Der heldenhafte Kampf gegen EA und deren Mikrotransaktionen Kommentar
Geschrieben von David Pettau am 17.12.2017
Vor einigen Wochen ereigneten sich einige höchstinteressante Geschichten in der Videospielbranche, die aus den Augen vieler beteiligter Fans des Mediums wohl der Struktur einer epischen Star Wars-Handlung entsprachen, mit der diese Ereignisse zusammenhingen. Der dunkle und mächtige Sith-Lord “Darth Electronic Arts“, in seinem gewaltbereiten Freundeskreis auch unter dem Spitznamen “EA“ bekannt, war langsam dabei, sein Imperium aufzubauen. Von seiner mächtigen Flotte von Spielspaßzerstörern aus vermochte er es, die gesamten Geschicke und Schicksale der Galaxis maßgeblich zu manipulieren. Einst hatte er unter großem Zuspruch die Macht in der Galaxis an sich gerissen – nur wenige, mutige Recken wussten um seine wahre Absichten: Er war das pure Böse, getrieben von der finsteren dunklen Seite der Macht. Doch einige mutige Helden hatten den Eifer, sich der Unterdrückung durch EA zur Wehr zu setzen und bildeten die rein auf herzensguten Gedanken und Wünschen aufbauende Allianz der Rebellen. In einem verzweifelten Angriff auf EA gelang es den Rebellen schlussendlich, den mächtigen Sith-Lord in der Schlacht um Shitstorm in die Knie zu zwingen. Welch ein Befreiungsschlag für die Galaxis. In einigen Überlieferungen ist sogar von einem strahlenden Jedi-Meister die Rede, dessen Ausbildung den dunklen Sith-Lord einst ebenfalls zum Jedi-Ritter aufsteigen lassen sollte, der den Rebellen in der entscheidenden Schlacht zur Seite stand: Disney, Jedi-Meister und Streiter für die Gerechtigkeit. Laut einigen Überlieferungen war Disney es, der Darth Electronic Arts in seine Schranken zurückweisen konnte, zum Wohlwollen der gesamten Galaxis. Und während all dieser glorreichen Ereignisse, kommen wir zu meinem Teil in dieser Geschichte: Ich sitze nur da und schäme mich angesichts des Verhaltens und der Undifferenziertheit einer riesigen Gruppe an vermeintlichen Fans unseres Lieblingsmediums in Grund und Boden.
Wir sprechen natürlich über das vor wenigen Wochen veröffentlichte Star Wars Battlefront II, das in der Medienlandschaft riesige Wellen geschlagen hat – auch weit über die üblichen Magazine, die ohnehin über Videospiele berichten, hinaus. Dank der Star Wars-Marke des Spiels bekam eine unter Videospielfans schon lange kritisierte Entwicklung der Spielebranche eine größere Bühne als je zuvor: Lootboxen, Mikrotransaktionen und all das Teufelswerk der dunklen Seite eben, das dazu gehört. Star Wars Battlefront II verspricht einem jeden Star Wars-Fan riesige Schlachten im beliebten Universum rund um Rebellen, Jedi und Lichtschwertkämpfe. Wie sich kurz vor der Veröffentlichung des Spiels aber herausstellte, waren einige, für Fans des Franchise höchstinteressante Inhalte allerdings hinter einer optionalen Paywall versteckt – beispielsweise die Möglichkeit, im Laufe einer Schlacht als Kultfigur Darth Vader in den Kampf zu ziehen. Dazu sollten zwei voneinander losgelöste Währungssysteme zum Einsatz kommen: Einige dieser Helden musste man entweder mit im Spielgeschehen verdienten Credits freispielen, oder aber man sparte sich die Mühe und investierte Geld in Kristalle, die als Echtgeld-Währung dienten. Dies galt auch für das Progressionssystem des Spiels, in dem sogar noch eine dritte Währung von Relevanz war: Das gesamte Freispielen von beispielsweise neuen Soldatenfähigkeiten war zum Großteil auf ein Lootboxen-System beschränkt, die man ebenfalls mit Credits oder Kristallen erwerben konnte. Hier hatte man nur minimalen Einfluss darauf, welche Art von Freischaltungen man pro Lootbox erhalten würde, was gezielte Progression zu einem schweren Unterfangen machte.
