Hammerharter Action-Platformer setzt kreative Maßstäbe

Vor wenigen Monaten gab uns das kleine deutsche Entwicklerstudio Asylum Square Interactive die Möglichkeit, seinen neuesten Retro-Platformer Tiny Thor via der PC-Plattform Steam auszuprobieren. Eine Nintendo Switch-Fassung war damals ebenfalls in Planung, sollte uns aber erst etwas später erreichen und sich an den herausragend positiven Bewertungen der PC-Version messen. Wir durften uns die Reise des pixeligen Thors nun auch auf dem Hybriden anschauen. Ob der Platformer eine Reise in die nordische Mythologie wert ist, erfahrt ihr deshalb in den folgenden Zeilen.


Spätestens nach den Comics und späteren Marvel-Verfilmungen des Donnergottes Thor ist unser Hammerbruder aus der Popkultur nicht mehr wegzudenken. Gewappnet mit Mjölnir beschützt der gefürchtete Sohn Odins die Welt der Menschen, welche in der nordischen Mythologie als Midgard bezeichnet wird. Um die Menschen per se soll es in Tiny Thor allerdings nicht gehen, das ist an seinem achten Geburtstag nämlich noch Zukunftsmusik. Stattdessen soll der junge Thor seinen wichtigen Tag genießen. Voller Elan und Vorfreude auf den großen Tag hüpft unser pixeliger Retro-Held aus seinen Federn und begegnet nach kurzer Zeit seinem stolzen Vater, welcher ihm als Geburtstagsgeschenk den legendären Hammer Mjölnir überreicht. Seine ganze Familie und sein Freundeskreis erwarten ihn bereits zur Geburtstagsparty, zu welcher unser junger Gott aber wohl erst sehr viel später erscheinen wird. Denn auf dem Weg zur Feier fällt Thor von der Regenbogenbrücke und wird von zwei hilfreichen Raben geborgen. Später stellt sich heraus, dass Loki hinter dem Verschwinden der Brücke steckt und die Siegel stiehlt, welche diese Brücke aufrechterhalten. Nun liegt es an Thor, die nordischen Landschaften zu bereisen und die Siegel zurückzuholen, bevor Loki mit ihnen das Ragnarök, also den Weltuntergang, auslösen kann.


Thor macht sich auf den Weg zu seiner Geburtstagsparty und erlebt schon bald sein aufregendstes Abenteuer

© Asylum Square Interactive

Bewaffnet mit seinem Hammer lauft ihr als Thor anfangs mit einem noch sehr übersichtlichen Paket aus Fähigkeiten durch die zweidimensionalen Retro-Level, die vor allem zu Beginn sehr zugänglich sind und als Tutorial dienen. Habt ihr also schon Platformer-Erfahrung, werdet ihr wenig Neues kennenlernen und die Level im 5-Minuten-Takt abschließen, die Rätsel sind übersichtlich, die Gegner mit Leichtigkeit aus dem Weg zu räumen und für die Rätsel müsst ihr keine grauen Hirnzellen aus den hintersten Archiven zerren. Dann aber zieht Tiny Thor in seiner Schwierigkeit kontinuierlich an und wird zu einem sehr knackigen Action-Platformer mit starkem, schnellem Trial-and-Error-Prinzip.


Während Tiny Thor mit den Platformer-Passagen prinzipiell keinen frischen Wind ins Genre pustet, sticht der Hammerwurf umso stärker heraus. Ähnlich wie in Super Metroid bleibt ihr beim Wurf auf der Stelle stehen, zielt in eine genaue Richtung und richtet den Wurfindikator auf Gegner, Schalter oder Gegenstände. In hitzigen Kampfsituationen und Bosskämpfen stört das zwanghafte Stehenbleiben, um den Hammer gezielt zu werfen. Bei den Kämpfen kommt aber trotz der Einschränkung selten ein „unfaires“ Spielgefühl auf; der Hammerwurf ist angenehm in die Kämpfe integriert und bedarf einiges an Präzision. Dazu solltet ihr die teils symmetrisch geformten Wände und Level nutzen, in welchen das Entwicklerstudio auch Potenzial für Symmetrie-Rätsel für sich entdeckt und ausgebaut hat. Nicht selten müsst ihr fast wortwörtlich um die Ecke denken. Gut, so ganz kompliziert wird es zwar nie, trotzdem fühlt sich jede noch so kleine Rätselpassage durch das Abprallen des Hammers von den Wänden sehr angenehm und belohnend an. Viel zu meckern gibt es hier nicht, außer, dass ihr euch sehr genau positionieren und werfen müsst, damit der Hammer beim gewollten Schalter ankommt – das kann auf der Nintendo Switch mit den kleinen Joy-Cons frustrieren, für mich war es allerdings in Ordnung.


