Stardew Valley: Überzeugendes Farmspiel in Retro-Optik

  • Tofu

Stardew Valley hat sich längst einen Namen unter den Farm-Simulatoren gemacht. Mit der 2D-Retro-Grafik zieht es weltweit Spieler in seinen Bann und bietet mit 40-70 Stunden Spielzeit jede Menge Inhalte. Wie gut ist das Indie-Spiel auf der Nintendo-Plattform? Das kläre ich in meinem Lesertest.


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Unser neues Leben auf dem Land


Der Einstieg ist schnell erklärt: Frustriert vom stressigen Arbeitsalltag in einem Großraumbüro übernehmen wir kurzerhand die alte Farm unseres verstorbenen Großvaters. Im Sternentautal werden wir vom örtlichen Bürgermeister begrüßt und finden einen überwilderten Hof vor. Wir ahnen bereits, dass uns viel Arbeit bevorsteht, um das Grundstück wieder aufblühen zu lassen.


Wir beginnen mit Aufräumarbeiten. Mit Spitzhacke, Axt und weiteren Werkzeugen schaffen wir Platz für die ersten Felder und pflanzen Saatgut in den Boden. Die Ernte bringt uns Geld ein, mit dem sich der Hof vergrößern lässt. Später errichten wir Ställe für Hühner, Schweine, Schafe und andere Nutztiere. Jeden Tag kümmern wir uns routiniert um notwendige Aufgaben auf dem Bauernhof: Saat ausbringen, gießen, ernten, Kühe melken, Futtertröge auffüllen und so weiter.


Ein Tag im Spiel dauert etwas mehr als zehn Minuten. Nachts wird der Spielstand automatisch gespeichert. Nach 28 Spieltagen wechselt die Jahreszeit. Wie im echten Leben durchleben wir Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Zu jeder Jahreszeit sprießen andere Pflanzen. Lediglich im Winter wird es ruhiger auf unserem Hof. Dann haben wir mehr Zeit für die zahlreichen Nebentätigkeiten, die uns das Spiel bietet und denen wir sonst erst nachmittags, nach getaner Arbeit auf unserer Farm nachgehen.


So erkunden wir beispielsweise alte Minenschächte und arbeiten uns Ebene für Ebene auf der Suche nach Erzen tiefer. Diese benötigen wir für die Herstellung von Gegenständen oder zum Ausbau unserer Farm. Im Dunkeln hausen jedoch feindselige Kreaturen, welchen wir mit einem rudimentären Kampfsystem begegnen. Mit simplem Klicken schlagen wir mit einem Schwert zu oder feuern mit einer Steinschleuder auf die Gegner. Die Auseinandersetzungen zwingen allerdings nur selten zur Flucht. Erst im späteren Spielverlauf warten noch anspruchsvollere Herausforderungen unter Tage. Ein vollwertiger Dungeon-Crawler steckt jedoch nicht in Stardew Valley. Hier hat das Spiel Potenzial verschenkt.


Oberirdisch können wir beim Angeln entspannen. Mit klassischen Minispielen ziehen wir Fische aus dem Wasser. Auf der Suche nach bestimmten Fischarten spielt nicht nur das Gewässer, sondern auch Jahreszeit und Wetter eine Rolle. Je mehr Lebewesen anbeißen, desto besser werden unsere Fähigkeiten. Das gilt auch für andere Bereiche, wie die Hofarbeit, das Kämpfen oder das Abbauen von Mineralien in der Mine. Gelegentlich schalten wir dabei neue Crafting-Rezepte oder Spezialisierungen frei.


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Im angrenzenden Ort namens Pelikan wuseln zahlreiche Bewohner umher und gehen ihren täglichen Aufgaben nach. Darunter finden wir auch einen Händler für Saatgut, einen Schmied, der unsere Werkzeuge aufwerten kann und eine Schreinerin, die wir mit dem Errichten neuer Hofgebäude beauftragen. Besuche müssen wir in unseren Tagesablauf einplanen, um nach Ladeschluss oder einem Ruhetag nicht vor verschlossenen Türen zu stehen.


Jeder Einwohner Pelikans verfügt über eine eigene Geschichte. Um in Gesprächen und Zwischensequenzen mehr über eine Person zu erfahren, können wir uns mit dieser anfreunden, indem wir uns mittels Geschenken oder dem Erfüllen von zufälligen Aufgaben die Gunst erkaufen. Mit welchen Präsenten wir die Zuneigung erlangen, müssen wir durch Ausprobieren herausfinden. Gelegentlich erhalten wir nützliche Hinweise vom Spiel. Unser persönlicher Liebling lässt sich heiraten und zieht dann im Bauernhaus ein. Das Spiel toleriert dabei auch gleichgeschlechtliche Beziehungen.


Trotz der individuellen Ausgestaltung bleibt in Sachen Charaktertiefe deutlich Luft nach oben. Viele Charaktere wirken sehr oberflächlich und bedienen Stereotype. So gibt es den Sportfanatiker, die Alkoholabhängige oder den grimmigen Rentner.


