Wenn Nostalgie auf moderne Realität trifft

Das Rune Factory-Franchise kombinierte damals zwei Genres, die bei vielen Spielern sehr beliebt gewesen sind: Fantasy-Adventure und Farming-Simulator. Seit dem ersten Titel im Jahre 2006 hat sich einiges getan: Nicht nur entwickelte sich die Reihe weiter – so weit schon, dass Rune Factory 6 in der Mache ist –, sondern auch die ersten Ableger erhalten eine erneute Aufmerksamkeit in Form von Special-Releases für die Nintendo Switch. Seit dem 5. September 2023 könnt ihr euch mit Rune Factory 3 Special erneut in die Nintendo DS-Ära begeben. In unserem Testlabor haben wir uns ausgiebig mit diesem Klassiker beschäftigt und festgestellt, dass manche Dinge vielleicht doch besser nicht in die Moderne gezerrt werden müssen.


Vor etwa zwölf Jahren erblickte Rune Factory 3: A Fantasy Harvest Moon das Licht der Welt und erschien für die Handheld-Konsole Nintendo DS. Thematisch knüpft das Spiel an andere Ableger der Reihe an, erzählt aber eine völlig eigene Geschichte. Eines Nachts erscheint Protagonist Micah im idyllischen Dorf Sharanz und wird ohnmächtig. Von den Dorfbewohnern wird er nicht nur aufgepäppelt, sondern darf auch gratis dort wohnen. Er versucht, sich an seine Vergangenheit zu erinnern, denn dieses Wissen kam ihm in dieser schicksalhaften Nacht abhanden. Während er den Bewohnern aus Dankbarkeit und Pflichtbewusstsein bei allerlei Problemen hilft, verbirgt er ein Geheimnis, dass dieses friedliche Leben ins Wanken zu bringen droht: Ein Elternteil von ihm ist ein Monster, weswegen er ein Mensch-Monster-Hybrid ist. Er kann sich mithilfe eines magischen Items in ein goldenes Schaf verwandeln, was er aber geheim halten muss, da die Menschen des Dorfes mit den Monstern der Wüste in einem sehr alten Zwist liegen. Ob es Micah gelingen mag, eine Brücke zwischen den Monstern und den Menschen zu schlagen und ein friedliches Miteinander zu ermöglichen, erfahrt ihr in dieser herzerwärmenden Geschichte.


Zwischen Angeln, Kämpfen, Aufträgen und Farmarbeit solltet ihr euch auch eine Auszeit nehmen

© Marvelous Games / Bildmontage: © ntower

Rune Factory 3 Special umfasst drei wesentliche Elemente, die das Gameplay ausmachen: Bauernhofarbeit, Monster- und Ressourcenjagd sowie das Interagieren mit den Bewohnern. Dabei fällt schnell auf, dass alle Elemente in Abhängigkeit zueinander stehen. Seid ihr ein erfolgreicher Bauer, könnt ihr den Bewohnern besser helfen und mit dem erwirtschafteten Geld eure Ausrüstung für Erkundungen aufbessern. Seit ihr dagegen besonders im Kämpfen versiert, findet ihr eine Vielzahl von Materialien, die ihr auf eurem Hof nutzen könnt. Auch das Aushelfen bei den Dorfbewohnern bringt entsprechende Belohnungen mit sich. Die Verflechtung der verschiedenen Mechaniken sorgt dafür, dass ihr immer in Bewegung, manchmal sogar etwas überfordert und damit gezwungen seid, einen klugen Plan zu entwickeln und Prioritäten zu setzen.


Die Hofarbeit wirkt wie eine abgespeckte Variante des Nintendo DS-Klassikers Harvest Moon DS. Ihr bestellt die Felder, pflegt die Setzlinge und erntet die Erträge. Das passiert über die gewohnten Werkzeuge, die ihr im Laufe der Zeit auch verbessern könnt. Tiere gibt es ebenfalls, wobei es sich dabei eher um die Pflege von Monstern handelt. Interessant wird es, wenn ihr diese Monster mit auf eure Abenteuer nehmt. Sie sind dabei eine wertvolle Unterstützung, auf die ihr euch verlassen könnt. Crafting nimmt dabei eine sehr große Rolle in verschiedenen Bereichen ein und bestimmt dabei auch, wie erfolgreich ihr in verschiedenen Situationen abschneidet. Mit von der Partie ist das Kochen mit Rezepten oder ohne – Experimentierfreude wird hier großgeschrieben. Ihr könnt auch nach einem gewissen Fortschritt im Spiel die Schmiede nutzen und so Waffen selbst herstellen oder verbessern.


