Die Milch ist schlecht – das Spiel sicher nicht!
Retro City Rampage – der Name kommt euch irgendwie vertraut vor? Kein Wunder! Dieses Spiel hat schon diverse Konsolen mit Waffengewalt erobert und rast jetzt in einem nicht einvernehmlich ausgeliehenen Fahrzeug auf die Nintendo Switch zu! Vielleicht denkt sich der eine oder andere jetzt: „Alles klar – ein alter Hut, kein Interesse…“ Wer aber bisher nicht in der Stadt Theftropolis unterwegs war, sollte besser weiterlesen und erkennen, dass ein Spiel, das auch nach Jahren immer noch nicht abgeschrieben wird, wohl nicht so schlecht sein kann.
Nintendo-Fans konnten Retro City Rampage bereits durch die Plattform WiiWare kennen lernen. Diese Version erhielt bereits einen megacoolen Spieletest von uns, der (passend zum Retro-Thema) nach wie vor aktuell ist. Trotzdem schieben wir diesen aktuelleren Test zusätzlich nach, denn die Entwickler von Vblank Entertainment feilten weiter an ihrer Spieleperle und reichten eine überarbeitete Deluxe-Variante nach. Retro City Rampage DX wurde unter anderem auf dem Nintendo 3DS veröffentlicht und konnte somit auch unterwegs gespielt werden. Mit der Nintendo Switch ist dies wie immer auch wunderbar möglich, genau wie das Spiel am Fernseher. Mir fiele keine bessere Hardware dafür ein.
Aber genug der Vorrede – einige von euch wollen sicher erstmal wissen, worum es überhaupt geht. Wer durch die offene Spielewelt von Theftropolis läuft, beliebige Fahrzeuge stiehlt, Missionen erledigt und auf Gegner oder auch zufällig umherspazierende Passanten ballert, dem kommt sicherlich die Spielereihe Grand Theft Auto (GTA) in den Sinn. Völlig unangemessen ist dieser Vergleich sicherlich nicht, aber hier ist alles eine Nummer kleiner, einfacher und – natürlich – Retro! Dies fällt sofort durch den klassischen, aber durchaus hübsch anzusehenden Grafikstil ins Auge und wird von der Soundkulisse bestens unterstützt. Die Dudelklänge werden dabei vermutlich kaum jemandem auf die Nerven gehen, denn das Durchzappen durch verschiedene spielinterne Radiosender beschert uns schnell einen Song, der zur Stimmung passt und den eigenen Geschmack trifft.
Auch inhaltlich wird die Retro-Schiene knallhart durchgezogen, denn die Story führt uns zurück in die Zuku… ähm, nein – zurück in die 80er. An den in dieser Zeit gedrehten Film über Zeitreisen werdet ihr genauso „versehentlich“ erinnert, wie ich ihn gerade fast „versehentlich“ genannt hätte. Selbstverständlich werden nie die Original-Namen genannt, aber schnell lernt ihr einen verrückten Wissenschaftler kennen, für den ihr Missionen erledigen müsst, damit er an seiner Zeitmaschine basteln kann. Allerdings ist das nur eine von vielen Anspielungen, die den humorvollen Charakter des Spiels unterstreichen. Alles wird mit Ironie und Augenzwinkern präsentiert, seien es das Spielen einer unfertigen, verbuggten Version des Spiels oder die verharmlosenden Beschreibungen expliziter Inhalte.
Tatsächlich muss man festhalten, dass wir hier nicht von einem Knuddelspiel für kleine Kinder sprechen. Das Überfahren von Passanten ist hier nicht nur möglich, sondern teilweise sogar Inhalt von Missions-Aufgaben. Die Brutalität dieser Angelegenheit wird dadurch verschleiert, dass es keine detaillierte Darstellung des Gemetzels gibt, sondern das Ganze eben grafisch sehr retroartig simpel präsentiert wird. Außerdem „schlafen“ die Opfer nur. Ebenfalls sollt ihr beispielsweise in einer Mission mehrere Verkäufer verschiedener Geschäfte entlassen, was allerdings ebenfalls nur ein Codewort dafür ist, sie mit Knüppeln, Pistolen, Bazookas oder was euer Waffeninventar sonst so hergibt, umzulegen. Und wenn ihr eine Substanz konsumiert, die euch so sehr berauscht, dass der ganze Bildschirm verzerrend wackelt, dann wird nicht von Alkohol oder Drogen gesprochen, sondern die „Milch“ war schlecht. Auf diese Weise werden einerseits die brutalen Inhalte abgeschwächt oder verschleiert, andererseits aber eben doch auch einfach eine humorvolle Herangehensweise ins Spiel gebracht.
Ihr könnt teilweise unter mehreren Missionen wählen, indem ihr bestimmte Punkte der offenen Spielwelt besucht, die auch auf eurer Karte markiert werden. Diese folgen oft einem wiederkehrenden Schema (Gehe zu Punkt x, besiege Widersacher und bringe einen Gegenstand zurück), werden aber immer wieder in anderen Varianten und abwechslungsreich präsentiert, sodass nie wirklich Langeweile aufkommt. So eignet sich Retro City Rampage DX sowohl für längere Sessions als auch für das gelegentliche Spiel zwischendurch, wenn man mal wieder Lust auf eine Mission hat. Die Erfüllung ist zumeist nicht besonders schwierig, wenn ihr geschickt eure Waffen und Fahrzeuge einsetzt, hinter Gegenständen in Deckung geht und mit Sprüngen ausweicht oder euren Gegnern im Mario-Stil auf den Schädel hüpft. Solltet ihr trotzdem scheitern, dürft ihr die Aufgabe von einem nicht zu weit entfernten Rücksetzpunkt aus neu starten.
Mit der DX-Version haben die Entwickler zwar kein komplett neues Spiel erschaffen, aber das vorhandene sozusagen von Grund auf renoviert. So wurden nicht nur die Grafik und Grafik-Effekte verbessert, sondern es wurde an zahlreichen Details geschraubt. Dies betrifft zum Beispiel die Missionen oder die künstliche Intelligenz der Polizei, die euch euer Gangster-Verhalten selbstverständlich nicht durchgehen lassen will. Wer ein Auto stiehlt und Passanten überfährt, hat schnell Streifenwagen im Schlepptau, was zu Verfolgungsjagden oder wahlweise auch direkten Konfrontationen führen kann. Die Auseinandersetzungen im Spiel haben zwar taktische Komponenten, sind aber insgesamt nicht sehr kompliziert designt, sondern Arcade-artig gestaltet. Um näher an der Action zu sein, wurde übrigens auch der Zoom-Modus der DX-Version angepasst – inspiriert von der Nintendo 3DS-Fassung, die aus technischen Gründen einen kleineren Bildausschnitt zeigte. Sollten euch die Neuerungen nicht gefallen, könnt ihr auch einfach im Menü das ursprüngliche Spiel auswählen.
Die Nintendo Switch-Version profitiert auch vom Touchscreen. So könnt ihr problemlos und schnell in eurem Inventar die Waffe eures Vertrauens auswählen. Dies ist allerdings nur eine Randbemerkung und nicht elementar wichtig, denn auch ohne Touchscreen lässt sich der Titel problemlos steuern. So könnt ihr also auch im TV-Modus Theftropolis erkunden, und euch dort bei Interesse auch die Zeit vertreiben, indem ihr die Spielhalle aufsucht, euch neue Frisuren machen lasst und passende Hüte kauft.
Unser Fazit
9
Geniales Spiel