Dann gründe ich halt meinen eigenen Kult!
Wenn man Geschichten über Kulte mitbekommt, dann hört sich das alles selten wirklich einladend an. Erst soll man all sein Hab und Gut abgeben, um allem Weltlichen zu entsagen, dann muss man noch hart schuften, entsprechende Doktrinen auswendig lernen, nur um dann am Ende im schlimmsten Fall entweder geopfert zu werden oder man findet sich zusammen mit anderen in einem Stehkreis mit einem Becher Rattengift in der Hand wieder, den man jetzt gefälligst zu trinken hat. Aber so muss es ja nicht sein! Was wäre, wenn ihr in einen Kult eintretet, bei dem euch die Arbeit Freude macht, ihr viele neue Gesichter kennenlernt und bei dem euer Kultführer sich um eure Bedürfnisse kümmert? Das klingt super? Dann herzlich Willkommen im Cult of the Lamb, wo all dies genauso passiert und ganz bestimmt niemand einer uralten Gottheit geopfert wird, weil er oder sie zu alt geworden ist.
Unser kleines Lamm kann ganz schön austeilen. Hier wird gerade der schwere Hammer geschwungen, der den markierten Punkt treffen wird.
© Devolver Digital
Was ist Cult of the Lamb eigentlich? In seinem Herzen könnte man das Spiel am ehesten als ein Rogue-Lite bezeichnen. Ihr verkörpert das namensgebende Lamm, welches das letzte seiner Art ist und zu Spielbeginn gleich einmal den vier Bischöfen, uralten, gottgleichen Entitäten, geopfert werden soll. Und so steigt das Spiel gleich mit eurem Gang zum Schafott ein, wo ihr auch schon euer vermeintliches Ende findet. Aber es wäre ein recht kurzes Spiel, wenn die Handlung hier enden würde und natürlich passiert ein „Wunder“. Eine uralte Gottheit bewahrt euch nämlich vor eurem endgültigen Tod und macht euch einen Vorschlag: Euer Leben dafür, dass ihr eurem Retter dient und die vier Bischöfe, die euch gerade haben hinrichten lassen, einen nach dem anderen ausschaltet. Klingt doch nach einem perfekten Deal, oder? Und so werdet ihr zurück ins Leben gebracht und aus dem kleinen, zarten Lämmchen wird plötzlich ein recht wackerer Krieger, denn nun verfügt ihr über dunkle Kräfte, die ihr euch zu eigen machen könnt.
Von nun an seid ihr nämlich nicht nur in der Lage, verschiedene Waffen zu schwingen und eure Feinde damit zu Leibe zu rücken, ihr seid auch in der Lage, dunkle Magie zu wirken. Spielerisch kommt das alles recht klassisch daher: Ihr müsst in die Einflusssphären der jeweiligen Bischöfe vordringen und diese insgesamt viermal durchqueren, ehe ihr euch der uralten Gottheit stellen könnt. In den einzelnen Leveln manövriert ihr das namenlose Lamm aus der Draufsicht durch kleine, abgegrenzte Areale und besiegt verschiedene Gegner, ehe es in eines der anliegenden Areale weitergeht. Cult of the Lamb spielt sich dabei flott und actionorientiert und hat mich von der Bedienbarkeit und dem Tempo ziemlich an Supergiant Games „Hades“ erinnert, was schon einmal für das Spiel spricht. In Sachen Levelzusammensetzung lässt sich als Vergleich noch am ehesten The Binding of Isaac heranziehen, auch wenn die einzelnen Level deutlich kleiner und überschaubarer sind. Habt ihr jeweils das Ende eines Level erreicht, warten eine Schatztruhe sowie der Ausgang auf euch und es geht weiter in den nächsten Level. Zwischen den einzelnen Leveln könnt ihr stets zwischen zwei Pfaden auswählen, die euch in einen jeweils anderen Level bringen. Manche sind klassische Areale, in denen ihr Kämpfen müsst, andere bieten Zufallsereignisse und wiederum andere halten Belohnungen und Überraschungen für euch bereit. Am Ende einer jeden Einflusssphäre wartet dann einer von verschiedenen Bossgegnern auf euch, die es zu bezwingen gilt.
