Banishers: Ghosts of New Eden für Xbox Series X|S im Test – Emotionale Geisterjagd in Neuengland
Geschrieben von Adis Selimi am 19.03.2024
Wie weit würdet ihr gehen, um einen Menschen zu retten, den ihr liebt? Das ist die grundlegende Frage, die das Entwicklerstudio Dontnod Entertainment mit seinem neuesten Projekt Banishers: Ghosts of New Eden beantworten möchte. Nachdem das französische Entwicklerteam vor allem mit der Reihe Life is Strange und einem Fokus auf emotionales Storytelling auf sich aufmerksam gemacht hat, versucht sich das Studio jetzt an einem neuen Genre und einem komplett neuen Szenario. Statt Selbstfindung und Teenie-Drama dreht sich hier alles um Geister, Flüche und üble Vorhersehung. Banishers: Ghosts of New Eden verschlägt euch dabei in eine düstere Version Neuenglands zum Ende des 17. Jahrhunderts. Die Ortschaft New Eden wird von einem mächtigen Geist heimgesucht, der die Menschen der Kolonie in den Wahnsinn treibt. Da der örtliche Reverend mit der Aufgabe überfordert ist, bittet er zwei alte Freunde um Hilfe, die beiden Banisher Antea Duarte und Red Mac Raith.
Antea und Red sind nicht nur Arbeitskollegen, sondern auch ein Liebespaar, was weitreichende Auswirkungen auf den Verlauf der Handlung hat. Denn in New Eden angekommen, stellen die beiden fest, dass die Lage deutlich dramatischer ist, als sie es sich vorgestellt haben. Die Ortschaft wirkt wie ausgestorben und im Umland machen sich Geister breit, die von den Toten Besitz ergreifen. Als sie sich dem monströsen Geist nähern, der New Eden heimsucht, nimmt das Unglück seinen Lauf: Red muss mit ansehen, wie Antea durch die Hand des Geistes stirbt. Kurze Zeit später findet er sich ohnmächtig an einem Strand wieder. Doch das Schicksal, so zeigt sich, ist noch nicht fertig mit dem Paar. Anteas Geist ist in der Welt der Sterblichen gefangen und an Red gebunden, bis der Albtraum von New Eden bezwungen wurde.
Nach diesem anfänglichen Ereignis übernehmt ihr abwechselnd die Kontrolle über Red und Antea, die sich gemeinsam aufmachen, um den Tod der Geisterjägerin zu rächen. Den Fokus legt Banishers dabei klar auf die Erzählung einer emotionalen Geschichte über Verlust, Schmerz und Hoffnung. Schon kurz nach den einleitenden Ereignissen konfrontiert euch das Spiel mit einer folgenreichen Entscheidung. Ihr müsst euch darauf festlegen, ob ihr Anteas Tod akzeptieren und sie befreien wollt oder aber darauf hinarbeitet, sie wieder zum Leben zu erwecken. In beiden Fällen müsst ihr dazu Heimsuchungen der Bewohner von New Eden untersuchen, die durch Anomalien zustande gekommen sind.
Diese Untersuchungen sind dabei wie ein rudimentäres Detektivspiel aufgebaut. Mithilfe von Gesprächen und Hinweisen müsst ihr rekonstruieren, was die Anomalie verursacht. Mal hält ein ungesühnter Mord einen Geist zurück, mal wurde jemand aus Verzweiflung in den Selbstmord getrieben und kommt nicht zur Ruhe. Diese Geisterjagd bildet das Herzstück von Banishers: Ghosts of New Eden und weiß vor allem erzählerisch zu begeistern. Dank sehr guten (englischen) Sprechern wirkt jede Dialogzeile überzeugend und zeigt gekonnt moralische Grautöne auf. Denn in den seltensten Fällen gibt es ein klares Gut oder Böse, das euch ersichtlich ist. Hinzu kommt, dass Antea und Red auch aus Eigeninteresse handeln. Wenn ihr Anteas Geist befreien wollt, müsst ihr möglichst viele Konflikte dadurch lösen, dass ihr Geister friedlich zur Ruhe bettet und – im schlimmsten Fall – Täter ungestraft davon kommen lasst. Umgekehrt müsst ihr, um Antea wiederzubeleben, ein Ritual durchführen, für das ihr Lebensenergie benötigt. Das wiederum bedeutet, Konflikte durch ein Blutopfer zu beenden und die Bindung des Geistes an diese Welt durch den Tod des Menschen zu lösen, an den er sich klammert.
