Ein Recke auf der Suche nach Neuem
“Noch kann man nicht abschätzen, welchen Umfang und welche Qualität das noch ausstehende DLC-Paket bieten wird – sollte dieses grandios ausfallen, so sind die Inhalte dieses ersten Pakets lediglich als eine nette Dreingabe zu verstehen und meine Kritik würde deutlich an Gewichtung verlieren. Die Erwartungen sind hoch – nach diesem sehr schwachen, ersten Inhalts-Update sollten sie das wohl auch sein. Von den berechneten 20 Euro sind wir aktuell noch weit entfernt.“
Mit diesen Worten brachte ich meine Kritik zum ersten DLC-Paket für The Legend of Zelda: Breath of the Wild, welches im vergangenen Sommer erschien, zu einem Abschluss. Lange an den Bildschirm fesseln, nachdem etliche Spieler zuvor bereits über hundert Stunden in Hyrule verbracht hatten, konnte die erste Erweiterung ihrer Zeit nicht. Bereits zur Ankündigung der zusätzlichen Inhalte für Breath of the Wild war allerdings klar, worauf der Fokus liegen würde – so sollte die zweite Erweiterung eine neue Handlung mitsamt eines neuen Dungeons bieten. Nun, und hier ist sie – die Ballade der Recken. Wer der Meinung sei, das postapokalyptische Hyrule in Links neuestem Abenteuer habe zu wenig Schreine geboten, der kommt mit der Ballade der Recken voll auf seine Kosten. Viele andere Fans des Spiels, einschließlich mir, dürften sich allerdings etwas anderes vorgestellt haben.
Beginnen wir mit den Rahmenbedingungen: Die gleichnamige Quest-Reihe der Ballade der Recken wird freigeschaltet, sobald man alle Titanen des Hauptspiels bewältigt hat. Zelda, die nach ihrem hundertjährigen Kampf eigentlich bereits kaum mehr Kraft übrig haben sollte, nimmt sich wieder einmal die Zeit, um telepathisch mit Link in Kontakt zu treten und ihm mitzuteilen, dass er sich zwar bereits als Held bewähren konnte, es aber noch eine viel größere Kraft gebe, die ihm bei seinem letzten Kampf gegen Ganon helfen könnte. Das konnten Impa und der König von Hyrule, die zu Beginn des Spiels lediglich das Erwecken der Titanen als notwendig betrachtet hatten, natürlich im Vorfeld nicht wissen. Um also nicht darum herum zu reden: Selbst innerhalb der recht simplen Rahmenhandlung, die dem Spieler im Verlauf von Breath of the Wild präsentiert wird, macht die Ballade der Recken von Beginn an wenig Sinn und die zusätzliche Quest-Reihe, die nach dem eigentlichen Hauptziel des Spiels gestartet wird, wirkt fast schon wie gezwungen ins Spiel gequetscht. Dies gilt dabei nicht für alles, was ihr im Zuge der etlichen Prüfungen im Rahmen der Ballade der Recken erlebt, sondern allem voran für die Ausgangssituation selbst. Die Befreiung der Titanen aus Ganons Klauen wird mit der euch erteilten, neuen Aufgabe regelrecht in den Schatten gestellt und untergraben – es fügt sich einfach nicht so richtig zusammen.
Doch zurück zum eigentlichen Vorhaben: Auf die Anweisung von Zelda hin begibt sich Link zurück zum Schrein des Lebens, in dem er zu Beginn des Spiels erwacht war. An diesem Ort beginnt Links erste Prüfung, mit dem schlussendlichen Ziel, ihn mit dem Steuern eines Titanen vertraut zu machen, wie es sich eigentlich für einen Recken gehört. Zwar gliedert sich auch dieser Aspekt nur sehr fragwürdig ins eigentliche Hauptspiel ein, da schließlich nur vier Titanen bei Ausgrabungen gefunden wurden, doch sollten wir auch über dieses Thema völlig hinwegsehen, denn die Auflösung dieses Mysteriums ist weit fragwürdiger, als das Mysterium selbst – ohne aber das Ende der Quest-Reihe vorwegnehmen zu wollen. Um dieses Ziel zu erreichen, werdet ihr euch nun einer Vielzahl an Prüfungen stellen müssen. Um das Ganze ins Deutsche zu übersetzen: Die nächsten Spielstunden lang werdet ihr damit beschäftigt sein, 16 Schreine in einer Art Marathon abzuklappern, während Spieler, die bereits alles andere im Hyrule von Breath of the Wild erlebt haben, verzweifelt nach Abwechslung (und mit überspringbaren, sich wiederholenden Dialogen) ringen werden.
