Kein Ende in Sicht – Das Problem mit Spielen, die einfach nicht aufhören Kommentar Spezial
Geschrieben von Philipp Pöhlmann am 25.11.2023
Kennt ihr das auch? Seit einiger Zeit fällt es mir immer schwerer, mich für Spiele, die augenscheinlich eine ganze Menge Zeit in Anspruch nehmen, überhaupt aufzuraffen. Denke ich an meine Kindheit und Jugend zurück, als ich noch ohne Schwierigkeiten eine dreistellige Stundenzahl in einen einzigen Titel stecken konnte, sei es um den gesamten Pokédex in diversen Pokémon-Titeln zu vervollständigen oder meinen fünften Charakter in einem MMORPG auf die höchste Stufe zu leveln, kann ich nicht anders, als mich über mich selbst zu wundern. Zugegeben, in meiner Kindheit konnte ich nicht einfach losziehen und mir jedes beliebige Spiel, das mich anlachte, einfach kaufen. Allein durch die Tatsache, dass es neue Spiele in der Regel nur alle paar Monate zu bestimmten Feiertagen geschenkt gab, fand ich äußerst viele Anreize, um möglichst viel aus jedem einzelnen Titel herauszuholen. Aber dennoch komme ich einfach nicht umhin, mir bei vielen aktuellen Spielen die Frage zu stellen, ob dieselbe Erfahrung nicht in auch in einen wesentlich geringeren Umfang hätte gepackt werden können – oder anders herum: ob Entwickler ihre Spiele unnötig strecken, um uns länger als uns eigentlich lieb ist, an den Bildschirm zu fesseln. Im Folgenden möchte ich daher ein wenig über gelungene Spiele, die ich in den letzten Jahren spielen durfte, sowie über ein paar Exemplare, die meiner Meinung nach einfach nicht wissen, wann Schluss ist, berichten.
Dank schneller Fortbewegung kann Samus in vielen Metroid-Titeln nur so durch die Spielwelt rauschen
© Nintendo
Eines meiner absoluten Lieblingsgenres sind Metroidvania-Spiele, von denen ich schon zahlreiche durchgespielt habe. Meinen Weg in dieses Genre fand ich – wie vermutlich viele andere Nintendo-Fans auch – über die Metroid-Reihe, welche sich seit jeher durch eine überschaubare Gesamtlänge auszeichnet. Erfahrene Spieler motiviert sogar Nintendo selbst, die Titel als Speedrunner in möglichst kurzer Zeit durchzuspielen, um geheime Artworks am Ende freizuschalten, was Nintendo sonst eher selten bei anderen Spielen in den Fokus rückt. So konnte mich zum Beispiel das 2021 erschienene Metroid Dread wieder voll und ganz in seinen Bann ziehen. Als Metroid-Veteran konnte ich das Spiel bei meinem ersten Durchlauf in unter zehn Stunden abschließen und war nicht enttäuscht. Im Gegenteil: Während so manch anderes Spiel mit gewaltigen Welten, die euch Dutzende Stunden in ihren Bann ziehen wollen, lockt, ist es gerade die kompakte und trotzdem verzweigte Welt sowie das äußerst gelungene Pacing zwischen Erkundung und hektischen Bosskämpfen, welches Dread zu meinem bisherigen Lieblings-2D-Metroid macht. Und nicht nur das: Anders als bei anderen Titeln geht das Konzept mit der Speedrun-Herausforderung bei mir voll und ganz auf. Seit der Veröffentlichung habe ich Metroid Dread bereits mehrfach durchgespielt und meine Bestzeit dabei jedes Mal unterboten. Da konnte beispielsweise Afterimage, welches ich erst dieses Jahr für ntower testen durfte, nicht mithalten. Obwohl ich mich sehr auf den Titel gefreut hatte, war es letztendlich die viel zu große und verwirrende Welt, in der man sich gut und gerne mehrere Stunden verlaufen kann, ohne dabei jeglichen Fortschritt zu erzielen, die mich das Spiel vermutlich kein zweites Mal anfassen lässt.
