Viture One XR-Brille im Hardware-Test – Die bessere Art des Handheld-Gamings? Hardware-Test
Geschrieben von Florian McHugh am 03.12.2023
So, jetzt mal ehrlich, liebe Leute: Ist es nicht faszinierend, wie rasant sich die Unterhaltungsbranche in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt hat? Wenn ich überlege, dass ich Anfang der 90er-Jahre erstaunt darüber war, dass ein Game Boy Spiele in chromatischen Farben darstellen kann, dann ist es umso absurder, worüber wir uns heutzutage erfreuen. 4K-Auflösung, 144 Hz, Raytracing, 3D-Grafik und von den betagten Anfängen hinsichtlich Virtual Reality bzw. Augmented Reality will ich gar nicht erst anfangen. Wobei, eigentlich doch, denn das Produkt, das wir in diesem Test behandeln, schlägt auf eine Art und Weise in diese Kerbe. In den letzten Jahren erschienen nach und nach sogenannte XR-Brillen, die das Spiel-, Arbeits- und Entertainmenterlebnis auf ein neues Level hieven sollten. Ein solcher Hersteller, die Firma Viture (nicht zu verwechseln mit Virture), war so freundlich und hat uns eine seiner XR-Brillen, die Viture One XR, als Testmuster zugeschickt, die ich nun gut drei Wochen intensiv getestet habe. Was es mit dieser Art Hardware auf sich hat, wieso sie auch für Nintendo Switch-Spieler interessant ist und wie sie sich letztendlich schlägt, das erfahrt ihr im folgenden Hardware-Test.
Das uns zugeschickte Komplettpaket: XR-Brille, Mobile-Dock, Switch-Halterung sowie die nötigen Kabel
© ntower
Kommen wir erst einmal zur grundlegenden Frage: Was ist denn bitte schön eine XR-Brille? Während die meisten von uns sicher etwas mit den Begriffen VR (Virtual Reality) und AR (Augmented Reality) anfangen können, ist XR ein eher nichtssagender Marketingbegriff. Denn eigentlich bedeutet die Abkürzung XR nur „Extended Reality“ und umschließt laut Definition die kompletten Bereiche von VR über AR bis hin zu Mixed Reality … also irgendwie alles und doch nichts. Der Begriff allein hilft uns also schon einmal nicht, doch was für eine Funktion hat die XR-Brille von Viture nun?
Um es banal zu sagen: Letztendlich dient die Brille als eine Art zweiter Bildschirm. Dabei verbindet ihr die Brille mithilfe eines Kabels mit einem kompatiblen Gerät (dazu später mehr) und die Brille projiziert den Inhalt auf ein virtuelles Display direkt vor eure Augen. Und von den technischen Daten her kann das schon beeindrucken: Das projizierte Display hat eine Größe von 120 Zoll und kommt mit einer Auflösung von 1.920 x 1.080 Pixeln sowie einer Framerate von 60 FPS daher. Das FOV (Field of View) beträgt dabei 43 Grad, zudem sind zwei Lautsprecher verbaut, die für ein gutes Klangerlebnis sorgen sollen. Und das ganz egal, wo ihr seid und direkt in eurem Sichtfeld. Der Sinn dahinter dürfte recht schnell klar sein: Die Viture XR-Brille richtet sich vor allem an all diejenigen, die entweder Endgeräte mit einem kleineren Bildschirm verwenden oder viel unterwegs sind. Beides sind Punkte, die auch auf Nintendo Switch-Spieler zutreffen könnten, die viel im Handheld-Modus spielen. Entsprechend haben wir uns in unserem Test auch auf die Performance mit der Nintendo Switch konzentriert. Wo ich jedoch bereits dabei war, habe ich die Brille auch mit dem Steam Deck getestet und sie an mein Surface Go 2 gestöpselt, um die Tauglichkeit fürs Serien-Streaming zu testen.