Wenn ihr nun findet, dass sich das ziemlich monoton anhört, dann solltet ihr euch schon einmal darauf freuen, wie diese Prüfungen aufgezogen werden. Zunächst einmal startet die Ballade der Recken kreativ, wenn auch nicht innovativ. Fast schon in Anlehnung an den Beginn des Hauptspiels werdet ihr damit beauftragt, zu vier Punkten auf dem Plateau zu reisen – mit im Gepäck eine Schlagwaffe, die vom Spiel fälschlicherweise als “Schwert“ bezeichnet wird, obwohl es sich eindeutig um einen weihnachtlichen Kerzenhalter handelt. Dieser Haudegen vermag es, Feinde mit einem Schlag zu bezwingen – bis zu maximal zwei Schlägen könnt ihr allerdings austeilen, bevor sich jeder einzelne Angriff wieder einen kurzen Moment lang aufladen muss. Die Schwierigkeit dabei ist, dass ihr während der gesamten Mission auf dem Plateau lediglich ein viertel Herz zur Verfügung habt – mit dem Game Over-Bildschirm werdet ihr euch nun also vertraut machen können. So wandert ihr zu vier Punkten des Plateaus, entledigt euch dort aller Gegner und absolviert daraufhin je einen Schrein.
Um dieses Thema direkt einmal anzusprechen: Die neuen Schreine basieren teils auf netten Ideen, teils kombinieren sie allerdings auch nur nette Ideen von bereits in mehrfacher Ausführung gespielten Schreinen. Wirklich famos werden die Mini-Dungeons in der Ballade der Recken allerdings nie – lediglich ein augenzwinkernder Schrein, bei dem es den Entwicklern offenbar zum Scherzen zumute war, wird mir nachhaltig in Erinnerung bleiben, ansonsten gibt es die gewohnte Kost. Ob dies gut oder schlecht ist, hängt natürlich davon ab, wie viel Spaß ihr mit den Schreinen des Hauptspiels hattet.
Nach den ersten vier Schreinen auf dem Plateau werdet ihr zu vier Orten nahe der verschiedenen Titane geleitet. Hier beginnt einerseits der interessanteste, andererseits aber auch der monotonste Teil der neuen Quest-Reihe – die Monotonie macht sich vor allem dadurch bemerkbar, dass die vier verschiedenen Prüfungen, die je einem der verstorbenen Recken nachempfunden sind, exakt nach demselben Schema aufgebaut sind, samt einiger recycelter Elemente des Hauptspiels, was einen sehr fragwürdigen Eindruck hinterlässt. An besagten Punkten bekommt ihr je drei verschiedene Kartenausschnitte von Hyrule zu sehen, die euch den Weg zu je einem Schrein weisen. Dies wird von einer Ballade von Kashiwa unterstützt, der euch im Zuge von sich reimenden und glanzvoll ins Deutsche übersetzten Strophen drei Hinweise gibt, was ihr an diesen Punkten zu tun habt. Diese Aufgabenstellung ist mit den Schrein-Quests und der Suche nach Erinnerungen des Hauptspiels zu vergleichen, gestaltet sich allerdings lange nicht als so raffiniert oder schwierig. Die Aufgaben, die ihr an den jeweiligen Orten zu erledigen hat, erschließen sich euch meist auf den ersten Blick von weiter Ferne – notfalls streifen allerdings auch NPCs umher, die euch sehr präzise Hinweise geben. So bekämpft ihr beispielsweise größere Versionen der bekannten Oberweltbosse, schlittert auf euerm Schild Minispiel-artig durch mehrere Ringe oder schleicht erneut in die Yiga-Basis, um ein Artefakt zu stehlen. Wie ihr unschwer erkennen könnt, sind die Aufgaben mal mehr, mal weniger kreativ und wiederholen sich dafür, dass es nur zwölf dieser Aufgaben gibt, leider viel zu oft.