Ähnlich wie in bekannten JRPGs gibt es verschiedene Waffentypen und auch Statuswerte, die maßgeblich über Erfolg und Misserfolg in einem Kampf entscheiden. Dazu gehört ein ausführliches Levelsystem, das Rune Factory 3 Special verwendet. Je nachdem welchen Skill ihr nutzt, sammelt ihr für diesen Skill Erfahrung, was wiederum dazu führt, dass sich der Skill verbessert. Wenn ihr beispielsweise euren Schmiedeskill verbessert, könnt ihr anspruchsvollere Waffen schmieden und habt eine höhere Erfolgsquote beim Herstellen und Verbessern von Gegenständen. Ähnlich verhält es sich auch im Kampf und bei der Farmarbeit: Nutzt ihr bestimmte Werkzeuge häufig, verbessert sich der Skill und ihr könnt bessere Varianten nutzen. Durch die verschiedenen Aktivitäten verliert man aber schnell den Überblick, was durch ein übersichtliches Menü aber klug gelöst wurde.


Klassisch für dieses Genre ist der Wechsel von Tages- und Jahreszeiten. Außerdem verbraucht jede eurer Aktionen einen Teil eures Energiebalken. Wenn euer blauer Balken für Aktionen – Schlagen, Zaubern, Herstellen etc. – zur Neige geht, verliert ihr pro Aktion Lebenspunkte. Diese können mit Nahrung oder durch Schlafen wieder aufgefüllt werden. Werdet ihr ohnmächtig, wird es teuer, denn die hiesige Heilerin ist zwar hilfsbereit, aber auch sie muss von etwas leben.


Eine hochwertige Perle der Vergangenheit


Alles, was ich an diesem Spiel positiv bewerten kann, ist auch für die Version des Nintendo DS zutreffend: Die Charaktere sind vielseitig und überzeugend, die Kombination von verschiedenen Gameplay-Elementen gelungen, gleichwohl die einzelnen Elemente abgespeckt wirken, und das Missionssystem ist breit gefächert. Die Handlung ist zwar ernsthaft, wird durch die lustigen Charaktere aber auch oft genug aufgelockert. Es steht euch dabei frei, ob ihr die Handlung oder euren Hoffortschritt im Blick behaltet, was mir sehr gut gefällt. Verschiedene Events sorgen in den jeweiligen Jahreszeiten für humorvolle Abwechslung. Dabei geht es weniger ernsthaft zu, als man denkt. So habe ich unter anderem ein riesiges Schafmonster mit einem Fisch als Schwert geschoren.


Jeder Anwohner ist anders. Das fällt besonders dann auf, wenn sie miteinander interagieren.

© Marvelous Games

Neu im Spiel ist der Frischvermählten-Modus, der jedoch erst dann nutzbar wird, wenn ihr bereits in der Haupthandlung eine der Damen geheiratet habt. Ganz neu ist dieses Konzept nicht: Bereits in Rune Factory 4 Special wurde dieser Modus geliefert. Nach der Heirat einer der Junggesellinnen, könnt ihr dort eine kleine, zusätzliche Episode zu diesem Charakter erleben, was eine schöne Sache ist, wenn eine der jungen Frauen euer Herz gewonnen hat. Zusätzlich gibt es auch noch einen neuen Schwierigkeitsgrad, der besonders Experten des Spiels und Genre ansprechen wird, da dieser besonders schwer ist. Abseits dessen wurde grafisch etwas herumgeschraubt und die Mini-Map für einen Bildschirm optimiert, da diese ursprünglich auf dem zweiten Bildschirm des Nintendo DS zu sehen war.