Star Wars Battlefront II lässt euch all eure Star Wars-Schlachtfantasien ausleben – so zumindest die Werbebotschaft.
Um nun noch einmal zu betonen, wie wichtig die Star Wars-Marke für den riesigen Shitstorm, der aufgrund dieser Erkenntnisse aufkam, war: In der Battlefield-Reihe ist es schon seit einigen Ablegern üblich, dass man sich die gesamte Ausrüstung einer der Soldatenklassen für echtes Geld freischalten kann, um sich den langwierigen Prozess des Erspielens zu ersparen, wie es in Battlefront II auch mit beispielsweise den Helden der Fall ist. Und Lootboxen, die spielerische Vorteile beinhalten können, hat EA mit der FIFA-Reihe und dem dortigen populären Modus “Ultimate Team“ fast schon erfunden, und das vor Jahren. Dort sind diese Optionen schon seit geraumer Zeit gesetzt und stoßen nur sehr vereinzelt auf Gegenwind – davon kann man nun halten was man will, vor allem, da speziell Lootboxen und damit verbundene Progressionssysteme in immer mehr Spielen Einzug erhalten, doch wie in der dümmlichen und trägen Gemeinschaft der Videospiel-Fans üblich, braucht es meist ein Extrembeispiel des Sachverhalts und der Popularität als Auslöser, bis sich einmal etwas bewegt. Und wenn es sich dann bewegt, dann handelt es sich bei einem riesigen Prozentsatz der sich beschwerenden Fans um Mitläufer, die nicht einmal wissen, worum es geht. Hauptsache, man hat einen Grund, auf den Trend aufzuspringen und EA als Unternehmen zu beschimpfen – ohne, dass man wirklich begründen könnte, weshalb genau man nun sauer auf diesen Publisher ist. Alleine, dass sich etliche Vertreter dieser Anti-EA-Bewegung nach ihrem Shitstorm als die großen Sieger und Helden gefeiert haben, nachdem die Möglichkeit in Battlefront II, echtes Geld im spieleinternen Store auszugeben, zeitweise abgeschaltet wurde, zeigt mir, wie tief der durchschnittliche IQ der Videospiel-Fangemeinde anzusiedeln ist.
Die gesamte Sachlage und das Verhalten der empörten Fans zeigt letztlich nur eines: Keiner unter ihnen scheint verstanden zu haben, wo das eigentliche Problem hinter den ganzen Vorwürfen zu Battlefront II begraben liegt. Der Masse an Protestierenden geht es dabei nur um zwei Dinge: Es ist EA, also immer kräftig drauf, und das Spiel bietet einem die Option, Geld auszugeben. Nicht das Progressionssystem wird kritisiert, nicht die Design-Gedanken hinter diesem System, nicht die Art und Weise, wie Battlefront II und andere Vertreter dieses Problems den Spieler dazu ermutigen wollen, in Lootboxen und anderem digitalen Content zu investieren, nein, der Protest stürzt sich einzig auf die reine Existenz von Mikrotransaktionen. Etliche empörte Fans scheinen sich noch nicht einmal daran zu stören, was genau hinter einer Paywall versteckt ist – zum Ärgernis verleitet hier einzig der dümmliche und in der Gemeinde der Videospiel-Fans reichlich vertretene Trieb, alles kostenlos entgegen nehmen zu wollen. Und so feiert man sich als Held, weil man der Meinung sei, Battlefront II gerettet zu haben – die Möglichkeit, im Spiel Geld auszugeben, existiert aktuell nicht mehr.