Als Belohnung für das Bewältigen einer solchen Prüfung winkt dann ein neuer Schrein – sobald ihr alle drei Aufgaben, die einem der Recken nachempfunden sind, erledigt habt, begebt ihr euch zum Titanen des Recken, um erneut dessen jeweiligen Boss des Hauptspiels zu bekämpfen. Zwar macht dies keinerlei Sinn und stellt die dreisteste Art von Recycling dar, doch immerhin verlaufen die Bosskämpfe selbst etwas anders, als ihr dies in Erinnerung habt. Die Bosse sind zwar unverändert, jedoch besitzt ihr lediglich strikt vorgegebene Ausrüstungsteile, während ihr die Kämpfe bestreitet. So könnt ihr auf keine Waffen zurückgreifen, die aus dem jeweiligen Boss einen Spaziergang machen oder euch beliebig oft mit Nahrungsmitteln heilen, was zur Folge hat, dass eure Strategie eurer Ausrüstung angepasst werden muss – und eure Ausrüstung wurde dabei sehr gut von den Entwicklern durchdacht.
Anschließend kommen wir zum Story-Teil, von dem viele Spieler dachten, er würde bei der Ballade der Recken im Fokus stehen. Nach jedem der besiegten Bossgegner präsentiert euch Kashiwa die vollständige Ballade des jeweiligen Recken. Diese Balladen läuten schlussendlich eine Zwischensequenz ein, durch die wir erfahren, wie sich die Recken gegenüber Prinzessin Zelda dazu bereiterklärt haben, ihren neuen Titel mitsamt allen Verpflichtungen anzunehmen. Diese Zwischensequenzen sind allesamt toll, geben uns einen besseren Eindruck der Persönlichkeiten von Mipha, Urbosa, Revali und Daruk, doch vor allem stellen so ziemlich das beste dar, was die Zelda-Reihe auf cineastischer Ebene bislang geboten hat. Natürlich gibt es allerdings auch hier ein zu bedenkendes “aber“: In der Ausrichtung des gesamten Spiels ergeben diese Zwischensequenzen keinerlei Sinn. Lasst mich dazu ein wenig ausholen.
Die Zwischensequenzen machen allesamt Spaß und vermitteln euch ein glaubhaftes Gefühl der Charaktere.
The Legend of Zelda: Breath of the Wild gelingt es besser als jedem Serienteil zuvor, dass ihr euch als Spieler wirklich mit Link identifizieren könnt – dass “Link“ die Verbindung und Schnittstelle zwischen dem Spieler und Hyrule darstellt. Link erwacht, seiner Erinnerungen beraubt, im Schrein des Lebens und wie er selbst habt auch ihr zu Beginn nicht die geringste Ahnung, was in Hyrule vorgeht bzw. vorgegangen ist. Nach und nach, beispielsweise wenn er sich an Schlüsselorten seiner Vergangenheit befindet, kehren seine Erinnerungen allerdings bruchstückhaft wieder zu Link zurück – auf diese Art erhaltet auch ihr als Spieler einen Einblick in das, was vor 100 Jahren geschehen ist. Vom Anfang bis zum Ende eurer Reise wisst ihr stets genau so viel, wie Link selbst. In der Ballade der Recken wird mit dieser elementaren Designentscheidung gebrochen. Ihr erhaltet einen Einblick in Geschehnisse, von denen Link nichts weiß und auch nichts wissen kann. Von einer Ausnahme abgesehen handelt es sich bei den Sequenzen in der Ballade der Recken nicht um Erinnerungen, sondern um schlichte Filmchen aus der Vergangenheit, die ohne einen Zusammenhang mit dem Spielgeschehen gezeigt werden. Dadurch funktionieren die Sequenzen selbst zwar nicht weniger gut, sie reißen den Spieler allerdings auch aus dem Geschehen und aus der Rolle von Link. Dadurch wird eine große Stärke von Breath of the Wild untergraben – und dies beschreibt das zweite DLC-Paket auch in seiner Gänze betrachtet leider ziemlich treffend.
