Unser Test zum Spiel: Phoenix Wright: Ace Attorney - Dual Destinies
Die Ace Attorney-Reihe gibt es schon seit stolzen 12 Jahren und sicherlich dürfte dieses hohe Alter den einen oder anderen etwas überraschen. Doch das gilt nur für Japan, denn sein Debüt in Europa gab der Anwalt erst 5 Jahre später. Und gegen den Glauben der meisten Spieler feierte die Reihe hierzulande tatsächlich große Erfolge und konnte eine treue, westliche Fan-Basis um sich scharen. Diese musste aber dann auf das zweite Solo-Abenteuer vom Kollegen Miles Edgeworth verzichten. Doch Glück naht in Gestalt des barmherzigen Capcoms, das die Bettel-Rufe erhört und sich die Mühe gemacht hat, den heißbegehrten neuesten Teil (nur) als eShop-Titel zu veröffentlichen. Allerdings nur auf Englisch. Wir haben uns Phoenix Wright in Ace Attorney - Dual Destinies daher vorgeknöpft und zum Gerichtshof des N-Turmes geschickt. Kann Phoenix Wright an seine jungen Glanzzeiten anknüpfen oder müssen wir ihn wegen des nachlässigen Spiels schuldig sprechen? Übrigens ist dieser Test frei von Story-Spoilern. Es wäre doch schade, wenn der Schuss nach hinten losgeht und ihr stattdessen uns verklagt, weil wir etwas verraten haben.
Erheben Sie sich für das Review zum neuesten Phoenix Wright-Titel!
Doch um was geht es denn ungefähr in Ace Attorney? Darf ich vorstellen: Phoenix Wright ist seit vielen Jahren ein begnadeter Verteidiger und hat schon die kuriosesten Fälle hinter sich. Zusammen mit seiner Adoptivtochter Trucy Wright führt er die Alles-Agentur Wright, doch er ist nicht allein. Neben der tatkräftigen Unterstützung von Apollo Justice, der ebenfalls Anwalt ist, hat Phoenix Wright eine neue Verbündete namens Athena Cykes gefunden. Dank ihrem hitzigen Charakter und ihrer besonderen Gabe erhofft sich das Team um Phoenix Wright mehr Gerechtigkeit im Gerichtshof und für ihre Mandanten.
Ihr übernehmt nun die Rolle von Phoenix Wright und versucht, eure Mandanten von den Beschuldigungen eines Verbrechens und dem Schuldspruch zu befreien. Sobald ihr den Fall angenommen habt, sucht ihr im typischen Point & Click-Adventure-Stil nach Zeugen und Beweisen, um sozusagen Munition für den kommenden Prozess zu sammeln. Dazu habt ihr ein Menü, in dem ihr euren Aufenthaltsort bestimmen könnt: einfach den Ort des Wunsches anklicken und schon gelangt ihr dorthin. Dabei werdet ihr einige Leute kennenlernen, die nicht nur meistens völlig verrückt sind, sondern euch auch Informationen zu eurem Fall liefern. Ihr könnt ihnen auch weitere Fragen stellen, um mehr Beweise oder Hinweise herauszukitzeln.
Aber nicht immer sind eure Gesprächspartner kooperativ und lügen euch manchmal sogar an. Hier kommt die besondere Gabe von Apollo Justice ins Spiel: Ihr könnt dank seiner Fähigkeiten den Lügenbaron mit vergrößerter Lupe betrachten, um verräterische Körperregungen wahrzunehmen. Denn Worte können gut lügen, der Körper aber nicht. Habt ihr eine auffallende Zuckung bemerkt, sprecht ihr euren Gesprächspartner darauf an und mit Glück wird er euch die Wahrheit sagen. Manchmal sind sie besonders hartnäckig und dann hilft nichts anderes als Tatsachen zu zeigen bzw. Beweise aus der Taschen zu holen, die ihr bisher gesammelt habt. Im späteren Spielverlauf bekommt ihr noch eine weitere Möglichkeit, eure Zeugen und Gesprächspartner in die Mangel zu nehmen, doch die verrate ich euch lieber nicht. Serien-Veteranen werden sich aber sicherlich darüber freuen.
