Genius Sonority Historie

Viele unserer geliebten Videospiele werden von Firmen hergestellt, die bereits eine lange und interessante Geschichte hinter sich haben. Eine dieser Firmen wollen wir euch heute wieder vorstellen. Dieses Mal will ich euch die Geschichte eines Studios erzählen, das neben Monolith Soft einmal viel Potenzial besaß ein großes RPG-Studio innerhalb der Nintendo-Familie zu werden. Schließlich wurde das Studio von den Köpfen hinter Dragon Quest VII erschaffen. Doch wie schon bei Brownie Brown wurde dieses Potenzial nicht lange genutzt oder gar gefördert...



Das Logo von Genius Sonority

Genius Sonority ist ein japanisches Entwicklungsstudio für Videospiele mit Sitz in Tokyo, Japan.


Derzeitiger Status des Unternehmens: aktiv


Beziehung zu Nintendo: 2002 wurde Genius Sonority mit der finanziellen Unterstützung von Nintendo und The Pokemon Company gegründet. Zusätzlich sind beide Unternehmen neben dem Inhaber und Geschäftsführer Manabu Yamana die größten Anteilseigner an Genius Sonority.



Die Vorgeschichte


Am 8. Juni 1963 wird Manabu Yamana in der japanischen Hauptstadt Tokyo geboren. Während seiner Schulzeit in den 70ern kommen die ersten Heimcomputer und Arcade-Automaten in Japan auf. Wie viele japanische (männliche) Jugendliche dieser Zeit, wird auch er von der Welt der Pixel angezogen. Doch Manabu will diese nicht nur konsumieren, sondern auch selbst erschaffen. So beginnt er Anfang der 80er, während seines Studiums zum Mathematiker und Maschinenbauer an der Universität Tokyo, privat Spiele für den MSX und den PC-88 von NEC zu programmieren.


Manabu Yamana

Mitte der 80er arbeitet er dann neben seinem Studium offiziell für Chunsoft. Dort wirkt er unter der Führung von Yūji Horii und Koichi Nakamuro an einem Spiel mit, dass in Japan einen wahren Hype auslösen wird: Dragon Quest. Das Spiel erscheint im Mai 1986 für das Famicom (NES) und wird in kürzester Zeit über eine Million Mal verkauft. Der Herausgeber Enix lässt das Spiel danach noch auf die MSX-Systeme portieren, wo immerhin noch einige 100.000 Exemplare abgesetzt werden. In der Zwischenzeit beginnt Chunsoft zwei Nachfolger für das NES zu entwickeln, an denen auch Manabu wieder beteiligt ist. Diese erscheinen 1987 und 1988.


Nachdem er seinen Uni-Abschluss erlangt hat, wird er zum Chefprogrammierer befördert und arbeitet als dieser an Dragon Quest IV für das NES, dass im Februar 1990 veröffentlicht wird. Und sein Aufstieg bei Chunsoft geht noch weiter. Bei den Arbeiten an Dragon Quest V (SNES) und dem ersten Sound Novel-Abenteuer Otogirisou (SNES) ist er bereits Leitender Direktor. Nach deren Fertigstellung verlässt er Chunsoft jedoch, um sein eigenes Entwicklungsstudio zu gründen. Dieses öffnet im Oktober 1992 mit der Unterstützung von Enix seine Pforten und trägt den Namen Heart Beat. Er bleibt aber dennoch mit seinem Mentor Yūji Horii und dem Studio Chunsoft verbunden. Denn Manabu und sein Studio bekommen den Auftrag einen sechsten Dragon Quest-Teil für das SNES zu programmieren, dessen Entwicklung von Chunsoft begleitet und unterstützt wird. Das Spiel wird pünktlich zum Weihnachtsgeschäft 1995 fertiggestellt und ausgeliefert. Danach portiert Heart Beat Dragon Quest III auf das SNES und Dragon Quest IV auf die PlayStation, für die sie auch den siebten Teil der Dragon Quest-Reihe entwickelt. Mit über vier Millionen verkauften Exemplaren allein in Japan wird es der bisher erfolgreichste Teil der Reihe und verhilft der PlayStation in Japan zu einem Höhenflug.


