Aber muss man ansonsten auf die Ego-Perspektive wechseln, um richtig Gruselatmosphäre zu erreichen, so wie es mir beim Lesen dieses Berichtes den Anschein macht? Daß 1st Person das absolut Beste für eine gelungene Horroratmosphäre ist? Das ist der größte Unsinn den ich je gehört habe. Ego-Perspektive ist ein Produkt der Faulheit der Entwickler. Sie müssen sich keine Gedanken um Charaktermodelle und -animationen machen. In vielen Spielen erfährt man nicht einmal, wie das eigene Selbst aussehen soll, so spart man sich das Charakterdesign sogar komplett. So etwas verzeihe ich Indie-Entwicklern, weil 3rd-Person schwieriger umzusetzen ist und sie oft nicht die Mittel oder das Knowhow haben. Aber von Firmen wie Capcom, die in Geld und Möglichkeiten schwimmen, erwarte ich mehr als Resident Evil 7 in die Ego-Perspektive zu setzen, um nach Jahren mal wieder Grusel zu erzeugen, weil sie es scheinbar verlernt haben.
Und die Ego-Perspektive soll also suggerieren, daß ich der Held des Spiels bin?... das funktioniert!! leider überhaupt nicht Das fängt damit an, daß ich mir vorkomme wie eine schwebende Kamera mit Scheuklappen. In der Realität hat man einen fast 180° Blickwinkel. Auch wenn man zur Seite hin nicht genau sieht, nimmt man doch Dinge wahr. Nicht so bei einer, auf einen kleinen Bildschirm beschränkten Ego-Perspektive. Dazu kommt, daß die Figur nur selten einen Körper hat und selbst wenn, ist die Sicht auf diesen deutlich unrealistisch. Wenn ich nach vorne schaue, sehe ich meine Brust und einen Teil der Schulten, auch die Arme wenn sie sich zum Beispiel beim Laufen bewegen. Stattdessen sieht man meist nur eine Wackelkamera. Das Wackeln soll Laufen darstellen, aber auch wenn man im echten Leben beim Laufen wackelt, nimmt man das nur sehr bedingt wahr, weil das Gehirn die Bewegung optisch ausgleicht.
Dazu kommt, daß diese Person im Spiel nicht ich ist. Sie redet nicht wie ich, sie trifft nicht die Entscheidungen die ich treffen würde, sie handelt ganz anders. Dazu kommt noch, daß man oft in Objekte mit denen man interagiert förmlich reinkriechen muss, oft nur um sie genauer anzuschauen, was in der Realität so nicht nötig ist. Ego-Perspektive ist für mich der unrealistischste Mist, den es gibt. Es ist nicht so, daß ich solche Spiele nie Spiele. Es gibt viele die trotz dessen gut sind. White Day fand ich zum Beispiel super. Aber ich ziehe mir eine gute 3rd-Person-Perspektive deutlich vor.
3rd-Person
Die 3rd-Person-Sicht versucht gar nicht erst mir weis zu machen, ich wäre jemand, der ich nicht bin. Sie gibt mir einen Charakter, der so ist, wie er eben ist und in den ich mich hinein versetzen kann. Ich weiß wie er aussieht, sich bewegt und handelt. Ich kann ihn einschätzen. Und Atmosphäre und Grusel raubt dies in keinster Weise, eher im Gegenteil. Erwähntes RE2 beispielsweise verstärkt Atmosphäre dadurch, daß verletzte Charaktere sich entsprechend bewegen, die Kleidung kaputt ist und der Charakter im Laufe des Spiels verständlicherweise immer dreckiger wird. Man bekommt das Gefühl daß der Charakter ein Mensch ist, ein echter Mensch, den man so verletzt nicht herum laufen lassen möchte. Man bekommt Mitgefühl und kann sich auch in die bedrohliche Situation besser einfühlen. Dieses Feature gab es übrigens schon im allerersten Resident Evil.
Und es gibt Horror-Spiele die mit 3rd-Person ganz hervorragend funktionieren, wie etwa Dread Out, ein Indie Survival Horror, daß in seinem Gameplay an Project Zero anlehnt. Mit dem Smartphone der Protagonistin, kann man sogar auf Wunsch in eine quasi Ego-Perspektive wechseln. Da es aber die Sicht aus dem Smartphone ist, also aus einer Kamera, ist es nicht so unrealistisch, wie eine normale Ego-Perspektive. Project Zero selbst begann mit einem Mix aus 3rd-Person und fester Kamera und setzte später komplett auf 3rd-Person. Auch Silent Hill setzte Anfangs auf diesen Mix und auch in dieser Reihe gab es später volle 3rd-Person Spiele. Ist es dadurch weniger gruselig geworden? Nicht im geringsten. Obscure 1 und 2 setzten ebenfalls auf 3rd-Person und waren saugruselig und das obwohl wir sie sogar komplett zu zweit durchgespielt haben. Multiplayer versaut auch oft die Gruselatmosphäre, aber wie man sieht, kann auch das bestens funktionieren. The Evil Within ist auch 3rd Person und hat für viele prima funktioniert. Mich konnte es leider nicht erreichen. Organgematsche ist ekelig, aber nicht gruselig und dumme, fragwürdig handelnde Charaktere jagen mir eher auf eine Weise Angst ein, die nicht sein sollte. Daß 3rd-Person Grusel raubt, ist also absoluter Blödsinn, man muss - aber das trifft auf alle Genres zu - es nur richtig machen.
