Eine Alternative für Wave Race-Fans?
Du sitzt in deinem Auto, rast über den Asphalt, überholst einen Gegner nach dem anderen und denkst dir: „Ist das langweilig“? Dann geht es dir wie mir. Auto-Rennspiele üben nur sehr selten einen wirklichen Reiz auf mich aus. Je realistischer die Renn-Simulation sein soll, desto eher fange ich an zu gähnen. Allerdings gibt es zwei Möglichkeiten, mich schnell wieder aufzuwecken: Entweder streichen wir das Wort „Simulation“ und ersetzen es durch „Fun“ (Mario Kart lässt grüßen) oder wir verlassen die Straße und begeben uns ins kühle Nass. Seit ich mit Wave Race 64 die ersten Runden über schäumende Wellen gerast bin, begeistert mich das Rennen auf Jet-Skis. Allerdings tun sich andere Entwickler schwer, dieses Gefühl in ihren Spielen erneut hervorzurufen. Mit Riptide GP: Renegade folgt jetzt der nächste Versuch auf der Nintendo Switch. Ob der recht kleine Titel die Wave Race-Fans bei Laune halten kann, bis hoffentlich irgendwann ein neuer Ableger der Reihe erscheint, verrate ich euch jetzt.
Die erste Überraschung hält das Setting für uns bereit. Wir befinden uns nicht an tropischen Stränden, an denen uns Delfine und Steel Drums in Urlaubs-Stimmung versetzen, sondern in einer eher düsteren Zukunft. In überfluteten Ruinen werden illegale Hydrojet-Rennen veranstaltet und du navigierst eines dieser Monster – bis du von der Polizei geschnappt wirst. Hintergangen und aus der „Riptide GP“-Liga ausgeschlossen, fährst du ein Rennen nach dem anderen, um deinen Ruf wieder herzustellen und eine neue Crew aufzubauen. Deine Gegner sind Menschen und Roboter, deine Hindernisse die Wellen und Polizisten, die dir ebenfalls auf Jet-Skis in die Quere kommen. Also reden wir nicht weiter um den heißen Brei – ab ins Wasser!
Du sitzt gespannt auf deinem Gerät und siehst drei rote Lampen aufleuchten – der Countdown vor dem Start. Los geht’s! Wie fühlt sich das Rennen an? Haben wir wirklich den Eindruck eines Wasserrennens oder wurden einfach nur Autos und Straßen ersetzt? Nein, hier wurde nicht gepfuscht! Mal rasen wir durch ruhige Gewässer, mal schleudern uns gewaltige Wellen in die Luft und laden uns zu spektakulären Stunts ein. Die richtige Route durch den beweglichen Untergrund zu nehmen, ist an manchen Stellen entscheidend. Gleiten wir geschmeidig die Welle entlang oder lassen wir uns von ihr ausbremsen? Dabei lenken wir präzise mit dem Stick, wenn auch leider nicht so variantenreich und durchdacht wie beim Genre-Vorbild Wave Race. Dort nahmen auch Bewegungen nach vorn und hinten Einfluss auf die Schärfe der Kurven oder die Lage des Jet-Skis in der Luft. Bei Riptide GP: Renegade ist die Steuerung eher zweidimensional – sicher nicht schlecht oder misslungen, aber eben auch nicht perfekt.
Neben der Steuerung sind auch die Rennstrecken ein entscheidendes Element bei der Frage, ob wir von einem gelungenen Rennspiel sprechen. Es wird schon deutlich, dass wir es hier mit einem eher kleinen Titel aus dem Nintendo eShop zu tun haben und nicht mit einer AAA-Produktion. Innerhalb der Kurse gibt es einige wiederkehrende Elemente und auch die Anzahl der Strecken ist recht begrenzt. Das ist angesichts des sicher beschränkten Budgets verständlich und wirkt sich auch darum nicht besonders negativ aus, weil die Entwickler von Vector Unit das Beste daraus machen. Obwohl man schnell die wiederkehrenden Kurse bemerkt, werden sie doch immer wieder mit verschiedenen Aufgaben und Herausforderungen präsentiert. Einzelne Strecken wirken auch nicht wirklich eintönig, weil sie immer mit einigen Highlights ausgestattet werden, die für dynamische Unterhaltung sorgen. Das können rein optische Events sein, wie eine Art Jahrmarkt in der Umgebung oder ein Baum, der über der Strecke umstürzt. Manche Geschehnisse nehmen aber auch direkten Einfluss auf die Strecke und somit den Rennverlauf, wenn ihr euch zum Beispiel plötzlich in einem Kriegsgebiet befindet, in dem ein Schiff abgeschossen wird und sinkt. Dabei entsteht eine meterhohe Welle, der bisher frei passierbare Weg wird versperrt und eine neue Route tut sich auf.