Das Logo von Heart Beat

Trotz diesem Erfolg macht kurz darauf eine überraschende Meldung die Runde: Das Studio Heart Beat wird aufgegeben. Welche Umstände zur Schließung des Studios zum Jahresbeginn 2002 führen, sind bis heute nicht geklärt. Ein Mitarbeiter von Enix ließ damals verlauten, dass das Team um Manabu sich nur eine Auszeit nehmen wolle und es keinerlei Misstrauen oder gar eine Verschwörung gegen ihn und Heart Beat gegeben hätte. Da stellt sich dann nur die Frage, warum dazu gleich die Existenz des Studios ausgelöscht wird und Manabu und seine treuesten Anhänger ihre "Auszeit" damit verbringen nach Investoren für ein neues Entwicklungsstudio zu suchen...


Die Gründung und die ersten Schritte


Auf dieser Suche entsteht ein Kontakt mit The Pokémon Company, die ihrerseits wiederum auf der Suche nach einem erfahrenen Team für ein 3D-Pokémon-Rollenspiel sind. Ein Team aus Dragon Quest VII-Entwicklern schien da eine vielversprechende Option zu sein. Die beiden Parteien werden sich schließlich einig und mit der zusätzlichen finanziellen Unterstützung von Nintendo ist ein neues Studio mit dem Namen Genius Sonority geboren. Manabu wählt diesen Namen aus, um auszudrücken, dass hier talentierte Menschen im Einklang und in Harmonie zusammenarbeiten, deren Ziel es ist Spiele von überragender Qualität abzuliefern.


Szenen aus Pokémon Colosseum

Genius Sonority öffnet offiziell im Juni 2002 seine Pforten im Raum Tokyo und beginnt sogleich mit der Entwicklung an Pokémon Colosseum für den GameCube. Dabei wird das junge Studio tatkräftig von den Pokémon-erfahrenen Entwicklern HAL Laboratory, Creatures und Ambrella unterstützt. Das Spiel wird im Herbst 2003 fertiggestellt und gelangt in Japan am 21. November 2003 in den Handel. Der westliche Release erfolgt schließlich im Frühjahr 2004. Das erste 3D- und Heimkonsolen-RPG der Pokémon-Reihe erhält weltweit gute Kritiken. Lediglich die Optik wurde kritisiert, darunter vor allem die 3D-Modelle und Animationen, die zum Teil aus den N64-Spielen Pokémon Stadium 1+2 stammen und nur leicht überarbeitet wurden. Unabhängig davon verkauft sich das Spiel ordentlich und wird am Ende mit rund 2,5 Millionen abgesetzten Exemplaren das meistverkaufte Rollenspiel auf dem Gamecube. Nach der Fertigstellung von Pokémon Colosseum beginnt Genius Sonority mit der Arbeit an einem spirituellen Nachfolger mit dem Namen Pokémon XD: Der dunkle Sturm. Das Spiel erlangt Mitte 2005 den Goldstatus und gelangt bis zum Ende des Jahres weltweit in den Handel. Es erhält von Spieletestern ähnliche Kritiken wie sein Vorgänger. Allerdings verkauft sich das Spiel nur noch halb so oft.


Nach der Fertigstellung beginnt ein Teil der Belegschaft, die mittlerweile über 60 Personen umfasst, mit der Arbeit an einem weiteren Pokémon-Titel. Dieses Mal für den noch nicht veröffentlichten Gamecube-Nachfolger: die Wii. Doch im Gegensatz zu den Gamecube-Spielen entwickelt Genius Sonority mit Pokémon Battle Revolution kein Rollenspiel, sondern ein simples rundenbasiertes Kampfspiel. Im Mittelpunkt der Entwicklung stehen mehr technische Aspekte wie z.B. die Wii-DS-Konnektivität und ein Online-Modus und weniger inhaltliche Dinge. Am Ende wirkt das Spiel mehr wie ein ausgelagerter strategischer 3D-Kampfmodus für die DS-Spiele Pokémon Diamant und Perl wie ein eigenständiges Spiel. Als das Spiel im Dezember 2006 erstmals in Japan und im Laufe des nächsten Jahres auf dem restlichen Erdball erscheint, fallen daher die Kritiken zum Spiel überwiegend ernüchternd aus und erreichen im Durchschnitt rund 50%. Den Verkaufszahlen schadet dies aber nicht wirklich und so wird auch dieses Spiel von Genius Sonority ein Millionenseller.



