Kreatives Puppentheater für Fans des Retro-Survival-Horrors

Mit Alisa verneigt sich der Solo-Entwickler Casper Croes vor den Größen des Survival-Horror-Genres wie Resident Evil, Silent Hill und Alone in the Dark. Insbesondere der Capcom-Klassiker stand für seine Hommage an den Neunzigerjahre-Grusel Modell und wird an verschiedenen Ecken referenziert. Seit 2021 für den PC erhältlich, geht Alisa heute, am 6. Februar 2024, auch auf der Nintendo Switch an den Start – und zwar im sogenannten Developer's Cut. Dieser hat die PC-Version schon vor zwei Jahren um zahlreiche frische Inhalte und „Quality of Life“-Verbesserungen erweitert, wodurch der Titel nochmals an Tiefe sowie eigener Identität gewann. Nun dürfen sich auch Besitzer/-innen der Hybridkonsole in das albtraumhafte Puppenhaus wagen und versuchen, dessen Schrecken zu überleben. Gerade die Horror-Nostalgiker/-innen unter euch sollten jetzt die Ohren spitzen, denn Alisa: Developer's Cut könnte genau das sein, worüber ihr tagtäglich sinniert.


Sowohl optisch als auch spielerisch erinnert Alisa: Developer's Cut an die Genre-Größen der Neunziger

© Casper Croes

In Alisa: Developer's Cut schlüpft ihr in die Rolle von Alisa, einer regierungstreuen Spezialagentin, die den Auftrag hat, einen flüchtigen Dieb zu stellen. Das Diebesgut: wertvolle Blaupausen, die euer Auftraggeber, das Kaiserreich, gerne wieder in seinem Besitz wissen möchte. Hierfür reist ihr in ein verlassenes Dörfchen, in welchem ihr nach kurzer Suche erstmals auf den Ganoven trefft, der sogleich die Beine in die Hand nimmt und die Flucht ergreift. Obwohl ihr umgehend die Verfolgung aufnehmt, verliert ihr kurze Zeit später die Spur des Langfingers und findet euch an einem verlassenen Bauwerk inmitten eines Waldes wieder. Dort werdet ihr jedoch urplötzlich von bizarren Puppenwesen attackiert, die euch in einem ausweglosen Kampf überwältigen und anschließend verschleppen. Nach kurzer Ohnmacht erwacht ihr in einer kleinen Nachtkammer, völlig orientierungslos und in ein seltsames Kleid gehüllt. Wo seid ihr gelandet? Wie kommt ihr hier wieder raus? Und was hat es mit den feindseligen Puppen auf sich? Haufenweise Fragen, die euch in den nächsten Spielstunden beantwortet werden ...


... oder eben nicht. Zwar weist Alisa: Developer's Cut jede Menge Parallelen zu Resident Evil auf, die schlichte Geschichte um folgenschwere Biowaffentests und einen verräterischen Teamkollegen gehört allerdings nicht dazu. Statt euch die Handlung auf die Nase zu binden, lässt euch Alisa: Developer's Cut danach suchen. Und wer möchte, der wird auch fündig. Überall in der Spielwelt findet ihr Notizen, die euch über die Geschehnisse unterrichten, welche zur vorherrschenden Lage geführt haben, darunter seltsame Experimente und ein mysteriöses Artefakt namens „Der Finger Gottes“. Wo es allerdings häufig an Erklärung fehlt, sind die vielen grotesken Kreaturen, die euren Weg kreuzen. Wo in Resident Evil jedes Wesen irgendwann einmal in einem Tagebucheintrag oder Forschungsbericht beschrieben wird, tappt man in Alisa: Developer's Cut hauptsächlich im Dunkeln. Dafür gibt es aber verschiedene Enden, je nachdem, für welchen Pfad ihr euch in eurem Durchgang entscheidet. Für den ersten Durchlauf solltet ihr etwa sieben Spielstunden einrechnen, jeder weitere sollte – aufgrund von „New Game Plus“-Boni und Vorwissen – deutlich weniger in Anspruch nehmen.