Die Rätselpassagen und Levelstrukturen sind auf das präzise Werfen von Mjölnir ausgelegt

© Asylum Square Interactive

Für Frustration kann aber der anziehende Schwierigkeitsgrad sorgen, den ich oben angesprochen habe. Dieser entsteht ebenfalls unter anderem durch sehr präzises Werfen von Mjölnir in großen Stresssituationen, wenn ihr euch einerseits auf kleinen Plattformen zurechtfinden müsst, euch aber auch allerlei Monster an den Kragen wollen. Dementsprechend müsst ihr nicht selten gleichzeitig springen und präzise werfen, was zu enormen Stress führt – allerdings gilt auch hier: „Unfair“ wurde es nie und ihr werdet mit jeder Passage besser. Die Lernkurve ist wirklich enorm, nicht nur in der Fingerfertigkeit, sondern auch das Verständnis für die Welt setzt sich nach und nach fest und die Level passen sich trotz des Schwierigkeitsgrades immer an das Skill-Niveau der Spielerin oder des Spielers an. Hier muss ich ein Lob aussprechen: Tiny Thor wird nie monoton, jedes der 27 Hauptlevel beherbergt ganz eigene Kniffe, die kreative Maßstäbe setzen und jedes Mal neu überraschen. Das liegt unter anderem am stetig wachsenden Fähigkeitenrepertoire, das Thor einerseits mit neuen Angriffen ausstattet, aber auch eine schnellere Fortbewegung ermöglicht. Neben einem Doppelsprung kann Tiny Thor bald durch die Level dashen oder gleich mehrere Hämmer werfen. Mit den gesammelten Diamanten lassen sich einige Fähigkeiten auch sehr geringfügig aufwerten, ganz so spielentscheidend sind diese Verbesserungen allerdings nicht, sondern eher eine kleine Belohnung für zwischendurch.


Ein wahrliches Highlight sind die abwechslungsreichen Bosskämpfe, von denen es leider zu wenige gibt!

© Asylum Square Interactive

Überraschend sind allerdings die teils bockschweren Bosskämpfe, die einiges von euch abverlangen. Auch hier greift das Trial-and-Error-Prinzip, das durch das sehr schnelle Respawnen von Thor schnell in Vergessenheit gerät, und euch Schritt für Schritt neue Passagen und Kämpfe kennenlernen lässt. Einerseits könnt ihr euch zwar auch vorsichtig an neue Situationen heranpirschen oder auf der anderen Seite einfach drauf losrennen, um die bevorstehende Situation kennenzulernen. Das gilt vor allem für die Bosskämpfe, welche mit verschiedenen Phasen und Angriffsmustern darauf ausgelegt sind, mehrmals angegangen zu werden. Auch hier steigert sich der Titel in Sachen Kreativität von einem Bosskampf zum nächsten. Einige Male musste ich aufgrund des Schwierigkeitsgrades eine Pause einlegen, beim erneuten Starten von Tiny Thor war der Kampf allerdings sehr gut machbar.


Beim Erkunden der recht weiträumigen Level mit wenigen Collectibles, die unter anderem Bonuslevel freischalten, dröhnt euch zudem ein gelungener Soundtrack auf die Ohren. Da ihr zwischen fünf und bis zu 60 Minuten in einem Level gefangen sein könnt, muss die begleitende Musik nicht zu prägnant, aber auch nicht zu langweilig daherkommen. Hier haben die Komponisten Chris Hülsbeck und Fabian Del Priore klasse Arbeit geleistet und das wahrlich Beste aus dem Synthesizer rausgeholt. Ansonsten hat die Nintendo Switch-Version aber leider etwas mit anderen Tonproblemen zu kämpfen. Teilweise tauchen manche Soundeffekte gar nicht auf, sodass ihr nur die Musik dudeln hört und die Hammerwürfe keinen Mucks von sich geben; hier wird mit kommenden Patches hoffentlich noch einmal nachgebessert. Abgesehen von den Tonfehlerchen wird der kleine Thor auf seinem Abenteuer aber nur selten von Bugs geplant. Bei hitzigen Situationen kann es sein, dass ihr durch den Boden klippt oder im Bosskampf steckenbleibt – das ist während des Testzeitraums aber höchstens eine Handvoll Mal passiert und nichts, was kleine Updates nicht beheben können.

Unser Fazit

8

Ein Spiele-Hit

Meinung von Michael Barg

Tiny Thor beginnt als kinderfreundlicher Platformer, der schnell ein wirklich anspruchsvolles Spring- und Kampferlebnis darstellt. Entsprungen aus Köpfen von Retro-Connaisseuren erfinden die Platformer-Passagen nicht unbedingt etwas Neues, ziehen im Laufe des Spiels bezüglich des Schwierigkeitsgrades aber ordentlich an. Ganz so plötzlich und unerwartet geschieht dies aber nicht, sondern passt sich an euer gelerntes Wissen über die 27 Level hinweg an. Das Trial-and-Error-Prinzip sorgt selten für Frust, ein „unfaires“ Spielgefühl tritt ebenfalls nicht auf, sondern eher ein „ach, das war mein Fehler!“ springt in den Kopf. Ein ähnliches Gefühl wird auch durch die knackigen Bosskämpfe hervorgerufen, die abwechslungsreich und sehr kreativ daherkommen – hier hätte ich mir gerne mehr gewünscht! Neben kleinen Soundfehlern und einer minimalen Anzahl an Bugs habe ich auf technischer Ebene wenig auszusetzen und Tiny Thor lief auf der Nintendo Switch sonst butterweich. Lediglich die Steuerung des Hammerwurfs kann den Spielfluss stören und nicht jedermanns Sache sein – ich habe mich allerdings schnell an diese Einschränkung gewöhnt und alle zukünftigen Fähigkeiten lassen sich angenehm in das Kontrollschema einbinden.
Mein persönliches Highlight: Die Bosskämpfe und das Leveldesign

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