Schulterblick
Was ich auch nicht so gerne mag, ist der Schulterblick. Was habe ich Resident Evil 4 gehasst... aber das lag nicht nur am Schulterblick, sondern auch an anderen Elementen des Spiels, auf die ich hier nicht weiter eingehen möchte. Diese Perspektive klebt meistens viel zu nah am Charakter. Dabei fühle ich mich deutlich unwohl und meistens ist er auch im Weg. Denn eigentlich ist es das gleiche wie eine Egoperspektive, nur daß ein Charakter in einer BIldschirmecke klebt und fast einen Viertel des Blickfeldes verdeckt. Das hat sich im Laufe der Zeit zwar verbessert, RE2 zum Beispiel löst das ganz gut, da es kein reiner Schulterblick ist, sondern eher 3rd-Person und nur zum Schießen in den Schulterblick wechselt. Aber normales 3rd-Person ist und bleibt mir am liebsten.
Und VR?
Man könnte jetzt sagen VR ist realistischer, weil es die Sichteinschränkungen, die ich oben bei der Ego-Perspektive erwähnte nicht hat. Stimmt sicher. Aber dummerweise ist VR ein voller Reinfall. Denn eigentlich ist es gar keine Virtuelle Realität, sondern ein Bildschirm vor den Augen mit einer bewegungssensitiven Kameraführung im Spiel. Nicht mehr und nicht weniger. Das Problem dabei? Das was ich auch bei Ego-Perspektiven oft bekomme, wenn sie es eben nicht richtig machen... Motion Sicknes. Warum kriegt man das überhaupt? Das ist einfach, kann man mit Seekrankheit vergleichen. Seekrankheit entsteht, weil der Körper spührt, wie sich das Schiff bewegt. Da man sich aber mit dem Schiff gemeinsam bewegt, sieht man die Bewegung nicht. Gleichgewichtssinn sagt: Der Boden schwankt, Sehsinn sagt: Da schwankt nix. Ein Konflikt entsteht und äußert sich in Übelkeit, Kopfschmerz und Schwindel. Bei Motion Sickness ist es das genaue Gegenteil.
VR mit Brille und Kopfhörern bedient lediglich zwei von all unseren Sinnen: Sehen und Hören. Im Beispiel von Resident Evil 7 lässt sich das ganz gut veranschaulichen. An einer Stelle muss man durch eine dreckige Ekelplärre durch, wo die Decke äußerst nah über einem ist. Nur ein kurzer Abstand zwischen dem Wasser und der Decke lässt zu, daß Du Deinen Kopf aus dem Wasser streckst. Deine Augen sagen: Dir müsste kalt sein, da ist Wasser um Dich herum, Du müsstest einen Widerstand beim Bewegen bemerken, es stinkt vermutlich auch abartig, wenn Du nach oben greifst, ist da eine Decke... aber da ist NICHTS, gar nichts. Der Körper sagt: Dir ist nicht kalt, da ist kein Wasser, nichts stinkt und die Decke ist gar nicht da... also das genaue Gegenteil, ein Konflikt entsteht, uns wird schwindelig, wir bekommen Übelkeit und Kopfschmerzen. Logisch oder? Gibt viele Menschen, auf die das scheinbar keine Wirkung hat, aber auch sehr viele, wie wahrscheinlich auch mich, die davon geplagt werden. Habe selbst VR noch nie probiert, aber da ich schon bei größeren Bildschirmwacklern wegschauen muss, um keine Kopfschmerzen zu bekommen (Auge sagt: ERDBEBEN!! Körper sagt: Nö, Du sitzt gemütlich im Sessel), brauch ich das erst gar nicht probieren.
Ego-Perspektive und VR sind Augenwischerei, die es einfach machen eine gruselige Atmosphäre zu erzeugen. Wenn es um Dich herum dunkel ist, kriegst Du schließlich von ganz alleine Angst. Das ist der nächste Irrtum. Gruselig, muss nicht immer dunkel sein. Habe bei Disaster Report auch teilweise das Gruseln bekommen und das ist eigentlich noch nicht mal ein Horror-Spiel. Eine Menschenleere Großstadt, in der jederzeit ein Haus auf mich niederstürzen könnte, ist ebenfalls sehr angsteinflößend und da braucht es keine Nacht und keine Monster.
Anders, aber genauso super!
Sanitarium zum Beispiel setzte auf eine Vogelperspektive und war ein Adventure! Bei Haunting Ground war es auch selten wirklich dunkel und man hatte einen tierischen Begleiter, trotzdem war es gruselig! Corpse Party hatte niedliche Anime-Charaktere und trotzdem war kaum ein Horror-Spiel brutaler und gruseliger, vor allem der pixelige RPG-Maker-mäßige erste Teil. Vor wenigen Tagen habe ich das frisch erschiene Heaven Dust angefangen, was sich sehr offensichtlich bei Resident Evil bedient und ich finde es toll! Und das obwohl man eine Vogelperspektive hat und oft gleich mehrere Räume auf einen Blick sehen kann.
Gruselige Pixel!
Auch pixelige Spiele können gruseltechnisch auf voller Bahn überzeugen. Lone Survivor wurde ja im Bericht schon genannt. Aber es gibt auch viele weitere die genauso genial sind. Final Station, Count Lucanor oder Viviette zum Beispiel. Was ich auch super fand war Soundless Mountain 2, leider kam es nie über eine Demo hinaus. Das war ein Demake! Also jemand hat sich Silent Hill 2 geschnappt und das in ein Pixelspiel umgesetzt! Es hat dabei keinen Charme verloren, höchstens gewonnen. Es war anders, aber nicht weniger beeindruckend.