Über das Jahr verteilt finden verschiedene Veranstaltungen in der Ortschaft Pelikan statt. Diese hauchen der Spielwelt nicht nur mehr Leben ein, sondern beinhalten auch Minispiele, spezielle Händler, Belohnungen und neue Gesprächsoptionen. Wann diese terminiert sind, verrät uns ein Blick in den Kalender oder nicht selten eine postalische Ankündigung im Postkasten vor unserem Bauernhof.


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Zwei Einrichtungen in Pelikan lassen die Sammelleidenschaft in uns aufleben. Um das Gemeindezentrum zu renovieren, müssen wir eine mysteriöse Spezies, die sich in dem verfallenen Haus eingenistet hat, mit vielen verschiedenen Gegenständen versorgen. Das motiviert uns, unseren Hof vielseitig zu betreiben und auch den Nebentätigkeiten nachzugehen. Im Spielverlauf schalten wir dadurch unter anderem neue Gebiete frei. In eine ähnliche Richtung zielt auch das Museum in Pelikan. Dem Museumleiter Gunther helfen wir sein zufälligerweise zu Beginn des Spiels komplett leeres Gebäude mit Artefakten und Mineralien zu füllen.


Motivation durch spürbare Fortschritte


Die Entwickler schaffen es über die gesamte Spielzeit für Spielspaß zu sorgen. Dafür sorgen zu einem großen Teil die spürbaren Fortschritte. So sorgt der Bau eines Hühnerstalls zum Beispiel nicht nur für eine zusätzliche Einnahmequelle, sondern bringt auch neue Aufgaben mit sich. Das verändert das Spielgefühl. Weitere Verbesserungen schalten zusätzliche Tierarten frei und erleichtern durch Automation die Arbeit, wodurch wir wieder mehr Zeit für andere Tätigkeiten gewinnen. Mit einer aufgewerteten Gießkanne können wir eine größere Fläche bewässern. Später nehmen uns Sprinkleranlagen das Gießen ab. Ein Pferd oder die Reparatur der Minenkarren ermöglichen schnelleres Vorankommen. Diese belohnenden Mechaniken ziehen sich durch das gesamte Spielgeschehen.


In meinem Spieldurchlauf habe ich versucht, jeden Tag so optimal wie möglich zu gestalten. Nach der Arbeit auf dem Hof bin ich in die Mine oder zum Angeln geeilt. Auf dem Weg habe ich noch Geschenke verteilt oder einen Gegenstand im Museum vorbeigebracht. Nicht selten lag ein Notizblock neben meinem Bildschirm. Mit einem Blick ins Stardew Valley-Wiki im Internet lässt sich das Farmerleben weiter perfektionieren. Davon rate ich allerdings ab. Das raubt dem Spiel zumindest im ersten Durchlauf die Freude über eigene Entdeckungen und Erkenntnisse. Perfektionismus ist zudem nicht notwendig. Stardew Valley gibt kein Spieltempo vor. Es ist irrelevant, ob wir einen Meilenstein erst früher oder später erreichen. Wir können uns auch einfach von der atmosphärischen und liebevoll gestalteten Spielwelt und dem entspannenden Soundtrack treiben lassen.


In den 40-70 Stunden Spielzeit steckt viel drin. Aber auch eine Langzeitmotivation ist geboten. Wer möchte, kann über die lose Story hinaus weiter an der idealen Farm arbeiten, sich in der Dekoration des eigenen Grundstücks verlieren oder einen neuen Spielstand starten. Dank verschiedener Bauernhoftypen bietet Stardew Valley Wiederspielwert. Wie wäre es mit einem Agrarbetrieb auf zerklüfteten Inseln oder im Gebirge? In den vergangenen Jahren wurde der Titel durch kostenlose Updates erweitert. Es ist davon auszugehen, dass auch in Zukunft neue Inhalte bereitgestellt werden.


Wer möchte, muss sich nicht allein ins Abenteuer Farmleben stürzen. Virtuelle Bauern können auch mit Freunden zusammen Gemüse anpflanzen und das Sternentautal erkunden. Den Multiplayer-Modus habe ich für diesen Test jedoch nicht unter die Lupe genommen.


Stardew Valley läuft flüssig


Die technische Umsetzung macht uns keinen Strich durch die Rechnung. Beim Test auf der Nintendo Switch OLED und der Nintendo Switch Lite lief Stardew Valley durchgehend flüssig und ohne nennenswerte Fehler. Leider merkt man der Portierung an, dass das Spiel ursprünglich für den PC entwickelt wurde. Das macht sich insbesondere in den Menüs bemerkbar. Die Steuerung fühlt sich dort manchmal hakelig an. Dass es hier cleverere Lösungen für Nintendo-Fans gibt, zeigen andere Spieleentwickler.

Mein Fazit

7

Spaßgarant

Meinung von Tofu

Die Stardew Valley-Macher legen eine gelungene Farm-Simulation aufs Parkett. Neben der Hofarbeit bieten zahlreiche Nebenbeschäftigungen eine abwechslungsreiche Erfahrung. Spürbare Fortschritte sorgen für langanhaltenden Spielspaß in der Retro-Welt. Genre-Fans werden hier als virtueller Landwirt voll aufgehen, aber auch für Genre-Neulinge ist Stardew Valley einen Blick wert. Trotz der grandiosen Basis bleibt Luft nach oben. Oberflächliche Charaktere und ein rudimentäres Kampfsystem verdienen mehr Tiefgang.

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