Nintendo Switch auf der E3 2017 – soll ich begeistert sein oder Trübsal blasen? Kommentar
Geschrieben von Roman Dichter am 16.06.2017
Das große Ankündigungs-Video von Nintendo, das in diesem E3-Jahr unter dem Namen „Nintendo Spotlight“ ausgestrahlt wurde, ist nun vorbei und ich lehne mich zurück, lege die Füße hoch und nehme ein Glas Wasser in die Hand. Während ich so über das Gesehene nachdenke, stelle ich mir immer wieder die Frage: Ist das Glas halbleer oder halbvoll? Die E3 2017 macht es mir schwerer als üblich, zu dieser Frage eindeutig Stellung zu beziehen. Vielleicht hilft es ja, die Ankündigungen nochmals in Erinnerung zu rufen und zu bewerten. Also blicken wir zurück: Was hat Nintendo Switch zu bieten?
Die Spotlight-Show begann mit einem Zusammenschnitt verschiedener, hauptsächlich bereits bekannter Titel. Schon hier beginnt meine innere Zerrissenheit, die man mit dem klassischen Bild von Engelchen und Teufelchen auf den Schultern beschreiben könnte. Jedenfalls lösen diese Titel bei mir positive und negative Gedanken aus.
Negativ:
Als bekannt wurde, dass Nintendo für die Spotlight-Show weniger als eine halbe Stunde benötigen würde, war mir klar: Wenn das Ganze jetzt noch durch lange Gameplay-Videos und bereits angekündigte Spiele gestreckt werden muss, dann ist das Line-Up für dieses Jahr dünn. Und sein wir ehrlich: Das ist es auch! Nintendo möchte mit den Switch-Spielen begeistern, die sie liefern können. Aber echte Neuankündigungen kann man an einer Hand abzählen. Stattdessen wandern unsere vorfreudigen Blicke auf ein Spiel (ARMS), das gerade erscheint und für den Blick in die Zukunft (den die E3 für viele von uns sicher darstellt) ziemlich uninteressant ist. Ein weiteres Spiel (Pokémon Tekken) kennen wir schon lange von der Wii U – mehr als die pure Ankündigung (die ja schon vorweggenommen wurde) interessiert mich da also wenig. Mit Splatoon 2 haben wir noch ein Spiel, das ich mit meinen (zugegeben) ungeschulten Augen zu keinem Zeitpunkt vom Vorgänger unterscheiden kann und FIFA 18 ist der lebende Beweis dafür, dass Nintendo-Spieler auch in der Switch-Ära auf Inhalte verzichten müssen, die andere Konsolen bereitstellen.
Positiv:
Naja, wir sollten deshalb auch nicht gleich weinen. Diese Spiele haben nicht sehr viel Zeit der Präsentation in Anspruch genommen, außerdem handelt es sich um sehr interessante Titel, die unsere Switch-Bibliothek sinnvoll in die Breite erweitern. Viele Spieler warten mit großer Vorfreude darauf. ARMS haut vielleicht nicht jeden aus den Turnschuhen, aber immerhin ist es etwas Kreatives, das nicht einfach nur einen bereits existierenden Titel im Auge hat und diesen nach dem Copy & Paste-Verfahren umsetzt. Damit wären wir bei FIFA. Wenn die Einschränkungen (wie der fehlende Journey-Modus) kaschiert werden sollen durch die Aussage, dass es laut EA „das technologisch fortschrittlichste mobile FIFA-Spielerlebnis“ ist, das es je auf einem Handheld gab, dann wirkt das zunächst wie peinliches Marketing-Gelaber. Aber ehrlich gesagt: Es stimmt! Der Gedanke, immer und überall mit Freunden FIFA spielen zu können, reizt mich tatsächlich sehr viel mehr, als jede jährliche Standard-Neuauflage auf klassischen Konsolen. Zuletzt bringen Pokémon Tekken und Splatoon besonders die Spieler an Bord, die die Wii U-Ära nicht mitgemacht haben.
Hier haben wir zwei Spiele, zu denen ich persönlich keinen Bezug habe. Das liegt aber eher an meinen persönlichen Vorlieben, das würde ich niemandem vorwerfen wollen. Darum ganz kurz und knapp meine Einschätzung:
Negativ:
Auch hier haben wir zwei Spiele, die schlicht und einfach weder neu noch überraschend sind. Zusammen mit den oben genannten sind wir also schon bei sechs Titeln, die nur mehr von dem zeigen, was wir schon wissen. Den Spielen selbst möchte ich aber zu diesem Zeitpunkt keine Qualitäten absprechen.
Positiv:
Es muss ja nicht immer mich persönlich vom Hocker hauen. Beide Spiele haben sich bewährt, zumal sie Ableger erfolgreicher Reihen sind. Da kann man sich für die Nintendo Switch nur freuen, dass sie auch mit diesen Spielen gefüttert wird. Dass viele Fans begeistert sind, ist wahrlich kein Geheimnis, also sei ihnen die Freude gegönnt!