Ihr könnt auch Abkürzungen entdecken, um die Strecken nach und nach besser zu meistern. In den Weg drängen sich gelegentlich Polizisten, die euch mit ihren eigenen Jet-Skis vom Weg abdrängen oder ausbremsen wollen. Das ist allerdings höchstens etwas lästig und nicht fatal, denn sie werden euch nicht stoppen können und euch auch keine Handschellen anlegen. Zudem müsst ihr, genau wie beim Kontakt mit euren Kontrahenten, nicht befürchten, dass ihr ins Wasser fallt. Das ist zumindest eine große Ausnahme, in der Regel ist ein leichtes Drängeln im Kampf um die Positionen spürbar, das euch aber nicht völlig ausbremst. Das gefällt mir auch sehr gut, da es ohnehin nicht leicht ist, ganz an die Spitze des Feldes zu gelangen. Ein Sturz kann euch da schon weiter zurückwerfen, allerdings besteht diese Gefahr besonders bei misslungenen Stunts.
Wenn ihr durch hohe Wellen oder Rampen in die Luft befördert werdet, könnt ihr durch verschiedene Kombinationen mit den beiden Sticks Stunts auslösen. Diese benötigen bis zur Vollendung unterschiedlich viel Zeit. Die entscheidende Frage ist also, ob der Stunt abgeschlossen ist, bevor ihr wieder auf dem Wasser landet. Je nach Geschwindigkeit, Höhe der Wellen und Design der Umgebung bleibt dafür unterschiedlich viel Zeit, sodass ihr gut überlegen solltet, ob ihr einen Stunt wagen wollt. An manchen bekannten Stellen ist das eine sichere Bank, an anderen, wo sich auch die Umgebung dynamisch verändert, ist es manchmal auch ein Glücksspiel. So kommt es vor, dass ihr im Flug merkt, dass ein noch komplexerer Stunt möglich gewesen wäre. Oder ihr erkennt noch vor der Landung: „Mist, das wird nix!“ Geht der Versuch in die Neopren-Hose, stürzt ihr ins Wasser und verliert wertvolle Sekunden. Seid ihr aber erfolgreich, füllt sich eure Turbo-Leiste – bei komplexeren Stunts mehr als bei einfachen, die weniger Zeit benötigen. Per Knopfdruck gibt es dann so lange Extra-Tempo, bis die Leiste wieder geleert ist.
Das unterm Strich gelungene und spaßige, wenn auch nicht perfekte Gameplay wird im Karriere-Modus mit variantenreichen Herausforderungen aufgepeppt. Mal messt ihr euch mit sieben Gegnern in ganz klassischen Rennen, die zumeist zwei oder drei Runden umfassen. Es gibt aber auch Slalom-Kurse, in denen neben eurer Zeit auch eure Fehler in die Gesamtwertung eingehen. In Freestyle-Rennen müsst ihr in einer bestimmten Zeit möglichst viele und auch unterschiedliche Stunts ausführen, um möglichst viele Punkte zu sammeln. Immer nur denselben Stunt zu versuchen wird nicht belohnt. Außerdem gibt es spezielle Rennen, in denen immer wieder kurze Countdowns ablaufen, an deren Ende der dann letzte Fahrer eliminiert wird. Schließlich kommt es zu „Bosskämpfen“, in denen allerdings nicht plötzlich scharf geschossen wird. Hier werdet ihr einfach zum 1 gegen 1-Duell herausgefordert und müsst euer ganzes Können aufrufen, um als Erster ins Ziel zu gelangen. Ein einziger Fehler kann hier schon den Sieg kosten.
Überhaupt ist der Schwierigkeitsgrad eine Erwähnung wert und nicht mit einem Satz beschrieben. Allgemein könnt ihr zwischen drei Schwierigkeits-Stufen wählen. Ebenfalls ganz allgemein gesprochen würde ich die Schwierigkeit als recht herausfordernd, aber nicht frustrierend, sondern motivierend beschreiben. Das Besondere ist, dass ihr es mit immer schwereren Herausforderungen zu tun bekommt, parallel aber auch immer weiter aufrüstet, was euch ermöglicht, weiter mitzuhalten und nach einigen Anläufen dann doch erfolgreich zu sein. Erfolgreich heißt zumeist, dass ihr es unter die ersten drei Plätze schafft, somit einen von drei Sternen verdient und die nächste Aufgabe freischaltet. Nach jedem Versuch – ob erfolgreich oder nicht – verdient ihr etwas Geld und es füllt sich ein Balken, der euch schließlich einen Level aufsteigen lässt. Diese Elemente sind wichtig, um euch aufzurüsten und eine Chance im nächsten Rennen zu haben.