In all dem (von einem Großteil aller Beteiligten unbegründeten) Hass auf EA wird dann auch gerne einmal die Sachlage vollkommen falsch eingeschätzt und eben so hingedreht, wie man es als EA-Hater gerne hätte. So wird Disney dafür gefeiert, EA im Umgang mit der Disney-eigenen Marke in die Schranken verwiesen zu haben. In der Vorstellung vieler Protestierender war der Shitstorm so groß, dass er letztlich auch Disney erreichen konnte – empört über den Umgang von EA mit Star Wars stattete Disney dem großen Publisher einen Besuch ab, stellvertretend für alle Fans auf dieser Welt. “So geht es nicht!“, soll Disney mit erhobenem Zeigefinger auf erhabene Art und Weise zu EA gesprochen haben. Wahre Helden, die endlich erkannt haben, was für ein falsches Spiel EA treibt. Ich komme mir fast schon blöd vor, diese Ereignisse in dieser Form wiederzugeben, doch auf diese Weise wird es tatsächlich von einigen selbsternannten Helden, die der Auffassung sind, sie hätten Battlefront II gerettet und EA fertiggemacht, geschildert. Und wieder einmal machte sich der Scham bei mir breit, in dem ich es klar vermeiden wollte, zuzugeben, dass ich Gefallen an Videospielen finde. Nicht, dass man mich mit derartigen Personen assoziiert.
In Wahrheit sieht der Sachverhalt natürlich vollkommen anders aus. Als Lizenzgeber ist Disney selbstverständlich maßgebend an der Entwicklung sämtlicher Star Wars-Spiele beteiligt. Designentscheidungen können hierbei seitens EA nicht einfach aus dem Bauch heraus getroffen werden – mit anderen Worten: Die Ausrichtung von Star Wars Battlefront II stand seit geraumer Zeit fest und war von Disney als Lizenzgeber abgesegnet. Und marktanalytisch betrachtet macht Battlefront II vor allem für einen Großkonzern wie Disney alles richtig, indem es sämtliche aktuelle Trends der Branche, vor allem im Bereich der Multiplayer-Shooter, astrein umsetzt – all dies in Hinsicht auf die Gewinnmaximierung. Der Grund, weshalb kurz vor der Veröffentlichung des Spiels zurückgerudert wurde, ist natürlich nicht allzu schwer nachzuvollziehen: Vor dem großen Kinostart von “Episode VIII: Die letzten Jedi“, wollte man natürlich keine schlechte Presse rund um das Thema “Star Wars“ generieren. EA und Disney waren dabei traurigerweise schlau und erfahren genug, die Dummheit und Naivität der protestierenden Fans richtig einzuschätzen. Der Tatsache völlig bewusst, wo das eigentliche Problem für Spieler von Battlefront II liegt, entfernten sie kurzerhand die Möglichkeit, Geld in dem Spiel auszugeben. Dies geschah ohne Aufwand seitens der Entwickler und siehe da, wie zu erwarten: Die an der Nase herumgeführten Fans fühlten sich mächtig und zufrieden.
Aufgrund der in diesem Kommentar schon vielgenannten Dummheit, die all die protestierenden Fans in diesem Fallbeispiel erfolgreich an den Tag gelegt haben, fürchte ich, dass sich am eigentlichen Problem, das sich bei weitem nicht auf einzig EA oder gar Battlefront II bezieht, noch lange nichts ändern wird. Denn nennen wir es nun einmal beim Namen: Das Problem ist nicht die Option, in einem Spiel Geld auszugeben, sondern das Design und die Ausrichtung eines Spiels, die um diese Option gestrickt sind. Am wichtigsten ist diese Frage nach der Ausrichtung des Spiels bei Free to Play-Modellen, deren Design bei der Implementierung von Mikrotransaktionen in Vollpreis-Spielen oftmals als Blaupause hergenommen wird. Hier sind Spiele zwangsläufig so gestrickt, dass sie euch potenzielle digitale Wertgegenstände, die ihr euch für echtes Geld kaufen könnt, schmackhaft machen – die gesamte Finanzierung des Spiels lebt schließlich von derartigen Transaktionen. Daran ist prinzipiell auch noch nichts verkehrt, sondern problematisch wird dies erst dann, wenn es den Spielfluss negativ beeinträchtigt – in einem solchen Fall ist dann oftmals von einem unfairen Free to Play-Modell oder gar Pay to Win die Rede. Dass es überhaupt die Möglichkeit gibt, im Spiel Geld auszugeben, ist dort aber natürlich eine Selbstverständlichkeit und stößt auch auf keinerlei Shitstorm, schließlich kann man derartige Spiele in der Theorie kostenlos spielen.
