nur noch ein Ziel: In Sicherheit. Und so springe ich von Dach zu Dach, eine wortwörtliche Horde an meinen Fersen, ehe ich mit letzter Kraft einen Checkpoint erreiche, der mit UV-Lampen ausgestrahlt wird. Die lebenden Toten wollen mir folgen, verbrennen sich jedoch an dem künstlichen Licht, versuchen noch vergeblich einen Weg drumherum zu finden, doch sie haben verloren und diesmal habe ich die Hetzjagd überlebt. Während ich noch voller Adrenalin vollgepumpt durchatme, begebe ich mich in einen nahegelegenen Schuppen, verschließe die Tür hinter mir und warte, dass die rettende Sonne endlich aufgeht.
So oder so ähnlich hätte einer meiner nächtlichen Ausflüge in Dying Light 2 Stay Human ausgehen können, dem neuen Action-Rollenspiel von Techland, das in einer Welt spielt, in der eine Katastrophe dafür gesorgt hat, dass ein Großteil der Menschen mit einer Krankheit infiziert wurde und nun Zombie-ähnlich durch die Straßen schlurft. Die Handlung ist mehrere Jahre nach den Ereignissen des Vorgängers angesiedelt und ihr verkörpert den Überlebenden Aiden, der sich auf die Suche nach seiner Schwester Mia macht. Im Laufe dieser Suche werdet ihr immer weiter in politische Machtspielchen verwickelt und ihr nehmt ungewollt immer größeren Einfluss darauf, wie sich die Machtverhältnisse der Überlebenden Menschen entwickeln. Ohne groß auf die Handlung eingehen zu wollen, denn das soll ein Thema des eigentlichen Tests ein, sei so viel schon einmal gesagt: Dying Light 2 kommt zwar mit einer vermeintlich recht einfachen und nicht sonderlich originellen Prämisse daher, weiß allerdings viel daraus zu machen. Die Ereignisse, die ich so weit spielen konnte, sind allesamt abwechslungsreich und wissen durchaus zu unterhalten – auch wenn euch hier kein erzählerisches Meisterwerk erwartet.
Das muss es auch nicht, denn das Herzstück von Dying Light 2 sind eindeutig seine spielerischen Elemente. In dem Action-Rollenspiel, das ihr aus der Egoperspektive erlebt, ist Gewalt nämlich nicht immer die beste Möglichkeit. Zwar kann Aiden gut austeilen und seinen infizierten sowie menschlichen Gegner durchaus einheizen, doch ist das nicht immer die beste Idee, denn eure Waffen haben eine recht geringe Haltbarkeit und wer sich dauernd prügelt, der wird recht schnell einen hohen Verschleiß an Waffen aufzuweisen haben. Zum Glück ist Aiden durch seine Jahre als Einzelkämpfer und Überlebender auch ziemlich fit und agil, sodass ihr euch mit diversen Parcour-Manövern schnell durch die große offene Welt bewegen könnt. Ob ihr nun an Fassaden hochklettert, von Hausdach zu Hausdach springt oder mithilfe von Zip-Lines ganze Abgründe überquert – ihr könnt schnell einiges an Geschwindigkeit aufnehmen, um möglichen Gefahrenquellen schnell zu entkommen. Und das alles lohnt sich auch: Je mehr ihr nämlich kämpft oder eure Kletter- und Sprungkünste zeigt, desto mehr Punkte erhaltet ihr in der jeweiligen Kategorie. Habt ihr eine gewisse Anzahl an Erfahrungspunkten erreicht, dürft ihr euch in einen von zwei Talentbäumen austoben und Aidens Repertoire an Kampf- und Parcour-Aktionen mit der Zeit erweitern.

Die Welt bietet einiges zum Entdecken. Die Windmühle in der Ferne kann zum Beispiel erobert werden.
© Techland
Und davon gibt es einige, vor allem nachts, wenn die Infizierten in Horden in den Straßen der Stadt umherwandern. Zu dieser Zeit ist es ganz besonders gefährlich, unterwegs zu sein, doch gleichzeitig auch am lukrativsten, denn dann zieht es die ganzen zombieähnlichen Gestalten aus speziellen Ortschaften, die ihr nun erkunden und plündern könnt – denn natürlich kommt das Open-World-Spiel nicht ohne Crafting aus. Im Allgemeinen solltet ihr der typischen Open-World-Formel nicht grundsätzlich abgeneigt sein, denn auch wenn Dying Light 2 euch entlang einer Hauptgeschichte führt, müsst ihr im Laufe der Handlung immer wieder eine Weile einige der vielen optionalen Nebenquests erledigen und euch in der riesigen Stadt austoben. Das macht durchaus Spaß und bietet genug Abwechslung, verlässt aber selten das typische Schema-F und kann mit der Zeit auch eintönig werden.
Wir haben von Techland die Möglichkeit erhalten, die PC-Version zu testen, da die Nintendo Switch-Variante noch eine Weile auf sich warten lassen wird. Doch wenn das Gezeigte so in etwa der Qualität der Nintendo Switch-Version entsprechen sollte, die ja als Cloud-Version daherkommen wird, dann dürft ihr euch auf ein grafisch durchaus ansehnliches Spiel freuen, dass jedoch zumindest auf dem PC noch gelegentlich mit ein paar kleinen Rucklern zu kämpfen hat. Bis zur Veröffentlichung auf der Hybridkonsole werden wir Aidens Reise dann wohl auch beendet haben, um euch dann in unserem vollumfassenden Test nicht nur darüber zu berichten, sondern auch, wie sich die Cloud-Version technisch auf Nintendos Heimkonsole schlägt.
Unsere Prognose
