Gefangen in den Ketten einer langatmigen Saga

JRPGs breiten sich auch in Europa immer weiter aus. Sie sind bekannt für ihre Irrungen und Wirrungen, die sich gerne einmal über mehrere Teile erstrecken. Das Franchise The Legend of Heroes ist dabei besonders für seine Langatmigkeit bekannt. Allein der letzte Ableger Trails of Cold Steel IV umfasst über 100 Stunden Spielzeit, was nicht ungewöhnlich für die Reihe ist. Nun wird es aber Zeit, die Geschichte weiterzuverfolgen und in gewissen Punkten abzuschließen, denn am 7. Juli 2023 erschien das nächste Spiel der Reihe hierzulande auf der Nintendo Switch: The Legend of Heroes: Trails into Reverie.


Bevor wir hier starten, gibt es direkt einmal einen Hinweis für Neueinsteiger: Ihr habt hier leider nichts verloren. Um dieses Spiel vollständig verstehen und genießen zu können, sollte man wissen, was bisher geschah und die Vorgängertitel gespielt haben. Ein guter Einstiegspunkt wäre The Legend of Heroes: Trails from Zero, welches den Crossbell-Arc einführt und aus dem sich die anderen Titel herausentwickeln.


»C« verleiht der Handlung eine ominöse Aura

© Nihon Falcom / NIS America

Jetzt kann es aber losgehen! Die Handlung von The Legend of Heroes: Trails into Reverie knüpft einige Monate nach den Ereignissen von Trails of Cold Steel IV an. Nachdem im Vorgänger das große Unheil abgewendet wurde, welches die Welt beinahe vernichtet hätte, möchte der Stadtstaat Crossbell nun seine Freiheit ergreifen. Doch die neugewonnene Freiheit steht auf sehr wackligen Beinen. Ehe sie sich versieht, wird diese Freiheit zertrümmert und durch eine Art Diktat ersetzt, das unter Zwang die Umgebung unterjochen und in den „Frieden“ führen möchte. Dieses Mal stehen drei verschiedene Protagonisten im Mittelpunkt: Zunächst haben wir Lloyd Bannings, Mitglied der Polizeieinheit SSS der Stadt Crossbell, und seinen Trupp. Dann gibt es noch den Protagonisten der Cold Steel-Reihe, Rean Schwarzer. Neu mit dabei ist eine Gruppierung rund um den mysteriösen Charakter »C«. Jeder dieser Handlungsstränge fokussiert sich auf eine andere Art und Weise auf die aktuellen Events, die sich in und um Crossbell und Umgebung entwickeln. Dabei sind die verschiedenen Handlungen in Teilen abhängig voneinander, sodass zwischen den Strängen gewechselt werden muss.


Die neuen Charaktere sind diejenigen, die das Spiel erst wirklich interessant machen: »C« ist ein Charakter, dessen Erscheinen überrascht und deswegen Spielende dazu animiert, sich für ihn und die drei neuen spielbaren Personen zu interessieren. In seinem Handlungsstrang verfolgt ihr die Geschichte rund um Nadia, Swin und Lapis. Nadia und Swin sind ehemalige Assassinen und Lapis ist eine lebendige Puppe. Dieser Handlungsstrang ist aus meiner Perspektive der interessanteste, da nicht nur die Umgebung im Mittelpunkt steht, sondern auch die neuen Charaktere erkundet werden. Das Spiel ist insgesamt aber vor allem prall gefüllt mit Fan-Service zu den bekannten Charakteren: Verschiedene kleine Mini-Episoden aus dem Leben der Charaktere geben euch die Chance, euch von diesen zu verabschieden. Dabei wird euch auch auffallen, wie viel Liebe zum Detail in diesen Nebenhandlungen steckt, da verschiedenste Easter Eggs aus den vergangenen Teilen kurzzeitige Beachtung finden.


Altbekannte Mechaniken, kleinere Neuerungen und entschieden zu viele Charaktere


Das Gameplay unterscheidet sich inhaltlich nur wenig von seinen Vorgängern, da es auf derselben Engine basiert. Ihr spielt einen Charakter in der Third-Person-Perspektive und bewegt euch in der Umgebung, um ein bestimmtes Missionsziel zu erfüllen. Dabei findet ihr unzählige Schätze und Gegner, die euch das Leben schwer machen möchten. Für die Kämpfe wird eine neue Sequenz gestartet, in der ihr eure aktiven Kampfmitglieder sehen könnt. Es stehen verschiedene Optionen zur Verfügung. Wie man es kennt, hat jeder Charakter einen bestimmten Aktionsbereich, den er über eine Bewegung ändern kann. Befindet sich ein Gegner außerhalb eines solchen Bereichs, kann dieser entsprechend nur durch einen Positionswechsel angegriffen werden. Der Kampfablauf ist rundenbasiert und baut sich strategisch auf. Manche Charaktere nutzen klassischen Nahkampf, während andere sich in der hinteren Reihe befinden sollten. Items und Spezialfähigkeiten runden das gesamte Erlebnis ab, sodass ihr eigene Strategien entwickeln könnt und des Öfteren auch gezwungen werdet, diese anzupassen.