Bei Vollpreis-Titeln sind wir allerdings noch lange nicht an dem Punkt angekommen, an dem die Option, im Spiel Geld auszugeben, von jedermann anerkannt wird. So wird in Extrembeispielen, wie eben zuletzt bei Battlefront II, nie das eigentliche Design, das mit Mikrotransaktionen in Verbindung steht, kritisiert, sondern stets nur die Existenz der Mikrotransaktionen an sich. Das absurde daran ist, dass Mikrotransaktionen in einigen Vollpreisspielen als völlig selbstverständlich angesehen werden und auch nicht weiter negativ auffallen, da die Ausrichtung dieser Spiele nicht um diese Echtgeld-Transaktionen gestrickt ist. Im Grunde besteht bei Spielen wie Overwatch derselbe Kritikpunkt wie das, weswegen die Allgemeinheit bei Battlefront II völlig ausgeflippt ist, nur fällt dies dort nicht negativ auf, da das Design rund um die Lootboxen in Overwatch keinen Störfaktor im Gameplay darstellt. In Battlefront II gibt es einen solchen Störfaktor – dieser wird von der Allgemeinheit aber nicht erkannt. Man erkennt schlicht nicht den Grund, weshalb Mikrotransaktionen in Battlefront II keine gute Sache sind. So protestiert man stumpfsinnig gegen die Mikrotransaktionen selbst, ohne zu bemerken, dass selbst das Entfernen dieser Option, Geld auszugeben, nichts am eigentlichen Störfaktor ändert.
Das gesamte Progressionssystem in Battlefront II ist nicht etwa so ausgerichtet, dass euch das Spiel nach und nach mit allen Gadgets, Soldatenklassen usw. vertraut macht und innerhalb eurer Lernkurve nach und nach neue Tools zur Verfügung stellt, wie es beispielsweise in Battlefield der Fall ist, sondern es basiert rein darauf, euch möglichst oft dazu zu animieren, im spieleinternen Shop vorbeizuschauen. Das traurige ist, dass unter dieser Designentscheidung ein eigentlich gelungener Multiplayer-Shooter leidet – und auch an dieser Stelle bedauere ich einfach die fehlende Fähigkeit meiner spielerbegeisterten Artgenossen, Dinge zu differenzieren.
Durch die hohen Wellen, die Battlefront II aufgrund seiner Mikrotransaktionen in der Öffentlichkeit geschlagen hat, wird das Spiel leider zu großen Teilen lediglich auf diese Option, Geld auszugeben, reduziert. So kommt es, dass ausgerechnet ich, als einer der größten Kritiker unseres Planeten des ersten Star Wars Battlefront aus dem Hause EA, mich schützend vor einige Aspekte des Spiels stellen muss. Mit etlichen Kritikpunkten seines Vorgängers macht Star Wars Battlefront II entweder klar Schiff oder bewegt sich in die richtige und vielerorts gewünschte Richtung. Darüber hinaus steckt ein derart hohes Maß an Liebe fürs Detail seitens der Entwickler in Battlefront II, wie man das nur sehr, sehr selten bei AAA-Produktionen sieht.
Auch ich stehe einigen aktuelle Entwicklungen in der Spielebranche sehr kritisch gegenüber, wie aus diesem Kommentar hoffentlich auch hervorgeht. Aber es ist einfach hin und wieder nicht verkehrt, einmal in sich zu kehren und über mögliche Hintergründe nachzudenken – ab und an einmal Dinge etwas differenzierter zu betrachten. Nicht einfach auf einen Zug aufzuspringen, ohne, dass man wirklich begreift, wo eigentlich die Probleme liegen. Und all diese Lootboxen, Mikrotransaktionen, kostenpflichtigen DLC-Pakete und andere finstere Maßnahmen der Gewinnmaximierung sind nur ein kleines Licht, betrachtet man das größte Problem der Videospielbranche: Die pure Dummheit ihrer Fans.