Zwischen zwei Herausforderungen könnt ihr nämlich in der „Werkstatt“ (eigentlich nur ein Menü) Änderungen veranlassen, die relevanten Einfluss auf eure Performance haben. Am unspektakulärsten ist noch die Auswahl des Fahrers. Zu Beginn könnt ihr nur zwischen zwei Charakteren wählen. Wer allerdings einen Boss besiegt, beeindruckt diesen so sehr, dass er sich eurem Team anschließt und somit spielbar wird. Bis zu 9 Fahrer könnt ihr im Laufe der Karriere ansammeln. Auch Änderungen an Farbe und Design eures Vehikels sind eher kosmetischer Natur. Spannender ist es da schon, den Fähigkeiten der Fahrer ein Upgrade zu verpassen. Diese Upgrades bleiben übrigens auch bestehen, wenn ihr den Fahrer wechselt. Ihr habt, je nach erreichtem Level und den damit verdienten Punkten, die Möglichkeit, neue Skills zu erwerben bzw. zu verbessern. Dazu gehören ein Turbo-Start, höhere Geschwindigkeiten im Windschatten und jede Menge Stunts. Neben dem Fahrer kann auch das Gefährt verbessert werden. Diese Upgrades beziehen sich aber auf das einzelne Vehikel. So ist es möglich, dass ihr einen von 10 Jet-Skis freispielt, der zu Beginn dem aufgerüsteten Vorgänger noch unterlegen ist, aber dann bis zu höheren Maximalwerten verbessert werden kann. Beschleunigung, Höchstgeschwindigkeit, Handling und Turbo dürft ihr so weit optimieren, wie es Maximalwerte und Geldbeutel zulassen.
Mit diesem Wissen können wir jetzt den Bogen zurück zum Schwierigkeitsgrad schlagen: Wirkt eine Herausforderung zu Beginn noch recht schwer und mit Frustpotenzial behaftet, so kommt doch keine Verzweiflung auf, denn mit jedem neuen Versuch verdient ihr Geld und Erfahrungen, mit denen ihr dann wie oben beschrieben aufrüsten könnt. Schon stehen eure Chancen ein Stück weit besser und natürlich habt ihr auch inzwischen oft trainiert, sodass ihr es schließlich doch schafft, einen Platz auf dem Treppchen zu ergattern und das nächste Event freizuschalten. Somit ist immer eine gewisse Herausforderung spürbar, aber eben auch das Wissen, dass man es irgendwann schaffen kann, spätestens mit gepimpten Werten. Das ist ein durchaus cleveres System, um den Spieler bei der Stange zu halten.
Was im Einzelspieler-Modus ein tolles System ist, wirkt sich auf Online-Rennen leider negativ aus. Grundsätzlich ist es toll, dass es überhaupt diese Möglichkeit gibt, was für kleine Titel nicht selbstverständlich ist. Auch liefen meine Rennen flüssig und ohne Verbindungsabbrüche. Allerdings war es in der Praxis auch schwer, überhaupt Mitspieler zu finden, was man natürlich dem Spiel selbst nur bedingt vorwerfen kann (ein perfekter Online-Modus würde natürlich auch mehr Spieler anlocken). Bis zu 8 Spieler können gegeneinander antreten, in meinen Sessions waren es aber maximal 3. Dabei war es grundsätzlich toll, mich mit anderen zu messen, allerdings waren es sehr ungleiche Duelle. Ein Gegner konnte in mehreren Rennen nicht im Geringsten mit mir mithalten. Der andere wiederum war mir klar überlegen. Nur in einem Rennen war ich mit ihm auf Augenhöhe und sogar zeitweise in Führung, allerdings blieb mir nach einem Fehler dann doch wieder nur Platz 2. Das Problem an der Sache: Diese Ungleichheiten und damit auch die fehlende Spannung liegen nicht (nur) an den Spielern, sondern auch an ihrer Ausrüstung. Ihr nehmt die in der Karriere erarbeiteten Upgrades mit ins Rennen. Damit haben fortgeschrittene und gut aufgerüstete Spieler einen riesigen Vorteil. Erfreulicherweise dürft ihr auch per Splitscreen mit bis zu vier Spielern offline gegeneinander antreten.
Auf der technischen Seite macht Riptide GP: Renegade einen soliden Eindruck. Sicher holt das Spiel nicht alles aus der Nintendo Switch heraus, läuft aber flüssig und sauber. Nachdem ich hauptsächlich am Fernseher gespielt hatte, las ich von einem anderen Spieler, der Framerate-Probleme im Handheld-Modus bemerkt hatte. Daraufhin habe ich gezielt einige mobile Rennen gefahren, konnte dieses Problem aber nicht bestätigen. Ich bin allgemein nicht sonderlich empfindlich gegenüber (leichten) FPS-Variationen, darum möchte ich es zumindest an dieser Stelle erwähnen. Vielleicht haben ja einige von euch das Spiel probiert und können in den Kommentaren ihre Erfahrungen dazu mitteilen. Ansonsten ist die Grafik zumeist unspektakulär, von vereinzelten Highlights abgesehen. In der Ferne aufploppende Objekte und sich wiederholende Elemente sind aber nicht dramatisch, bei der insgesamt ansehnlichen, einfachen Optik. Dazu erzeugen elektronische Klänge die passende Atmosphäre im futuristischen Setting.
Unser Fazit
7
Spaßgarant