Wie bereits erwähnt, kommen die Kämpfe in Cult of the Lamb recht temporeich daher und ihr seid gut beraten, stets in Bewegung zu bleiben, da ihr stets gegen mehrere Gegner gleichzeitig kämpfen müsst. Die Gegner verhalten sich dabei recht vorhersehbar und kommen alle mit ihrem festen Angriffsmuster daher. Während dabei manche einfach nur blind auf euch zustürmen, springen andere wild umher, ehe sie auf den Boden aufkommen oder schwingen sich in die Lüfte, nur um dann mit einem Flächenschaden gen Boden zu schießen. Hat man die Taktiken jedoch einmal durchschaut, dürfte es nicht allzu schwer sein, die einzelnen Widersacher zu bezwingen. Allzu herausfordernde Kämpfe wie in Hades oder auch in Binding of Isaac dürft ihr hier nicht erwarten. Selbiges gilt auch für die Bossgegner, die zwar alle mit ihren eigenen Strategien und teils auch unterschiedlichen Angriffsphasen daherkommen, im Großen und Ganzen allerdings immer noch gut händelbar sind. Um im Kampf einen kleinen Vorteil zu erlangen, könnt ihr in den einzelnen Leveln mit etwas Glück einen Tarotkarten-Leger finden, der euch zwei Karten zur Auswahl bietet. Diese verleihen euch unterschiedliche, passive Boni wie ein extra Lebenspunkt, eine erhöhte Chance, kritischen Schaden anzurichten, eure Waffe zu vergiften und einiges mehr.
Doch allein ist der Kampf gegen die uralten Gottheiten fast schon unmöglich. Denn um überhaupt in ihre Einflusssphäre zu gelangen, benötigt eure eigene Gottheit Glaubenskraft und die erhaltet ihr nur, indem ihr selbst einen Kult aufzieht. Und hier kommt die zweite Spielmechanik zu Tragen: das Managen eures eigenen Kults. Bereits im Tutorial erhaltet ihr euer erstes Mitglied und ein anfangs noch ziemlich verwahrlostes Gelände, auf dem eure zukünftige Glaubensgemeinschaft leben kann. Von nun an gilt es stets, Schäfchen anzulocken und sie für eure Zwecke zu nutzen. Neue Mitglieder findet ihr meistens in den Einflusssphären der Bischöfe zwischen den einzelnen Leveln. Meistens müsst ihr die armen Seelen davor bewahren, von euren Feinden geopfert zu werden oder ihr müsst sie in einem sehr kurzen Dialog davon überzeugen, sich euch anzuschließen. Doch was macht man nun mit all den Kultisten? Zu beginn lasst ihr sie vor allem arbeiten, denn um Gebäude auf eurem Gelände zu errichten, benötigt ihr Steine und Holz; zwei Ressourcen, die ihr zwar auch selber sammeln und in den jeweiligen Leveln finden könnt, eure Anhänger sind dahingehend aber deutlich effektiver. Mithilfe der Ressourcen könnt ihr euer Lager Stück für Stück erweitern, baut neue Glaubenshäuser, Schlafplätze für die Gläubigen oder andere Gebäude, die entweder euch das Leben leichter machen oder den Komfort eurer Kultisten erhöhen. Daneben müsst ihr noch dafür sorgen, dass niemand hungrig zu Bett gehen muss, denn auf leeren Magen lässt sich schlecht beten und arbeiten. Hierfür könnt ihr selbst Gerichte in Form eines sehr simplen Minispiels kochen, die dann von euren Gläubigen gegessen und auch wieder ausgeschieden werden – den Müll dürft ihr anfangs übrigens selbst noch wegräumen und solltet das auch tun, da eure Mitglieder sonst krank werden. Als letztes gibt es dann noch eine weitere wichtige Ressource: Der Glaube. Nachdem sich ein paar neue Anhänger eurem Kult angeschlossen haben, beten diese zu einem Heiligtum. Diese könnt ihr immer wieder anzapfen und dafür nutzen, neue Gebäude freizuschalten.
Dem Spiel gelingt es, das Instandhalten eures Kultes nicht allzu sehr ins Mikromanagement ausarten zu lassen. Nach jedem Besuch einer Einflusssphäre hat sich so eine gewisse Routine aus Essen kochen, Müllbeseitigung und gegebenenfalls dem Errichten neuer Gebäude eingespielt, ehe ich mich freudig meinem Tempel gewidmet habe. Denn nachdem euer Kult eine gewisse Größe erreicht hat, seid ihr in der Lage, ein Gotteshaus zu errichten, in dem ihr unterschiedliche Aktionen abhalten könnt. So könnt ihr zum Beispiel eine Predigt halten, die euch nicht nur eine wertvolle Ressource namens Hingabe verschafft, sondern auch die Loyalität eurer Anhänger erhöht. Und je gläubiger ein Sektenmitglied ist, desto mehr Hingabe erzeugt es. Daneben könnt ihr noch Rituale abhalten, die ihr im Laufe des Spiels nach und nach freischaltet und die eurem Kult kleinere und größere Boni geben. So könnt ihr zum Beispiel ein Festmahl feiern, das den Hunger aller Mitglieder verschwinden lässt. Oder ihr führt einen arbeitsfreien Tag ein, der die Loyalität eurer Schäfchen in die Höhe katapultiert … oder ihr opfert eurer dunklen Gottheit ein bereits erfahrenes Kultmitglied und erhaltet dafür einen saftigen Glaubensbonus. Denn die Glaubenspunkte, die ihr im Tempel verdient, lassen sich für neue Upgrades ausgeben, die euch in den Kampfleveln helfen. So könnt ihr zum Beispiel neue Waffen und Zauber freischalten sowie verschiedene Variationen eben dieser. So wird aus einem stinknormalen Dolch ein Vampirdolch, der euch mit einer gewissen Chance wieder heilen kann.
