The Legend of Zelda: Ocarina of Time – Der König der Videospiele Spezial
Geschrieben von Felix Eder am 25.01.2020
1998 war ein ganz besonderes Jahr für Videospielfans: Kracher wie Half-Life und Banjo-Kazooie erblickten das Licht der Welt, große Fortsetzungen wie Resident Evil 2 wurden von Fans gefeiert und Metal Gear Solid verhalf dem in den Kinderschuhen steckenden Stealth-Genre ebenso zu ungemeiner Popularität wie es StarCraft für das Echtzeit-Strategie-Genre tat. Doch ein besonderes Nintendo 64-Abenteuer überragte alle anderen Titel und wurde auch bis heute noch nicht vom Thron des bestbewerteten Spiels aller Zeiten gestoßen: The Legend of Zelda: Ocarina of Time.
Pünktlich zur Weihnachtszeit erschien am 11. Dezember 1998 das erste 3D-Zelda in Europa. Bis zu der Veröffentlichung war es jedoch ein langer Weg: Bereits 1995 wurde The Legend of Zelda: Ocarina of Time angekündigt, das Spiel war zu der Zeit jedoch noch in der frühen Entwicklungsphase. Nachdem das parallel entwickelte Super Mario 64 bereits in der ersten Jahreshälfte 1996 fertiggestellt wurde, konzentrierten sich die großen Namen im Entwicklerteam wie Mario- und Zelda-Erfinder Shigeru Miyamoto, Komponist Koji Kondo sowie der leitende Entwickler Yoshiaki Koizumi voll und ganz auf das große Zelda-Projekt.
Ocarina of Time war nicht nur von der Speichergröße, sondern auch von der Anzahl der Entwickler her das umfassendste Spiel, das Nintendo bis zu jenem Zeitpunkt je entwickelt hatte. Eine Größe von 32 Megabyte mag heutzutage extrem wenig klingen, doch damals hatte kein anderes Nintendospiel bislang derart viel Speicherplatz benötigt. Nur dank exzellenter Komprimierungsarbeit konnte schlussendlich eine zwingende Veröffentlichung auf dem 64DD-Erweiterungsgerät für den Nintendo 64 vermieden werden. Auch war von den Entwicklern zunächst, um Speicher zu sparen, eine Oberwelt wie in Super Mario 64 angedacht gewesen, bei welcher Link, ähnlich wie Mario im Schloss von Peach, durch die aufgehängten Bilder in Ganondorfs Schloss springen sollte, um in Welten zu gelangen. Überbleibsel dieser Idee wurden im einzigartigen Bosskampf des Waldtempels verwendet, bei welchem sich Phantom-Ganon durch Bilder hindurch teleportiert, um Link das Leben schwer zu machen.
Nachdem zunächst verschiedene Kampfsysteme, wie das Anzeigen der Kämpfe im 2D-Stil, ähnlich wie in Zelda II: The Adventure of Link, oder in der (von Shigeru Miyamoto vorgeschlagenen) Ego-Perspektive angedacht waren, entschieden sich die Entwickler schließlich für eine Third-Person-Perspektive. Der ausschlaggebende Grund hierfür war das Konzept der Zeitreise und dem damit verbundenen Wechseln zwischen dem jungen und dem (beinahe) erwachsenen Link – eine visuelle Sichtbarkeit des Charakters wurde hierbei als sehr wichtig eingestuft. Mitten während der Entwicklungsphase wurde schließlich Eiji Aonuma, der Producer der meisten aktuellen Zelda-Spiele, zur Verstärkung ins Boot geholt. Für den heute 56-jährigen Japaner war Ocarina of Time das erste Zeldaspiel, an welchem er aktiv mitgewirkt hatte und für welches er zahlreiche großartige Dungeons, Rätsel sowie Bosse entworfen hatte. Nach einer langen Entwicklungszeit erschien The Legend of Zelda: Ocarina of Time letztlich erst am 21. November 1998 in Japan, zwei Tage später in Amerika und knapp drei Wochen danach schließlich in Europa. Sofort konnte das Spiel unzählige Käufer nächtelang an den Bildschirm bannen und einprägende Videospielerlebnisse hinterlassen.
Werden Fans nach Kritikpunkten gefragt, so wird es einige geben, die Navi erwähnen, welche nicht selten aufgrund ihrer ständigen „Hey, listen!“-Rufe als nervigster Charakter im Zelda-Universum bezeichnet wird. Navi ist die Fee, welche in Ocarina of Time der ständige Begleiter von Link ist. Anders als die Kokiri im Anfangsdorf Kokiri-Wald, wurde Link als Hylianer nicht mit einer Fee geboren und erhält diese als Unterstützung, um Gerudo-König Ganondorf aufzuhalten. Navi kann als erster Partnercharakter in der Zelda-Reihe bezeichnet werden – in den darauffolgenden vier 3D-Zelda-Spielen hatte Link stets einen anderen Partnercharakter. Diese waren auch meist mit deutlich mehr Persönlichkeit ausgestattet, wie beispielsweise Midna in Zelda: Twilight Princess. Was macht nun aber Navi zu solch einem wichtigen Charakter?