Doch jeder angehende Detektiv weiß, dass das Gespräch nur die halbe Miete ist und so müsst ihr auch mal den Tatort oder andere Orte genauer unter die Lupe nehmen. Wenn bei euch auf dem Touchscreen „Examine“ auftaucht, wechselt er in ein Raster und ihr könnt den Ort entweder mit dem Stylus nach auffallenden Beweise absuchen, oder ihr benutzt das Schiebepad, um den Cursor zu bewegen. Beides funktioniert einwandfrei und lässt sogar die kleinsten Beweise nicht unentdeckt zurück. In Gegensatz zu früheren Ablegern leuchtet der Cursor, wenn er einen Gegenstand erkennt. Dies vermindert zwar das frustrierende „Ich klicke jeden Pixel an, den ich sehe“-Effekt, macht aber die Detektiv-Arbeit doch extrem einfach. Ihr braucht einfach nur alle Stellen antippen, an denen der Cursor leuchtet, und schon habt ihr alles, was ihr braucht.
Habt ihr genug Beweise gesammelt, landet ihr zum großen Showdown vor Gericht. Hier geht es um alles oder nichts, denn ihr müsst eure Beweise geschickt einsetzen, um den Richter davon zu überzeugen, dass euer Mandant unschuldig ist. Doch leider seid ihr nicht allein auf dem Schlachtfeld der Gerechtigkeit, denn ein Staatsanwalt will um jeden Preis verhindern, dass euer Mandant als unschuldig erklärt wird und bringt dafür ebenfalls Beweise vor, die allerdings für die Schuld sprechen. Es werden auch Zeugen in den Zeugenstand gerufen, die ebenfalls eine Aussage zur Tat abgeben. Ihr habt dann die Möglichkeit, noch weiter nachzuhaken, um eine deutlichere Aussage zu bekommen.
Athena steht euch mit ihrer Gabe im Gerichtssaal zur Seite.
Und wir wissen doch, dass nicht alle Menschen immer ehrlich sind. Wenn ihr also eine Ungereimtheit entdeckt und die Aussage und die Beweise nicht übereinstimmen, dann zögert auf keinen Fall, ein lautes „Objection!“ in den Saal zu rufen und den Beweis zu präsentieren, der die Aussage widerlegt. Manchmal versucht der Zeuge noch, die Aussage zu korrigieren, doch wie ein Kartenhaus zerfällt das Lügengerüst schneller, wenn eine Karte fehlt und das Haus wackelt. Also hakt noch weiter nach und zeigt so lange widerlegende Beweise, bis das Kartenhaus der Lügen zusammenbricht. Dann bekommt ihr entweder eine neue, wahre Aussage aus dem Zeugen heraus, die den Fall in ein anderes Licht rückt, oder ihr findet sogar den echten Täter.
Aber Vorsicht! Ihr könnt nicht einfach ahnungslos ein „Objection!“ nach dem anderen schreien, denn ihr habt auch einen Energiebalken. Wenn dann euer Beweis die Aussage des Zeugen nicht widerlegt oder er einfach keinen Sinn macht, verliert ihr einen Batzen vom Energiebalken. Und ist er leer, wird euer Mandant schuldig gesprochen, was für euch das „Game Over“ bedeutet. Ihr müsst also den Prozess von vorne beginnen… So war es zumindest in den Vorgängern. Phoenix Wright in Ace Attorney - Dual Destinies dagegen ist sehr gnädig. Habt ihr verloren, könnt ihr mit „Try Again“ zurück zur letzten Aussage springen und habt wieder einen vollen Balken Energie. Damit ist er aber im Prinzip sinnlos und ihr könnt ihn sogar ignorieren, da er sich beim erneuten Versuch eh neu auffüllt. Während des Spielens war ich dadurch auch deutlich unvorsichtiger als in den Vorgängern, weil ich eben wusste, dass ich beim Versagen gar nicht bestraft, sondern sogar mit einem gefüllten Energiebalken belohnt werde.