Neben den Predigten und den Ritualen gibt es dann noch das Doktrinen-System, welches das deutlich interessantere von allen dreien ist. Habt ihr in der Spielwelt oder durch Nebenquests drei Bruchstücke einer Steintafel gefunden, könnt ihr diese im Tempel zusammensetzen und quasi eine Doktrin, also ein Gebot, ausrufen. Die Doktrinen unterteilen sich dabei in verschiedene Unterkategorien, wie zum Beispiel den Glauben, wie eure Gläubigen zum Tod stehen oder wie wichtig ihnen Weltliches ist. Jedes Mal, wenn ihr in einem dieser Kategorien eine Doktrin ausruft, habt ihr die Wahl zwischen zwei Ausrichtungen, die sich sowohl spielerisch als auch in der Art, wie ihr euren Kult führt, auswirken. So kann man zum Beispiel das Gebot ausrufen, dass verstorbene Kultmitglieder nicht beerdigt, sondern ihr Fleisch gegessen werden soll. Oder ihr predigt euren Anhängern, dass es ein Leben nach dem Tod gibt, was einer schlechten Stimmung nach dem Tod eines Mitglieds zuvorkommt. Jede Entscheidung formt dabei ein bisschen das Bild von euch als Kultanführer: Liegt euch etwas an euren Schäfchen oder sind sie für euch nur Werkzeuge und Mittel zum Zweck, um an Macht zu kommen? Beide Ansichten sind, zumindest in diesem Spiel, völlig legitim und bieten euch Vor- wie auch Nachteile.
Mit der Zeit wird euer Kult immer weiterwachsen und ihr werdet nach und nach einen Bischof nach dem anderen bezwingen. Dazwischen bietet euch das Spiel auch immer wieder etwas Abwechslung vom harten Kultisten-Alltag in Form von einem strategischen Würfelspiel, bei dem ihr aber auch gut und gerne all euer Geld verzocken könnt, oder einem Angelplatz, denn kein Spiel kommt anscheinend heutzutage noch ohne angeln aus. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei Cult of the Lamb um kein allzu langes Spiel. Wer nicht akribisch alle Gebäude, Dekorationen und Extras freischalten möchte, der kann nach ca. 12-15 Stunden die Credits sehen, was für mich persönlich gerade für ein Rogue-Lite eine recht erfrischende Angelegenheit war.
In Sachen Grafik kommt Cult of the Lamb in einer recht süßen und knuddligen Optik daher. Unser Lämmchen rennt mit einem grimmig, entschlossenen Blick durch die Welt und schwingt seine Waffe mit einem verschmitzten Grinsen. Die Grafik erinnerte mich mitunter an den Stil von Spielen wie Don't Starve und schaffte stets einen gelungenen Kontrast zwischen süßen Kreaturen und dem ziemlich dunklen und zynischen Humor, den das Spiel teils ausmacht. Zum Testen von Cult of the Lamb stand uns vor Release bereits die PC-Version zur Verfügung, mit der ich auch das Spiel einmal komplett durchgespielt habe. Im direkten Vergleich mit dieser Version kann die Portierung auf die Nintendo Switch in Sachen Performance nicht ganz mithalten. Zwar läuft das Spiel immer noch größtenteils flüssig und stabil genug, dass es zu keinerlei Einbußen im Gameplay und vor allem in den Kämpfen kommt, jedoch laufen einige automatisch ablaufende Animationen wie das Auftauchen von Kisten, das Beschwören von Ritualen oder auch einzelne Kampfanimationen langsamer ab. Entsprechend wirkt es in solchen Momenten so, als würde das Spiel leicht ruckeln. In allen anderen Bereichen steht die Nintendo Switch Version der PC Version jedoch in nichts nach: Der eingängige Soundtrack untermalt die Kämpfe mal mit eher entspannten Tönen, mal mit antreibenden Beats, die jederzeit zur jeweiligen Situationen passen. Eine Sprachausgabe gibt es in Cult of the Lamb zwar, jedoch sprechen alle Kreaturen in einer Fantasiesprache, weswegen nur die Texte ins Deutsche übersetzt werden mussten - und das ist den Entwicklern wirklich gut gelungen!
Unser Fazit
8
Ein Spiele-Hit