Aus Entwicklersicht sind Sequels mit Sicherheit immer ein heißes Eisen, möchte man doch den Vorgängertitel am liebsten in allen Facetten übertrumpfen. Doch leider gelingt es nicht immer, dieses Ziel auch zu erreichen. Nintendo gelang dies erst kürzlich mit dem neusten Auftritt ihrer niedlichen Pflanzenwesen in Pikmin 4, welches ich förmlich verschlungen habe. Ja, ich habe den Titel für unseren Test durchgespielt, aber ich konnte jede einzelne Minute genießen. Nicht nur bietet der vierte Teil noch einmal deutlich größere und detailreicher gestaltete Welten als sein mittlerweile schon zehn Jahre alter Wii U-Vorgänger, sondern schaffte es auch, bis ganz zum Ende immer wieder neue Umgebungen und Gegner zu präsentieren. Obwohl gerade die erste Hälfte des Spiels sehr einsteigerfreundlich und nicht sonderlich herausfordernd gestaltet wurde, überzeugen vor allem der späte Spielinhalt sowie die zusätzlichen Inhalte neben der Hauptmission durch einen auch für Veteranen ansprechenden Schwierigkeitsgrad. Ironischerweise war es ein weiteres, noch viel heißer ersehntes Sequel aus dem Hause Nintendo, welches mich dieses Jahr nicht so sehr abgeholt hat wie dessen Vorgänger. The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom konnte mich nicht annähernd so lange an den Bildschirm fesseln wie The Legend of Zelda: Breath of the Wild, welches ich bereits mehrfach zu 100 % durchgespielt habe – inklusive aller Krogsamen und auch trotz goldenem Belohnungshäufchen. Während mich der Nintendo Switch-Launch-Titel mit an allen Ecken und Enden zu entdeckenden Geheimnissen in seinen Bann ziehen konnte, schwächelt der Nachfolger hier gewaltig. Voller Vorfreude stürzte ich mich vor allem in den Untergrund und stieg in den Himmel empor, um die beiden neuen „Schichten“ der Welt von Hyrule bis in die letzten Winkel zu erkunden. Doch genau hier fällt das Weltdesign à la Copy & Paste so sehr auf wie nie zuvor. Wie oft zählt ihr die kreuzförmige Himmelsinsel mit der Katapultvorrichtung im Zentrum, bei der ihr jedes Mal den Segen-Schrein öffnet, indem ihr den Kristall von einer benachbarten Insel herankarrt? Oder findet ihr auch, dass der Untergrund jeglichen Reiz verliert, sobald die letzte Lichtwurzel aktiviert und die Finsternis vollständig vertrieben wurde? So faszinierend die Aussicht auf eine Spielwelt, die um zwei zusätzliche Ebenen erweitert wurde, auch klingen mag, so enttäuschend ist das Ganze am Ende, wenn diese beiden neuen Ebenen nicht einmal ansatzweise mit dem Charme des alten Hyrule konkurrieren können.
Wenn aus Hack and Slash plötzlich ein Rhythmusspiel wird: Bayonetta 3 wirft euch immer wieder in unterschiedliche Genres
© Nintendo / SEGA
Was macht nun also ein Spiel mit der perfekten Länge aus? Zunächst einmal kann ich gleich vorwegnehmen, dass sich diese nicht in Stunden ausdrücken lässt. Für mich ist es spielerische Abwechslung, die mich stets bei Laune hält und keine Monotonie aufkommen lässt. Positive Beispiele aus den vergangenen Jahren sind mir gerade aufgrund ihrer Abwechslung und innovativen Ideen im Gedächtnis geblieben. Da wäre beispielsweise Bayonetta 3, welches von der ersten bis zur letzten Minute ein Feuerwerk kreativer Ideen zündet und selbst in dem absurden Kosmos von Bayonetta noch immer eine weitere verrückte Idee bereithält. Leider kam das Konzept, welches euch abwechselnd in klassisches Bayonetta-Gameplay, den veränderten Kampfstil von Neuzugang Viola sowie 2D-Stealth-Passagen aus der Sicht von Jeanne schlüpfen lässt, nicht bei allen gut an. Vor allem diejenigen, die eigentlich nur mehr von dem, was die beiden Vorgängertitel geboten hatten, spielen wollten, reagierten auf den ständigen Wechsel im Gameplay teils genervt. Ich für meinen Teil habe zuvor und auch seitdem kein anderes Spiel gespielt, welches mir konstant so viel Abwechslung wie das dritte Abenteuer der Umbra-Hexe bieten kann. Und auch wenn es noch ganz frisch auf dem Markt ist und sich noch zeigen muss, ob es mir langfristig in Erinnerung bleiben wird, konnte mich auch Super Mario Bros. Wonder durch seine Vielfalt an Kreativität überzeugen. Der neuste 2D-Mario-Ableger ist tatsächlich der erste, den ich mir direkt zum Release gegönnt habe, und besticht nicht nur durch angenehm frische Ideen, sondern auch durch zahlreiche Level, welche für meine Verhältnisse genau die richtige Länge haben, um diese Ideen in den Fokus zu rücken. Sowohl die vielseitigen Abzeichen als auch die skurrilen Wunder-Effekte bringen frischen Wind in eine Spielreihe, an der ich nach der Veröffentlichung der Super Mario Maker-Titel und den von Fans erschaffenen Meisterwerken im Leveldesign eigentlich kaum mehr Erwartungen hatte. Und auch hier zeigt sich: Ein Spiel muss nicht übertrieben in die Länge gezogen sein, um zu einer wahrhaft einzigartigen Erfahrung zu werden. Im Gegenteil – Spiele, die unendlich in die Länge gezogen werden, dabei aber keinerlei Abwechslung bieten, finden bei mir in der Regel ein vorzeitiges Ende.