Trotz der durchaus ernsten Prämisse erlaubt sich das Spiel den ein oder anderen Scherz

© Casper Croes

Aber um welche Art Spiel handelt es sich überhaupt bei Alisa: Developer's Cut? Das ist recht einfach zu erklären. Alisa: Developer's Cut ist ein klassischer Survival-Horror-Titel, wie sie in den Neunzigerjahren produziert wurden. Das bedeutet, ihr steuert eure Spielfigur etwas ungelenk über einen unheimlichen Schauplatz, kämpft gegen heranschlurfende Feinde, löst ein paar Umgebungsrätsel und beobachtet das Ganze aus festen Kamerawinkeln. Abgerundet wird die Huldigung mit laienhaftem Voice-Acting und einem 4:3-Bildformat. Das mag nicht jedem schmecken – und soll es auch nicht. Alisa: Developer's Cut richtet sich ganz klar an Horror-Nostalgiker/-innen, die ebendiese Art von Spiel in der heutigen Videospiellandschaft vermissen und über die Macken jener speziellen Machart hinwegsehen können. Nichtsdestotrotz ergreift Alisa: Developer's Cut ein paar Maßnahmen, um das Spiel auch Neulingen des Genres attraktiv(er) zu gestalten.


So bietet das Spiel beispielsweise eine Alternative zur viel geächteten „Panzersteuerung“ an, mit der eure Spielfigur auch die Richtung einschlägt, in die ihr den Analog-Stick bewegt und die kein Umdenken erfordert. Auch das strenge Speichersystem des großen Vorbilds wurde abgeschwächt, wenngleich eine Spielstandsicherung weiterhin etwas kostet – nur eben deutlich weniger. Ebenso müsst ihr euch keine Gedanken um euren Stauraum machen. Eure Spielfigur kann insgesamt zwei Waffen tragen und so viele Schlüssel- sowie Hilfsgegenstände mitnehmen, wie ihr möchtet. Klingt doch alles schon deutlich entspannter als noch in den Neunzigern, findet ihr nicht?


Doch Alisa: Developer's Cut bietet auch einiges, womit es sich von den Genre-Urvätern abhebt. Zum Beispiel einen drolligen Händler, der es in Resident Evil erst mit dem vierten Teil ins Spiel geschafft hat. Dieser hört auf den Namen Pol, ist eine Handpuppe und verkauft euch allerhand Kram, von neuen Waffen über Schlüssel-Items bis hin zu ausgefallener Garderobe, die euch zusätzliche Boni und sogar Fähigkeiten beschert. Außerdem könnt ihr euch dort modifizieren lassen ... jedoch solltet ihr bei all den verheißungsvollen Versprechen aufpassen, nicht selbst zur Puppe zu werden. Pols Laden ist eine geniale Ergänzung des Spielprinzips und wird im späteren Verlauf sogar noch erweitert. Als Währung dienen euch Zahnräder, die ihr hauptsächlich für das Erlegen von Feinden erhaltet, aber auch in der Spielwelt finden könnt. Diese gebt ihr auch für das Speichern aus. Ein Zahnrad für jede Sicherung – ein echtes Schnäppchen, wenn man das mit den seltenen Farbbändern der Resident Evil-Reihe vergleicht.


Neben den vielen gewöhnlichen Bosskämpfen gibt es auch einige Ausnahmen

© Casper Croes

Das Kampfsystem ist, wie für das Genre typisch, pragmatisch. Es funktioniert schon und erfüllt seinen Zweck, doch der Spaß dabei hält sich in Grenzen. Mit der Auto-Aim-Mod gestalten sich die Auseinandersetzungen zwar deutlich angenehmer, aber immer noch nicht ideal. Gerade kriechende Gegner stellen dann immer noch ein großes Hinder- bzw. Ärgernis dar, weil die Spielfigur nur in die Richtung des Feindes zielt, jedoch nicht unbedingt auf dessen vulnerable Hitbox. Auch das Nachladen der Waffen dauert viel zu lang, was inbesondere in Bosskämpfen negativ auffällt und zum frickeligen Glücksspiel ausartet. Im Großen und Ganzen ist der Kampf also eher zweckdienlich und wohl kaum ein Grund, Alisa: Developer's Cut zu spielen. Doch wie schaut es mit den Rätseln aus? Hier beweist Casper Croes wirklich Fingerspitzengefühl und Einfallsreichtum. Klar, die kleinen Knobelaufgaben kommen jetzt nicht an „Point & Click“-Kopfnüsse heran, aber die wenig anspruchsvollen Denkspiele eines Resident Evil übertrumpfen sie bei weitem und tragen dadurch enorm zum allgemeinen Erfolgserlebnis bei.