Weiter geht es mit 2D-Jump’n’Runs. Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis Ableger dieser Reihen auch die Nintendo Switch beehren würden. Immerhin fühle ich mich in diesem Genre schon eher zu Hause, wenngleich mir ein neues Donkey Kong-Spiel eher zugesagt hätte. Aber damit kann ich auch noch bis zur E3 2018 warten.
Negativ:
Einen Gedanken kann ich nicht wirklich abstreiten und vielleicht kommt dieser Gedanke auch einigen von euch bekannt vor: „Schon wieder?“ So sehr ich Marios Pferde-Alternative und den allesfressenden Edelknödel auch mag, irgendwie wirken diese beiden Reihen auf mich etwas eintönig. Kleine Neuerungen wie die Woll-Optik (oder der Papier-Look) liefern etwas Kosmetik, aber das Gameplay wirkt direkt wieder vertraut – zu vertraut…
Positiv:
Es ist nur konsequent und sinnvoll, dass Nintendo seine beliebten Charaktere auf eine weitere Reise schickt. Letztlich wollen wir Nintendo-Fans doch mehr von dem, was wir lieben. Ich bin mir fast sicher, dass mindestens eines dieser Spiele auch bei mir landen wird. Und es wird mich unterhalten. Was wollen wir eigentlich mehr? Außerdem reden wir hier von echten News. Beide Spiele wurden erstmals der Öffentlichkeit präsentiert und zeigen uns also, dass wir uns in Zukunft (leider nicht mehr in diesem Jahr) auch auf weitere neue Spiele freuen können, nicht nur auf Ports von Wii U-Titeln.
Nicht für mich persönlich, aber in Hinblick auf die Erfolgschancen der Nintendo Switch, waren dies wohl die Hammer-Ankündigungen der E3.
Negativ:
Wie Sie sehen, sehen Sie nichts… Wofür waren diese Ankündigungen nun wirklich ein Indikator? Dafür, dass Nintendo-Fans das bekommen, was sie sich wünschen? Oder doch dafür, dass Nintendo zu wenig zu bieten hat und darum mit Zukunftsmusik darüber hinwegtäuschen will? Wann diese Titel erscheinen werden, ist noch nicht klar. Erwartet uns ein neues Breath of the Wild? Werden wir nun Jahr für Jahr mit Fortschrittsberichten bei Laune gehalten oder geht es vielleicht doch schneller als vermutet? Das Fehlen von Bildern und weitergehenden Informationen deutet jedenfalls nicht darauf hin, dass wir es uns in unserer Vorfreude zu gemütlich machen sollten, denn sie muss noch lange halten. Seien wir ehrlich: Nintendo hätte ebenso gut sagen können: „Ein neuer Zelda-Titel für Nintendo-Switch ist in Produktion!“ Aber diese Ankündigung spart man sich wohl für das nächste Jahr auf. Das soll den Fans allerdings nicht die Stimmung vermiesen – freut euch auf zwei wahrscheinlich tolle Spiele!
Positiv:
Nach der Pokémon-Direct hätte wohl kaum jemand damit gerechnet: Ein neuer Ableger der Hauptreihe erscheint für Nintendo Switch. Man muss sich nur ansehen, wie viele leidenschaftliche Fans es gibt, um zu begreifen, dass dies die Hardware-Verkäufe beachtlich ankurbeln wird. Dieses Spiel sichert die Zukunft der Hybrid-Konsole und macht sie für andere Hersteller damit noch viel interessanter. Zudem wird es spannend sein zu sehen, was GAME FREAK optisch und allgemein technisch aus dem Titel macht, der traditionell auf rein mobilen Konsolen zu finden ist und darum jetzt in neuem Glanz erstrahlen könnte. Noch größer waren die Jubelschreie, als Metroid Prime 4 enthüllt wurde. Dies ist Nintendos Antwort auf die Sehnsüchte und Wünsche vieler Fans, die nun allem Anschein nach genau das bekommen, was sie sich schon lange wünschen – das ist keine Selbstverständlichkeit…
In den Augen vieler Betrachter war Rocket League wohl nur eine Randnotiz, für mich persönlich aber das Spotlight-Highlight! Ich kenne das Spiel von der PlayStation und freue mich wahnsinnig auf die Nintendo Switch-Version. Und niemand lächelt hübscher als die Rabbids.