Die Brille sitzt bequem ohne zu stören. Die Kabellänge lässt sich bei Bedarf mittels Verlängerung erweitern
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Auf die Frage, ob die XR-Brille von Viture ihre Marketingversprechen auch halten kann, kann ich mit einem nicht ganz so klaren „Ja, aber …“ antworten. Denn während die Brille bei mir tadellos lief, hatte meine Frau zum Beispiel Probleme bei der Nutzung, auf die ich später noch explizit eingehen werde. Wie der Betrieb der Brille funktioniert, werde ich euch erst einmal anhand eines Beispiel mit dem Steam Deck erklären und dann darauf eingehen, warum die Nintendo Switch in diesem Fall eine Sonderrolle spielt. Nachdem ich das Steam Deck hochgefahren habe, verbinde ich ein USB-C-Kabel mithilfe eines magnetischen Anschlusses mit der Brille und dem Steam Deck. Nun erwacht die Brille zum Leben und ein Display wird in mein Sichtfeld projiziert, dass bei Bedarf mithilfe von zwei Reglern oberhalb des Brillenrahmens schärfer eingestellt werden kann. Das kann anfangs eine recht fummelige Angelegenheit sein, denn um den Sweet Spot zu finden, braucht es eine Weile, doch nachdem er einmal bei mir eingestellt war, hatte ich ein scharfes Bild. Für den Fall, dass das Display zu hoch oder niedrig positioniert ist, legt Viture seiner Brille noch verschiedene Nasenrücken-Stützen bei, die die Brille unterschiedlich hoch bzw. tief sitzen lassen. Danach konnte ich das Steam Deck normal verwenden, das projizierte Display bewegt sich dabei mit eurer Kopfbewegung mit, kann aber auch durch ein Drücken von Bedienelementen an der Brille „festgeklebt“ werden, sodass ihr auch zur Seite schauen oder mit anderen Personen sprechen könnt, ohne ständig das Display vor Augen zu haben.
In Sachen Bildschärfe und Leistung hat der Hersteller dann auch nicht übertrieben. Das Display nimmt tatsächlich einen großen Teil des Sichtfelds ein und es wirkt, als ob man auf eine große projizierte Fläche schaut. Ob es nun exakt 120 Zoll sind, kann ich nicht einschätzen, das virtuelle Display ist jedoch groß genug, sodass man deutlich mehr als auf dem eigentlichen Display der Nintendo Switch erkennt. Meine anfängliche Befürchtung war zudem, dass sowohl Bild als auch Sound eine leichte Verzögerung aufweisen könnten, doch dadurch, dass die Brille immer per Kabel mit dem Gerät verbunden ist, war die Reaktionszeit stets angemessen. Es kam zudem zu keinem Zeitpunkt zu Bildrateneinbrüchen, Rucklern oder ähnlichem und das Bild war durchgehend scharf, was ich von meinen bisherigen VR-Erfahrungen her so nicht erwartet hätte. Schnellere Spiele wie ein Hades, bei dem man ja mitunter schnell durch den Raum preschen muss, liefen flüssig und problemlos und auch eine Runde Mario Kart war auf diese Weise doch beeindruckend. Der Vorteil hierbei liegt vor allem darin, dass man nicht ständig auf das Display des Handhelds schauen muss, sondern zum Beispiel auch im Liegen spielen kann, ohne dass die Hände oder sonstige Körperteile verkrampfen – von dem größeren Spieldisplay ganz zu schweigen.
Hier ein Versuch, euch wenigstens ansatzweise ein Bild zu vermitteln, wie das Ganze letztendlich aussieht
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Am meisten haben mich jedoch die eingebauten Lautsprecher begeistert. Ich hatte eigentlich ein blechernes und mittelmäßiges Klangerlebnis erwartet und hatte bereits meine Bluetooth-Kopfhörer bereitgelegt, doch die eingebauten Lautsprecher konnten hier völlig überzeugen. Egal ob beim Spielen oder beim Schauen einer Serie; der Sound kommt klar und laut genug rüber und steht einem guten Kopfhörer in nichts nach. Nach Herstellerangaben arbeitete man mit dem Audio-Hersteller Harman zusammen, um die Kopfhörer zu optimieren und das merkt man dem Endergebnis auch an. Wer seiner Umgebung aber nicht auf die Nerven gehen möchte, der kann auch wie gewohnt externe Lautsprecher anschließen. Insgesamt war das Spielerlebnis sowohl auf dem Steam Deck als auch auf der Nintendo Switch ein optimiertes Erlebnis. Die Brille sitzt zudem komfortabel und hat zu keinem Zeitpunkt gedrückt. Nach einigen Stunden (die längste Testzeit am Stück lag bei mir bei vier Stunden) hatte ich allerdings das Bedürfnis, die Brille abzunehmen und meinen Augen eine kleine Pause zu gönnen.