Die Rückkehr zu den Wurzeln und der Absturz


Neben der Entwicklung von Pokémon Battle Revolution arbeitet das Studio an zwei weiteren Spielen. Während ein kleines Team das Puzzlespiel Pokémon Trozei! (in Europa als Pokémon Link! bekannt) bereits 2005 für den DS abliefert, ist eine andere Gruppe an einer Marke tätig, die an die Vorgeschichte des Studios erinnert: Dragon Quest. Dazu arbeitet Manabu erstmals seit dem Aus von Heart-Beat wieder mit seinem früheren Vorgesetzten und Mentor Yūji Horii zusammen. Yūji Horii war einer der ersten Spieleproduzenten, dem Satoru Iwata den neuartigen Bewegungscontroller der Wii enthüllte. Dieser war von dieser Revolution sehr angetan und wollte auf Basis des eigenen TV-Videospiels Kenshin Dragon Quest von 2003 etwas Vergleichbares für die Wii erschaffen.


Kenshin Dragon Quest war ein Stand-Alone-Videospiel von Square Enix, das schon 3 Jahre vor der Wii auf Bewegungssteuerung setzte

Square Enix und Nintendo einigen sich darauf, dieses Spiel bei Genius Sonority entstehen zu lassen, da dort noch viele Programmierer und Designer der früheren Dragon Quest-Teile ansässig waren. Der eigenwillige Rail-Shooter mit RPG-Anleihen ist zunächst als Launchtitel für die Wii geplant, muss aber um ein halbes Jahr verschoben werden und gelangt schließlich im Sommer 2007 in Japan in den Handel. Eine westliche Version ist zunächst nicht von Square Enix vorgesehen. Da sich das Spiel in Japan aber bereits in der ersten Woche über 300.000 Mal absetzen kann und sich auch in den folgenden Wochen noch gut verkauft, wird für den Westen eine überarbeitete Fassung mit zusätzlichen Inhalten umgesetzt. Diese erscheint im Frühjahr 2008. Allerdings hält sich die Begeisterung im Westen sehr im Rahmen. In ganz Europa wird zum Beispiel nur eine niedrige fünfstellige Absatzzahl erreicht.


Nach der Fertigstellung von Dragon Quest Swords findet ein Umbruch im Studio statt, dessen Umstände und genauer Zeitpunkt bis heute nicht an die Öffentlichkeit gelangt sind. Fest steht nur, dass sich die Belegschaft in dem Zeitraum von 2008-2011 von knapp 60 Personen auf 20 reduziert. Auch der Schwerpunkt auf der Entwicklung für Heimkonsolen ist ab hier nicht mehr existent und wahrscheinlich auch wegen der niedrigen Anzahl an Beschäftigten nicht mehr möglich. So erscheinen ab 2008 von Genius Sonority nur noch "Spiele" für Nintendos mobile Spielekonsolen wie 100 Classic Book Collection (2008), Otona no Renai Shousetsu DS: Harlequin Selection (2010) oder Lernen mit Pokémon: Tasten-Abenteuer (2011) für den DS.



Ein Neuanfang


Während der Entwicklung von Lernen mit Pokémon: Tasten-Abenteuer will Manabu mit seinem Studio einen Neustart wagen. Zusammen mit den mittlerweile noch verbliebenen 15 Mitarbeitern macht er sich daran eine neue Franchise zu entwerfen. Diese soll ein völlig neuartiges Spielgefühl erzeugen, jederzeit zum Spielen einladen und dennoch ein intensives Gameplay bieten. The "Denpa" Men war geboren. In diesem Download-Spiel für den Nintendo 3DS liegt der Fokus vor allem auf der Augmented Reality-Funktion, mit welcher der Spieler in der realen Welt die namensgebenden Männchen einsammeln muss, um mit ihnen virtuelle Dungeons zu erkunden. Dabei macht das Spiel auch von zahlreichen Rollenspiel-Elementen gebrauch.