Negativ:
Es ist schon bezeichnend, dass Rocket League mein Third Party-Highlight dieser E3 ist. Wir reden von einem relativ kleinen Titel, der schon seit gefühlten Ewigkeiten bei der Konkurrenz erhältlich ist. Das zeigt im Endeffekt, dass Nintendo es bisher nicht geschafft hat, andere Firmen wirklich von ihrer neuen Konsole zu überzeugen. Wir erhalten ein paar vorsichtige Test-Veröffentlichungen von Herstellern, die seit der Wii-Ära Abstand von Nintendo halten. Die Rechnung bleibt im Grunde einfach: Solange Nintendo technisch nicht auf Augenhöhe mit der Konkurrenz ist, lohnen sich Umsetzungen nur, wenn die Verkaufszahlen stimmen. Da sind die Wirtschaftsunternehmen natürlich vorsichtig und abwartend. Immerhin verkauft sich Nintendo Switch bisher gut, wir müssen die Hoffnung also nicht aufgeben. Trotzdem: So etwas wie einen Vertrauensvorschuss der Dritthersteller gibt es so gut wie nicht – das hat uns die E3 klar gezeigt! Ubisoft mag eine Ausnahme darstellen, aber auch sie schicken weder Assassin's Creed noch Watch Dogs ins Rennen, sondern erhalten für ihre Unterstützung ein Privileg, von dem andere Hersteller nur träumen können: Sie dürfen sich mit dem großen Namen Mario schmücken.
Positiv:
Für ein kleines Autoball-Spiel hat Rocket League ziemlich viele Fans. Auch im ntower-Team gab es viele Begeisterungsrufe bei der Ankündigung. Hier wurden wir wirklich einmal überrascht, und das auch noch positiv. Alle anderen Ankündigungen der Präsentation schwankten zwischen „wusste ich schon“ und „überrascht mich nicht“, aber Rocket League repräsentiert das, was ich mir von der Nintendo Switch auch in Zukunft wünsche: tolle Spiele, die Kreativität und Frische liefern und auch für Nintendo-Hardware umgesetzt werden, obwohl sie auf anderen Plattformen Erfolg haben. Natürlich sind auch Exklusivtitel von Drittherstellern willkommen, darum können wir uns sehr über das Zusammentreffen von Mario und den Rabbids freuen. Ubisoft zeigt einmal mehr, dass sie bereit sind, neue Konsolen von Anfang an mit Software auszustatten.
Zuletzt hat Nintendo die Highlights serviert, auf die wir uns tatsächlich freuen können – also tatsächlich noch in diesem Jahr.
Negativ:
Nein, ganz ehrlich kann ich hier nichts wirklich Negatives schreiben. Ich könnte anführen, dass auch diese Titel bekannt und nicht überraschend waren, aber diesen Punkt habe ich ja bereits erwähnt und möchte ihn nicht unnötig überstrapazieren.
Positiv:
Darauf haben die Fans gewartet und davon wollten sie mehr sehen. Mario und Zelda sind die Spaßgaranten für unzählbar viele Fans, mich eingeschlossen. Eine Verlängerung des hochgelobten Breath of the Wild ist uns sicher mehr als willkommen. Und Mario – was soll man da noch sagen? Auf ein „echtes“ 3D-Mario im Stile von Super Mario 64 warte ich (und da bin ich wahrlich nicht der einzige) seit Jahrzehnten. Super Mario Odyssey verspricht, diesen Wunsch zu befriedigen und die gezeigten Spielszenen verdeutlichen, dass eine ganze Menge Kreativität und Abwechslung im Spiel steckt. Dieses Weihnachtsgeschäft verspricht ein großer Erfolg zu werden. Mit Mario kommt auch der letzte Nintendo-Fan nicht mehr am Kauf der Nintendo Switch vorbei.
Tja, ist das Glas nun halbvoll oder halbleer? Alles hängt sicher von den persönlichen Erwartungen ab. Ich habe mir einige bedeutende Ankündigungen von Drittanbietern erhofft, vielleicht ein neues Donkey Kong-Spiel, die Enthüllung des Projekts der Retro Studios und eine ganz neue Nintendo-IP, die vielleicht etwas mehr in die „erwachsene“ Richtung geht (und damit meine ich keine Ballerspiele, sondern vielleicht mal einen Helden jenseits der bunten Knuddeloptik). Nach diesen Maßstäben kann man nur enttäuscht sein. Andererseits wurde ich sehr positiv überrascht von Rocket League, kann nun einem sehr vielversprechenden Super Mario Odyssey entgegenfiebern und erwarte einige Spiele wie FIFA, Yoshi und Kirby, die mich vielleicht nicht umhauen, aber doch sicherlich bestens unterhalten werden. Wer zudem noch Fan von Xenoblade, Metroid und Pokémon ist, wird mit einem großen Lächeln auf die E3 zurückblicken. Etwas Geduld muss man mitbringen, aber das ist bei großen Spielen ja immer so. Eines ist jedenfalls sicher: Die Breite sehr guter Nintendo Switch-Titel wird in den kommenden Monaten immer weiter anwachsen. Man darf einfach nicht erwarten, dass Top-Titel wie GTA & Co. umgesetzt werden, aber davon abgesehen ist Nintendo auf einem guten Weg.