Grafisch entscheidet sich Alisa: Developer's Cut gemäß der Vorlage für einen grobschlächtigen PS1-Look mit vorgerechneten Hintergründen und – wie vorhin bereits erwähnt – für ein 4:3-Bildformat. Die frühzeitliche 3D-Optik und der eingeschränkte Bildausschnitt sind natürlich Geschmackssache und werden nicht bei jedem gut ankommen, unterstreichen jedoch noch einmal die Intention des Entwicklers, eine Hommage an den traditionellen Survival-Horror zu kreieren. Auch der Schauplatz, ein Herrenhaus mit Gartenbereich, trägt dazu bei. Doch Alisa: Developer's Cut bringt auch gänzlich eigene Ideen mit. So kann das einzigartige Design eurer Gegenspieler durchaus überzeugen und auch deren vielseitige, teils chaotische Bewegungsmuster wissen zu gefallen. Weiterhin kommt das Spiel ohne Blutdarstellung aus – eine erfrischende Seltenheit im Survival-Horror-Genre und daher ohne Frage erwähnenswert. Abschließend wollen wir selbstverständlich noch einen Blick auf die Performance werfen. Sowohl im mobilen als auch im stationären Modus der Nintendo Switch läuft das Spiel einwandfrei und mit einer äußerst geschmeidigen Bildrate. Während des Testzeitraums konnten keinerlei Abstürze oder andere schwerwiegende Spielfehler festgestellt werden.

Unser Fazit

7

Spaßgarant

Meinung von Felix Kraus

Alisa: Developer's Cut ist kein Spiel für jedermann – das möchte es auch gar nicht sein. Vielmehr richtet sich der Titel an diejenigen, die gerne einmal zurückblicken und den klassischen Survival-Horror in der heutigen Videospiellandschaft vermissen. Eine ungelenke Hauptfigur, feste Kamerawinkel, Munitionsknappheit und eine gehörige Portion Rätselspaß, all das zeichnet Alisa: Developer's Cut aus und macht es zur einer gelungen Hommage an den Neunzigerjahregrusel. Doch hier wurde nicht nur entliehen, sondern auch mit vielen eigenen Ideen gearbeitet. Mit dem Puppen-Setting bedient man sich zwar klassischer Horror-Stilmittel, im Videospielbereich waren die zweckentfremdeten Spielzeuge jedoch noch nicht allzu oft anzutreffen. Auch der Verzicht auf Blutdarstellung verdient Erwähnung, kann das Spiel somit auch problemlos jungen Teenagern empfohlen werden. Die Makel von Alisa: Developer's Cut lassen sich vorwiegend auf das klassische Survival-Horror-Genre zurückführen. Der Kampf ist ... gewöhnungsbedürftig und daher nicht unbedingt das spaßigste Element und der ein oder andere wird sich mit Sicherheit an der frühzeitlichen Optik und dem laienhaften Voice-Acting reiben. Nichtsdestotrotz möchte ich Alisa: Developer's Cut weiterempfehlen, insbesondere dann, wenn ihr euch mal wieder nach Old-School-Videospielhorror sehnt und nicht zum zehnten Mal einen Klassiker durchzocken möchtet.
Mein persönliches Highlight: Die Old-School-Spielerfahrung und die geschäftige Handpuppe Pol

Die durchschnittliche Leserwertung

1 User hat bereits bewertet

Kommentare 4

  • Taske

    Turmheld

    Begriffe wie "klassisch", "Huldigung" oder "Verneigung vor ..." mögen die Nostalgiker unter uns ja triggern ...


    ... für mich persönlich sind das an dieser Stelle aber lediglich Synonyme für "sowohl graphisch als auch spielmechanisch hoffnungslos veraltet".


    Sprich: "Warnhinweise". ;)


    Dass soll die Leistung von Einzelentwicklern und Kleinststudios nicht schmälern, aber mein persönlicher Bedarf an Spielen auf PS 1-Niveau war bereits mit Erscheinen der PS 2 gedeckt.

  • Tomberyx

    Minish Mage

    Erfährt man warum der Protag plötzlich in einem Kleid aufwacht? Das find ich seltsamer als das mit den Puppen xD"

  • HouWA Jihaen

    Turmritter

    Mit Tormented Souls ist vor einiger Zeit ein ähnlicher Titel veröffentlicht worden. War ziemlich gut👍 leider schade daß es hier "noch?" keine retail Version gibt.

  • Ventil4tor

    Old School Gamer

    Sowas vermisse ich tatsächlich. Das waren bessere Genrevertreter als viele heutige Spiele. Das Spiel wird gekauft.