Hättet ihr mich vor ein paar Jahren nach meiner liebsten Spielreihe gefragt, hätte ich zweifelsohne mit Monster Hunter geantwortet. Was hat mich diese Reihe in ihren Bann gezogen, nachdem ich zu Zeiten der Nintendo Wii in irgendeiner Nintendo-Newssendung ein Spiel sah, in dem man permanent gegen gewaltige Monster kämpft, und es mir kurzerhand vorbestellte. Nicht nur verbrachte ich danach unzählige Stunden in Monster Hunter Tri sowie später Monster Hunter 3 Ultimate, sondern schnupperte auch in verschiedene ältere Titel der Serie und später dann in die Ableger für den Nintendo 3DS hinein, auch wenn mich der für meine großen Hände deutlich zu kleine Handheld von allzu langen Spielsessions abhielt. Daher freute ich mich wie ein gebratenes Steak auf die glorreiche Rückkehr der Reihe auf eine Nintendo-Heimkonsole mit Monster Hunter Rise.
Die „Quriose Ausrüstungs-Herstellung“ in Monster Hunter Rise: Sunbreak ist mir dann doch etwas zu kurios ...
© Capcom
Anfangs konnte mich der Titel voll und ganz in seinen Bann ziehen, so sehr sogar, dass ich der Veröffentlichung der Sunbreak-Erweiterung, die ich ebenfalls für ntower testen durfte, wie noch keinem DLC zuvor entgegenfieberte. Und auch die Erweiterung lieferte wieder ab und präsentierte uns eine der bis dato besten Monster Hunter-Erfahrungen. Doch dann kamen die kostenlosen Inhaltsupdates. Anders als im Hauptspiel, bei dem nur zusätzliche Monster sowie deren Ausrüstungsgegenstände nachgereicht wurden, gegen was ich natürlich absolut nichts auszusetzen habe, wurde im DLC mit jeder Welle an Updates ständig das gesamte Ausrüstungs- und Fähigkeitensystem auf dem Kopf gestellt. So sehr, dass ich es als ermüdend und schlichtweg sinnlos empfand, mich überhaupt noch mit dem Verbessern der eigenen Ausrüstung zu beschäftigen. Irgendwie werde ich bis heute das Gefühl nicht los, dass einige dieser Veränderungen nur zurückgehalten wurden, um Spielern möglichst lange neue und bahnbrechende Inhalte vorzugaukeln, letzten Endes war es aber genau das, was mich eher dazu bewegt hat, das Spiel irgendwann gar nicht mehr anzufassen.
Doch auch wenn es sicherlich zahlreiche Beispiele für DLC, der Spielerfahrungen um wahrlich besondere Erfahrungen erweitert, gibt, scheidet das Thema um die Zusatzinhalte, die sich manchmal gar nicht wie ein „Zusatz“ anfühlen, bekanntlich die Geister. Eine Diskussion über „unfertige“ Spiele, bei denen Käufer noch ein zweites oder gar drittes Mal zur Kasse gebeten werden, möchte ich an dieser Stelle jedoch nicht lostreten. Vielmehr stellt sich mir manchmal die Frage, wie sehr das krampfhafte am Leben Erhalten eines Spiels die Entwicklung echter Nachfolger verzögert. Das in meinen Augen skurrilste Beispiel aus dem Nintendo-Kosmos ist definitiv der Booster-Streckenpass für Mario Kart 8 Deluxe. Dieser kostenpflichtige Zusatzinhalt wurde 2022 zum Erstaunen vieler Mario Kart-Fans angekündigt und versorgte das 2017 veröffentlichte Spiel, welches selbst eine Erweiterung des drei Jahre zuvor veröffentlichten Wii U-Titels darstellt, in den vergangenen knapp zwei Jahren mit neuen Inhalten – die letzten davon wurden gerade erst im November dieses Jahres verfügbar. Auch wenn ich mit Mario Kart nicht sonderlich viel anfangen kann, kann ich durchaus den Frust vieler Fans verstehen, die sich statt eines DLCs für ein mittlerweile fast ein Jahrzehnt altes Spiel lieber ein brandneues Mario Kart 9 gewünscht hätten. Dieses wird wohl auf der Nintendo Switch nicht mehr an den Start gehen.
Wie seht ihr das – sprechen euch Spiele an, in die ihr unendlich viele Stunden stecken könnt, oder ärgert ihr euch auch über Titel, die eurer Meinung nach viel zu lang geraten sind?