© Reprodukt

Ein Norweger auf dem Jakobsweg in unserer Graphic-Novel-Rezension

Als Jakobswege werden Pilgerwege in Europa bezeichnet, die alle das angebliche Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela in Spanien zum Ziel haben. Wenn ich den Begriff Jakobsweg höre, denke ich automatisch an einen der besten Entertainer und Komiker der letzten 40 Jahre. Vor dem Buch von Hape Kerkeling hatte ich mich nicht mit dem Thema beschäftigt und war mir auch nicht bewusst, dass diese Pilgerwege existieren. Heute gehe ich selbst gerne Wandern, wenn auch nur in der näheren Umgebung meiner Heimatstadt und bisher auch nicht über einen längeren Zeitraum. Ich kann es also nicht aus eigener Erfahrung beurteilen, wie es ist den Jakobsweg – und hiermit ist der berühmte Abschnitt von den Pyrenäen im Norden Spaniens bis hin nach Santiago de Compostela gemeint – selbst zu bestreiten. Das Buch Kerkelings habe ich damals verschlungen, weswegen ich aufmerksam wurde, als eine Graphic Novel zu dem Thema Jakobsweg angekündigt wurde. Dieses Mal begibt sich kein Deutscher auf die Wanderung, sondern der norwegische Zeichner und Autor Jason („Hemingway” und “Ich habe Adolf Hitler getötet”) trat zu seinem 50. Geburtstag an, die christlich geprägte Strecke zu erfahren. Seine Erfahrungen liegen nun in gezeichneter Form auch auf Deutsch vor.


Festes Schuhwerk sollte auf der Pilgerreise vorhanden sein.

© Reprodukt

Zunächst sollte sich die lesende Person nicht wundern, dass alle Figuren als schlaksige Hunde in Menschenform dargestellt werden. Mit dunkler Hautfarbe, mit großen und kleinen Ohren, langen und kurzen Haaren, weiblich als auch männlich; würde Jason seine Figuren nicht immer den Namen mit dazusagen lassen, ich könnte nicht alle auseinanderhalten. Das liegt aber auch daran, dass John Arne Sæterøy (Jason), der sich hier selbst als Hauptdarsteller kennzeichnet, autobiografisch arbeitet, weil er, wie oben erwähnt, die Pilgerreise selbst getätigt hat. 32 Tage soll der Trip dauern und so viel sei verraten, der Protagonist wird sein Ziel erreichen. Es dreht sich also nicht um die Frage, ob, sondern wie diese Selbsterfahrung Einfluss auf den Wandernden nimmt. Vorweggenommen muss ich sagen, da scheitert Jason als Autor und gibt mir wenig bis gar nichts mit auf den Weg nach Beendigung der Lektüre.


Der Weg ist das Ziel, muss ich hier ganz klar artikulieren. Ich springe damit auch teilweise schon in meine Bewertung der Graphic Novel und nehme mir heraus, es ähnlich zu gestalten. Der Weg ist das Ziel, auch innerhalb dieser Rezension. Alles plätschert über die 180 Seiten Pilgerreise so vor sich hin, wir erfahren, was es jeweils zum Frühstück gibt, wann Jason losgewandert ist, welcher Herberge er genommen hat und an welchen Tisch er sich gesetzt hat. Anfangs ziert er sich noch mit anderen Pilgern in Kontakt zu treten und legt die ersten Etappen allein zurück. Er trifft hin und wieder auf andere Pilger, erinnert sich teilweise an sie, findet aber keine rechte Bindung zu ihnen. Kernpunkte des Weges markiert er mit der einen oder anderen besonderen Anekdote und stellt damit heraus, was er an diesem oder jenem Wegpunkt erlebt und gedacht hat. Oft sind diese Kernpunkte aber nicht mit anderen Pilgerinnen und Pilgern gekoppelt, sondern an Örtlichkeiten auf dem Weg.


Erst spät im Buch öffnet sich die Sichtweise von Jason ein wenig, wenn er auch anderen Pilgern von seiner Herkunft und seinem Beruf als Zeichner erzählt. Dann fällt kurz die vierte Wand, weil er im Buch darstellt, dass er sich Notizen und Skizzen macht für ein mögliches neues Buch über seine Reise, was wir letztendlich nun mit „Ein Norweger auf dem Jakobsweg“ in den Händen halten.


Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Erfahrungen Jasons mit den anderen Pilgern und dass man sich auf der Reise mit oberflächlichen Floskeln begrüßt und der Frage, wo man herkommt und bis wohin man wandert, als Kritik an unserer Gesellschaft deuten sollte. Vielleicht ist es ja auch nur die Grundlage von seiner Herangehensweise und seinen schüchternen Charakterzügen, die ihn damals so oberflächlich den Jakobsweg haben gehen lassen.


Wir Leser erfahren zu wenig über den Menschen Jason, als dass wir uns ein Urteil erlauben könnten. Anders als beispielsweise bei Hape Kerkeling, wo viele Menschen bereits aus dem Fernsehen oder anderen öffentlichen Auftritten ein Bild von ihm haben und dieses dann mit seinen Schilderungen im Buch abgleichen konnten, fehlt mir hier völlig der Bezug zum Menschen Jason. Ich bekomme außer Oberflächlichkeiten kaum Anhaltspunkte über das Wie und Warum der Pilgerreise, weswegen der Abgleich mit einer mir bekannten Person völlig wegfällt. Es bleibt ein Schulterzucken nach Beendigung der Lektüre.


Optisch kann ich dem comichaften, simplen Stil von Jason durchaus etwas abgewinnen, sehr oft bekommen wir eine Aufteilung der Seite mit 4 Panels präsentiert, selten mal eine seitenübergreifende Zeichnung. Das Ganze ist in schwarz-weißen und maximal rastergrafischen Abbildungen gehalten und unaufgeregt präsentiert. Wie ich oben bereits andeutete, es plätschert so vor sich hin und stellt ein autobiografisches Tagebuch der Pilgerreise dar.


Wenn ihr euch einen ersten Eindruck von den Illustrationen verschaffen möchtet, könnt ihr euch hier umsehen.


Ein Norweger auf dem Jakobsweg ist erschienen bei Reprodukt.

  • ISBN: 978-3-95640-404-7
  • 192 Seiten
  • schwarzweiß
  • 14,8 x 21 cm
  • Klappenbroschur
  • 20,- Euro

Jetzt Ein Norweger auf dem Jakobsweg bei Amazon.de bestellen


Jetzt Ein Norweger auf dem Jakobsweg bei Buecher.de bestellen


Unser Onlinemagazin ntower ist Mitglied der Affiliate-Netzwerke Amazon PartnerNet, AWIN, Webgains, Rakuten Advertising, Media Markt E-Business GmbH und Saturn online GmbH. Bei einer Bestellung über einen unserer Affiliate-Links erhalten wir über den jeweiligen Shopbetreiber eine variable Provision. Für Endkunden entstehen keine Zusatzkosten.

Unser Fazit

Meinung von Dennis Gröschke

Die Pilgerreise auf dem Jakobsweg fasziniert seit jeher die Menschen abseits und auf dem Weg an sich. Als Reisebericht in Comic-Form funktioniert „Ein Norweger auf dem Jakobsweg“ daher ganz gut, wenn auch viele Details nicht erläutert und nur angerissen werden. Ich persönlich hatte mir mehr Einblicke in die Erfahrungen des Zeichners und Autors Jason gewünscht und die Herausforderungen mehr aus seinem Blickwinkel heraus dargestellt bekommen. Nicht falsch verstehen, das ist hier schon autobiografisch, aber da ich den Menschen Jason nicht kenne und seine Motivation, den Jakobsweg zu gehen, für mich nahezu völlig im Dunkeln bleibt, kann ich als Leser nur wenig aus der Lektüre ziehen. Es plätschert so vor sich hin und dann ist es auch irgendwann vorbei. Zwischendrin gibt es hier eine Etappe mit Bergen und dort eine Herberge mit Einzelzimmern, was im Inneren des Pilgers passiert, wird hierbei nahezu völlig außer Acht gelassen. Schade, ich hätte mir eine weitere Perspektive neben der Kerkelings gewünscht und wurde hier leider nicht fündig.

Teilen


Kommentare 0

  • Noch keine Kommentare verfasst :(