Das ist wirklich schade, denn damit geht die (An)Spannung beim Prozess verloren. Ironischerweise zeigt Phoenix Wright in Ace Attorney - Dual Destinies aber auch, dass es das Zurücksetzen in den Gerichtssaal gar nicht so unbedingt gebraucht hätte. Habt ihr nämlich bei einer Aussage schon zu viele falsche Beweise vorgelegt, könnt ihr euch Hilfe holen und es wird euch die Aussage angezeigt, mit der etwas nicht stimmt. Der benötigte Beweis allerdings wird nicht hervorgehoben, sodass man wenigstens noch etwas mitdenken muss. Hätte man es dabei belassen, wäre das Spiel nicht unnötig vereinfacht. Damit gibt es ja eine gelungene Hilfestellung für Anfänger, die noch etwas Probleme haben.
Es gibt jedoch noch eine neue Möglichkeit, mehr aus einer Aussage herauszuholen. Hier kommt Neuzugang Athena ins Spiel: Mithilfe ihrer Gabe kann sie die Emotionen während der Zeugenaussage darstellen, so dass ihr zu sehen bekommt, was der Zeuge gefühlt hat. Was das bringt? Nun ja, wenn ihr eine von vier Emotionen entdeckt, die im Zusammenhang mit der Aussage keinen Sinn ergibt, könnt ihr sie anhand eines Smileys markieren und den Zeugen zu dieser Emotion befragen. Mit Glück springt ein neuer Beweis dabei heraus oder die Aussage verändert sich komplett. Um das besser zu erklären, hier ein völlig aus der Luft gegriffenes Beispiel. Ich sage im Gericht folgendes aus: “Ich war nicht am Tatort anwesend, weil ich im Restaurant leckere Knödel gegessen habe.“
Bei euch leuchtet nun das „Fröhlich“- als auch das „Traurig“-Symbol auf. Eine traurige Reaktion auf den Verzehr von Knödeln wirkt sehr eigenartig (vor allem, weil sie fantastisch schmecken), daher macht ihr mich auf diese traurige Reaktion aufmerksam. Ich fühle mich ertappt und ergänze meine Aussage: “Ich war nicht am Tatort anwesend, weil ich im Restaurant leckere Knödel gegessen habe. Doch ich bemerkte, dass die Jägersoße fehlte. Also machte ich mich in der Stadt auf die Suche nach dem Chefkoch.“ Dank dieser ergänzten Aussage stellt ihr fest, dass ich doch kein Alibi habe. So ungefähr funktioniert dieses Emotion-System. Es ist ein sehr interessantes Element, das sich sehr gut eingliedert im Gerichts-Prozess und für frischen Wind sorgt.
Während der Zeugenaussagen könnt ihr Beweise präsentieren, die Alibis zerplatzen lassen.
Lüftet ihr noch mehr Geheimnisse und widerlegt eine Aussage nach der anderen, wird euer Mandant irgendwann freigesprochen. Habt ihr das geschafft, seid ihr einen erfolgreichen Fall reicher und werdet im Gericht mit Konfetti und Applaus gefeiert. Na gut, so überschwenglich wird’s nicht, aber ihr habt gewonnen! Übrigens ist der von mir beschriebene Spielablauf nicht immer genau so und kann sich von Fall zu Fall immer wieder unterscheiden. So verzichtet das Spiel auch mal auf die Untersuchungen außerhalb des Gerichtssaals oder der Fall streckt sich über mehrere Tage, so dass mehrere Gerichtsprozesse und Untersuchungen notwendig sind. Damit gestaltet sich der Anwalts-Alltag abwechslungsreicher, als man es einem Text-Adventure erwarten würde.