The "Denpa" Men

Das Spiel erscheint 2012 weltweit und wird von Genius Sonority selbst im Nintendo eShop vertrieben. Vor allem in Japan wird der Titel ein Kassenschlager, weshalb noch im selben Jahr ein Nachfolger programmiert und in Japan veröffentlicht wird. Beflügelt durch den großen Erfolg der neuen Franchise und der Meinung, dass die Zukunft der Videospiele im mobilen Sektor liegt, scheint Manabu die (ruhende) Zusammenarbeit und System-Abhängigkeit von Nintendo aufkündigen zu wollen. Auf Twitter gibt er am 11. November 2012 bekannt, dass er plant sein früheres Studio Heart Beat wieder eröffnen zu wollen. Doch bis heute hat sich diesbezüglich nichts weiter getan. Stattdessen wird 2013 The "Denpa" Men zu einer Trilogie ausgebaut und nochmals ein Jahr später erfolgt eine Free-to-play-Variante, die bisher nur im japanischen Nintendo eShop zu finden ist.


In einem Interview Ende 2013 schließt Manabu einen vierten Teil der "Denpa" Men zunächst aus. Für ihn sei es wichtig, dass ein vierter Teil komplett neu gestaltet werden müsste, um den Konsumenten wieder ein kreatives und frisches Spielerlebnis bieten zu können, wie es mit dem ersten Teil gelungen ist. Dabei gibt er auch bekannt, dass er gerne ein Spiel für die Wii U entwickeln würde. Allerdings könne sein kleines Studio die hohen Entwicklungskosten dafür momentan nicht aufbringen. Stattdessen kommen sich Genius Sonority und The Pokémon Company wieder näher. Genius Sonority entwickelt für den Nintendo 3DS einen Nachfolger zu dem Puzzlespiel Pokémon Link mit dem schlagkräftigen Anhängsel Battle!, dessen Schwerpunkt in Duellen mit anderen Spielern liegt. Am 18. Februar 2015 erscheint dann weltweit für den Nintendo eShop das Free-to-Play-Puzzlespiel Pokémon Shuffle, dass große Ähnlichkeiten zu den Pokémon Link-Spielen aufweist. Später setzt Genius Sonority das Spiel unter der Weisung von The Pokémon Company auch für die Smartphone-Betriebssysteme Android und iOS um, wo es als Pokémon Shuffle Mobile bekannt ist. Die deutschsprachige Version erschien dieses Jahr im Januar. Woran das Studio derzeit arbeitet ist nicht bekannt.

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Kommentare 5

  • Nauzgo

    Schade eigentlich, dass es so bergab ging mit denen. Colosseum und XD waren spitze und ne richtig gelungene Abwechslung zu den Hauptspielen.

  • DerGom

    Gotta catch 'em all!

    Sehr interessante Geschichte, das hätte ich wohl ohne diesen Artikel nie erfahren. Colosseum und XD waren echt geniale Spiele. Habe die beiden damals nach der Grundschule immer gezockt (Colosseum war auch mein erstes GC Spiel). Schade, dass es danach bergab ging mit dem Studio. Pokémon Shuffle ist zwar ein kleines nettes Spiel, aber durch F2P halt auch nicht mehr so gut. Ich hätte gerne gesehen, wie die ein Pokémon Spiel wie Colosseum oder XD in der heutigen Zeit entwickelt hätten.

  • DatoGamer1234

    E3 und Smash Hype!

    Habe keines deren Spiele gespielt,daher kann ich auch nicht viel zu denen sagen. Bis auf die Vollversion von Pokemon Shuffle,was mich aber ziemlich gelangweilt hat.

  • Kalem

    Turmfürst

    Die beiden großen Cube Abenteuer haben damals richtig Laune gemacht, wobei sie den Mehrspielermodus leider verhauen haben. Ohne Gameboy+Edition konnte man eigentlich nix weiter machen.

  • otakon

    Ssssssssswitch

    Interessantes Special, schön immer mal was neues zu den Studios zu lesen.


    Colosseum und XD (vorallem XD) waren echt tolle Spiele, schade das es danach immer mehr bergab ging... Wobei sie ja immer wieder auch ein Hoch verzeichnen konnten, mich persönlich sprechen die anderen Titel aber nicht an...
    Wer weiß woran sie grad arbeiten, vielleicht werden wir auf der Switch wieder von ihnen hören ^_-