Die Entwickler von Zelda: Ocarina of Time mussten erstmals mit der Aufgabe fertig werden, Kämpfe in einem dreidimensionalen Raum darzustellen. Da das Kämpfen einen nicht unwichtigen Teil von Zelda ausmacht, ergab sich das Problem, dass, anders als in 2D-Umgebungen, derart viele Angriffsrichtungen möglich sind, wodurch die Tester im Entwicklerteam Schwierigkeiten hatten, im Eifer des Gefechts die Gegner genau und richtig zu treffen. So entstand die damals revolutionäre Idee, einzelne Gegner mit einem Knopfdruck dauerhaft anzuvisieren, um sich nicht mit punktgenauen Richtungseingaben rumschlagen zu müssen, um Gegner treffen zu können. Das Konzept des Z-Anvisierens wurde von Miyamoto und Koizumi entwickelt und ist seither der Standard in zahlreichen nachfolgenden Videospielen unterschiedlichster Entwicklerstudios. Ursprünglich wurde ein ganz gewöhnlicher Marker zum Z-Anvisieren verwendet, doch erst dank Koizumi wurde dieser Marker in der Entwicklung durch die lebhafte Fee Navi ausgetauscht, deren Name vom Wort „Navigation“ abgeleitet werden kann. Auch wenn es zunächst nicht so scheinen mag: Im Endeffekt ist Navi einer der nützlichsten Charaktere im Videospieluniversum und wird für immer als jene Begleiterin in Erinnerung bleiben, die das Kampfsystem in Videospielen revolutioniert hat.
Neben dem Z-Anvisieren nahm The Legend of Zelda: Ocarina of Time auch in einigen anderen Bereichen – wie der herausragenden, automatischen Kamera, dem praktischen, individuellen Button-Layout für Items, dem automatisierten Sprung-System zur vereinfachten Fortbewegung oder der damals besonders ausgereiften 3D-Open World – eine Vorreiterrolle ein, die spätere Videospiele stark prägte. In vielerlei Hinsicht führte Ocarina of Time neue Elemente in die 3D-Videospielwelt ein oder perfektionierte bestehende Mechaniken. Doch abgesehen davon gibt es noch zahlreiche weitere Gründe, wieso dieses Spiel von Videospielfans besonders geliebt wird.
The Legend of Zelda: Ocarina of Time spielt nicht in einer völlig neuen Welt und bietet nicht ausschließlich völlig neue Spielmechaniken. Vielmehr setzt das Spiel teils Altbekanntes aus der Zeldareihe perfekt in einer neuen 3D-Welt um: Das Open-World-Gefühl konnten Spieler bereits damals, 1986, mit The Legend of Zelda erleben, Dungeons gab es zuvor ohnehin bereits in jedem Zelda-Teil, einige ikonische Musiktracks wie „Zeldas Wiegenlied“ oder „Fairy Fountain“ konnten bereits in Zelda: A Link to the Past gehört werden und auch mit zahlreichen Orten in Ocarina of Time wie Kakariko, dem Hylia-See, dem Todesberg oder den verlorenen Wäldern waren Spieler bereits im SNES-Ableger bekannt gemacht worden. Untermalt wurde das neue 3D-Erlebnis aber wiederum mit zahlreichen Zwischensequenzen, die in Echtzeit gerendert werden und sich so beispielsweise abhängig von den gerade getragenen Klamotten unterscheiden können – zum damaligen Zeitpunkt war dies alles andere als üblich.
Was das Spiel so besonders macht, ist einerseits die unglaubliche Abwechslung und andererseits die gewisse Nintendo-Magie, die zahlreiche Spieler verspürten, als sie den Titel zum ersten Mal starteten. Der magische Titelbildschirm, das Kennenlernen der Charaktere im Kokiri-Wald, die erste Begegnung mit dem Deku-Baum, der waghalsige Sprung durch den Spinnennetz-Boden im ersten Dungeon, das erstmalige Betreten der riesigen hylianischen Steppe bzw. Ebene von Hyrule, das Entdecken der wunderschönen Lon Lon-Farm und der singenden Malon, das Verlaufen in den verlorenen Wäldern, die erste Begegnung mit Prinzessin Zelda, das Geheimnis rund um Shiek, das Lernen der eingängigen Melodien auf der Okarina der Zeit, die erste Zeitreise in eine kaum wiederzuerkennende Welt, das Verzweifeln im Wassertempel, das Erkunden von unheimlich gruseligen Gräbern und Brunnen, das entspannte Angeln im Fischweiher oder schließlich die epische finale Begegnung mit Ganondorf – das Spiel bietet derart viele tolle Momente, die ihresgleichen suchen.