Natürlich solltet ihr euch darauf einstellen, dass ihr in Phoenix Wright in Ace Attorney - Dual Destinies eine große Menge an Texten lesen müsst. Spieler mit Lesephobie sollten also Abstand halten. Alle anderen werden mit großartigen Dialogen und richtig schrägen Charakteren belohnt. Denn wie Serienkenner wissen, ist die Ace Attorney-Reihe alles andere als eine langweilige Anwalts-Simulation. Sie präsentiert euch die verrücktesten Gestalten, die es je gegeben hat. Und nicht nur die schrägen Figuren reißen einen mit, auch die Fälle sind unglaublich spannend und es kommt nicht selten vor, dass es eine völlig überraschende Wendung gibt (was mir erneut den Schlaf raubt). Deswegen lautet der japanische Titel „Gyakuten Saiban“, was übersetzt „Wende im Gericht“ bedeutet. Ziemlich zutreffend.
Und falls ihr eine Textzeile überlesen habt, könnt ihr das Text-Protokoll aufrufen, in dem ihr alle Texte dieser Szene nachlesen könnt. Manchmal haben sich aber leider auch Schreibfehler eingeschlichen. Im Großen und Ganzen empfand ich die Lokalisierung aber als ziemlich gelungen. Und bei so viel Text ist eine gute Lokalisierung sehr wichtig. Darum ist es besonders schade, dass man es bei englischen Texten belassen hat. Es ist durchaus kein leichtes Unterfangen, die teils komplizierten Sätze und Wortspiele selber ins Deutsche zu übersetzen, und Spieler mit schlechten Englisch-Kenntnissen werden wohl ihre Probleme haben. Und dass es sich hierbei nicht um einfaches Schulenglisch handelt und gerne mal mit komplizierten Begriffen um sich geworfen wird, macht es nicht einfacher. Schade, dass Capcom hier nicht weiter gedacht hat. Bevor ich es vergesse: Speichern könnt ihr an jeder beliebigen Stelle in zwei Speicherslots. Damit ist die Zukunft als Anwalt gesichert.
Richtig gut gefallen hat mir die Grafik. Als die 3D-Optik mit ihren 3D-Modellen angekündigt wurde, war ich erst sehr skeptisch. Schließlich trugen die 2D-Sprites zum schrägen Ace Attorney-Humor bei und wurden auch sehr schön und mit viel Charme und Charakter gezeichnet. Also hatte ich Angst, dass gerade das durch die 3D-Modelle in Phoenix Wright in Ace Attorney - Dual Destinies verloren geht. Doch war meine Skepsis berechtigt? Glücklicherweise nicht. Sogar im Gegenteil: Die 3D-Modelle fangen nicht nur perfekt den Charme ein, sie sind sogar besser. Dank ihnen sind die Animationen deutlich flüssiger als in den Vorgängern und wirken somit tatsächlich lebendiger. Und durch die Kameraschwenks wird mehr Dynamik erzeugt. Damit ist der 3D-Einstieg voll geglückt, im Gegensatz zu anderen Franchises, die den Sprung in die 3D-Grafik wagten...
Und wer doch noch die Zeichnungen vermisst, der kann sich an den Anime-Zwischensequenzen erfreuen, die ganz okay sind. Ihr müsst euch nur darauf einstellen, dass sie nicht vor einer brutaleren Darstellung von Blut zurückschrecken, was man so von der Reihe bisher nicht kannte. Der 3D-Effekt wurde aber wunderbar eingesetzt. Er sticht nicht unangenehm ins Auge und doch ist er spürbar. Technisch leistet sich Phoenix Wright in Ace Attorney - Dual Destinies also keine Faxen und die Präsentation sieht besser aus als je zuvor. Und die Musik? Dramatik, Spannung, Action und auch leichtherzige und lustige Stücke sind vorhanden und alles hört sich einfach fantastisch an. Auch hier gibt es keinerlei Einspruch von mir.
Phoenix' berühmter Ruf schallt natürlich auch durch Dual Destinies.
Unser Fazit
8
Ein Spiele-Hit