Im Hauptspiel stellen die Schreine und oftmals dazugehörige Schrein-Quests einen Teil eines größeren Ganzen dar, das zuletzt völlig gerechtfertigt zum Spiel des Jahres gekürt wurde. Die Klasse des neuesten Zelda-Ablegers ist das Zusammenspiel von diversen Elementen, die gerade in ihrer Symbiose hervorragend funktionieren. In der Ballade der Recken hat man das Gefühl, die Entwickler hätten große Teile von dem, was Breath of the Wild auszeichnet, kurzerhand vergessen – die Schreine stellen hier keinen Kontrast zum Erkunden einer riesigen und naturbelassenen Welt dar, sie dienen dem reinen Selbstzweck. So mangelt es der neuen Quest-Reihe vor allem Spielern, die bereits alles andere in Hyrule erledigt haben, enorm an Abwechslung, die die Schreine selbst eigentlich darstellen sollten. Keine der Aufgaben erweckt das Gefühl, in das stimmige Gesamtbild des zerstörten Hyrules zu passen. Alles wirkt, als sei es nach einem fast schon mathematischen Schema ins Spiel integriert worden, obwohl es dort eigentlich gar nicht hingehört.
Was es mit diesem coolen Gefährt auf sich hat, solltet ihr natürlich selbst herausfinden. Hyrule ist jedenfalls ein wahres Biker-Paradies.
Zum Ende hin bietet die Ballade der Recken allerdings noch eine Spielerfahrung, die bereits im Hauptspiel für sich alleine stehend bestens funktioniert hat: Einen neuen Titanen, der bereits im Vorfeld als neuer Dungeon beworben wurde. Über dessen Kontext will ich nicht mehr vorwegnehmen als zu Beginn dieser Kritik, weshalb ich nun lediglich auf den spielerischen Aspekt dieser letzten Prüfung eingehe: Dieser Titan verlieh mir zumindest das Gefühl, dass er all die Mühe in Form des Abklapperns diverser Schreine wert war. Wie gewohnt bekommt ihr es hier mit einer besonderen Mechanik zu tun, auf die ihr mithilfe der Karte des Titans zugreifen könnt. Diese frische Mechanik ist kreativ in die diversen Rätsel des Titans integriert und im Gegensatz zu den meist sehr simplen Schrein-Rätseln müsst ihr hier all euer Wissen rund um die verschiedenen Module des Shiekah-Steins anwenden. Etwas schade ist hierbei, dass die meisten komplexen Rätsel des Titans sehr voneinander losgelöst sind, doch erinnerte mich dieser Dungeon einmal mehr daran, wie viel Spaß ich mit den Titanen des Hauptspiels hatte – allen voran Vah Naboris und Vah Ruta, an deren Klasse der neue Titan nicht ganz herankommt.
Zuletzt sollten wir uns nun noch einmal der Preisfrage stellen. Ob der Erweiterungspass für Breath of the Wild nun sein Geld wert ist oder nicht, das muss letztlich jeder für sich selbst entscheiden – auf dem Papier wird einiges geboten, so kommt die Ballade der Recken natürlich ebenfalls wieder mit neuen Rüstungsgegenständen in Anlehnung klassischer Zelda-Titel daher, die es zu suchen gilt. Für nur einen der Inhalte, sei es die Ballade der Recken, der Master-Modus oder die Prüfung des Schwertes, dürfte sich der Preis jedenfalls nicht lohnen. Wenn ihr allerdings am Gesamtpaket interessiert seid und ihr einfach Lust darauf habt, euch nochmals neuen Herausforderungen in Breath of the Wild zu stellen, ohne, dass ihr dabei allzu anspruchsvoll seid, dann könnt ihr mit dem Erweiterungspass wohl nichts falsch machen. Tut euch lediglich selbst den Gefallen und schraubt eure Erwartungen weit herunter, ehe ihr die Ballade der Recken angeht.