Mit dem gesamten Team zum großen Schlag ausholen. So lässt sich das Blatt im Notfall wenden!

© Nihon Falcom / NIS America

Eine wichtige Änderung im Vergleich zum vorangegangenen Teil: Unter Verwendung der Assault-Leiste könnt ihr nun Punkte ausgeben, um das gesamte Team zu Angriffen zu animieren. Dadurch entfesselt ihr die Macht aller verfügbaren Charakter, eure aktiven Mitglieder und die der Reserve, um Angriffe oder Heilung durchzuführen. Eine wichtige Komponente, die den strategischen Nutzen unterstreicht, ist das Wiederauffüllen der Bravery-Punkte durch diese Methode. So lassen sich mächtige Angriffe schnell entfesseln. Abseits dessen fühlt sich das Kampf-Gameplay fast identisch an – durch eine Einstellung der Schwierigkeit und einer Auto-Kampffunktion lässt sich auch die Story mehr genießen, wenn man kein Fan des Kampfsystems sein sollte, da dieses rasch repetitiv wird.


Was das Spiel außergewöhnlich macht, ist die große Anzahl an spielbaren Charakteren, die aus verschiedenen Titeln der Reihe zusammenfinden. Während ihr wahrscheinlich verlockt sein werdet, euer Lieblingsteam zusammenzustellen und immer weiter zu optimieren, stellen sich hier die drei zentralen Handlungsstränge in den Weg – sofern ihr stets auf Optimierungen aus seid, werdet ihr immer beim Wechsel in einen der anderen Handlungen ein neues Team haben, das ihr wieder mit einer optimalen Rüstung ausrüsten müsst. Das heißt zum Beispiel, wenn ihr ein bestimmtes Item habt, das ihr gerne nutzt, dann wird das ziemlich häufig herumgereicht. Dieser Umstand ist zu Beginn reduziert, nimmt aber im Laufe des Spiels stark zu und raubt die Motivation, verschiedene Team-Konstellationen auszuprobieren oder aufzubauen. Die Sonnenseite ist aber, dass für jeden Fan etwas dabei ist. Jeder wird im Laufe der Handlung bestimmte Charaktere in sein Herz geschlossen haben. Nun gibt es die Gelegenheit, diese in ein Team zu stopfen und kämpfen zu lassen. Ob das aber eine Langzeitmotivation darstellt, ist fraglich.


Besonders süchtigmachend ist hingegen der True Reverie Corridor. Dort könnt ihr innerhalb von zufällig generierten Dungeons mit euren Truppen kämpfen und verschiedene Charaktere aufleveln und ihre Werte verbessern. Leider wird dieser Ort aber auch vom Schatten der verschiedenen Team-Konstellationen heimgesucht, da manche Dungeons bestimmte Auswahl-Vorgaben machen. Wer diesen Ort also komplett untersuchen möchte, benötigt viel Zeit, aber vor allem Geduld. Die Minispiele schaffen es, den Spielfluss aufzulockern. Dabei wirken manche Minispiele einfach absurd, was für gewisse Lacher sorgen kann. Aber nachdem ich ein paar dieser Spiele durchprobiert habe, verlor ich auch wieder schnell das Interesse daran, da es von der Haupthandlung schlicht ablenkt und man Gefahr läuft, den Faden zu verlieren. Ein Bonbon für Fans sind die verschiedenen Erinnerungen, die ihr durch Abschluss der Dungeons freischalten und ansehen könnt. Im True Reverie Corridor kann viel geschehen, was völlig optional ist, sofern ihr lieber die Haupthandlung verfolgen möchtet. Dabei bewegt sich der Corridor oft gefährlich in Richtung Langeweile, da mit der Zeit die Dungeons keine nennenswerten Überraschungen liefern und das Kampfsystem – wie bereits erwähnt – nicht vor Spannung glänzt.


Gewohnte Qualität mit Problemen bei der Portierung


Wie man es von der Spielreihe gewohnt ist, wartet auch The Legend of Heroes: Trails into Reverie mit einem starken Sound auf, der besonders durch seinen Soundtrack dazu einlädt, sich in der vielseitigen Welt zu verlieren. Auch die Performance der Synchronsprecher lässt keinerlei Wünsche offen. Lediglich die Tatsache, dass die Untertitel nicht auf Deutsch geliefert sind, trübt diesen Eindruck ein wenig. Ähnlich verhält es sich auch mit der Ausgestaltung der Umgebung, welche stark an den Vorgänger erinnert. An vielen Orten gibt es verspielte Details zu entdecken. Hier kann es schnell zu einem Gefühl von Nostalgie kommen, da diese Welt sich über die Jahre weiterentwickelt hat.