Also alles eitel Sonnenschein? Nicht ganz. Wie ich eingangs bereits erwähnt habe, war die Nutzung der Brille für mich absolut kein Problem, aber meine Frau konnte die Brille letztendlich gar nicht benutzen. Das liegt daran, dass ihre Augen zu nahe beieinander liegen und diesen Umstand konnten auch die Nasenbügel bzw. das Scharfstellen der Brille nicht ändern. Das führte dazu, dass sie statt einem Display immer zwei sah, die sich nicht überlappen wollten. Das ist eine Problematik, die auch frühere VR-Brillen mit sich gebracht haben, bei denen man aber heutzutage die Linsen verstellen kann, was hier jedoch nicht geht. Wenn eure Augen also zu sehr vom internationalen Standard abweichen, dann kann es sein, dass ihr sie nicht nutzen könnt. Zudem kann die XR-Brille auch für Brillenträger problematisch werden. Ich konnte das Gerät ohne meine Brille nutzen, hätte es aber auch zur Not über die Brille aufsetzen können. Das geht aber nur so lange, wie eure Brille nicht zu dick bzw. groß ausfällt. Eine Lösung für dieses Problem bietet Viture in Form von Gläsern mit Sehstärke an, die ihr online bestellen könnt, die aber noch einmal extra kosten.
Powerbank inklusive: Durch das Mobile-Dock wird die Nintendo Switch ganz schön klobig. Gut, dass man sie nun nicht mehr halten muss
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Ein weiterer Sonderfall stellt die Nintendo Switch an sich dar. Denn um die XR-Brille mit Nintendos Hybridkonsole zu nutzen, benötigt ihr ein zusätzliches Dock. Das kommt daher, dass die Nintendo Switch selbst nicht genug Strom über den USB-C-Anschluss ausgibt, um die Brille in Betrieb zu nehmen. Viture hat uns dankenswerterweise ein Dock zum Testen zur Verfügung gestellt, an das ihr zusätzlich eine zweite Brille sowie ein HDMI-Gerät anschließen könnt. Das Dock dient zudem gleichzeitig als Powerbank, die eure Nintendo Switch mit zusätzlichem Strom versorgt – ganz praktisch, vor allem wenn ihr länger unterwegs seid. Damit das Ganze auch hält und nicht allzu unhandlich wird, gibt es eine extra Halterung, in die eure Konsole und das Dock gesteckt werden und nachdem ihr beides mithilfe eines Kabels verbunden habt, kann der Spaß auch losgehen. Es sei noch erwähnt, dass ihr die Joy-Con an der Konsole allerdings nicht mehr verwenden könnt, weil die Konsole in den TV-Modus springt. Ihr müsst die Joy-Con also entweder abnehmen oder mit einem Nintendo Switch Pro Controller spielen. Dass die Nintendo Switch grundsätzlich noch das sogenannte Mobile Dock benötigt, bedeutet im Übrigen am Ende auch noch einen ziemlichen Aufpreis: Während die Brille allein aktuell 439 US-Dollar kostet, fallen für die Kombination aus Brille und Mobile Dock satte 568 US-Dollar an.
Solltet ihr noch weitere Fragen haben, die ich in diesem Testbericht nicht aufgegriffen habe, dann stellt sie ruhig in den Kommentaren. Ich beantworte sie dann so schnell wie möglich.