Durch die kluge Erzählstruktur entwickelt jeder Fall eine eigene Anziehungskraft. Selbst wenn ihr euch im Vorfeld auf einen Pfad festlegt, steht es euch jederzeit frei, davon abzuweichen. Das wiederum hat nicht nur Auswirkungen auf euer Umfeld, sondern auch auf die Beziehung zwischen Antea und Red. Denn das Paar versucht fortlaufend, sich den selbst gewählten Pfad in Erinnerung zu rufen. Je nach Entscheidung stehen euch bestimmte NPCs nicht mehr zur Verfügung, sind euch feindselig gesinnt oder heißen euch mit offenen Armen willkommen und bieten euch Unterstützung an. Der einzige Kritikpunkt dabei ist, dass die Detektivarbeit selbst recht gleichförmig abläuft. Ihr findet Hinweise, beschwört den Geist eines Toten und entscheidet danach, wie ihr vorgehen möchtet. Etwas mehr Varianz hätte hier gutgetan, das soll die starke Erzählung und die interessanten Konstellationen aber in keiner Weise schmälern.
Abseits der Geisterjagd ist Banishers: Ghosts of new Eden ein traditionell gehaltenes Action-Rollenspiel im Stil eines The Witcher. Per Knopfdruck könnt ihr fast jederzeit zwischen Red und Antea wechseln. Während Red mit Klinge und Gewehr ausgestattet ist, kann Antea als Geist auf magische Angriffe wie eine spezielle Sprungattacke zurückgreifen. Je nach Gegner schlägt sich mal der eine und mal der andere Charakter besser. Durch das Besiegen von Feinden sammelt ihr dabei Erfahrungspunkte, die ihr in neue Fähigkeiten und Verbesserungen investieren könnt. Schön ist dabei, dass ihr Talentpunkte jederzeit neu verteilen und so experimentieren könnt. Darüber hinaus stehen euch Upgrades für Waffen und Ausrüstung zur Verfügung, die auch Einfluss auf euren Spielstil haben. Manche Rüstungen geben euch beispielsweise einen Bonus auf Gewehrschaden, während andere eure Lebensenergie steigern. Insgesamt bietet euch Banishers damit ein solides Gameplay-Gerüst, das über die gesamte Spielzeit von knapp 30 Stunden zu unterhalten weiß. Nach hinten raus fällt die spielerische Varianz aber etwas ab, weil sich Gegnertypen wiederholen und Anpassungsmöglichkeiten weniger Einfluss auf das Geschehen nehmen. Das ist aber Kritik auf hohem Niveau, denn grundsätzlich machen die Kämpfe viel Spaß.
Technisch und audiovisuell macht Banishers: Ghosts of New Eden auf der Xbox Series X einen sehr guten Eindruck. Die Landschaften sind schön in Szene gesetzt, abwechslungsreich und interessant designed. Standardmäßig empfiehlt euch das Spiel den Performance-Modus, der euch eine weitgehend konstante Bildwiederholrate von 60 FPS bietet. An einigen Stellen sind aber kleinere Ruckler bemerkbar, die offensichtlich auf Speicher- und Ladevorgänge im Hintergrund zurückgehen. Im Spielgeschehen selbst fällt das aber kaum ins Gewicht. Die ansprechende Präsentation wird jedoch mit einer gewissen Linearität der Spielwelt erkauft, die, je nach eigener Vorliebe, positiv oder negativ gesehen werden kann. Die geführte Erfahrung funktioniert für sich genommen allerdings sehr gut. Der gute technische Eindruck wird von einem stimmigen Soundtrack abgerundet, der meistens dezent im Hintergrund bleibt, die schaurige Atmosphäre aber gut untermalt.