Mit den Minispielen wird es locker und humorvoll. Egal, ob am Strand oder als Magical Girl – hier gibt es eine kurzzeitige Ablenkung!

© Nihon Falcom / NIS America

Die Bildrate hingegen schafft es nicht zu überzeugen. Besonders in Cutscenes muss diese stark leiden. Es ist kein gutes Zeichen, wenn bereits die erste Cutscene stark zu ruckeln beginnt. Leider zieht sich dieses Problem durch das gesamte Spiel, was den einzelnen animierten Szenen die Epik raubt. Auch an sehr belebten Orten wie direkt in Crossbell oder Heimdallr kommt es zu starken Rucklern, sodass das Spielgefühl oft gedämpft wird. Enttäuschenderweise ist die Portierung technisch nicht gelungen, da weder im Handheld-Modus noch im TV-Modus eine sichtbare Verbesserung eintritt. Zwar wurde kürzlich ein Patch nachgereicht, aber die Probleme sind nach einem kurzen Überblick nicht vollständig gelöst.


Fans der Reihe werden keine großen Überraschungen – sei es positive oder negative – erwarten müssen. Das Spiel kommt zwar mit Tiefe in der Handlung daher, fühlt sich aber insgesamt nicht ganz so relevant wie die vergangenen Teile der Reihe an. Die Idee, verschiedene Charakteren noch einmal Spielzeit zu geben und die Geschichte mit einem großen Abschluss zu feiern, ist zwar nett gemeint, wirkt dadurch aber nur wie ein Nachhall einer epischen Geschichte. Mein persönlicher Höhepunkt ist die Geschichte rund um »C« und seine Mitstreiter. Sie bringen wirklich etwas Neues in die Reihe, was aber bedauerlicherweise nicht ausreicht, um dieses Spiel von den anderen abzuheben. Ein Spiel nur mit »C« in der Hauptrolle hätte eventuell besser funktioniert, statt auf Biegen und Brechen Fan-Service zu liefern. Ich habe mich zwar gefreut, Lloyd, Rean und deren Kumpanen noch einmal begleiten zu dürfen, aber letztlich war oft die Luft raus, sodass ihre Geschichten nicht wirklich bei mir wirken konnten. Auch das Finale hinterließ bei mir einen faden Beigeschmack, da es weniger logisch und eher an den Haaren herbeigezogen wirkt. Aus meiner Perspektive ist diese Produktion zwar keine Enttäuschung, aber auch nicht unbedingt das Glanzstück der epischen Saga, was wohl hauptsächlich daran liegt, dass sich die Entwickler von den Ketten der Vergangenheit nicht genügend lösen konnten oder wollten.

Unser Fazit

7

Spaßgarant

Meinung von Simon Münch

Dem Spiel The Legend of Heroes: Trails into Reverie ist etwas passiert, was nicht passieren sollte: Ihm ging zwischenzeitlich die Luft aus. Dadurch, dass verschiedene Geschichten nach den epischen Ereignissen der vorangegangenen Handlung erzählt werden und beliebte Charaktere abermals in den Mittelpunkt rücken, erwartet man als Fan viel. Es ist schwer zu sagen, an welcher Stelle mich dieses Spiel verloren hat, aber im Nachhinein muss ich klarstellen, dass mich diese Produktion weniger abholen konnte als beispielsweise Cold Steel IV. Ein Lichtblick ist die Handlung rund um »C« und seine Mitstreiter, die eine neue Komponente in diese verworrene Geschichte wirft. Letztlich fühlt sich aber auch dieses Erlebnis nicht ganz so rund an, da es im Schatten der anderen Spiele steht. Das Kampfsystem ist nicht neu, wurde aber an manchen Stellen verbessert, sodass Kenner auch wieder eine neue Herausforderung erfahren. Hier stellt sich bedauerlicherweise schnell Eintönigkeit ein: Es ist nun mal das Gleiche, was man schon hunderte Stunden vorher gespielt hat. Die Fülle an Charakteren ist ebenfalls ein interessanter Gedanke, scheitert aber am ständigen Umrüsten von Gegenständen, wenn man neue Team-Konstellationen aufbauen will oder muss. Der True Reverie Corridor ist anfangs eine nette Abwechslung, entpuppt sich aber schnell als hirnloser Grind und aufgeblähtem Fan-Service. Die Portierung für die Nintendo Switch ist leider auch nicht sonderlich gelungen – andere Plattformen sind da aus meiner Sicht zu bevorzugen. Insgesamt ist dieser Eintrag der Reihe eher ungeschliffen – für Fans natürlich ein Must-Play, aber aus meiner Perspektive schrammt er letztlich knapp an einem Spiele-Hit vorbei.
Mein persönliches Highlight: Die Handlung rund um »C«

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