The Legend of Zelda: Ocarina of Time wurde in einigen Revisionen neu auf den Markt gebracht: Einerseits verfügte die Ursprungsversion des Spiels beim Besiegen von Ganondorf über rotes Blut, das später in grünes Blut umgeändert wurde, und über angeblich versehentlich benutzte Tonaufnahmen islamischer Gebete, die in den Nachfolgeversionen aus dem Feuertempel entfernt wurden. Auch sehr kontrovers war, selbst für die damalige Zeit, der sexistische Werbespruch: „Willst thou get the girl? Or play like one?“ („Wirst du das Mädchen bekommen? Oder wirst du wie eines spielen?“), der rasch durch den Spruch „Willst thou soar? Or willst thou suck?“ („Wirst du triumphieren oder wirst du scheitern?“) ersetzt wurde. Auf dem Nintendo GameCube sowie auf der Virtual Console der Wii und Wii U erschienen Ports des Spiels, während das erste und bislang einzige Remake von Ocarina of Time in neuer Grafikpracht und mit neuen Funktionen, die dank zweier Bildschirme möglich wurden, 2011 für den Nintendo 3DS veröffentlicht wurde. Alle Versionen des Spiels seit dem Nintendo GameCube haben zudem ein verändertes Muster auf dem Spiegelschild, da das ursprüngliche Muster dem islamischen Mond und Stern sehr ähnelte. Sowohl auf dem Nintendo GameCube, wo das Spiel in limitierten Bundles mit anderen Zeldateilen erhältlich war, als auch auf dem Nintendo 3DS ist der neue Master Quest-Modus enthalten. Dieser beinhaltet eine abgeänderte Version des Hauptspiels, auch Ura Zelda genannt, die ursprünglich als Erweiterung für das 64DD-Erweiterungsgerät geplant war, aber damals nie das Licht der Welt erblickte. Inklusive 3D-Remake kommt The Legend of Zelda: Ocarina of Time auf über zwölf Millionen verkaufte Einheiten und muss sich in der Hinsicht lediglich dem neusten Meisterwerk, The Legend of Zelda: Breath of the Wild, knapp geschlagen geben.
Auch nicht unerwähnt bleiben darf der Nachfolger, The Legend of Zelda: Majora's Mask, welchen es ohne Aonuma wohl nie gegeben hätte. Da aus dem großen Verkaufserfolg von Ocarina of Time Kapital geschlagen werden sollte, war ursprünglich geplant, so rasch wie möglich ein Add-on zu veröffentlichen. Aonuma schlug jedoch vor, ein neues Spiel zu entwickeln, anstatt an einer simplen Erweiterung für Ocarina of Time oder an Ura Zelda rumzuwerkeln. Shigeru Miyamoto erlaubte Aonuma die Entwicklung eines eigenständigen Nachfolgers nur unter der Bedingung, innerhalb eines Jahres fertig zu werden. Trotz dieser schier unmöglichen Aufgabe nahm Aonuma das Ultimatum an und entwickelte mit seinem Team unter großem Zeitdruck und der bereits bestehenden Engine erfolgreich einen düsteren Nachfolger, der in einigen Bereichen wie den Nebenquests, den Persönlichkeiten der Charaktere oder der Lebhaftigkeit der Oberwelt das nur 18 Monate zuvor erschienene Zelda: Ocarina of Time sogar übertreffen konnte.
Bald wird es zehn Jahre her sein, seitdem die letzte Veröffentlichung einer Version von Zelda: Ocarina of Time erfolgt ist (oder fünf Jahre, wenn man die Virtual Console-Veröffentlichung auf der Wii U 2015 hinzuzählt) – seit 1998 gab es noch nie eine derart lange Zeit ohne Wiederveröffentlichung. Da mit der Nintendo Switch zum Teil eine völlig neue Generation an Spielern in Berührung mit Videospielen kommt, wäre es schön, wenn Nintendo den neuen, jungen Spielern den „König der Videospiele“ zugänglich machen würde – im idealen Fall als umfangreiches Remake in neuer HD-Optik, mit einer detaillierteren Welt und orchestrierten Musikarrangements. Jeder sollte dieses legendäre Stück Videospielgeschichte zumindest einmal selbst erleben und genießen können. Denn eines ist klar: Auch über 20 Jahre nach der Erstveröffentlichung auf dem Nintendo 64 kann The Legend of Zelda: Ocarina of Time die Massen begeistern und hat weder Ruf noch Glanz eingebüßt – ein zeitloser Klassiker!