Sauer aufgestoßen ist mir die Steuerung, die ich bereits während der Vorschau bemängeln musste. Leider ist die erhoffte Eingewöhnung nach mehreren Stunden nicht eingetreten und noch immer fühlt sich diese fremd an. Besonders die Belegung der B-Taste ist meines Erachtens eher misslungen, da ich es eigentlich gewohnt bin, mit B abzubrechen. Auch das Aufrufen des Tascheninventars ist eher mühselig. Eine Möglichkeit, die Tastenbelegung anzupassen, wäre für mich gut gewesen.


Die absoluten Höhepunkte des Spiels sind die verspielte und detailreiche Grafik sowie die Musik, die Rune Factory 3 Special zum Leben erwecken. Innerhalb von wenigen Minuten hatte ich das Gefühl, wieder als kleiner Steppke vor dem Nintendo DS zu sitzen und dieses Spiel zu genießen. Doch bei diesem Gefühl gibt es einen Haken. All jene, die mit dem Spiel keine Erinnerungen teilen, werden dieses nostalgische Gefühl nicht haben und damit mit einem unweigerlichen Fakt konfrontiert: Das Spiel ist alt und aus meiner Sicht nicht konkurrenzfähig gegenüber neueren Produktionen. Es mag zwar sein, dass Rune Factory ein Urgestein der Kombination von Adventure und Farming ist, doch das bedeutet nicht, dass die Freude von damals auch Neueinsteiger von heute treffen wird. Eines der neueren Beispiele ist Fae Farm, das auch Fantasy-Adventure mit Farming kombiniert und damit begeistert und gegen das Rune Factory 3 Special nur wenig entgegenzusetzen hat. Fans von klassischen Harvest Moon-Titeln, Story of Seasons oder eben anderen Spielen von Rune Factory werden hier sicherlich gut bedient sein. Wenn ihr aber auf der Suche nach einer erfrischenden Erfahrung in diesem Genremix seid, dann solltet ihr euch eher bei Spielen der heutigen Zeit umsehen.

Unser Fazit

7

Spaßgarant

Meinung von Simon Münch

Rune Factory 3 Special ist eine Hommage an eine denkwürdige Ära, die viele mit ihrer Jugend verbinden. Es gibt sicherlich Spieler, die in ihrem Herzen einen besonderen Platz für das Spiel reserviert halten. Ich habe mich während des Spieldurchgangs immer wieder gefragt, ob es wirklich notwendig gewesen ist, es auf die Nintendo Switch zu bringen, wenn doch der Nintendo DS eine Schublade entfernt liegt. Aus meiner Sicht ist das wohl das größte Problem: Rune Factory 3 Special gelingt es nicht, genügend Neues zu integrieren und versteift sich zu sehr auf das, was es damals erfolgreich gemacht hat, ohne den massiven Wandel der Zeit zu berücksichtigen. Wieso sollte ein Neueinsteiger zu diesem Titel greifen, wenn es moderne Varianten dazu mit mehr Tiefe für dieselbe Konsole gibt? Bei all diesen Gedanken möchte ich nicht sagen, dass der Titel schlecht portiert oder unspielbar ist. Ich konnte meine Zeit sehr genießen, gleichwohl immer wieder diese Zweifel in meinen Gedanken spukten. Fans mit einer nostalgischen Brille auf der Nase, werden hier einen Klassiker wiederentdecken können und viel Freude daran finden. Interessenten, die mit dem originalen Spiel nicht vertraut sind, sollten sich anderweitig umsehen, da die modernen Alternativen mit mehr Tiefe locken.
Mein persönliches Highlight: Der Detailreichtum der Spielwelt und das Charakterdesign

Die durchschnittliche Leserwertung

1 User hat bereits bewertet

Kommentare 2

  • Waddle Dee

    Back to the Future

    Hey, von den Screenshots ausgehend, ist der Grafikstil genau was für mich. Die neueren Teile gefielen mir optisch nicht so recht.

  • Red Realm Rabbit

    Turmbaron

    Kann nur für die DS-Version sprechen, aber in diese habe ich etwas über 250h versenkt.

    Bringt sau laune. Auf jedenfall deutlich besser als z.B. ein Harvestella, welches Limitierungen ja nur so um sich wirft.